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Neue Solidarität
Nr. 31, 4. August 2022

Souveränität ist stärker als die „Goldene Milliarde“

Der russische Präsident Wladimir Putin präsentierte in zwei Grundsatzreden seine Sicht vom Ende der unipolaren Weltordnung.

Am 20. Juli sprach der russische Präsident Wladimir Putin auf dem Forum „Starke Ideen für eine neue Zeit“, das von der russischen Agentur für strategische Initiativen (ASI) organisiert wurde. Die ASI versteht sich als Plattform für Russen, auf der sie Ideen für zivile Projekte und Initiativen einreichen können, die im Lande benötigt werden, sowie Vorschläge zur Verbesserung des Lebens in ihren Regionen oder auf nationaler Ebene. In diesem Jahr wurden rund 90.000 Vorschläge von 300.000 Russen aus 85 Einrichtungen eingereicht. „Dieser Mechanismus steht in vollem Einklang mit den Aufgaben unserer inneren Entwicklung und mit der Zeit, in der wirklich revolutionäre Umwälzungen an Schwung gewinnen und stärker werden“, sagte Putin über die Bemühungen der ASI.

Putin erläuterte dann, was er unter diesen „revolutionären Umwälzungen“ versteht:

Auf der anderen Seite stehe das „Modell der totalen Dominanz der sogenannten ,Goldenen Milliarde‘ [,golden billion‘]... Warum sollte diese Goldene Milliarde, die nur einen Teil der Weltbevölkerung ausmacht, alle anderen beherrschen und ihre Verhaltensregeln durchsetzen, die auf der Illusion der Einzigartigkeit [Exzeptionalismus] beruhen? Sie spaltet die Welt in Menschen erster und zweiter Klasse und ist daher im Wesentlichen rassistisch und neokolonial. Die zugrundeliegende globalistische und pseudoliberale Ideologie ähnelt immer mehr dem Totalitarismus und hemmt kreatives Streben und freies historisches Schaffen.“

Er führte die Ausplünderung Indiens durch das britische Empire als Beispiel dafür an, wie „die Goldene Milliarde ihr Gold ... hauptsächlich durch die Ausplünderung anderer Völker in Asien und Afrika erlangt hat. Indien wurde über einen langen Zeitraum hinweg ausgeraubt. Das ist der Grund, warum die Elite der Goldenen Milliarde Angst vor anderen globalen Entwicklungszentren hat, die möglicherweise ihre eigenen Alternativen entwickeln.“

Schon am 7. Juli hatte Putin in einer Rede vor der Duma seine Sicht des Konflikts in der Ukraine dargelegt und in diesem Zusammenhang das Ende der unipolaren, vom Westen dominierten „regelbasierten“ Weltordnung verkündet.2 Nach jahrzehntelanger Ablehnung der russischen Vorschläge für „gleiche Sicherheit“ in Europa, erklärte Putin, seien schließlich ein Krieg entfesselt und Sanktionen verhängt worden. Aber:

Putin betonte weiter: „Die herrschenden Klassen der westlichen Länder, deren Natur supranational und globalistisch ist, haben erkannt, daß sich ihre Politik zunehmend von der Realität, dem gesunden Menschenverstand und der Wahrheit entfernt, und sie greifen zu offen despotischen Methoden. Der Westen, der sich einst zu demokratischen Grundsätzen wie Meinungsfreiheit, Pluralismus und Respekt vor abweichenden Meinungen bekannte, ist heute in das Gegenteil verfallen: Totalitarismus. Dazu gehören Zensur, Medienverbote und die willkürliche Behandlung von Journalisten und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.“

Zur Lage in der Ukraine sprach er eine deutliche Warnung aus: „Heute hören wir, daß sie uns auf dem Schlachtfeld besiegen wollen. Nun, was soll ich sagen? Sollen sie es versuchen. Wir haben schon viel darüber gehört, daß der Westen ,bis zum letzten Ukrainer‘ gegen uns kämpfen will. Das ist eine Tragödie für das ukrainische Volk, doch in diese Richtung scheint es zu gehen. Aber jeder sollte wissen, daß wir im Großen und Ganzen noch gar nichts Ernsthaftes angefangen haben. Gleichzeitig lehnen wir Friedensgespräche nicht ab, aber diejenigen, die sie ablehnen, sollten wissen, daß es für sie umso schwieriger wird, mit uns zu verhandeln, je länger es dauert.“

Was auch immer die westlichen Regierungen von Wladimir Putin und seiner Politik halten mögen, sie täten gut daran, seine Sicht, wie sich die Welt entwickelt und warum, ernst zu nehmen.


Anmerkungen

1. http://en.kremlin.ru/events/president/news/69039

2. http://en.kremlin.ru/events/president/news/68836