Produktive Kreditschöpfung 
  Neues Bretton Woods
  Glass-Steagall
  Physische Wirtschaft
  Kernenergie
  Eurasische Landbrücke
  Transrapid
  Inflation
  Terror - Cui bono?
  Südwestasienkrise
  11. September und danach
  Letzte Woche
  Aktuelle Ausgabe
  Ausgabe Nr. ...
  Heureka!
  Das Beste von Eulenspiegel
  Erziehungs-Reihe
  PC-Spiele & Gewalt 
  Diskussionsforum
  Wirtschaftsgrafiken
  Animierte Grafiken
» » » Internetforum mit Helga Zepp-LaRouche « « «
Folgen Sie uns auf
acebook
Neue Solidarität
Nr. 51-52, 22. Dezember 2022

Eine „beängstigend gefährliche“ Weltlage:
Stoppt die Eskalation zum nuklearen Krieg!

Von Alexander Hartmann

Am 7. Dezember verursachte der russische Präsident Putin mit einer kryptischen Äußerung zur Nuklearstrategie in einer öffentlichen Diskussion in Moskau „einen Aufruhr“, wie der große russische Fernsehsender Perwy Kanal (Channel One) feststellte, als er sagte: „Wenn Rußland nicht als erster Atomwaffen einsetzt, wird es sie auch nicht als zweiter einsetzen.“ Am 9. Dezember wurde er auf seiner Pressekonferenz im Anschluß an das Gipfeltreffen der Eurasischen Wirtschaftsunion in Bischkek um eine Erläuterung gebeten. Putin gab eine ausführliche Antwort (sie ist in vollem Wortlaut auf der Webseite des Kreml abrufbar1). Er  sagte darin folgendes:

Putin beschrieb dann, was ein solcher Vergeltungsschlag bedeutet:

Öffentliche Debatte fehlt

Der ehemalige CIA-Analyst Ray McGovern interpretierte Putins Äußerungen in einer Kolumne auf Antiwar.com am 12. Dezember dahingehend, daß Rußland eine Änderung seiner Nukleardoktrin erwägt, um seinerseits den präventiven Einsatz von Atomwaffen zu ermöglichen. McGovern schreibt: „Eine solche Änderung würde Rußlands Nuklearstrategie auf Augenhöhe mit Washingtons eigener strategischer Doktrin bringen und die Welt mit einem Schlag weitaus gefährlicher machen.“

Ein ehemaliger Staatschef eines Entwicklungslandes sagte kürzlich in einem Gespräch mit einem Vertreter des Schiller-Instituts, die ohnehin schon bedrohliche strategische Situation sei in den letzten Wochen „beängstigend gefährlich“ geworden. Das Beängstigende seien dabei nicht einmal die Eskalation der Drohungen der globalen NATO gegen Rußland und auch nicht die mehr als ernüchternden Äußerungen des russischen Präsidenten. Noch beängstigender und gefährlicher sei, daß es von den politischen Entscheidungsträgern im Westen keinerlei substantielle öffentliche Reaktion auf Putins ominöse Äußerungen gibt.

So tat US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sie als übliches russisches „Säbelrasseln“ ab. Der britische Premierminister Rishi Sunak meinte zum wiederholten Male, Verhandlungen zwischen Rußland und der Ukraine könnten erst stattfinden, nachdem Rußland seine Streitkräfte aus dem gesamten Donbaß und sogar von der Krim abgezogen hat – also niemals. Und die Mainstream-Medien beschrieben Putins Äußerungen von Bischkek, falls sie diese überhaupt erwähnten, fälschlich einfach nur als „erneute Androhung des Einsatzes taktischer Atomwaffen gegen die Ukraine“, wovon gar nicht die Rede war.

US-Strategie setzt auf einen nuklearen Erstschlag

Die USA schließen seit langem den Ersteinsatz von Atomwaffen nicht aus, nicht einmal gegenüber Nicht-Atomstaaten. Ein Verzicht darauf wird in der offiziellen Nuclear Posture Review der Trump-Administration von 2018 sogar ausdrücklich abgelehnt, genauso wie in der Nuclear Posture Review der Biden-Administration von 2022, obwohl Präsident Biden einmal versprochen hatte, einen solchen Verzicht in der US-Nukleardoktrin festzuschreiben.

Tatsächlich ist das strategische Kernwaffenarsenal der USA, wie der MIT-Professor Ted Postol und andere führende Experten seit Jahren aufgezeigt haben, für einen Erstschlag ausgelegt, unter anderem im Rahmen der von Verteidigungsminister Lloyd Austin verkündeten „integrierten Abschreckung“.

Hinzu kommt die amerikanische Politik des „Präventivkriegs“. Sie geht auf die Nationale Sicherheitsstrategie der Regierung G.W. Bush aus dem Jahr 2002 zurück, in der „Preemption“ – Zuvorkommen – zur „Verhinderung von Terroranschlägen“ gefordert wird. Diese Strategie war die Grundlage für den US-Angriff auf den Irak 2003, aber da die für den Krieg angeführten Gründe („irakische Massenvernichtungswaffen“) Lügen waren, war die US-Invasion in Wirklichkeit kein Präventivkrieg, sondern ein unprovozierter Angriffskrieg, also ein Kriegsverbrechen.

Als im Oktober das mit ballistischen Raketen bestückte US-U-Boot USS West Virginia im Arabischen Meer für alle Welt sichtbar auftauchte, was äußerst ungewöhnlich ist, faßte man das in Moskau als Botschaft auf, daß die USA tatsächlich meinen, über die Fähigkeit zu verfügen, die russischen Atomwaffen mit einem Erstschlag auszuschalten. Anfang November tauchten zwei weitere mit Atomwaffen ausgerüstete U-Boote – ein amerikanisches und ein britisches – demonstrativ im Atlantik auf und gaben so ihren Standort preis. „Die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich haben ein langjähriges Abkommen über die Zusammenarbeit bei der Entwicklung und dem Einsatz strategischer Waffen und unterstützender Systeme“, verkündete das Pentagon offiziell.

Da es weithin anerkannt ist, daß die Briten bei weitem die aggressivste Kraft sind, die den Ukraine-Krieg zur einer strategischen Machtprobe zwischen der globalen NATO und Rußland eskalieren will, ist eine solche Erklärung des US-Verteidigungsministeriums wirklich „beängstigend gefährlich“.

NATO-Partner sind in die Atomkriegs-Strategie eingebunden

Auch die NATO-Partner sind in die Nuklearstrategie der USA eingebunden. Nach den jüngsten Informationen von Hans Kristensen, dem Direktor des Nuclear Information Project der Federation of American Scientists, verfügen die USA über schätzungsweise hundert ballistische Atombomben des Typs B61 auf den Luftwaffenstützpunkten Büchel in Deutschland, Kleine Brogel in Belgien, Aviano und Ghedi in Italien, Volkel in den Niederlanden und Incirlik in der Türkei.

Darüber hinaus gibt es Nuklearsilos auf den Luftwaffenstützpunkten Ramstein in Deutschland und Lakenheath im Großbritannien, wo allerdings derzeit keine Bomben liegen sollen. Die Lager in Lakenheath wurden kürzlich in die Liste der Modernisierungsprojekte für Atomwaffen aufgenommen, und auf vier der anderen sechs Stützpunkte sind Modernisierungsarbeiten im Gange.

Die Schätzung von hundert Bomben beruht nicht auf offiziellen Angaben, sondern auf Analysen öffentlich zugänglicher Informationen, wie z.B. Satellitenbildern. Die derzeit in Europa gelagerten Bomben des Typs B61-3/4 sollen ab 2023 durch die Version B61-12 ersetzt werden. Das Hauptmerkmal der B61-12 ist ein GPS-Leitsystem, das die Genauigkeit der Bombe erheblich verbessert.

Steadfast Noon ist die jährliche NATO-Übung zur „nuklearen Teilhabe“, die in der Regel im Herbst stattfindet und bei der Flugzeugbesatzungen aus den Nicht-Nuklearstaaten Deutschland, Belgien, Niederlande und Italien den Einsatz amerikanischer Atombomben trainieren. Mehrere andere NATO-Mitglieder nehmen ebenfalls an den Steadfast Noon-Übungen in einer nicht-nuklearen Unterstützungsrolle teil, insbesondere Polen. Die Strategie und die Entscheidung über den Einsatz von Kernwaffen trifft die Nukleare Planungsgruppe der NATO, an der alle NATO-Mitglieder beteiligt sind, außer Frankreich, das über eigene, unabhängige Nuklearstreitkräfte verfügt.

Kriegsgegner müssen ihre Stimme erheben

All dies zeigt: Es ist höchste Zeit für Menschen in aller Welt, ihre Stimme zu erheben und zu fordern, daß sofort und ohne Vorbedingungen Verhandlungen zwischen der Ukraine und Rußland stattfinden – so wie es Helga Zepp-LaRouche in ihrem dramatischen Aufruf „Ein Schritt weg von der nuklearen Vernichtung der Menschheit!“ fordert (siehe nebenstehenden Kasten).

Gleichzeitig ist es überfällig, daß die Menschheit eine völlig neue internationale Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur entwirft, in der die Sicherheitsinteressen aller Länder angemessen berücksichtigt werden. Die inhaltliche Grundlage dafür liefern Zepp-LaRouches „Zehn Prinzipien für eine neue internationale Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur”2.


Anmerkungen

1. Siehe http://en.kremlin.ru/events/president/news/70061

2. Siehe https://schillerinstitute.com/de/blog/2022/11/30/zehn-prinzipien-fuer-eine-neue-internationale-sicherheits-und-entwicklungsarchitektur/