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Neue Solidarität
Nr. 41-42, 13. Oktober 2022

Die Geschichte wird uns Recht geben!

Von Natalja Witrenko

„Die Geschichte wird uns Recht geben und stolz auf uns sein. Das Verbot unserer Partei ist ungerecht und unrechtmäßig“, unter dieser Überschrift veröffentlichte Dr. Natalja Witrenko am 30. September als Reaktion auf die Bestätigung des Verbots ihrer Partei durch den Obersten Gerichtshof der Ukraine die folgende „Botschaft an die Mitglieder der Progressiven Sozialistischen Partei der Ukraine (PSPU), die Mitglieder des Zentralkomitees der PSPU und Freunde in aller Welt“.

Am 27. September 2022 hat das Verwaltungsberufungsgericht des Obersten Gerichtshofs der Ukraine in Kiew der Berufungsbeschwerde der PSPU teilweise stattgegeben, indem es aus dem Urteil des 8. Verwaltungsberufungsgerichts in Lwiw vom 23. Juni 2022 einen Teil der verabscheuungswürdigen Anschuldigungen strich, hat aber die Entscheidung des Verbots unserer Partei aufrechterhalten.

Ich bin überzeugt, daß dies nicht nur eine politisch motivierte Bestrafung unserer Partei ist, sondern daß es auch sämtlichen Grundlagen der europäischen Demokratie mit Füßen tritt. Der in der Verfassung und in Konventionen verankerte Grundsatz des Rechtsstaats wurde mit Füßen getreten – ein Grundsatz, der Rechtmäßigkeit beinhaltet, Rechtssicherheit, Verbot willkürlicher Handlungen, garantierten Zugang zu einem ordnungsgemäßen Verfahren durch unabhängige und faire Gerichte, Achtung der Menschenrechte, Verbot der Diskriminierung und garantierte Gleichheit vor dem Gesetz.

Die Berufungsbeschwerde der PSPU zerpflückte die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts und zeigte auf, daß diese rechtswidrig und unbegründet war. Unsere Gegner, vertreten durch das ukrainische Justizministerium (MinJust) und den ukrainischen Sicherheitsdienst (SBU), haben in ihrer Klage, ihren schriftlichen Antworten auf die Berufungsbeschwerde der PSPU und ihren mündlichen Argumenten vor dem Obersten Gerichtshof keine einzige der rechtlichen Begründungen für die Ungültigkeit ihrer Vorwürfe gegen unsere Partei widerlegt.

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 27. September wurde von einem Gremium von Richtern unter dem Vorsitz von S. Utschanenko getroffen, gegen das die PSPU während der Sitzung offiziell Gründe für einen Befangenheitsantrag und eine Verweisung des Falls an das gesamte Gericht vorbrachte.

Die Entscheidung, die PSPU zu verbieten, war nicht rechtlicher, sondern politischer und diskriminierender Natur, da das Motiv für das Verbot der Partei auf politischen Vorwürfen beruhte und nicht auf einer rechtlichen Begründung für Verstöße der PSPU gegen die Verfassung der Ukraine oder die Europäische Menschenrechtskonvention.

Ich zitiere hier einen der Vorwürfe des MinJust, unterstützt vom SBU, in ihrer Klageschrift: „Die Partei protestiert gegen den Beitritt der Ukraine zur NATO und zur EU, gegen die Rehabilitierung der Kämpfer der OUN-UPA [Organisation Ukrainischer Nationalisten und Ukrainische Aufständische Armee], erklärt die Treue zur ostslawischen Kultur und zur kanonischen Orthodoxie und stellt sich die Ukraine in einer zwischenstaatlichen Union mit Rußland und Weißrußland vor.“

Es ist für jede ehrliche Menschenrechtsorganisation und jeden europäischen Juristen absolut klar, daß solche politisch motivierten Vorwürfe der ukrainischen Regierung als Grundlage für ein Parteiverbot nach der ukrainischen Verfassung (Art. 37), der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 11, S. 2), der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs oder der Venedig-Kommission der OSZE unzulässig sind.

Von Anfang an, als ihre Partei 1996 gegründet wurde, vertraten die Progressiven Sozialisten für die Ukraine eine innen- und außenpolitische Strategie auf der Grundlage der Erklärung der staatlichen Souveränität der Ukraine (1990) und der Erklärung der Rechte der Nationalitäten der Ukraine (1991), die das ukrainische Parlament verabschiedet hatte und die den wesentlichen Charakter der nationalen Souveränität definierten, nachdem die Erklärung der staatlichen Souveränität der Ukraine in den gesamtukrainischen Referenden vom 17. März 1991 und 1. Dezember 1991 beschlossen worden war.

Vor dem Hintergrund der Tragödie des Zerfalls der UdSSR garantierten nur die vom ukrainischen Volk erklärten Grundsätze, nämlich

Dies erklärt den Haß gegen unsere Partei von Seiten des Weltimperialismus und des ukrainischen Nationalismus (Faschismus). Sie haben uns immer bekämpft, weil wir uns offen gegen das Modell des peripheren, kolonialen Kapitalismus gewehrt haben, das der IWF der Ukraine auferlegt hat; und weil wir uns gegen die Privatisierung stellten, gegen die Schaffung einer Oligarchie, die Finanzspekulation, das Modell der billigen Arbeitskräfte, die Kapitalflucht, die Flucht der Arbeitskräfte, den Verkauf von Land, die Ausrottung der russischen Sprache und der Sprachen ethnischer Minderheiten, das Umschreiben der Geschichte, die Herabwürdigung des Sieges des sowjetischen Volkes im Großen Vaterländischen Krieg und die Heroisierung der Kollaborateure der OUN-UPA, und wir waren gegen die Entfesselung des Terrors gegen die kanonische orthodoxe Kirche durch staatliche Stellen.

Ich bin stolz auf unsere Partei und auf jedes einzelne Mitglied, weil wir die einzige Partei in der Ukraine waren und sind, die ein wissenschaftlich fundiertes, umfassendes Reformprogramm für das Land vorgeschlagen hat. Ich bin sicher, daß die Umsetzung unseres Programms die gegenwärtige Tragödie des Krieges, der Zerstörung der Wirtschaft, des Aussterbens der Bevölkerung und der territorialen Verluste verhindert hätte.

Weder ich noch die Führer unserer Parteiorganisationen noch die Mitglieder der PSPU haben jemals zu einem gewaltsamen Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung oder zu irgendeiner Art von Gewalt aufgerufen. Die Ziele und die Tätigkeit unserer Partei hielten sich an alle Normen und Grundsätze der Demokratie. Weder das MinJust noch der SBU haben vor Gericht auch nur einen einzigen Beweis für das Gegenteil vorgelegt. Wir waren bereit, unsere Ziele durch den Wettbewerb bei Wahlen zu erreichen. Im Kampf gegen uns wurden jedoch Terrorismus, Betrug, gewaltsame Besetzungen, Verleumdungen und Drohungen eingesetzt.

Die Partei hat mich viermal als Kandidatin für die Präsidentschaft der Ukraine nominiert: 1999, 2004, 2009 und 2019. Die Machthaber erlaubten mir nur 1999 und 2004, an den Wahlen teilzunehmen. Im Jahr 1999, als noch einige Elemente der Demokratie in der Ukraine vorhanden waren, waren die Kraft unserer Ideen und die Unterstützung in der Bevölkerung so groß, daß soziologische Umfragen voraussagten, daß ich den amtierenden Präsidenten L. Kutschma im zweiten Wahlgang besiegen würde. Doch der Terroranschlag auf mich am 2. Oktober 1999 in Kriwoj Rog, als zwei RGD-5-Granaten auf mich und meine Unterstützer geworfen wurden, wurde von meinen Gegnern genutzt, um die Wähler zu verängstigen, und so wurde ich des Sieges beraubt.

Bei den Parlamentswahlen 2002 und 2006 wurde unserer Partei der Sieg durch Wahlbetrug gestohlen. Aber die Unterstützung der Bevölkerung für die Ideen und Aktionen der PSPU war damals sehr groß, denn als wir 1998 als Fraktion in die Oberste Rada der Ukraine einzogen, hatten wir unsere kämpferischen Qualitäten, unsere Aufgabenorientierung und unser Engagement für Prinzipien unter Beweis gestellt. Die Mitglieder unserer Partei, die in die lokalen Selbstverwaltungsorgane gewählt wurden, haben den gleichen aufopferungsvollen Kampf geführt.

Ich bin jedem Mitglied der PSPU dankbar, das in unseren Reihen selbstlos und mit ganzem Herzen für die Rettung der Ukraine und die Erneuerung der Welt gekämpft hat. Ich bin auch den Millionen von Menschen dankbar, die unseren heiligen Kampf unterstützt haben, indem sie für uns gestimmt haben. Eine tiefe Verbeugung vor Ihnen allen!

Die Position unserer Partei war immer ein Hindernis für die Fähigkeit der herrschenden Regierungen, das Land auszuplündern, die Bevölkerung der Ukraine gnadenlos auszubeuten und eine Innen- und Außenpolitik zu betreiben, die nicht den Interessen des eigenen Volkes, sondern denen der westlichen Imperialisten dient.

Nach der Verfassung der Ukraine liegt die Verantwortung für den Frieden und für Leben, Würde und Gesundheit der Bürger bei den Institutionen der Staatsmacht, an deren Spitze der Präsident steht. Die ukrainische Regierung, die ihrer Verantwortung nicht gerecht wird und eine verabscheuungswürdige Gedankenkontrolle betreibt, hat mit dem Beschluß des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates (NSDC) der Ukraine vom 18. März 2022, der vom Präsidenten der Ukraine mit seinem Dekret vom 19. März 2022 umgesetzt wurde, ein verlogenes Machwerk veröffentlicht, um die Tätigkeit mehrerer Parteien in der Ukraine, einschließlich der unseren, zu unterbinden. Und um uns daran zu hindern, unsere Rechte, Freiheiten und rechtlichen Interessen vor Zivil- und Verwaltungsgerichten zu verteidigen, entschied das 8. Administrative Berufungsgericht von Lwiw am 20. Mai 2022, das Bankkonto der PSPU einzufrieren. Damit wurde uns die Möglichkeit genommen, die Entscheidung des NSDC, den Erlaß des ukrainischen Präsidenten und die gesamte „Beweisgrundlage“, die dem Gericht vom Justizministerium und dem SBU vorgelegt wurde, vor Gericht als unwahr anzufechten.

Unter Verstoß gegen Artikel 55 der ukrainischen Verfassung und Artikel 6 der Europäischen Konvention wurde uns der Zugang zum Gericht verwehrt, weil es der PSPU nicht möglich war, die Gerichtsgebühren von ihrem Bankkonto zu bezahlen. Unser Ziel wäre es gewesen, auf der Grundlage unserer Klagen die falschen Angaben zu widerlegen, die vom MinJust und dem SBU als Grundlage für das Verbot der PSPU vorgelegt wurden.

Durch die Sperrung unseres Bankkontos wurde die PSPU auch des Rechts beraubt, einen Anwalt zu beauftragen. Wladimir Martschenko und ich waren gezwungen, den gesamten, anstrengenden Rechtsstreit selbst zu führen. Er vertrat die Interessen der PSPU vor dem Obersten Gerichtshof.

Der Oberste Gerichtshof weigerte sich, die folgenden Beweisdokumente zuzulassen:

Das Gericht war in Panik über die Unfähigkeit des MinJust und des SBU, die in diesen Erklärungen vorgelegten Beweise über die wahren Ziele und Aktivitäten der PSPU zu widerlegen.

Im Gegensatz dazu erachtete das Gericht die vom SBU vorgelegten Fälschungen aus dem Internet als beweiswürdig, ohne die Primärquellen zu untersuchen oder deren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Das Gericht akzeptierte auch ohne Beweise einige verzerrte Fragmente von Interviews von N. Witrenko und L. Schesler und die Unterstellung, die PSPU finanziere Terroristen, mache Propaganda für den Krieg und rechtfertige die Aktionen der Russischen Föderation.

Der Oberste Gerichtshof lehnte in politisch motivierter Diskriminierung der PSPU alle 19 Anträge unserer Partei ab, einschließlich der Anträge auf Zugang zu Beweisen für die Tätigkeit der OUN-UPA, auf Bestätigung der von den Richtern festgestellten Rechtsverstöße der PSPU, auf Rechtswidrigkeit des Dekrets des Präsidenten der Ukraine vom 19. März 2022, auf Beantragung einer Feststellung der Verfassungsmäßigkeit dieses Dekrets beim Verfassungsgericht und andere.

Vor Gericht wurde die ungeheuerliche Haltung des Justizministeriums und des SBU deutlich, daß die Ukraine sich weigert, ihren Verpflichtungen aus der UN-Charta (Artikel 25) nachzukommen und somit die Resolution des UN-Sicherheitsrats zu den Minsker Vereinbarungen zu befolgen. Hinzu kommt die Weigerung, sich an die Charta und das Urteil des Internationalen Militärgerichtshofs in Nürnberg zu halten.

Der Oberste Gerichtshof untersuchte in keiner Weise, ob die Rechtsnormen vom Gericht in Lwiw beim Verbot der Partei rechtmäßig angewandt wurden. Das Gericht gab Wladimir Martschenko nur 20 Minuten Zeit, um unseren Fall vorzutragen. Es ließ keine Argumente zu und berief sich dabei auf die Tatsache, daß das Gericht das Verbot der Partei im vereinfachten Verfahren prüfe.

Stellen Sie es sich vor: Eine Partei, also als Institution ein Fundament der Demokratie im allgemeinen und der europäischen Demokratie im besonderen, soll im vereinfachten Verfahren verboten werden! Ohne ordnungsgemäße Untersuchung der Beweise oder Anwendung der Rechtsnormen!

Es wird interessant sein zu sehen, welche Schlußfolgerungen die Venedig-Kommission aus dem Beispiel des Verbots der PSPU in Bezug auf die Demokratie in der Ukraine zieht.

Ich bin überzeugt, daß es weder den Machthabern in der Ukraine noch dem Obersten Gerichtshof gelungen ist, unsere Ideen zu besiegen oder die Unrechtmäßigkeit unserer Tätigkeit zu beweisen. Ihr Verbot der Partei ist kein Punkt am Ende eines Satzes, sondern ein Komma. Die Geschichte spricht uns frei. Die wahren Schuldigen an der Tragödie des Krieges werden benannt werden. Wahrheit und Gerechtigkeit werden sich durchsetzen.

Immer vorwärts, zum Sieg!

Natalja Witrenko

Volksabgeordnete der Ukraine, 1995-2002
Doktor der Wirtschaftswissenschaften, Akademiemitglied