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Neue Solidarität
Nr. 8, 20. Februar 2020

Verunsicherung bei der Sicherheitskonferenz:
Die Kriegspartei wird nicht mehr gebraucht

Von Alexander Hartmann

Während diese Zeilen geschrieben werden, versammeln sich in München die Teilnehmer der 56. Münchener Sicherheitskonferenz (MSC). Mehr als 500 hochrangige internationale Entscheidungsträger werden zu der Konferenz erwartet, die dort vom 14. bis 16. Februar stattfindet, darunter über 35 Staats- und Regierungschefs sowie rund hundert Außen- und Verteidigungsminister. Die Vereinigten Staaten werden durch ihren neokonservativen Außenminister Mike Pompeo vertreten sein.

Nicht zum ersten Male wird die Diskussion beherrscht sein von dem wachsenden Gefühl der Verzweiflung in den westlichen Eliten angesichts ihrer zunehmenden Unfähigkeit, der Welt ihren Willen aufzuzwingen. Wolfgang Ischinger, der das Forum seit 2008 leitet, veröffentlichte am 10. Februar in Berlin den Münchener Sicherheitsbericht und gab bekannt, daß das Thema der diesjährigen Veranstaltung „Westlessness“ („Westlosigkeit“) lautet. Was er damit meint, beschreibt er wie folgt: „Es gibt im Moment ein doppeltes Phänomen, nämlich erstens, daß der Westen weniger westlich ist, und zweitens, daß die Welt insgesamt weniger westlich ist. Was bedeutet es für die deutschen, europäischen und globalen Beziehungen, insbesondere für unsere Sicherheitspolitik?“

Ischinger sagte, es gebe „ein weitverbreitetes Gefühl des Unbehagens und der Unruhe angesichts der zunehmenden Unsicherheit über den dauerhaften Sinn des Westens. Viele sicherheitspolitische Herausforderungen scheinen untrennbar mit dem verbunden zu sein, was einige als den Niedergang des westlichen Projekts bezeichnen.“

Außerdem, so fuhr er fort, „scheinen wir ein gemeinsames Verständnis davon verloren zu haben, was es überhaupt bedeutet, Teil des Westens zu sein. Obwohl dies vielleicht die wichtigste strategische Herausforderung für die transatlantischen Partner ist, scheint es ungewiß, ob der Westen eine gemeinsame Strategie für eine neue Ära des Großmachtkonfliktes entwickeln kann.“

Wenn Ischinger beklagt, daß wir „ein gemeinsames Verständnis davon verloren zu haben, was es überhaupt bedeutet, Teil des Westens zu sein“, so ist damit offensichtlich vor allem die Haltung des amerikanischen Präsidenten Donald Trump gemeint. Trump hatte die Präsidentschaftswahl 2016 gewonnen mit dem Versprechen, mit der Politik der permanenten Kriege zu brechen und gute Beziehungen zu Rußland und China herzustellen. Seitdem versuchen die westlichen Eliten alles, um ihn an der Einlösung dieses Wahlkampf-versprechens zu hindern und ihn aus dem Amt zu entfernen, aber mit dem Scheitern des Absetzungsverfahrens haben sich Trumps Aussichten, sich auch über die nächste Präsidentschaftswahl hinaus im Amt halten zu können, deutlich verbessert.

Das ist aus der Sicht der westlichen Eliten quasi der „größte anzunehmende Unfall“: Wenn die USA aus der Ablehnungsfront des Westens gegenüber Rußland und China ausscheren, dann fehlt dem westlichen Establishment der Weltpolizist, der seine Forderungen gegenüber widerstrebenden Nationen durchsetzt. Das britische Oberhaus veröffentlichte vor gut einem Jahr einen Bericht, wonach es die oberste Priorität der britischen Politik sein müsse, eine zweite Amtszeit Trumps zu verhindern, weil sonst der Schaden für die anglo-amerikanische „Sonderbeziehung“ nicht mehr rückgängig zu machen sei. Und Teil der Strategie, eine Wiederwahl Trumps zu verhindern, ist das Aufheizen von Krisenherden wie Irak und Syrien, in dem Versuch, Trump in einen Krieg hineinzuziehen und ihn so zum Bruch seines Wahlversprechens zu veranlassen.

Ex-Außenminister warnen vor Atomkriegsgefahr

Tatsächlich ist gerade die geopolitische Haltung, mit der die in München versammelten Vertreter des „westlichen“ Establishments versuchen, der Welt ihre „liberale internationale Ordnung“ aufzuzwingen, selbst die größte Bedrohung der globalen Sicherheit. Am 10. Februar gab das „Aspen Ministers Forum“, eine Vereinigung ehemaliger Außenminister aus der ganzen Welt, eine Erklärung heraus, in der die Verlängerung des neuen START-Abrüstungsvertrages um fünf Jahre gefordert und davor gewarnt wird, daß die Gefahr eines Atomkrieges groß ist, wenn diese und ähnliche Maßnahmen nicht ergriffen werden.

„Heute befindet sich die Welt im Rückschritt“, heißt es in der Erklärung. „Die geopolitischen Spannungen nehmen zu, und viele Großmächte betonen wieder die Rolle von Atomwaffen in ihren Militärstrategien.“ Die früheren Außenminister konstatieren „ein sich beschleunigendes Wettrüsten zwischen den Vereinigten Staaten und Rußland, das erhöhte Risiko militärischer Zwischenfälle und die Verschlechterung der ausgehandelten Vereinbarungen über die Reduzierung von Waffen und die Nichtverbreitung von Atomwaffen. Alle diese Trends tragen zu einer sich rapide verschlechternden Nuklearlandschaft und der zunehmenden Möglichkeit des Einsatzes von Atomwaffen bei, entweder absichtlich oder durch eine unbeabsichtigte Eskalation.“

Sie verweisen auf die jüngste extreme Konfrontation zwischen den USA und dem Iran, die gezeigt habe, „wie schnell das Fehlen von Leitplanken uns an den Rand eines Krieges bringen kann. Inmitten der Aushöhlung internationaler Abkommen und diplomatischer Kanäle kamen wir dem Unglück nahe... Die Gefahren einer Fehlkalkulation sind zu groß, als daß die Staatsführer zu zweideutiger Kommunikation, Drohungen und militärischen Aktionen greifen könnten.“ Sie fordern deshalb „einen wiederbelebten Geist der internationalen Zusammenarbeit, der auf dem öffentlichen Verständnis von Gefahren und Möglichkeiten zur Risikominderung beruht“.

Die Hauptsponsoren der Erklärung sind die frühere US-Außenministerin Madeleine K. Albright und der frühere russische Außenminister Igor Iwanow. Unter den 23 weiteren Unterzeichnern sind Alexander Downer, Amre Moussa, Joschka Fischer, Malcolm Rifkind und Javier Solana.

Rußland wirbt für Gipfeltreffen der fünf Großmächte

Genau aus diesem Grunde fordert die Gründerin und Präsidentin des Schiller-Instituts schon seit langem ein neues Paradigma in den internationalen Beziehungen, das nicht mehr auf dem Konkurrenzdenken der Supermächte beruht, sondern auf der Zusammenarbeit im Interesse der gemeinsamen Ziele der Menschheit. Nach der Ermordung des iranischen Generals Soleimani am 3. Januar rief sie zu einer Notkonferenz der Präsidenten Trump, Putin und Xi auf, um auf eine Beilegung der Konflikte hinzuarbeiten. In ganz ähnlicher Weise hat Rußlands Präsident Putin am 15. Januar ein Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates vorgeschlagen, und aus den Äußerungen hochrangiger russischer Diplomaten geht hervor, daß es Rußland sehr ernst mit diesem Vorschlag ist.

So hat Außenminister Sergej Lawrow am 7. Februar in einer Rede anläßlich der Herausgabe einer Sonderbriefmarke zum Gedenken an den 75. Jahrestag der Konferenz von Jalta 1945 zwischen den USA, der Sowjetunion und Großbritannien auf Putins Vorschlag Bezug genommen. Zur Bedeutung der Konferenz von Jalta bemerkte Lawrow: „Die Konferenz, die die Führer der Anti-Hitler-Koalition zusammenbrachte, fand in einer Atmosphäre des gegenseitigen Verständnisses und der Zusammenarbeit statt. Die Führer der Großen Drei hatten genug Willen, über ihre Ambitionen und Streitigkeiten hinauszuwachsen und konstruktive Ansätze im Interesse einer frühzeitigen Beendigung des Krieges und des Aufbaus einer nachhaltigen internationalen Sicherheitsarchitektur zu erarbeiten. Ich bin überzeugt, daß es richtig wäre, auf die gemeinsamen Seiten der Geschichte zurückzublicken, wenn die Welt heute vor zahlreichen Herausforderungen und Bedrohungen steht", betonte Lawrow.

Bei einem Empfang anläßlich des russischen Tages des diplomatischen Dienstes am 10. Februar sprach Rußlands Botschafter in den Vereinigten Staaten, Anatolij Antonow, über die Stärkung der Beziehungen zu den USA. Er betonte: „Unser Land hat sich nie der Verantwortung für die Sicherung von Frieden und Stabilität entzogen... Wir werden die Prinzipien der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten schützen.“ Er erklärte aber auch: „Wir werden unseren Teil des Weges zu jedem Staat gehen, der versucht, Beziehungen zu Rußland auf der Grundlage des gegenseitigen Respekts und des Interessenausgleichs aufzubauen. Wir sind überzeugt, daß die Verbesserung der russisch-amerikanischen Zusammenarbeit nicht nur den Interessen beider Länder entspricht, sondern auch einen produktiven Einfluß auf den gesamten Verlauf des Weltgeschehens haben wird.“

Zu Präsident Putins Aufruf zu einem Gipfeltreffen der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats sagte Antonow: „In dieser Hinsicht zählen wir auf die Unterstützung unserer Partner bei der Umsetzung der Initiative... China und Frankreich haben positiv auf die Einladung reagiert, aber Rußland hat noch keine Antworten von den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich erhalten.“

Auch das UN-Sekretariat hält ein solches Treffen für sinnvoll. „Wir würden jedes Treffen der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates begrüßen, das hoffentlich zu einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen diesen fünf Ländern im Sicherheitsrat führen würde“, sagte der offizielle Sprecher des UN-Generalsekretärs, Stéphane Dujarric, am 13. Februar. Die Frage, ob die russische Seite den UNO-Generalsekretär gebeten habe, ein solches Treffen am Rande der hochrangigen Woche der UNO-Generalversammlung im September zu organisieren, beantwortete Dujarric nicht.

Da der russische Präsident Wladimir Putin bereits bestätigt hat, daß er im September auf der Generalversammlung sprechen wird, und China und Frankreich bereits ihre Unterstützung für die Initiative bekundet haben, müßte Präsident Donald Trump nur noch nach New York fliegen. Und wenn absehbar ist, daß ein Treffen dieser vier Präsidenten zustandekommt, würde vermutlich auch Boris Johnson nicht fernbleiben.

Es besteht also eine reelle Möglichkeit, daß das geopolitische Konfrontationsdenken des „Westens“ abgelöst werden kann durch ein neues Paradigma der globalen Kooperation. Diese Aussichten mögen der Grund sein für die pessimistischen Äußerungen Ischingers. Tatsächlich sollten sie aber Anlaß zum Optimismus geben, denn es ist für die Sicherheit der Welt eine viel größere Bedrohung, wenn sich die Vertreter der alten Ordnung durchsetzen.