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Neue Solidarität
Nr. 24, 17. Juni 2021

Irrationales Säbelrasseln in Washington und London
vor dem Biden-Putin-Gipfel

Von Harley Schlanger

Mit dem Lob der Demokraten und Republikaner im US-Kongreß für sein Versprechen im Rücken, „Rußland und China die Stirn zu bieten“, bezog sich US-Präsident Joe Biden gleich in seinen ersten Worten bei seiner Ankunft in Großbritannien auf diesen parteiübergreifenden Konsens.

„Ich bin auf dem Weg zur G7, dann zum NATO-Ministertreffen und dann zu einem Treffen mit Herrn Putin, um ihn wissen zu lassen, was ich ihm sagen will“, prahlte er vor US-Luftwaffenangehörigen auf einem britischen Luftwaffenstützpunkt, wobei er eher wie ein Mafiaboß als wie ein Staatsmann klang. Er wiederholte den mittlerweile üblichen Kommentar seiner Regierung zu dem Gipfel, er suche „keinen Konflikt mit Rußland“, sondern eine „stabile und berechenbare“ Beziehung, fiel aber in seine kämpferische Rolle zurück und sagte: „Ich habe klar gesagt, daß die Vereinigten Staaten in robuster und sinnvoller Weise reagieren werden, wenn die russische Regierung schädliche Aktivitäten unternimmt. Wir haben das bereits demonstriert. Ich werde vermitteln, daß die Verletzung der Souveränität von Demokratien in den USA und Europa und anderswo Konsequenzen hat.“

Vor seiner Abreise verfaßte Biden einen Gastkommentar für die Washington Post vom 5. Juni, worin er erklärt, der Zweck seiner Reise sei es, die Demokratien der Welt zu sammeln, um „die Regeln des 21. Jahrhunderts zu schreiben, die unsere Werte sicherstellen“. Man könnte hinzufügen: Putin wird ihn vielleicht fragen, ob zu diesen „Werten“ auch Lügen gehören wie die über irakische Massenvernichtungswaffen, um Regimewechsel-Kriege zu rechtfertigen (die Biden unterstützt hat), oder Sanktionen, die im Jemen, in Syrien und anderswo Kinder und andere unschuldige Zivilisten umbringen.

Die Drohungen gegen Rußland entsprachen ganz den Aussagen von Außenminister Antony Blinken, der vor Kongreßausschüssen am 7. und 8. Juni sagte: „Die USA werden destabilisierende Handlungen Moskaus nicht länger tolerieren.“ Er wiederholte, was er im letzten Monat bei Besuchen in London, Brüssel und Kiew mehrfach gesagt hatte: die USA erwarteten von Rußland, daß es „rücksichtslose und aggressive Handlungen einstellt“. Diese Botschaft werde Biden dem russischen Präsidenten persönlich übermitteln.

Diese Linie wurde vom Nationalen Sicherheitsberater Jake Sullivan bekräftigt, der Reportern sagte, Biden werde klarstellen, „was unsere Erwartungen sind, und darlegen, daß die Vereinigten Staaten reagieren werden, wenn bestimmte Arten von schädlichen Aktivitäten weiterhin auftreten“. Die Sprecherin des Präsidenten, Jen Psaki, sagte, Biden „wird sich nicht zurückhalten“, Putin die Stirn zu bieten, spielte dann aber die Bedeutung des Treffens herunter: „Wir rechnen nicht mit großen Ergebnissen des Gipfels.“

Obwohl seine Aussage im allgemeinen sehr zustimmend aufgenommen wurde, bedrängten einige Kongreßmitglieder Blinken – der Biden bei dem Treffen mit Putin begleiten wird –, indem sie kritisierten, daß der Präsident Sanktionen gegen das Bauunternehmen der Pipeline Nord Stream 2 und dessen Chef ausgesetzt habe. Der demokratische Senator Robert Menendez sagte, die Aufhebung der Sanktionen sei ein Fehler. Biden müsse „mit den vom Kongreß vorgeschriebenen Sanktionen weitermachen“, um das Projekt zu stoppen. Die demokratische Senatorin Jeanne Shaheen äußerte ihre Enttäuschung über Bidens Entscheidung und sagte, die Fertigstellung der Pipeline „stellt eine Bedrohung der amerikanischen Sicherheitsinteressen dar... Jede verfügbare Option, um ihre Fertigstellung zu verhindern, sollte genutzt werden.“ Der republikanische Senator Ben Sasse stimmte ein und behauptete, Biden habe „Putins bösartiges Verhalten belohnt“, und die USA sollten „Putin wie einen Gangster behandeln, der sein eigenes Volk fürchtet“.

Der vulgäre republikanische Senator aus Texas, Ted Cruz, war weniger höflich als seine demokratischen Kollegen. Cruz erklärte: „Unter Mißachtung amerikanischer Gesetze hilft Biden Putin aktiv beim Bau seiner Pipeline.“ Er behauptete sogar, Bidens Regierung sei „die pro-russischste der Neuzeit“ – trotz ihrer Sanktionen gegen Rußland wegen verschiedener „bösartiger Handlungen“, die antirussische Falken durchsetzten. Cruz ist zusammen mit Shaheen der Autor des Gesetzes für die verschärften Sanktionen gegen Nord Stream 2.

Als Antwort versprach Blinken den Senatoren: „Unsere Opposition gegen die Nord Stream 2-Pipeline ist unerschütterlich.“

Aufbau einer unilateralen „regelbasierten Ordnung“

Wenig überraschend meldete kein einziger Kongreßpolitiker Bedenken an, ob die USA überhaupt ein Recht haben, einseitig zu fordern, daß ein Energieprojekt, das zwischen Rußland und europäischen Ländern ausgehandelt und von privaten Unternehmen gebaut wird, gestoppt wird, noch konnte irgendeiner erklären, inwiefern ein solches Projekt die Sicherheit der USA bedroht. Diese Position eines „robusten Unilateralismus“ ist der Ausgangspunkt für Biden bei den drei Gipfeltreffen in dieser Woche, wenn er versuchen wird, eine „Allianz der demokratischen Staaten“ gegen die Bedrohung durch ein „aggressives“ Rußland und China zusammenzuschweißen.

Im Vorfeld des Gipfels unternahm Blinken eine Rundreise, auf der er bei jeder Gelegenheit für die Verteidigung der „regelbasierten Ordnung“ warb. Zur Untermauerung seines Vorwurfs, Rußland sei eine Bedrohung für demokratische Länder, präsentierte er eine lange Litanei von Anschuldigungen, u.a.: Unterdrückung der demokratischen Opposition durch das Vorgehen gegen den „Dissidenten“ Nawalny, der angeblich von Putin-Agenten vergiftet wurde – ein nie bewiesener Vorwurf – und gegen dessen Regimewechsel-Bewegung; Drohungen, militärisch in die Ukraine einzumarschieren – die es nie gab; Cyber-Angriffe auf wichtige US-Infrastruktur, ein Vorwurf, der von den üblichen anonymen US-Geheimdienstquellen kommt, wieder ohne Beweise; ähnliche Vorwürfe der Einmischung in die US-Wahl 2020; und die Behauptung, Rußland sei in die Umleitung eines Ryanair-Fluges über Belarus verwickelt gewesen, um einen „Dissidenten“ zu verhaften, der vom Westen unterstützt wird und Verbindungen zu pro-nazistischen Kräften in der Ukraine und Finanzierung durch US- und britische Stellen hat.

Dieses Ziel, sich gegen die „russische Bedrohung“ zu wehren, stand im Mittelpunkt von Bidens erstem Treffen mit dem britischen Premierminister Boris Johnson. Laut einem Sprecher des Weißen Hauses sprachen sie über die „Sicherheitsdimension, mit einer beispiellosen Verteidigungs- und Sicherheitsallianz ..., eine wirtschaftliche Dimension, die robuste Wirtschaftspartnerschaft... Und natürlich geht es in der Beziehung auch um demokratische Werte.“ Sie unterzeichneten eine neue Atlantik-Charta, angeblich eine Aktualisierung des ursprünglichen Abkommens, das Franklin Roosevelt 1941 mit Winston Churchill ausgehandelt hatte. Unnötig zu sagen, daß niemand erwähnte, was das Entscheidende an dieser ursprünglichen Charta war: Roosevelts Beharren auf einer Formulierung, die bei Kriegsende ein Ende des Britischen Empire und des Kolonialismus in Aussicht stellte. Stattdessen wollen Biden und Johnson eine „Einheitsfront der Demokratien“ aufbauen, um Rußland und China die Stirn zu bieten.

Die Mainstream-Medien spielen ihre übliche Rolle, indem sie die Atmosphäre anheizen, so titelte der Londoner Guardian: „Joe Bidens Mission beim G7-Gipfel: Verbündete für den nächsten Kalten Krieg rekrutieren“. Noch erschreckender war diese Schlagzeile von Yahoo News: „Gipfel mit einem ,Killer‘: Was von Bidens Treffen mit Putin zu erwarten ist“.

Die Kriegsrhetorik zurückdrängen!

Eine Drohung Bidens, die Sanktionen auszuweiten, indem man Rußland und russische Unternehmen vom Zugang zum SWIFT-Transaktionssystem ausschließt, löste einen scharfen Kommentar des russischen Außenministers Lawrow aus. Lawrow sagte, Rußland habe zwar eine Alternative zu SWIFT, aber „wir sind nicht daran interessiert, den Mechanismus zu zerstören, der dem Funktionieren des internationalen Währungssystems und allgemein des internationalen Wirtschaftssystems zugrunde liegt“. Regierungskreise in Rußland und China, und auch viele in den G7-Ländern, sind sich sehr wohl bewußt, daß das westliche Finanzsystem durch 50 Jahre neoliberale Politik drastisch geschwächt wurde und auf einen Zusammenbruch zusteuert. Lawrow machte sich dann über antirussische Rhetorik und Handlungen lustig: Die „russische Gefahr“ existiere nicht, und Rußland sei nicht der „Widersacher, der seinen bösartigen Einfluß auf die ganze Welt ausübt“.

Präsident Putin machte letzte Woche am Rande des St. Petersburger Wirtschaftsforums eine scharfsinnige Beobachtung zu dem Versuch, mit den bevorstehenden Gipfeltreffen eine globale „regelbasierte Ordnung“ durchzusetzen, die er als ein Merkmal eines sterbenden imperialen Systems identifizierte. Er sagte als „Bürger der ehemaligen Sowjetunion: Das Problem von Imperien ist, daß sie denken, sie seien so mächtig, daß sie sich kleine Ungereimtheiten und Fehler leisten können. Aber die Probleme türmen sich immer weiter auf. Und irgendwann sind sie nicht mehr in der Lage, sie zu bewältigen. Und die Vereinigten Staaten gehen jetzt den Weg der Sowjetunion, und ihr Gang ist zuversichtlich und stetig.“ (Hervorhebung hinzugefügt)

Eine ähnliche Beobachtung machte der ehemalige CIA-Analyst und Präsidentenberater Ray McGovern, der sagte, die Biden-Administration „handelt voller Arroganz und nimmt sich jedes Recht heraus, sie feuert Raketen auf Syrien ab, macht Getöse über die Ukraine und schickt Kriegsschiffe ins Schwarze Meer und in die Gewässer vor China.“

Und weiter: „Biden ist nicht sein eigener Herr, und Putin ... weiß das nur zu gut. Der Militär-Industrie-Kongress-Geheimdienst-Medien-Akademiker-Denkfabrik-Komplex hat immer noch das Sagen.“ McGovern, ein Mitbegründer der Gruppe Geheimdienstveteranen für Vernunft (VIPS), spricht für eine wachsende Zahl wichtiger Personen, die sich jetzt gezwungen sehen, zu handeln, um die geopolitischen Provokationen der Kriegsfalken, die in Bidens Regierung das Sagen haben, abzuwenden, weil sie die Welt zum Abgrund eines möglicherweise nuklearen Dritten Weltkriegs führen.