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Neue Solidarität
Nr. 50, 10. Dezember 2020

Die Weltgemeinschaft nach Covid-19:
Eine neue Epoche der Menschheitsgeschichte!

Von Helga Zepp-LaRouche

Die Frage, die jeden denkenden Menschen beschäftigen sollte, ist die, wie die Weltgemeinschaft die Lehren aus der Erfahrung der Covid-19-Pandemie ziehen kann, und wie wir sicher stellen können, daß wir nie wieder so unvorbereitet von einer neuen, jederzeit möglichen Pandemie getroffen werden. Es sollte für jeden eine existentielle Frage sein, was wir ändern müssen, um Unterentwicklung und Armut zu überwinden, die jetzt viele Hunderte Millionen Menschen durch eine Hungerkatastrophe und die Pandemie bedrohen.

Es sind sich auch eine ganze Reihe von vernünftigen Menschen, darunter durchaus auch Ökonomen, einig, daß viele asiatische Staaten nicht nur die Pandemie viel besser eindämmen konnten als der Westen, sondern insbesondere China auch bereits im dritten Quartal 2020 schon wieder ein Wirtschaftswachstum von 4,9 Prozent erreichen konnte, während die USA und die europäischen Staaten einen Rückgang von um die zehn Prozent zu verzeichnen hatten. Der Motor für die Weltwirtschaft liegt klar in Asien, vor allem, nachdem am 15. November 15 asiatische Nationen, die ungefähr ein Drittel der Weltbevölkerung und der globalen wirtschaftlichen Produktion repräsentieren, nach acht Jahren Verhandlung mit der Unterzeichnung der Regionalen Umfassenden Wirtschaftspartnerschaft (Regional Comprenhensive Economic Partnership RCEP) einen beachtlichen Durchbruch erzielt haben. Die RCEP ist nicht zuletzt ein Erfolg für China, insofern es US-Außenminister Pompeo nicht gelungen ist, die Länder Asiens von der Kooperation mit China abzubringen.

Der italienische Ökonom und ehemalige Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Michele Geraci erkannte und erläuterte sofort die wirtschaftlichen Vorteile, die sich für europäische Firmen ergeben, wenn sie z.B. in einem Mitgliedsland der RCEP investieren und dann in einem Dreieckshandel zollfrei in die anderen 14 RCEP- Staaten exportieren können: Europäische Firmen können so an der größten Wachstumszone der Welt partizipieren. Dies gilt natürlich emphatisch auch für deutsche Firmen, für die expandierende Märkte essentiell sind.

Aber diese Erkenntnis muß sich in Deutschland erst noch einstellen.

Wenn jemand haarsträubenden Unsinn im privaten Kämmerlein erzählt, dann ist das allein seine Sache. Wenn er dies hingegen auf den Seiten einer Tageszeitung tut, die die Meinung zumindest eines Teils der Bevölkerung beeinflußt, dann erfordert dies einen öffentlichen Kommentar. Was Professor Thomas Straubhaar von der Universität Hamburg in Die Welt unter der Überschrift „Chinas neue Weltordnung gefährdet Deutschlands Wirtschaftsmodell“ an ideologisch überfrachteten Vorstellungen von sich gibt, gehört eindeutig zur zweiten Kategorie. Der Artikel könnte in jeder Vorlesung als Demonstration für die Unfähigkeit dienen, mit der reduktionistischen Methode zu richtigen Erkenntnissen zu kommen. Er schreibt doch tatsächlich: „Stein um Stein fügen sich die einzelnen Stücke der chinesischen Politik zu einem stimmigen Mosaik. Klar zum Vorschein kommen die Konturen einer neuen Welt(wirtschafts)ordnung, die von Peking diktiert und dominiert wird. Was erkennbar wird, sollte in Deutschland alle Alarmglocken schrillen lassen.“

Was der Professor, den wir fortan aus gegebenem Anlaß „Sträubhaar“ nennen wollen, hier aus den Einzelelementen, den Mosaiksteinen, meint ableiten zu können, ist völlig ahistorisch und zweidimensional, gewissermaßen im euklidischen Raum angesiedelt. Und so verwandeln sich die „Mosaiksteine“ schnell in „Dominosteine“, wie z.B. Hongkong, das als erstes in Pekings Hände zu fallen drohe.

Der geschichtliche Hintergrund, daß Hongkong die Beute des Britischen Empires bei den Opiumkriegen war, und daß heute Kräfte dieses Empires, wie z. B. die Henry Jackson Society in London oder das National Endowment for Democracy, ziemlich unverhohlen in die schon lang andauernde Versuche involviert sind, in Hongkong eine Farbrevolution zu initiieren – solche „Konturen“ erschließen sich ihm nicht zu einem „stimmigen Mosaik“. Aber vielleicht könnte es der Professor ja bezüglich Taiwans verstehen, daß Frau Merkel es auch nicht so berauschend fände, wenn Rußland z. B. Waffen an Bayern lieferte, um die dortigen Gebirgsjäger für den bewaffneten Konflikt mit der Bundeswehr auszurüsten?

Sträubhaar schreibt weiter: „Mit seiner ,Belt and Road Initiative’ will Peking nichts weniger als einen eurasischen Wirtschaftsraum vom Gelben Meer an der Ostküste Chinas bis an die europäischen Felsklippen des Atlantik schaffen, der auch nach Afrika ausstrahlt.“ Da ist es: das ultimative Verbrechen! China wagt es das zu tun, was Leibniz seit dem 17. Jahrhundert vorgeschlagen hat, daß die beiden Zivilisationen an den entlegensten Polen Eurasiens, Europa und China, die Region, die zwischen ihnen liegt, entwickelt! Ein Wirtschaftsraum, der ganz Eurasien einschließt und auch noch nach Afrika „ausstrahlt“ – das droht natürlich das „deutsche Wirtschaftsmodell bis ins Mark zu treffen und zu zerstören“. Nicht, wenn das deutsche Wirtschaftsmodell darin besteht, wachsende Märkte und reicher werdende Kunden zu befördern! Aber vielleicht schon, wenn dieses Modell darin besteht, Wirecard-Transaktionen über viele Jahre zu beschützen, dann sind natürlich Investitionen in Infrastrukturprojekte eine riesige Gefahr, weil sie all die schöne Liquidität auf viele Jahre absorbieren, mit denen man so herrlich spekulieren könnte!

Tatsache ist, daß China mit seinen Infrastrukturinvestitionen in Afrika und anderen Teilen des Entwicklungssektors nicht nur seine Interessen verfolgt, sondern auch diesen Ländern zum ersten Mal die Chance gibt, die Hinterlassenschaften der Kolonialzeit zu überwinden. Anstatt Afrika durch Investitionen wirklich aus der Armut zu befreien, setzt die EU offensichtlich lieber Frontex bei den sogenannten „Pushback“-Operationen ein, um Flüchtlinge, die versuchen, über das Mittelmeer nach Europa zu kommen, wieder zurückzutreiben, wofür ihre Mitarbeiter sich jetzt vor Gericht verantworten müssen.

Das heutige deutsche Geschäftsmodell wird nicht durch Chinas Fokus auf Innovation bedroht, sondern durch die selbstzerstörerische Ideologie des Green Deal der EU, durch den Industriezweige im Hochtechnologiebereich, für deren Produktion eigentlich hohe Energieflußdichten notwendig sind, gezwungen werden, auf kostspielige alternative Varianten umzurüsten. Während China auf Investitionen in Kernenergie und vor allem die Kernfusion setzt – soeben wurde die Installation des HL-2M-Tokamak-Fusionsreaktors in Chengdu abgeschlossen und damit die Voraussetzung für das Testen aller Systeme und Komponenten geschaffen –, verpraßt man in Deutschland Forschungskapazitäten für alles, was grün und damit produktivitätssenkend ist.

Und schließlich schreibt Professor Sträubhaar: „Entschlüsselt man das chinesische Mosaik“, (offensichtlich kann er von seiner reduktionistischen Denkmethode nicht lassen), „offenbart sich das endgültige Ende einer amerikanischen Welt(wirtschafts)ordnung, die mehr als siebzig Jahre Gültigkeit hatte und die Europa und ganz besonders Deutschland einen niemals für möglich gehaltenen Wirtschaftserfolg verschaffte.“ Auf die Idee, daß der chinesische Aufstieg automatisch den amerikanischen Niedergang bedeutet, kann man nur kommen, wenn man die Welt als Nullsummenspiel versteht. Und so bleibt ihm dann auch nur die verzweifelte Alternative, sich für die eine oder die andere Seite zu entscheiden und damit entweder China zum Erzfeind zu machen, oder den militärischen Schutzschild der USA zu verlieren.

Eine optimistischere Perspektive

Neben der geopolitischen Konfrontation, die zwangsläufig in die Thukydides-Falle und damit im Zeitalter thermonuklearer Waffen zur Vernichtung der Menschheit führt, gibt es jedoch eine sehr viel optimistischere Perspektive. Wir könnten auch aus der Tatsache, daß das neoliberale Modell das Gesundheitssystem des Westens so unvorbereitet auf die Pandemie gelassen hat, während China und andere asiatische Staaten sehr viel besser damit umgehen konnten, den Schluß ziehen, daß wir von China und Asien lernen können. China hat soeben sein Ziel für 2020 erreicht, im ganzen Land die extreme Armut zu überwinden.

Wir könnten in Deutschland und den anderen europäischen Nationen die grüne Diktatur der EU-Bürokratie abschaffen, das ursprüngliche deutsche Geschäftsmodell, daß auf wissenschaftlichem und technologischen Fortschritt basierte, wieder einführen, und auf das Angebot Chinas eingehen, mit der Neuen Seidenstraßen-Initiative bei der Industrialisierung Afrikas, Südwestasiens und des Balkans zu kooperieren. Damit würden wir für Hunderte Millionen von potentiellen Flüchtlingen die Voraussetzungen schaffen, ihre Heimatländer mit aufzubauen, statt ihr Leben auf der Flucht zu riskieren. Wir würden zudem wachsende Märkte mit einigen Milliarden Menschen mit wachsender Kaufkraft schaffen, was auch eine langfristige Perspektive für die deutsche Wirtschaft eröffnen würde.

Auch wenn den Menschen in Europa der Blick darauf durch die absolute Gleichschaltung der Mainstream-Medien verstellt ist, so ist es doch nicht ausgeschlossen, daß sich in den USA eine genuine Bürgerbewegung durchsetzt, die die amerikanische Verfassung und den Charakter der USA als Republik gegen die Machenschaften des militärisch-industriellen  Komplexes verteidigen kann. In diesem Fall würde die derzeitige antichinesische Hetze durch die Erkenntnis ersetzt, daß es nicht nur im Interesse der USA und Chinas liegt, sondern die beiden stärksten Ökonomien der Welt zusammenarbeiten müssen, wenn wir die „schlimmste humanitäre Krise seit der Gründung der UN“ und den akuten Hungertod von 270 Millionen Menschen abwenden wollen, vor dem der Chef des Welternährungsprogramms (WFP), David Beaseley warnt. Nur gemeinsam können wir die existentiellen Probleme der Menschheit, wie Hunger, Armut, Pandemien, Energie und Rohstoff-Sicherheit, Erdbeben-Vorwarnung und Asteroiden-Abwehr, um nur einige zu nennen, überwinden, was im Interesse unserer gesamten Gattung liegt.

Wir unterscheiden uns als Menschheit dadurch von allen anderen Lebewesen, daß unsere gesamte Existenz beweist, daß wir immer wieder kreative Lösungen für anscheinend ausweglose Konflikte erfinden konnten, weil wir auf der Ebene der Vernunft denken können. Dies bedeutet auch, daß es unserer Gattung zuzutrauen ist, eine zukünftige Ordnung des wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Zusammenlebens zu etablieren, die es erlaubt, daß wir uns auf die gemeinsamen Ziele der Menschheit konzentrieren, anstatt Ressourcen in Kriegen oder anderen aristotelischen Grabenkriegen zu verschwenden.

zepp-larouche@eir.de