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Neue Solidarität
Nr. 47, 24. November 2022

„Leichtfertige Schuldzuweisungen
bringen die Welt an den Rand eines Atomkriegs“

Von Alexander Hartmann

Während sich die Vertreter der G-20-Staaten in Indonesien versammelten, verbreitete sich am 15. November die Nachricht, daß eine Rakete in Polen eingeschlagen war. Sofort gab es eine ganze Reihe von Medien und Politikern, allen voran Daily Telegraph und Daily Mail aus London, die behaupteten, das sei ein russischer Angriff auf das NATO-Mitgliedsland Polen, und es war sogar die Rede davon, den NATO-Artikel 5 zu aktivieren, was bedeutet hätte, daß die gesamte NATO Polen hätte verteidigen müssen. Die Bild-Zeitung und andere deutsche Medien brachten am Mittwoch Schlagzeilen wie „Putin spielt mit dem Dritten Weltkrieg“.

US-Präsident Biden hingegen sagte schon am Dienstagabend ganz klar, es gebe keine Beweise dafür, daß es sich um eine russische Rakete handelte, vielmehr bestehe der Verdacht, daß es eine ukrainische Luftabwehrrakete war, die auf die eine oder andere Weise nach Polen gelangte. Auch das Pentagon bestritt, daß es sich um eine russische Rakete handelte.

Trotzdem brachten die Medien noch am Mittwochmorgen ihre hetzerischen Schlagzeilen gegen Rußland.

Die Gründerin und Präsidentin des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, warnte in ihrem Internetforum am 17. November vor den Folgen derart leichtfertiger Schuldzuweisungen: „Ich denke, wir sollten diesen Vorfall wirklich alle studieren. Denn er zeigt, wie schnell wir durch Dummheit, Provokationen, Überreaktionen oder eine Kombination aus alledem in eine Situation geraten können, in der es zu einer umfassenden Konfrontation zwischen der NATO und Rußland kommt. Denn das war es, was kurz bevorstand.“

Es sei unglaublich, aber in gewisser Weise nachvollziehbar, sagte Zepp-LaRouche, daß der ukrainische Präsident Selenskyj und sein Außenminister Kuleba den ganzen Tag darauf beharrten, es sei eine russische Rakete gewesen. Als alle anderen Stellen bereits ganz klar sagten, daß es sich nicht um eine russische Rakete handelte, bezeichnete Kuleba das als „Verschwörungstheorie“. Aber auch bestimmte westliche Politiker, wie z.B. die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Alexander Graf Lambsdorff, beide FDP, behaupteten, es sei fraglos eine russische Rakete gewesen. „Diese Leute brachten also in dieser extrem angespannten Situation die Möglichkeit einer militärischen Konfrontation zwischen der NATO und Rußland ins Spiel. Sie fragten nicht: ,Haben wir Beweise, wurde das bestätigt? Wissen wir es?‘ Sie verlangten keine Untersuchung, sondern zogen einfach eine voreilige Schlußfolgerung und gaben Rußland die Schuld.“

Zepp-LaRouche betonte:

Das Verhalten der Politiker und Medien „die gelogen haben, obwohl der Präsident der Vereinigten Staaten es bereits entlarvt hatte“ sei absolut skandalös. „Ich denke, die Menschen sollten solche Zeitungen wegwerfen und erkennen, wie gefährlich die als Werkzeug der geopolitischen Kriegsführung sind.“

Eine neue Sicherheitsarchitektur schaffen

Um die Gefahren zu verdeutlichen, verwies sie auf eine Konferenz über die Atomkriegsgefahr, die das Schiller-Institut am 5. November mit veranstaltet hatte,1 insbesondere auf einen Vortrag des Experten Steven Starr, der beschrieb, was unter den Bedingungen eines Atomkriegs tatsächlich passieren würde (siehe Starrs Vortrag in dieser Ausgabe). Sobald ein Atomangriff gemeldet wird, haben die USA oder Rußland maximal 10-15 Minuten Zeit, bevor das eigene Nukleararsenal getroffen wird. Deshalb muß innerhalb von wenigen Minuten geklärt werden, ob es sich tatsächlich um einen Nuklearangriff handelt, und der Präsident hat dann vielleicht nur 30 Sekunden Zeit, um zu entscheiden, wie man darauf reagiert. „Ich denke, wenn wir uns auf eine solche Dynamik einlassen, dann sollten die Menschen schlaflose Nächte haben, bis wir das gelöst haben.“

Sie berichtete über die Serie von Konferenzen des Schiller-Instituts seit Oktober gegen die Atomkriegsgefahr, die auf eine Initiative lateinamerikanischer Parlamentarier zurückgeht, und kündigte die dritte Konferenz dieser Serie für den 22. November an.2 Diese Abgeordneten haben inzwischen einen internationalen Aufruf an alle gewählten Amtsträger auf der ganzen Welt und deren Wähler gerichtet, eine neue Friedensbewegung der Weltbürger aufzubauen.3 „Denn wenn es zu einem Atomkrieg kommt, ist das eine Angelegenheit der gesamten Menschheit, weil es zur vollständigen Zerstörung der gesamten Zivilisation führen könnte. Das macht jeden Bürger automatisch zu einem Weltbürger, der das Recht hat, aufzustehen und zu sagen: Das muß aufhören, wir brauchen eine andere Politik.“ Wir müssen die Regierungen dieser Welt zwingen, eine neue internationale Sicherheitsarchitektur zu schaffen, die kein Land ausschließt, betonte sie, „denn wenn man ein Land außen vor läßt, selbst wenn es sich um einen sogenannten autokratischen Staat handelt, … funktioniert es nicht!“

Das sei die große Lehre aus dem Westfälischen Frieden, „wo man erkannt hat, daß die Interessen aller Länder berücksichtigt werden müssen, damit ein Frieden Bestand hat. Wenn man das nicht tut, wie beim Versailler Vertrag, führt das zum nächsten Krieg. Das war der große Unterschied zwischen dem Westfälischen Frieden und dem Versailler Vertrag, daß der eine das Völkerrecht als funktionierendes Recht etablierte, der Versailler Vertrag aber nur die Saat für den nächsten großen Zweiten Weltkrieg war. Darüber werden wir [am 22. November] diskutieren und wir werden auch praktikable Schritte für eine solche Vertragskonferenz vorstellen.“

Rückkehr zur unipolaren Welt ist nicht mehr möglich

Wie der Verlauf des G20-Gipfels in Indonesien zeige, sei ein immer größerer Teil der Nationen der Welt sehr darauf bedacht, daß die sogenannten westlichen Länder nicht einfach nur ankommen und sich beschweren, sie schikanieren und angreifen. „Sie wollen vielmehr einen konstruktiven Ansatz verfolgen und sich auf die wirklichen Herausforderungen konzentrieren, die eine Bedrohung für die Menschheit darstellen, und das ist natürlich allem voran die Welternährungskrise. Der Leiter des Welternährungsprogramms Beasley sagte, das sei die schlimmste humanitäre Krise seit dem Zweiten Weltkrieg, die wir gerade erleben.“

Zumindest den intelligenteren Leuten sei klargeworden, „daß es keine Möglichkeit gibt, zur unipolaren Welt zurückzukehren. Die Multipolarität ist eine Realität geworden; der Globale Süden spielt eine viel größere Rolle, er will den Kolonialismus in seiner aktuellen Form überwinden. Und ich denke, das ist eine völlig neue Dynamik.“

Es gebe „einen neue Orientierung, wo sich 130 oder 140 Länder mit der Gürtel- und Straßen-Initiative verbündet haben. Sie bilden neue Systeme mit den BRICS-Ländern, viele weitere Länder bewerben sich um die Mitgliedschaft in den BRICS – Argentinien, Saudi-Arabien, Ägypten, die Türkei. Es gibt also viel Bewegung, um tatsächlich ein völlig neues System aufzubauen, das auf Souveränität, den Fünf Prinzipien der Koexistenz und der Tradition der Bewegung der Blockfreien beruht.“

Sie äußerte die Hoffnung, daß das erste Treffen zwischen US-Präsident Biden und Chinas Präsident Xi Jinping „einen dauerhaften Wandel hin zur Zusammenarbeit und ein Ende dieser extremen Konfrontation bedeutet, die im Gange war“. In diesem Zusammenhang verwies sie auch auf Xi Jinpings Treffen mit anderen Staats- und Regierungschefs, wie etwa Frankreichs Präsident Macron und Australiens Ministerpräsident Albanese, sowie den China-Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz. „Es gibt also klare Anzeichen dafür, daß man erkannt hat, daß man an China nicht vorbeikommt, denn China ist die Lokomotive der Weltwirtschaft. Und all die anderen asiatischen Länder auch! Der einzige Ort, an dem es Wachstum gibt, ist Asien – nicht Europa, nicht die Vereinigten Staaten.“

Sie fuhr fort: „Die Entwicklungsländer suchen die Zusammenarbeit mit den Ländern, die ihnen echte Entwicklung bringen. Sie wollen nicht nur ,Demokratie‘ und Sonntagspredigten, sie wollen Entwicklung, und sie gehen zu den Ländern, die ihnen das bieten. In diesem Sinne wäre es das Beste – und das ist das wesentliche Ziel des Schiller-Instituts –, daß die Vereinigten Staaten und die europäischen Nationen mit dem Globalen Süden zusammenarbeiten. Es muß eine gleichberechtigte Basis geben, und die Forderungen der Entwicklungsländer, daß sie ihre Armut überwinden wollen, sind legitim! Deutschland und Frankreich und Japan und andere sogenannte Industrieländer, die ja inzwischen fast schon Ex-Industrieländer sind, sollten zuhören und von ihrem hohen Roß herunterkommen und nicht meinen, sie seien allen anderen überlegen. Das wird nicht mehr akzeptiert! Bei aller Vorsicht – und der Vorfall mit den polnischen Raketen zeigt, daß Vorsicht angebracht ist – denke ich, daß dieses G20-Treffen eine Veränderung der Realitäten in der Welt widerspiegelt, und das ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.“


Anmerkungen

1. „Ein Atomkrieg kann nicht gewonnen werden und darf niemals geführt werden“, https://schillerinstitute.com/de/blog/2022/11/11/.

2. „Stoppt die Gefahr eines Atomkriegs“: https://schillerinstitute.com/de/blog/2022/11/01/

3. „Dringend: Stoppt die Gefahr eines Atomkrieges!“ https://schillerinstitute.com/de/blog/2022/11/17/