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Neue Solidarität
Nr. 27, 8. Juli 2021

Wen die Götter vernichten wollen…

Ein Krieg gegen Rußland und China ist schlimmer als verrückt

Von Helga Zepp-LaRouche

Die Gründerin und Vorsitzende des Schiller-Instituts eröffnete die Internetkonferenz am 26.Juni mit dem folgenden Vortrag.

Ich grüße Sie, liebe Freunde des Schiller-Instituts, wo auch immer Sie auf der Welt sein mögen. Dies sind wirklich außergewöhnliche Zeiten. Wenn der normale Bürger irgendeines Landes sich darüber bewußt wäre, wie nahe wir tatsächlich an einem Atomkrieg sind, der, wenn es dazu käme, zur Vernichtung der Zivilisation führen würde, dann, bin ich mir sicher, gäbe es eine Weltrevolution.

Es gab einen extrem gefährlichen Moment am 13. April dieses Jahres, als zwei US-Kriegsschiffe im Begriff waren, in das Schwarze Meer einzufahren, und sich eine große Masse russischer Truppen an der ukrainischen Grenze versammelte. Zu dem Zeitpunkt wurde ihnen [den USA] gesagt, daß sie mit dem Feuer spielen, und die beiden US-Schiffe drehten um.

In der Folge kam es zu einem Gipfeltreffen zwischen Präsident Biden und Präsident Putin, weil man offensichtlich die Notwendigkeit eines solchen strategischen Dialogs erkannt hatte. Bei diesem Gipfeltreffen wurde eine sehr wichtige Bestätigung vorgenommen, nämlich der berühmte Satz, der damals zwischen Präsident Reagan und Präsident Gorbatschow gesagt wurde: daß ein Atomkrieg niemals gewonnen werden kann und deshalb auch nie geführt werden darf.

In einer typisch britischen, provokanten Art und Weise, als wolle man diesen Dialog zwischen den Vereinigten Staaten und Rußland sabotieren, bevor er sich tatsächlich zu einer Beziehung zur Herstellung strategischer Stabilität entwickeln kann, verletzte dann am 23. Juni ein Zerstörer der britischen Royal Navy, den Dennis gerade erwähnte – die HMS Defender -, die russischen Hoheitsgewässer im Schwarzen Meer im Gebiet am Kap Fiolent. Daraufhin feuerten russische Grenzpatrouillenschiffe Warnschüsse ab, und russische Jets begannen einen Warnbeschuß auf den Kurs der HMS Defender - nicht auf das Schiff, sondern auf dessen Kurs – und zwangen das britische Kriegsschiff auf diese Weise, die Hoheitsgewässer der Russischen Föderation zu verlassen.

Das löste jedoch in allen Hauptstädten und militärischen Hauptquartieren der Welt Alarm aus, weil man erkannte, wo das hätte enden können. Konstantin Gawrilow, der Leiter der Delegation der Sicherheits- und Rüstungsverhandlungen in Wien, sagte: „Ich habe die ehemaligen Herrscher der Meere“ – das Britische Empire – „gewarnt: Das nächste Mal werden die Bomben nicht vor dem Ziel, sondern auf das Ziel abgeworfen.“ Das wurde auch vom stellvertretenden Außenminister Rjabkow bestätigt.

Dies war nicht der einzige Vorfall, aber mit Sicherheit der provokanteste. Es gab es ein ganzes Muster von Beinahe-Zwischenfällen in der Luft, Beinahe-Zusammenstößen von NATO-Jets und russischen Schiffen, entlang der russischen Grenze im Verlauf des letzten Jahres. Viele sind sich auch des Damoklesschwerts der Provokationen rund um die taiwanesischen Unabhängigkeitsbestrebungen bewußt, woraus möglicherweise eine chinesische Militäraktion und eventuell ein Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und China folgen könnte.

Es ist lebenswichtig, zu verstehen, warum all das geschieht und was getan werden muß, um eine ansonsten absehbare Katastrophe zu vermeiden. Glaubt man den westlichen Mainstream-Medien oder Regierungen, so stehen sie auf der richtigen Seite der Geschichte; sie seien die Verteidiger der „regelbasierten Ordnung“ der „freien Welt“ und der „westlichen Werte“ gegen „autokratische Regime“ wie Rußland und China, die eine Menschenrechtsverletzung nach der anderen begehen, ihre politischen Gegner vergiften, ihre Bevölkerung in Überwachungsstaaten unterdrücken, usw. usw. Aber was es für den normalen Bürger so schwierig macht, ist, daß in der letzten Zeit jeglicher Maßstab historischer Wahrheit verschwunden ist. Statt dessen sehen wir einen Kampf um die Kontrolle der verschiedenen „Narrative“ – Narrative als willkürliche Darstellungen von Sachverhalten.

Kürzlich befaßte sich die Global Times damit, daß die Vereinigten Staaten mit China ein sog. „othering“ betreiben und daß dies ein Vorspiel für einen Konflikt um Taiwan wäre. Dann zitieren sie das Merriam-Webster-Wörterbuch, um zu erklären, was „othering“ bedeutet, nämlich eine andere Kultur als eine große einheitliche Masse erscheinen zu lassen, anstatt als eine vielfältige Gruppe von Individuen, und diese Gruppe als weniger menschlich erscheinen zu lassen als die eigene Gruppe. Man kann auch sagen, einen Menschen oder ein Land zum „anderen“ zu erklären, heißt, ein Feindbild für einen kommenden Krieg zu schaffen. Das ist es, was wir bei den jüngsten Kampagnen gegen China und Rußland beobachten können.

Die Geschichte umschreiben

Teil dieser Kontrolle über das Narrativ ist natürlich die Interpretation der jüngsten Geschichte. So setzt man auf das sehr kurze Gedächtnis der Bürger und verbreitet Narrative wie „Putin hat die Krim annektiert“. Und nach dieser Logik ist das britische Kriegsschiff natürlich nicht in die Hoheitsgewässer der Russischen Föderation eingedrungen, sondern die der Ukraine, und das wäre rechtlich völlig in Ordnung.

© Bundesregierung/Pfeil
Abb. 1: Der sowjetische Präsident Gorbatschow bei seinem Treffen im Kaukasus mit Bundes­kanzler Helmut Kohl und Außenminister Hans-Dietrich Genscher am 15. Juli 1990 [oben].
Abb. 2: Wie aus den Notizen des Übersetzers von Außenminister Schewardnadse, Teimuras Stepanow-Mamaladse, hervorgeht, erklärte der damalige US-Außenminister Baker dem sowjetischen Präsidenten bei ihrem Treffen in Ottawa im Februar 1990: „Und wenn UG [das wiedervereinigte Deutschland] in der NATO bleibt, sollten wir darauf achten, daß es nicht zu einer Ausdehnung ihrer Zuständigkeit nach Osten kommt.“
Quelle: www.nsarchive.org
© EIRNS
Abb. 3: Im Januar 1990 veröffentlichte die LaRouche-Bewegung den Vorschlag für das „Produktive Dreieck
Paris-Berlin-Wien“.
Abb. 4: 1991 wurde das Konzept zur „Eurasischen Landbrücke“ erweitert [unten].
© EIRNS
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Ein weiteres solches Narrativ lautet: „Die NATO hat der Sowjetunion oder Rußland nie versprochen, sich nicht nach Osten auszudehnen.“ Schauen wir uns das einmal näher an.

Erst vor ein paar Wochen, im Mai, veröffentlichte das britische Royal Institute of International Affairs, auch Chatham House genannt, einen Bericht mit dem Titel „Mythen und falsche Vorstellungen in der Debatte über Rußland“. Sie machten sich daran, 16 Mythen zu „entlarven“, insbesondere „Mythos Nr. 3“ über Rußland, daß der Westen Gorbatschow in den Verhandlungen um die deutsche Wiedervereinigung nach dem Fall der Berliner Mauer vom November 1989 versprochen habe, die NATO niemals nach Osten zu erweitern.

Hier (Abbildung 1) sehen Sie ein Bild Gorbatschows und verschiedener anderer Gesprächspartner zu dieser Zeit. Laut dem Nationalen Sicherheitsarchiv an der George-Washington-Universität wurde 2017 ein Bericht darüber veröffentlicht, daß 30 klassifizierte Dokumente mit dem Titel „NATO-Erweiterung: Was Gorbatschow hörte“ existieren, die den klaren Beweis enthalten, daß Gorbatschow wiederholt falsche Versprechungen gemacht wurden und er getäuscht wurde.

Zum Beispiel hat der Dolmetscher des sowjetischen Außenministers Schewardnadse, Stepanow-Mamaladse, in seinen Notizen vom Februar 1990 die Zusicherungen des US-Außenministers Baker an Schewardnadse während der Open-Sky-Konferenz in Ottawa wiedergegeben: „Und wenn ein vereinigtes Deutschland in der NATO bleibt, sollten wir darauf achten, daß es nicht zu einer Ausdehnung der Zuständigkeit nach Osten kommt.“ Auch Präsident George H.W. Bush versicherte Gorbatschow auf dem Malta-Gipfel im Dezember 1989, die USA würden die Revolutionen in Osteuropa nicht ausnutzen, um sowjetischen Interessen zu schaden. Auch der deutsche Außenminister Genscher hielt am 31. Januar 1990 im bayerischen Tutzing eine große Rede darüber, daß der deutsche Einigungsprozeß nicht zu einer Beeinträchtigung sowjetischer Sicherheitsinteressen führen dürfe; deshalb solle die NATO jede Ausweitung ihres Territoriums nach Osten, also ein Heranrücken an die sowjetische Grenze, ausschließen.

Die Formulierung „näher an die sowjetische Grenze“ wurde in den Verträgen zwar nicht erwähnt, das ist richtig. Aber sie wurde in mehreren Memoranden und Gesprächen zwischen den Sowjets und den höchsten Gesprächspartnern wie Genscher, Kohl, Baker, Gates, Bush, Mitterrand, Thatcher, Major, Werner und auch Botschafter Matlock und Teltschik und anderen erwähnt.

Baker sagte: „Der Präsident und ich haben deutlich gemacht, daß wir keinen einseitigen Vorteil in diesem Prozeß suchen.“ Hier (Abbildung 2) sehen Sie das Faksimile dieser Notizen. Gorbatschow sagte Kohl am 10. Februar 1990, die Zukunft Deutschlands im gemeinsamen europäischen Haus sei vordringlich, und deshalb sei Genschers Tutzing-Formel relevant. Kohl seinerseits versicherte Gorbatschow, daß die NATO ihren Wirkungskreis nicht ausweiten solle, und es war damals sogar von einer Sicherheitsstruktur unter Einbeziehung der Sowjetunion die Rede.

Es gibt 30 solcher Dokumente, und die Führung der Europäischen Union, die damals an diesen Verhandlungsprozessen beteiligt war, leidet offensichtlich entweder unter politischer Amnesie oder sie lügt, wenn sie auf dem Gegenteil beharrt.

Nun sind wir, die LaRouche-Bewegung, keine bloßen Kommentatoren dieser Zeit, denn wir haben eine sehr aktive Rolle gespielt, indem wir im Januar 1990 eine wirtschaftliche Lösung für die Krise nach dem Fall der Mauer präsentierten. Wir haben das Produktive Dreieck Paris- Berlin-Wien vorgestellt (Abbildung 3), das war die Idee, durch Korridore wirtschaftliche Entwicklung in die Länder des Comecon zu bringen.

1991 stellten wir die Eurasische Landbrücke vor (Abbildung 4), die ein Friedensplan für das 21. Jahrhundert hätte sein können, was nun in Form einer Neuen Seidenstraße ins Leben gerufen wird.

Doch während alle diese Versprechungen gemacht wurden, waren die Pläne für eine unipolare Welt bereits in Vorbereitung. Die amerikanischen Neokonservativen gründeten PNAC, das „Projekt für ein Neues Amerikanisches Jahrhundert“. Sie planten die Wiederherstellung einer unipolaren Welt durch Farbrevolutionen und Regimewechsel. Dann gab es die berühmte Rede des britischen Premierministers Blair 1999 in Chicago, in der er praktisch sagte, von nun an sei der Westfälische Frieden obsolet, das Völkerrecht existiere nicht mehr. Statt dessen gäbe es die „Schutzverantwortung“, es stünden endlose Kriege als „humanitäre Interventionen“ bevor.

So ging es also weiter, und als Putin kürzlich in seinem Artikel zum 80. Jahrestag des Überfalls der Nazis auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 an diese gebrochenen Versprechen erinnerte, schrieb er darin, es habe fünf Wellen der NATO-Erweiterung gegeben, auch in die ehemaligen Sowjetrepubliken. 14 Länder traten der NATO zusätzlich bei, und viele Länder wurden vor die künstliche Wahl gestellt, sich entweder auf die Seite des Westens oder die Rußlands zu stellen.

Es war dieser Prozeß, der zu der Ukraine-Tragödie von 2014 führte, wo der Westen offen einen Putsch unterstützte, der Nazis in Machtpositionen in der Regierung und in der Armee brachte. Wir alle erinnern uns an die berüchtigten Worte von Victoria Nuland, die damit prahlte, daß das State Department bis zu diesem Moment 5 Milliarden Dollar für NGOs in der Ukraine ausgegeben hatte. Und die Abstimmung der Menschen auf der Krim, sich Rußland anzuschließen, war das Ergebnis und die Antwort auf diesen Nazi-Putsch in Kiew. Und diese Geschichte muß aufgearbeitet werden.

Insgesamt betrug die NATO-Osterweiterung zwischen 800 Kilometern, nämlich von der Grenze Westdeutschlands bis zur polnischen Ostgrenze zu Weißrußland, und 1000 Kilometern, von der norwegischen Ostgrenze bis zur Grenze von Estland.

Das Imperium ist überdehnt

Diese Idee einer unipolaren Welt auf der Grundlage der „Sonderbeziehung“ zwischen den Briten und den Vereinigten Staaten besteht darin, daß die ganze Welt von der Globalisierung, von einem globalen Imperium beherrscht werden soll. Und bekanntlich sagte Fukuyama damals, 1989, dies wäre „das Ende der Geschichte“, indem die ganze Welt das westliche demokratische Modell übernehmen würde.

Nun liegt es in der Natur von Imperien, daß sie die Tendenz haben, sich zu überdehnen, und genau das ist passiert. Es gibt einen signifikanten Rückschlag.

Man sollte sich die Frage stellen, ob all diese endlosen Kriege, die seither stattgefunden haben, den Aufwand wirklich wert waren? Waren sie alle im Interesse der Vereinigten Staaten – oder nicht?

Lassen Sie uns einen Blick auf ein paar davon werfen. Nun sind die Vereinigten Staaten und die NATO dabei, nach 20 Jahren Krieg die meisten ihrer Truppen aus Afghanistan abzuziehen. Schon 2019, sollte man sich erinnern, veröffentlichte die Washington Post die „Afghanistan-Papiere“. Das waren 2000 Seiten, die durch ein Verfahren nach dem Gesetz über Informationsfreiheit (Freedom of Information Act) beschafft wurden und worin 400 Insider befragt wurden, die schonungslos über die Lügen des angeblichen Erfolgs in Afghanistan berichten und über die absolute Inkompetenz bei der Führung dieses Krieges, in dem bis 2019 2.400 US-Soldaten starben, 20.589 Militärs verwundet wurden und insgesamt 157.000 Menschenleben zu beklagen waren. Diese Afghanistan-Papiere zitieren z.B. Rumsfeld, der sagte: „Ich habe keine Ahnung, wer der Feind ist.“ Sie zitieren General Lute: „Wir hatten keine Ahnung, womit wir es zu tun hatten – was wir erreichen sollten.“

Selbst nach der Veröffentlichung der Afghanistan-Papiere wurde die NATO-Präsenz in Afghanistan noch zwei Jahre lang fortgesetzt. Kürzlich sagte der pakistanische Ministerpräsident Imran Khan „Nein“ zur Bitte der Vereinigten Staaten, Stützpunkte in Pakistan einzurichten, um von dort aus Operationen innerhalb Afghanistans durchzuführen. Wenn die mächtigste Militärmaschinerie der Geschichte in 20 Jahren nicht in der Lage war, diesen Krieg zu gewinnen, dann macht es offensichtlich keinen Sinn, Basen in Pakistan zu haben, um ihn fortzusetzen.

Betrachten wir noch einen anderen Fall. Wir alle erinnern uns daran, daß Nancy Pelosi in ihrer von CNN berichteten öffentlichen Veranstaltung am 5. Dezember 2019 auf Nachfrage eines Zuhörers zugab, daß sie in ihrer Eigenschaft als ranghöchstes Mitglied des Geheimdienstausschusses wußte, daß die Begründung für den Irakkrieg falsch war. Sie sagte: „Also, ich wußte, daß es keine Atomwaffen im Irak gab. Die waren einfach nicht da.“ Von den Geheimdienstinformationen, die die „Gang of Four“ hatte – die kleine Gruppe, die gewöhnlich im Kongreß über Geheimdienstangelegenheiten informiert wird –, hätte überhaupt nichts darauf hingewiesen. „Also wußte ich, daß das eine falsche Darstellung gegenüber der Öffentlichkeit war.“

Es ist ganz klar, wenn Pelosi es wußte, daß auch das gesamte Kabinett der Bush-Regierung es wissen mußte. Am 5. Februar (2003) hielt Außenminister Colin Powell vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einen Vortrag darüber, daß er handfeste Beweise für Massenvernichtungswaffen habe, die Saddam Hussein heimlich einsetzen würde.

Zepp-LaRouche: Nun, ich weiß nicht, wie Colin Powell mit sich selbst weiterleben kann, denn, wie Lawrence Wilkerson angedeutet hat, sie alle wußten vorher – und Pelosi hat es zugegeben –, daß das Lügen waren. Laut Lawrence Wilkerson, der damals Powells Stabschef war, soll Powell in sein Büro gekommen sein und zu ihm gesagt haben: „Ich frage mich, wie wir uns fühlen werden, wenn wir eine halbe Million Soldaten in den Irak schicken und sie von einem Ende zum anderen durch das ganze Land marschieren und nichts finden?“

Im Irakkrieg starben zwischen 150.000 und 1 Million Menschen, je nachdem, wessen Zahlen man betrachtet. Dieser Krieg hat 2,1 Billionen Dollar gekostet – das ist nur der Irak. Bis zum heutigen Tag ist das Land völlig verwüstet.

Betrachten wir einen anderen Fall. Wir haben gerade den 50. Jahrestag der Veröffentlichung der Pentagon-Papiere, einer streng geheimen Studie über den Krieg in Vietnam, die der New York Times zufolge bewies, daß die Johnson-Regierung die Öffentlichkeit und den US-Kongreß systematisch belogen hatte. Daniel Ellsberg, einer der Autoren dieses Berichts, ließ die Papiere der New York Times und der Washington Post zukommen. Nach einer einstweiligen Verfügung des Justizministeriums wandte er sich an mehrere amtierende Kongreßmitglieder, die ihn abwiesen. Er gab diese Papiere dann Senator Mike Gravel, der sie in einer spektakulären Aktion in die Kongreßakten einlas. Mike Gravel ist aus diesem Grund ein Held, und wir grüßen ihn, denn er hat mit dem Schiller-Institut an sehr wichtigen Themen gearbeitet.

Präsident Johnson hatte behauptet, das Ziel des Vietnamkrieges bestehe darin, ein unabhängiges, nicht-kommunistisches Vietnam zu sichern. Aber sowohl der stellvertretende Verteidigungsminister John McNaughton als auch der Verteidigungsminister selbst, Robert McNamara, gaben zu, daß das eigentliche Ziel darin bestand, China einzudämmen. Die Regierung hatte mit Küstenangriffen auf Nordvietnam und Angriffen des Marine Corps heimlich den Umfang der Operation erweitert, was von den Mainstream-Medien totgeschwiegen wurde. Wie die ganze Welt weiß, war auch dieser Krieg ein völliges Desaster.

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Abb. 5: Die Pläne für die Ausweitung der NATO sind Teil einer Einkreisungsstrategie gegen Rußland und China, die leicht in einen Nuklearkrieg münden könnte.

Vor kurzem hat der 90jährige Ellsberg über eine andere Intervention geschrieben. Denn in der gleichen Zeit wie die Pentagon-Papiere kopierte Ellsberg auch eine andere geheime Studie, die zeigte, wie ernst das amerikanische Militär während der Taiwan-Krise 1958 die Gefahr eines Atomkrieges nahm. Diese Studie blieb 50 Jahre lang fast unbemerkt, bis Ellsberg sie 2017 online veröffentlichte, worauf die New York Times letzten Monat hinwies.

Der Kontext dafür ist die aktuelle Aufheizung der Krise um Taiwan. Diese älteren Kriegssimulationen zeigten, daß die Chinesen einen konventionellen Krieg um Taiwan gewinnen würden, und daß dies die Frage aufwerfen würde, ob die Vereinigten Staaten auf den Einsatz von Atomwaffen zurückgreifen würden, was die US-Kommandeure bei diesem Vorfall 1958 in Betracht zogen.

Eine überarbeitete Studie über die Krise von 1958, die 1966 von Morton Halperin für die Rand Corporation geschrieben und 1975 entklassifiziert wurde (nachdem eine Passage entfernt worden war), legt nahe, daß hochrangige Militärs, darunter der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs, General Nathan Twining, der Meinung waren, daß der Einsatz von Atomwaffen unvermeidlich war. Nukleare Angriffe tief auf chinesisches Gebiet wären eine notwendige Reaktion

Ellsberg forderte daher mehr Whistleblower auf, sich über die gegenwärtige Debatte im US-Militär über diese Dinge zu äußern. Ein solcher Whistleblower hat das getan. Franz Gayl, der bis vor kurzem als wissenschaftlicher Berater des US-Marine Corps im Pentagon tätig war, veröffentlichte zwei Gastkommentare in der mehr oder weniger amtlichen chinesischen Zeitung Global Times. Der Titel des einen lautet: „Warum die USA einen Krieg mit China um die Insel Taiwan verlieren werden“.

Die Washington Post vom 13. Juni berichtete darüber, und auch über geopolitische Debatten im Pentagon, daß wir möglicherweise in einen Krieg zwischen den USA und China schlafwandeln. Franz Gayl fragt: „Warum sollte ich einen Gastkommentar für eine kommunistische Zeitung schreiben, und ist das nicht unerhört für einen Beamten?“ Dann bezieht er sich auf die Debatten darüber, ob die Vereinigten Staaten ihre langfristige Strategie in Bezug auf Taiwan ändern sollten, von „strategischer Zweideutigkeit“ zu „strategischer Klarheit“, daß die Vereinigten Staaten Taiwan verteidigen werden, was viele Jahre lang zweideutig geblieben ist und nun angeblich sicher sein soll, wenn ein Krieg ausbricht. Offensichtlich sei das jüngste Gesetz über die Beziehungen zu Taiwan, der Taiwan Relation Act, eine Ermutigung für die abtrünnigen Sezessionisten, und im Gegensatz zu den USA, die den Verbündeten Vietnam aufgaben, nachdem dort 60.000 Amerikaner umgekommen waren, würde China angesichts der Geschichte der letzten 200 Jahre niemals aufgeben, so argumentiert Franz Gayl.

Gayl ist inzwischen suspendiert, er hat keine Sicherheitsfreigabe mehr, aber er sagt, das sei es ihm absolut wert gewesen, denn aus seiner Sicht „läuft uns als Land die Zeit davon“.

Auf dem jüngsten NATO-Gipfel am 14. Juni in Brüssel wurde sehr deutlich gemacht, daß es mit der Agenda 2030 der NATO Pläne gibt, eine globale NATO aufzubauen. Sie wollen die Politik der offenen Tür beibehalten, um mehr Partnerschaften mit mehr Ländern in Mitgliedschaften umzuwandeln, damit Artikel V angewendet werden kann.

Auf der Zielliste der Umwandlung von Partnern in potentielle Mitglieder stehen Schweden, Finnland, Georgien, die Ukraine – trotz gewisser Abschwächungen durch Präsident Biden gegenüber Selenskyj –, Bosnien-Herzegowina, Länder in Afrika und im indopazifischen Raum, dazu verstärkte Partnerschaften mit dem Quartett von Australien, Japan, Neuseeland und Südkorea sowie zukünftige Partnerschaften mit Indien. Natürlich würde sich das immer gegen Rußland und China richten, die als Bedrohung und Herausforderung für die „regelbasierte Ordnung“ charakterisiert werden.

Auf dem Brüsseler Gipfel wurde auch über den NATO-Aktionsplan 2030 für Klimawandel und Sicherheit gesprochen, und es wurde festgehalten, daß die NATO nun die führende internationale Organisation werden soll, die die Auswirkungen des Klimawandels auf die Sicherheit versteht und sich darauf einstellt. Sie wollen sich an der Reduzierung der Treibhausgasemissionen aus militärischen Aktivitäten beteiligen, um bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen, und Überlegungen zum Klimawandel in das gesamte Arbeitsspektrum der NATO einbringen. Die NATO wird auf dem Gipfel 2022 ihren ersten Fortschrittsbericht zum Thema Klimawandel und Sicherheit herausgeben, um ihre Fortschritte zu verfolgen und das Niveau ihrer Ambitionen neu zu bewerten.

Was ist da los? Von der Nordatlantikpakt-Organisation zu einer globalen Militärmacht, die die Klimaschutz-Agenda vorantreibt? Wie paßt das zusammen?

Die Rolle des MICIMATT

Es ist weniger überraschend, wenn man sich die Überschneidungen zwischen dem Militär und den Finanzinteressen ansieht. Wir haben kürzlich einen Report über den „Great Reset“ veröffentlicht, in dem wir belegen, daß die Wall Street und die Londoner City hinter der Klima-Agenda stehen.

Am 25. April gab es in der deutschen Welt am Sonntag einen ausführlichen Artikel und Grafiken, die auch die enge Überschneidung von Investmentbanken, Hedgefonds, grünen Organisationen, dem World Wildlife Fund, Fridays for Future, Denkfabriken etc. zeigen. Hinzu kommt die völlige Überschneidung der finanziellen Interessen der Londoner City und der Wall Street mit dem militärisch-industriellen Komplex (MIK), wie ihn Präsident Eisenhower in seiner Abschiedsrede an die Nation 1961 nannte.

Über diesen MIK – Ray McGovern, von dem wir später noch hören werden, nennt ihn MICIMATT, Militär-Industrie-Kongreß-Geheimdienst-Medien-Akademiker-Denkfabriken-Komplex - gibt es ein sehr nützliches Buch, Understanding the War Industry („Die Kriegsindustrie verstehen“) von Christian Sorenson, das die symbiotische Beziehung zwischen der Kriegsindustrie und der „Finanzindustrie“ dokumentiert. Sehr lesenswert; nur sein Mittel zur Abhilfe ist falsch, denn er glaubt, man könnte den militärisch-industriellen Komplex mit dem Grünen New Deal abbauen, und er übersieht völlig, daß der Grüne New Deal die Politik dieses Komplexes ist.

Zum Beispiel sind die fünf größten Investoren in Lockheed Martin einige der größten Finanzfirmen der Wall Street: State Street Corporation, Vanguard Group, BlackRock – das übrigens 8 Billionen Dollar an Investorengeldern verwaltet –, Capital World Investors und Wellington Management Group. Renée Sigerson weist in einer kürzlich erschienenen Buchbesprechung von Sorensons Buch darauf hin, daß dieselben fünf Investoren große Aktienanteile an allen vier großen US-Rüstungsfirmen besitzen.

Außerdem sind die Mega-Firmen des Silicon Valley mit dem Überwachungsapparat der Geheimdienste verwoben, den wir beim Russiagate – dem von den Briten gesteuerten Putschversuch gegen Präsident Trump – in Aktion gesehen haben, und alle antirussischen und antichinesischen Denkfabriken stimmen mit dieser Politik überein.

Zum Beispiel veröffentlichte der Atlantic Council kürzlich den Bericht eines anonymen hohen Regierungsbeamten, mit dem Titel „Das Längere Telegramm“, der offen zum Sturz von Präsident Xi Jinping aufruft.

Dazu gehört auch die „Drehtür“ zwischen Wall-Street-Firmen und dem Kongreß, zwischen dem Pentagon und der Rüstungsindustrie, zwischen den Geheimdiensten und den Medien, usw. usw.

Zum Beispiel hat General Dynamics 2013 den ehemaligen Befehlshaber des US-Zentralkommandos, General James Mattis, für einen sehr lukrativen Job in seinen Vorstand geholt; er verdiente in dieser Position eine Million Dollar. Dann sagte er vor dem Kongreß aus, eine Reduzierung der Militärausgaben würde die nationale Sicherheit der USA gefährden. 2017 wurde er dann Verteidigungsminister, setzte die endlosen Kriege fort, leitete Waffenverkäufe an Länder in Europa, im Nahen Osten, an Australien und andere. Im Januar 2019 beendete er seine Tätigkeit als Verteidigungsminister, und im August trat er wieder in den Vorstand von General Dynamics ein.

Um sicherzustellen, daß die Medien auf Linie sind, ist der ehemalige CIA-Chef Brennan jetzt bei MSNBC, und der ehemalige Nationale Geheimdienstdirektor James Clapper arbeitet jetzt für CNN.

Kürzlich haben sowohl Gorbatschow als auch Putin die Vereinigten Staaten mit der Sowjetunion verglichen: Die Vereinigten Staaten unterlägen dem typischen Szenario eines Imperiums. Im Vertrauen auf ihre unbegrenzte Macht schaffen sich Imperien unnötige Probleme, bis sie diese nicht mehr bewältigen können. Wenn Sie sich erinnern: Einer der Gründe für den Zusammenbruch der Sowjetunion war die Vernachlässigung von Investitionen in die grundlegende Infrastruktur und den zivilen Teil der Wirtschaft zugunsten des Militär- und Sicherheitsapparates.

MICIMATT hat einen guten Teil der US-Wirtschaft auf Kosten der Infrastruktur übernommen und läßt die Realwirtschaft, Schulen, Bildung usw. zusammenbrechen. Und was wir in den Vereinigten Staaten sehen, ist eine Art primitive Akkumulation in dem Sinne, wie sie Jewgeni Preobraschenski in den 1920er Jahren für die Sowjetunion beschrieben hat, nur daß sie nicht so legitim ist, wie Preobraschenski damals dachte.

Hören wir nun, was Eisenhower 1961 in seiner Abschiedsrede sagte:

Die dringende Frage lautet also heute: Wird dieses MICIMATT und sein Äquivalent in Großbritannien und der NATO insgesamt, das bisher vom Prinzip der endlosen Kriege lebt – denn das ist es, was diese Maschine antreibt -, weitermachen, sich ausdehnen, globalisieren und sehr bald in einer Konfrontation enden, die das Ende der Zivilisation wäre?

Die Alternative: Umrüstung statt Aufrüstung

Auch wenn manche das, was ich jetzt sagen werde, für utopisch halten mögen, gibt es einen absolut machbaren alternativen Ansatz. Es ist vom Prinzip her, wenn auch nicht im Detail, das, was Lyndon LaRouche 2005 zur Rettung der amerikanischen Autoindustrie vorgeschlagen hat und was als „Gesetz zur wirtschaftlichen Erholung von 2006“ veröffentlicht wurde: ein umfassender Plan zur Umrüstung großer Teile der industriellen Kapazitäten der USA.

Die Vereinigten Staaten und Europa leiden im Moment unter einer Vielzahl von Problemen, die sich aber beheben lassen. Die Vereinigung der amerikanischen Zivilingenieure betonte schon vor einigen Jahren, daß es einen Rückstand von 4,5 Billionen Dollar an Infrastrukturinvestitionen gibt. Man kann diese Zahl gut und gerne verdoppeln, oder sogar noch mehr, denn es gibt einen schweren Zusammenbruch der überalterten Infrastruktur – unsichere Brücken, Schlaglöcher in Straßen und Autobahnen, usw.

© EIRNS
Abb. 6: Vorschlag für ein 70.000 km langes Netz von Hochgeschwindigkeitsbahnen für die USA, 2005.

Es gibt in den gesamten Vereinigten Staaten kein Hochgeschwindigkeits-Bahnnetz. Es gibt nur lächerliche 30 Kilometer, auf denen die Geschwindigkeit der Züge maximal 150 Meilen pro Stunde (240 km/h) beträgt – 30 Kilometer, im Vergleich zu 40.000 km Schnellzugsystem in China, das 350 km/h fährt, und Testläufen für eine Magnetschwebebahn, die 600 km/h fahren soll.

Was wir tun müssen, ist, eine nationale Arbeitsgruppe zusammenzustellen (Abbildung 6), die die fortschrittlichsten Maschinenbauingenieure zusammenbringt und berechnet, was nötig ist, um den größten Teil der militärischen Produktionskapazitäten für die Produktion moderner Infrastruktur umzurüsten: ein modernes Hochgeschwindigkeits-Bahnnetz, Kernkraftwerke, neue Wissenschaftsstädte usw.

Vorbilder könnten die Reconstruction Finance Corporation (RFC) und ihre Abwandlung, der Defense Plant Corporation Act von 1940, sein, wodurch damals Tausende von Automobil- und anderen Industrieanlagen für die Rüstungsproduktion umgerüstet wurden. Diesmal könnte es die umgekehrte Richtung für die zivile Produktion nehmen.

Der gesamte Südwesten der Vereinigten Staaten wird seit Jahren von immer größeren Dürren geplagt, die durch Wassermanagement-Programme wie NAWAPA XXI behoben werden könnten, das Korridore für die Versorgung mit frischem Wasser schüfe und den Rahmen für ein neues System von Infrastruktur, die Produktion von Kernkraftwerken, Meerwasserentsalzung, eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion und neue Wissenschaftsstädte bilden würde.

Abb. 7: „Die ideale Stadt“, Gemälde von Fra Carnevale, ca. 1480-1484.

Dies (Abbildung 7) ist ein Modell einer neuen Wissenschaftsstadt für die Vereinigten Staaten, nach dem Vorbild der schönen italienischen Renaissance-Proportionen, um zu verdeutlichen, daß diese neuen Wissenschaftsstädte auch sehr schön sein können.

Es ist nur eine grobe Schätzung, aber es gibt heute ungefähr 6,1 Millionen Menschen, die im militärisch-industriellen Komplex beschäftigt sind, nicht mitgezählt die anderen Aspekte von MICIMATT, wie die Geheimdienst-Denkfabriken, Medien usw. Könnte man einen Teil dieser hochqualifizierten Arbeitskräfte für den wirtschaftlichen Wiederaufbau der Vereinigten Staaten einsetzen?

Natürlich muß das mit LaRouches Vier Gesetzen kombiniert werden: eine globale Glass-Steagall-Bankentrennung; eine Nationalbank in jedem Land; ein Kreditsystem in Form des Neuen Bretton Woods – wie es von Franklin D. Roosevelt beabsichtigt war und nicht, wie es von Truman und Churchill umgesetzt wurde -; neue Wirtschaftsplattformen durch internationale Zusammenarbeit in der Fusionsforschung; Zusammenarbeit in der Weltraumforschung zwischen allen Raumfahrtnationen.

Ein solches Umdenken muß mit der Übereinkunft der maßgeblichen Nationen der Welt beginnen, beim Aufbau eines Weltgesundheitssystems zur Bekämpfung der Pandemie zusammenzuarbeiten – und zwar eines modernen Gesundheitssystems in jedem Land. Dies wird morgen das Thema unserer Konferenzsitzungen sein.

LaRouche hat die Reaktionen auf seine Vorschläge vorausgesehen. Er sagte in einer Rede am 27. März 1998:

Leider wurden LaRouches Warnungen zu seinen Lebzeiten nicht ernst genommen. Vielleicht bedurfte es erst der nuklearen Apokalypse und der Pandemie, damit die Menschen erkennen, daß wir „auf die weisen Worte von Lyndon LaRouche hören müssen“, wie López Portillo im selben Jahr dieser Rede LaRouches konstatierte. Ich danke Ihnen.