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Neue Solidarität
Nr. 15, 15. April 2021

Die Welt braucht ein neues Paradigma

Von Helga Zepp-LaRouche

Helga Zepp-LaRouche eröffnete am 20. März 2021 mit den folgenden einführenden Bemerkungen den zweiten Abschnitt der Internetkonferenz des Schiller-Instituts.

Danke, ich grüße Sie, wo immer Sie sind. Lassen Sie mich nur auf die offensichtliche Tatsache hinweisen, daß jeder, der sich die Welt anschaut, gerade jetzt erkennen muß, daß wir mit einer ganzen Reihe von existentiellen Krisen konfrontiert sind, von denen jede einzelne der menschlichen Bevölkerung enormen Schaden zufügen kann, und zwar Millionen von Menschen.

Das eine ist natürlich die Pandemie, die nicht unter Kontrolle ist.

Dann haben wir eine Hungersnot „biblischen Ausmaßes“, wie David Beasley vom Welternährungsprogramm immer wieder betont, mit einer absolut entsetzlichen Situation im Jemen, in Syrien, in vielen afrikanischen Ländern.

Wir sind mit dem Potential eines finanziellen Zusammenbruchs konfrontiert, viel, viel mehr als das, was wir 2008 gesehen haben.

Und natürlich ist die größte Sorge manchmal das Potential einer Konfrontation, ausgehend von der Tatsache, daß die Vereinigten Staaten, die britische Regierung, die NATO zunehmend über Rußland und China als Gegner, als Konkurrenten und sogar als Feind sprechen.

Nach meinem besten Wissen – und ich verlasse mich da nicht auf Sekundärquellen, sondern auf meine eigenen Erfahrungen aus Gesprächen mit führenden Persönlichkeiten aus Rußland, aus China, aus europäischen Ländern und patriotischen Amerikanern – muß dieses Feindbild überwunden werden. Denn im Zeitalter der thermonuklearen Waffen hat jede Vorstellung, man könne einen begrenzten Atomkrieg oder einen begrenzten konventionellen Krieg beginnen, bei dem Atomwaffen mit geringer Reichweite eingesetzt werden könnten, die den Unterschied zwischen konventionellen und nuklearen Waffen verwischen – jede solche Vorstellung hat das Potential, außer Kontrolle zu geraten.

Und wenn man sich die letzten Monate anschaut, wo es immer wieder zu Konflikten zwischen US- und NATO-Jets und russischen oder chinesischen Jets gekommen ist, so daß man tatsächlich zu dem Schluß kommen muß, daß die Aufrechterhaltung des Friedens von der Fähigkeit eines Piloten abhängt, eine solche mögliche Kollision abzuwenden, dann ist der Frieden in großer Gefahr.

Nun, das alles hat sehr tiefe Gründe, wir haben einige davon im vorherigen Panel angesprochen. Aber ich denke, was wirklich nötig ist, ist ein Umdenken: Kann sich die Menschheit nicht eine Ordnung geben, die die langfristige Überlebensfähigkeit der gesamten menschlichen Gattung garantiert?

Ich persönlich denke, daß die Idee der Globalisierung der NATO, der Verlagerung des Schwerpunkts auf den Indopazifik, eine Politik ist, die unglaublich gefährlich ist und nicht fortgesetzt werden sollte. Die Globalisierung der NATO würde eine Einkreisungs- und Eindämmungspolitik gegenüber Rußland und China bedeuten, die auf Widerstand stoßen wird.

Daher neige ich dazu, einer kürzlich abgegebenen Erklärung eines französischen Generals, General Grégoire Diamantidis, zuzustimmen, der eine Denkfabrik namens „Cercle de Réflexion Interarmées“ vertritt. Er schrieb einen offenen Brief an den Generalsekretär der NATO, Stoltenberg, in dem er sagte, daß sich die NATO mittlerweile auf einem Kollisionskurs befindet und daß sie aufgelöst werden sollte, weil ihr einziger Zweck im Moment darin besteht, einen Keil zwischen die Europäer und Rußland zu treiben und die Mitgliedsstaaten mehr und mehr der Möglichkeit zu berauben, die Politik der NATO mitzubestimmen, indem schrittweise eine Art Weltregierung entwickelt wird.

Ich persönlich denke, und das haben wir in der Vergangenheit schon oft gesagt, daß die NATO 1991 ihre Daseinsberechtigung verloren hat, sie hätte aufgelöst werden müssen.

Andererseits sind die Sicherheitsbedenken ernst und sollten berücksichtigt werden, aber deshalb denke ich, daß wir eine neue Sicherheitsarchitektur brauchen. Und das sollte Teil einer Diskussion sein, denn wenn man einfach so weitermacht wie bisher, sind wir in großer Gefahr, die gesamte Zivilisation zu verlieren. Denn wenn es jemals dazu käme, daß auch nur eine einzige Atomwaffe eingesetzt wird, dann glaube ich, daß jene Experten Recht behalten werden, die sagen, daß es in der Logik von Atomwaffen im Vergleich zu konventionellen Waffen liegt, daß dann alle diese Waffen eingesetzt werden würden – und das wäre das Ende der Zivilisation.

Wir schlagen also stattdessen vor, daß angesichts all dieser existentiellen Bedrohungen für die Menschheit eine neue Konzeption, ein neues Paradigma gefunden werden muß, wie Nationen zusammenarbeiten können. Und eine der besten Ideen dafür stammt meiner Meinung nach von Nikolaus von Kues, einem Denker des 15. Jahrhunderts. Er hat eine Methodik entwickelt, die heute absolut anwendbar ist, nämlich die Coincidentia Oppositorum, das Ineinanderfallen der Gegensätze.

Wenn man diese Konzeption auf die Idee einer sich dynamisch entwickelnden Entwicklung aller Nationen anwendet, dann ist das ungefähr das, was die Chinesen die Schicksalsgemeinschaft der Menschheit nennen, basierend auf einer Win-Win-Kooperation zwischen souveränen Staaten, die die unterschiedlichen Gesellschaftssysteme respektieren und zum Wohle der einen Menschheit zusammenarbeiten.

Die Koinzidenz der Gegensätze ist die Idee, daß die menschliche Vernunft eine Einheit finden kann, die sich auf einer höheren Ebene befindet als die Vielen; das Eine hat eine höhere Macht als die Vielen, wenn man dies, wie Nikolaus von Kues, nicht als ein festes Konzept betrachtet, sondern als eine Art sich kontrapunktisch, fugal entwickelndes Konzept, bei dem jede beteiligte Nation und jeder beteiligte Staat den Nutzen und das Wohlergehen der anderen sucht und zu fördern versucht, so daß man eine Konkordanz im Makrokosmos hat: die maximale Entwicklung aller Mikrokosmen.

Das scheint zwar für manche Menschen eine utopische Vorstellung zu sein, aber es ist tatsächlich der einzige Weg, wie die Menschheit kontinuierlich zusammenarbeiten kann, und ich denke, daß wir die Foren des Schiller-Instituts als Plattform nutzen wollen, auf der solche Ideen diskutiert werden.

Deshalb möchte ich hier keine lange Rede halten, sondern nur einleitende Bemerkungen, und ich möchte die Redner auf diesem Podium willkommen heißen, und ich hoffe, daß diese Ideen einen fruchtbaren Dialog finden und weitergeführt werden können, zum Wohle der gesamten Menschheit.