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Neue Solidarität
Nr. 15, 15. April 2021

Das Bauernsterben

Mistgabeln raus – Es wird politisch

Von Anabel Pfützenreuter

Anabel Pfützenreuter berichtet über ihre Eindrücke bei einer Protestkundgebung von Landwirten am 23. März am Brandenburger Tor in Berlin.

Dutzende Traktoren fahren im Entengang Richtung Brandenburger Tor. Es sind Schilder an ihnen befestigt, wie: „Stirbt der Bauer, stirbt das Land“, „Ohne Landwirtschaft wären wir alle hungrig, nackt und nüchtern!“ und „Eure Politik ruiniert die letzten Höfe“.

Die Bauern sind als Lebensmittelproduzenten eigentlich die wichtigsten Säulen unserer Gesellschaft – zumindest sind sie der direkte Faktor, der für das Überleben der Menschheit verantwortlich ist. Wir brauchen Nahrung, um unsere physische Existenz wahren zu können.

Leider werden die Bauern jedoch so behandelt, als wären sie die unwichtigsten Mitglieder unserer Wirtschaft. Wir müßten unser Fundament (das Produzieren unserer Lebensmittel durch die Landwirtschaft) eigentlich stärken und die Landwirte in ihrer Arbeit unterstützen – so daß wir mehr Lebensmittel produzieren und unseren Lebensstandard halten bzw. verbessern können, anstatt sie zu unterdrücken in ihrer harten Arbeit!

Hinzu kommt die Problematik der Hungersnot. Ich rede hier nicht von dem Gefühl, das wir bekommen, wenn wir einmal in ein paar Stunden nichts gegessen haben, sondern von echtem Hunger. Konstante Unterernährung, wie wir es (bisher) in der 1. Welt nicht kennen. Wenn wir nicht anfangen, mehr zu produzieren, kann sich das allerdings sehr bald ändern!

Das Hauptproblem ist, daß die Agrarwirtschaft eigentlich immer weiter expandieren müßte bei dem stetigen Wachstum der Erdbevölkerung. Sie wird allerdings stattdessen durch den „Green Deal“ immer mehr daran gehindert.

Die Landwirte, die aus verschiedenen Teilen Deutschlands – unter anderem sogar aus Bayern – nach Berlin gefahren sind, um auf ihren Mißmut aufmerksam zu machen, sind es leid, nicht erhört zu werden. Viele Landwirte, mit denen wir geredet haben, waren ermüdet, verzweifelt, hoffnungslos – sie wußten gar nicht mehr, warum sie noch weiterdemonstrieren sollten, wenn ihnen nicht zugehört wird und sich sowieso (anscheinend) nichts dadurch ändert.

Über die Demo wurde in den offiziellen Nachrichtensendern fast nicht berichtet – die Medien haben sich nicht interessiert für ihr Anliegen und sich (laut Aussage der Bauern) sogar geweigert, sie zu filmen, bis auf ein paar wenige Journalisten vor Ort, die ich sah.

Da bleibt die Frage im Kopf hängen: Was geschieht mit unserer Demokratie?

Diese Demos finden seit etwa 18 Monaten statt, und wir waren live dabei, als alle Bauern-Fraktionen – anscheinend das erste Mal überhaupt – an einem Strang gezogen haben und den „Burgfrieden“ geschlossen haben. Wie heißt es so schön? „Der Feind meines Feindes ist mein Freund.“

Hier ist ihr gemeinsamer Gegner die gegenwärtige Politik bzw. die Parteien, die über ihr Wohlergehen bestimmen dürfen. Es interessiert offensichtlich niemanden, daß die Landwirte durch immer mehr Bürokratie und unsinnige grüne Auflagen an ihrer Arbeit, gesunde Lebensmittel zu erzeugen, gehindert werden.

Die BüSo vertritt aus diesem Grund u.a. die folgende Forderung bezüglich der Agrarpolitik: „Die bürokratischen Auflagen der EU müssen reduziert werden, sodaß Landwirte produzieren können und nicht ihre Zeit in überflüssiges Dokumentieren stecken müssen.“

Ich war vorher nicht mit der Thematik der Bauern in Berührung gekommen – in der Hinsicht war (und ist nach wie vor) die Schulbildung nicht ausreichend. Mir ist vage bewußt, daß Kuhfladen sich hervorragend als Dünger eignen und gut für das Pflanzenwachstum sind – da bin ich mir tatsächlich nicht einmal sicher, ob ich das nicht eher in einer Cartoon-Serie „gelernt“ habe.

Soweit ist es schon gekommen: Menschen machen mittlerweile die Kühe und ihre natürlichen Abgase (Methan), die sie ausstoßen, und die Düngung (Lachgasemissionen) für den Klimawandel verantwortlich.

Das häufigste Argument der sogenannten „Umweltschützer“ gegen die Bauern und deren Düngernutzung scheint die Verwendung von Nitrat bzw. Nitrit im Dünger zu sein. Nitrat (NO3) ist eine Verbindung aus den Elementen Stickstoff (N) und Sauerstoff (O) und ist auf natürliche Weise in unserem Boden enthalten. Nitrat gilt als Pflanzennährstoff, welcher den Gewächsen bei der Synthese (heißt: Zusammensetzung eines neuen Stoffes) von Aminosäuren hilft. Daher wird Nitrat zur Ertragssteigerung häufig als Düngemittel im Gartenbau und der Landwirtschaft eingesetzt. Nitrit (NO2) ist ein Zwischenprodukt, das bei der Weiterverarbeitung von Nitrat entsteht. Nitrit hilft Pflanzen bei der Versorgung mit Stickstoff und ist giftig für uns.

Das Hauptargument der „Umweltaktivisten“ ist wohl, daß durch die Überdüngung landwirtschaftlicher Flächen erhebliche Mengen an Nitrat in das Grundwasser gelangen – weshalb das Bundesministerium für Umwelt alle vier Jahre einen deutschlandweiten Prüfbericht zur Nitratbelastung des Grundwassers erstellt. Es wurde anscheinend in einigen Teilen des Landes eine deutliche Überschreitung des Nitrat-Grenzwertes gemessen. Als Grund für die überhöhte Nitratbelastung des Grundwassers wurde die zunehmende Massentierhaltung genannt, durch die immer mehr Gülle auf die Felder gelangt.

Gülle ist aber ein natürlich anfallender Wirtschaftsdünger, der hauptsächlich aus Urin und Kot landwirtschaftlicher Nutztiere besteht. Die Bauern sind entsetzt – Gülle wird benötigt, damit überhaupt genügend Ertrag aus ihrer Landwirtschaft resultiert. Es erspart ihnen auch den Einsatz von Mineraldünger, der für sie zusätzliche Kosten darstellt. Sie stehen unter einem enormen Druck, unter den schlechteren Bedingungen gegenüber anderen Erzeugerländern noch genügend Lebensmittel produzieren zu können – jetzt wird ihnen auch noch vorgeworfen, daß durch ihr Tun Insekten sterben, wobei diese die Misthaufen auch zum Überleben brauchen.

Die BüSo ist für eine „Rücknahme jener überzogener Pseudo-Umweltschutz- und Hygienebestimmungen, die auf eine Enteignung der landwirtschaftlichen Betriebe hinauslaufen. Dies betrifft auch die neue Düngeverordnung der EU.“

Das wahre Problem ist das neoliberale Wirtschaftssystem

Das wahre Leiden der Bauern geht auf sehr viel essentiellere Problematiken des neoliberalen Wirtschaftssystems zurück – sie können nicht mehr verdienen und sind dadurch am Limit ihrer Durchhaltekraft angelangt. Sie können nicht 24/7 arbeiten, sie können nicht mehr Land pachten, um ihre Produktion zu erweitern, da die Pachtpreise massiv angestiegen sind – denn nun erwerben auch Kapitalgesellschaften wegen der niedrigen Zinsen Boden. Dieser sichert ihnen einen höheren Gewinn. Kapitalgesellschaften treiben die Pachtpreise hoch.

Wegen des neoliberalen Systems können sie auch nicht maßgeblich über das Preisniveau des internationalen Markts gehen, da sie sonst nicht gegen die Konkurrenz aus Billigländern ankommen würden – gerade bei den Produkten für den alltäglichen Verbrauch: Milchprodukte, wie Käse und Butter, als auch Eier sowie Fleisch.

Die Interaktion zwischen den Zwischenhändlern und den Produzenten (Bauern) sieht folgendermaßen aus:

Der Lebensmitteleinzelhandel (Entweder: Rewe, Edeka, Lidl oder Aldi – in Deutschland) sagt zur Molkerei: „Ihr müßt zu diesem Preis liefern!“

Die Molkerei sagt zu den Bauern: „Tut mir leid, wir kriegen nicht mehr zu dem Preis, deshalb können wir das (hier: Milch) nicht für euren Preis kaufen, nur für den hier.“

Die Bauern sind gezwungen, den Preis zu akzeptieren und ihre Ware unter dem Wert zu verkaufen – sie haben somit viel zu wenig eingenommen und können ihre Produktionskosten gar nicht mehr decken!

Der Staat soll zukünftig sichergehen, daß die Bauern die Kontrolle des Einstiegspreises behalten und geschützt sind vor dieser Art der Ausbeutung. Denn nur so können auch sie noch ihren Gewinn daraus schlagen und nicht nur die anderen Beteiligten auf dem Lebensmittelmarkt.

Deshalb ist die zentrale Forderung der Bauern:

Kostendeckende Erzeugerpreise für ihre produzierten Lebensmittel, d.h. Paritätspreise. Der Paritätspreis ist eine Kopplung der Erzeugerpreise in der Landwirtschaft an die allgemeine Preisentwicklung der gewerblichen Wirtschaft des Landes. Der Handel darf die unterschiedlichen Produktionsfaktoren nicht dazu ausnutzen, die Landwirte gegeneinander auszuspielen und die Erzeugerpreise für die Landwirte hier dadurch unter die Erzeugerkosten zu drücken. Waren dürfen deshalb nur zu den hier gängigen Erzeugerpreisen und -standards importiert werden.

Die BüSo sieht das genauso, denn sie fordert vor allem: „Sofortige Preiserhöhungen nach dem Paritätspreissystem für alle landwirtschaftlichen Produkte, um den ständigen Einkommensverlust der Familienbetriebe aufzuhalten.“

Laut Alf Schmidt (Organisator der Bauern-Demo am 23.03.2021 in Berlin), den wir interviewt haben,1 ist für die deutschen Bauern auch wichtig:

Der ausländische Bauer sollte auch nach den deutschen Standards produzieren. Die im Ausland produzierten Lebensmittel dürfen durch den Handel nicht unter den deutschen Erzeugerpreisen auf dem deutschen Markt verkauft werden.

Herr Schmidt äußerte sich außerdem dazu, daß sehr viele Landwirte planen, aus der Landwirtschaft auszusteigen – einige bereiten sich wohl schon auf den Umzug nach Rußland vor, da Putin die Landwirtschaft seit den EU-Sanktionen besonders fördert. Liegt das Vertrauen nun eher in Putin als in Merkel?

Spätestens wenn wir nicht mehr genügend Produzenten für unseren hohen Lebensstandard an Nahrungsmitteln haben, wird die Politik handeln wollen – wenn sie dann überhaupt noch jemanden überzeugen wird, zurück nach Deutschland zu kommen.


Anmerkung

Siehe https://www.bueso.de/deutschland-bald-ohne-bauern-video