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Neue Solidarität
Nr. 38, 22. September 2022

Niemals aufgeben

Von Ray McGovern

Ray McGovern ist ehemaliger Analyst der Central Intelligence Agency (CIA) und Mitbegründer der Veteran Intelligence Professionals for Sanity (VIPS).

Ich danke Ihnen für die Einladung. Wir befinden uns in der Tat in einer tiefen Krise. Sie ist einzigartig, aber es gab etwas ähnliches in den Tagen, als ich in den 1930er Jahren in Deutschland geboren wurde. Wir haben das überlebt, und wir können auch diese Krise überleben.

Wenn ich zurückdenke, erinnere ich mich an einen jungen Rechtsanwalt in Berlin namens Raimund Pretzel, der sich später den Künstlernamen Sebastian Haffner zulegte, als sein Tagebuch entdeckt wurde. Er war in der schlimmsten Zeit in Berlin. Er versuchte, seinen Frieden mit den Geschehnissen zu machen. Ich möchte ein paar Sätze aus der englischen Version zitieren, die den Titel Defying Hitler trägt; die deutsche Version heißt Die Geschichte eines Deutschen. Originalton Haffner: Der einzelne, der sich dem Faschismus widersetzt, „ist kein geborener Held, noch weniger ein geborener Märtyrer. Er ist einfach ein Durchschnittsmensch mit vielen Schwächen... Dies aber will er nicht. Und so läßt er sich auf ein Duell ein…, mit einer stillen Entschlossenheit, nicht nachzugeben.“

Sie werden zugeben müssen, daß er für jemanden, der weder ein Held noch ein Märtyrer ist, einen sehr guten Kampf führt. Wird er gezwungen sein, den Kampf aufzugeben?

Darauf mußte Haffner folgendes antworten [sinngemäß]:

„Nein. Die Deutschen haben verloren. Und warum? Ich sehe nicht, daß man der Mehrheit der Deutschen, die 1933 glaubten, der Reichstagsbrand sei das Werk der Kommunisten, einen Vorwurf machen kann.“ – Oder kann man der Mehrheit der westlichen Bevölkerung einen Vorwurf machen, die der ständigen Propaganda ausgesetzt ist, daß der Einmarsch in die Ukraine „unprovoziert“ war? – „Was man ihnen vorwerfen kann“, sagt Haffner, „ist, daß das deutsche Volk das mit kleinmütiger Unterwürfigkeit als Tatsache akzeptiert hat. Das Feuer war eine Tatsache, und sie haben ihr bißchen persönliche Freiheit verloren, als ob es notwendig gewesen wäre. ,Die Kommunisten haben den Reichstag niedergebrannt?' Da war es völlig normal, daß die Regierung ,entschiedene Maßnahmen‘ ergriff und alle persönlichen Freiheiten aufhob.“

Was fehlte, war eine eiserne Entschlossenheit. Was fehlte, war der Kern der Integrität, den man bei Tieren Zucht nennt. Es gab genug Menschen in Deutschland und anderswo, die sich den Dingen hätten stellen können, aber das ist nicht geschehen. Diesmal gibt es genug Menschen auf der Welt, die sich der bestehenden Situation stellen, und das wird auch geschehen.

Wie kann ich da so zuversichtlich sein? Weil ich denke, daß diese „kleinmütige Unterwürfigkeit“ nicht eintreten wird, wenn sich die Menschen in diesem Winter mit zehn Decken zudecken müssen und es trotzdem nicht warm wird. Ich denke, auch die kleinmütigen Menschen in Westeuropa und Osteuropa werden sich mit dem, was hier passiert, auseinandersetzen müssen, auch wenn sie den Kräften, die über sie herrschen, deutlich unterlegen sind. Ich sage das mit einer gewissen Zuversicht.

Einige von Ihnen werden wissen, daß ein ungarisch-jüdischer Anwalt namens [Benjamin] Ferencz als letzter der Nürnberger Ankläger gestorben ist. Er war ein bemerkenswerter Mann. Wenn Sie ihn nicht kennen, erkundigen Sie sich über ihn. Er gab uns diesen Rat, er sagte: „Wenn man Gerechtigkeit will, muß man davon ausgehen, Erfolg zu haben. Denn man wird Erfolg haben, wenn man drei Bedingungen erfüllt, nur drei: niemals aufgeben, niemals aufgeben und – niemals aufgeben.“

Schauen wir also an, wie das Leben aussieht, geben wir uns ein Versprechen, schauen wir auf all die Menschen, die uns heute zuschauen und die bereit und in der Lage sind, die notwendigen Opfer zu bringen, damit es den Menschen auf der Welt besser gehen möge. Ich schließe mit einer Metapher, die vorhin verwendet wurde, nämlich der Metapher des Gladiators. Was werden wir dem Gladiator geben? Wir geben ihm einen Daumen nach oben. Die Welt wird dies hier überstehen, aber nur, wenn wir niemals aufgeben. Ich danke Ihnen vielmals.