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Neue Solidarität
Nr. 26, 1. Juli 2021

Was wir alle aus dem Beinahekollaps
der Wiesbadener Salzbachtalbrücke lernen müssen

Von Alexander Hartmann

Alexander Hartmann ist Landesvorsitzender der Bürgerrechtsbewegung Solidarität in Hessen und kandidiert in Wiesbaden für die BüSo zum Deutschen Bundestag.

Am Abend des 18. Juni verbreitete sich in Wiesbaden die schockierende Nachricht, daß eine der wichtigsten Verkehrsverbindungen in der Stadt – die mehr als 300 m lange Salzbachtalbrücke – wegen Baufälligkeit bis auf weiteres komplett gesperrt werden mußte: Ein Lager der südlichen Brückenhälfte war kollabiert und die Brücke um ca. 30 cm abgesackt. Betonteile stürzten herab, und sowohl in der Brücke selbst als auch im Pfeiler zeigen sich große Risse. Während der Verkehr noch rechtzeitig gestoppt werden konnte, bevor es zu einer Katastrophe kam, weckt der Vorfall Erinnerungen an den tragischen Einsturz einer Autobahnbrücke in Genua vor drei Jahren.

Der Ausfall hat katastrophale Folgen für das gesamte Rhein-Main-Gebiet. Es handelt sich um einen Abschnitt der Autobahn A 66, die nun als Verkehrsader ausfällt. Da die Brücke die Bahngleise zum Hauptbahnhof in Wiesbaden überquert, sind bis auf weiteres auch alle Fernzug- und S-Bahn-Verbindungen nach Wiesbaden blockiert. Außerdem überquert sie eine weitere wichtige Autobahn (A 671), die an der Einfahrt nach Wiesbaden ebenfalls gesperrt werden mußte. Nun stehen die Wiesbadener im Dauerstau, die zuständigen Behörden rechnen damit, daß es zwei Monate dauern wird, bis die Brücke abgerissen werden kann, mindestens 14 Monate werden vergehen, bis eine neue Brücke in Betrieb genommen werden kann.

Die nationalen Medien behandeln den Ausfall der Salzbachtalbrücke als ein lokales Thema, sie haben außerhalb des Rhein-Main-Gebiets kaum darüber berichtet. Aber es ist kein lokales Thema, denn diese Brücke ist nur eine von Tausenden in unserem Land, die sich in nicht viel besserem Zustand befinden.

Jahrzehntelang wurde viel zu wenig in die Erhaltung und Erneuerung der Verkehrsinfrastruktur investiert, während das Verkehrsaufkommen insbesondere im Straßenverkehr in der gleichen Zeit massiv zugenommen hat. So war die 1963 fertiggestellte Salzbachtalbrücke ausgelegt für rund 20.000 Fahrzeuge am Tag mit einer Lebensdauer von 80 Jahren. Aber das Verkehrsaufkommen wuchs inzwischen auf rund 80.000 Fahrzeuge/Tag an, sodaß die Brücke nun schon nach 58 Jahren einfach „verbraucht“ ist.

In Deutschland gibt es rund 40.000 Brücken an Autobahnen und Fernstraßen sowie mehr als 25.000 Eisenbahnbrücken. Sehr viele, wenn nicht die meisten dieser Brücken sind von ähnlichen Belastungssteigerungen betroffen, und fast die Hälfte der Brücken in Deutschland wurde in den 1960er und 1970er Jahren erbaut und nähert sich nun also dem Ende ihrer Lebensdauer. Etwa 10-12% aller Brücken gelten inzwischen als „dringend sanierungsbedürftig“ oder sogar „nicht ausreichend“.

Wenn keine dramatische Änderung der Investitionspolitik erfolgt, die eine Mobilisierung zur schnellstmöglichen Erneuerung dieser Infrastrukturen ermöglicht, droht eine regelrechte Welle katastrophaler Ausfälle, die unsere gesamte Volkswirtschaft lahmzulegen drohen. Der Chefredakteur der Mainzer Allgemeinen Zeitung, Friedrich Roeingh, nahm daher die Krise zum Anlaß, in einem Kommentar der Zeitung eine Änderung der Investitionspolitik zu fordern:

Die politischen Ursachen der Infrastrukturkrise

Natürlich spielte beim Zustandekommen dieses Infrastrukturnotstands eine wichtige Rolle, daß viele dringend notwendige Projekte, insbesondere Neubauprojekte zur Erweiterung und Entlastung der vorhandenen Kapazitäten, wie z.B. der Aufbau eines Magnetbahnnetzes, das einen Quantensprung in der Verkehrstechnik bedeutet hätte, durch Gerichtsprozesse und kurzsichtige politische Entscheidungen jahrelang immer weiter verzögert oder ganz gestoppt wurden. Gleichzeitig wurde die Planung immer komplizierter, nicht zuletzt durch immer weiter ausufernde, meist europäische Vorschriften von Brüssel für den Umweltschutz, die Auftragsvergabe, die Finanzierung etc.

Grafik: DIW
Die staatlichen Nettoinvestitionen waren in den letzten Jahrzehnten sehr gering und über längere Zeiträume sogar negativ.
Quelle: Statistisches Bundesamt, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, DIW

Einen ganz erheblichen Teil der Schuld an der Misere trägt aber auch die Politik der „schwarzen Null“ des früheren Finanzministers Wolfgang Schäuble: Um die öffentlichen Haushalte „auszugleichen“, wurden drastische Sparprogramme verhängt und diese Politik als sogenannte „Schuldenbremse“ sogar in den Verfassungen verankert.

Die Folge: Die öffentlichen Investitionen wurden massiv zurückgefahren, die Nettoanlageinvestitionen des staatlichen Sektors fielen nach 1994 unter 0,5% des BIP und waren zwischen 2004 und 2007 sowie von 2013-2015 sogar negativ; es wurde also mehr Infrastruktur verschlissen als neu gebaut. Anstelle eines Schuldenbergs sammelte sich ein gewaltiges Infrastrukturdefizit von inzwischen fast 500 Milliarden an, jeweils zu etwa gleichen Teilen in den Zuständigkeitsbereichen von Bund, Ländern und Gemeinden.

Aufgrund der sinkenden Nachfrage bauten natürlich auch die Baukonzerne ihre Kapazitäten ab: 1995 arbeiteten noch 3,2 Millionen Menschen im Bausektor, 2005 waren es nur noch 2,2 Millionen. Inzwischen ist der Bausektor – auch nach einer Änderung der statistischen Kriterien – zwar wieder auf 2,7 Millionen Beschäftigte angewachsen, aber der Schwerpunkt hat sich vom Ausbau der Infrastruktur auf den ökologischen Umbau verlagert, sodaß die Kapazitäten für die Reparatur, den Ausbau und Neubau insbesondere der Verkehrsinfrastruktur begrenzt sind. So berichtete die Zeitschrift Kommunal:

Was wir daraus lernen müssen

Wir brauchen also ein großangelegtes Aufbauprogramm zur Erneuerung der Infrastruktur, und das bedeutet, daß die ideologisch begründeten Hindernisse, die dem im Wege stehen, beseitigt und die notwendigen Kapazitäten in den Planungsstellen, im Bausektor und in den Zulieferindustrien (Stahl, Zement etc.) nicht nur erhalten, sondern massiv ausgebaut werden müssen.

Nur wenn wir uns an diesen Prinzipien orientieren, werden wir aus der Krise herauskommen. Ich fordere alle Bürger auf, die etablierten Parteien und Politiker mit diesen Fragen zu konfrontieren.

Verkehrssysteme für eine Industriegesellschaft,
aus der Neuen Solidarität Nr. 51/2002-5/2003:

1. Teil: Deutschland als Teil des eurasischen Verkehrsnetzes
2. Der Ausbau der Wasserstraßen
3. Teil: Ein weltweites Transrapidnetz!
4. Teil: Die Zukunft der Eisenbahnen
5. Teil: Autobahnen und Flughäfen