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Neue Solidarität
Nr. 51-52, 22. Dezember 2022

"Medienkompetenz" gegen das Hinterfragen?

Von Daniel Platt

In der Schönen Neuen Welt des anglo-amerikanischen Blocks haben die Sozialingenieure der Oligarchie einige neue Begriffe in ihr Lexikon aufgenommen: „Prebunking“ und „Inokulationsforschung“. Sie verweisen auf die vorherrschende politische Ansicht, es reiche nicht mehr aus, gegen unerwünschte Ansichten mit Zensur und Propagandatechniken vorzugehen, sondern es sei notwendig geworden, das Denken junger Menschen so zu konditionieren, daß sie alle Konzepte oder Informationen, die sie veranlassen könnten, die absolute Gültigkeit des bevorzugten „Narrativs“ der Oligarchie in Frage zu stellen, instinktiv und reflexartig ablehnen.

Debunking“ bedeutet das Widerlegen einer in der Öffentlichkeit umlaufenden falschen Vorstellung, „Prebunking“ ist eine Methode, die verhindern soll, daß solche Ideen überhaupt einer kritischen Prüfung unterzogen werden, indem man das Subjekt von vornherein dagegen „immunisiert“.

Das Programm ist bereits in ausgewählten „Testlabors“ im Gange, u.a. im US-Bundesstaat New Jersey, der vor kurzem ein Gesetz verabschiedet hat, das öffentlichen Schulen vorschreibt, „Medienkompetenz“ zu unterrichten, um „Fehlinformationen“ zu bekämpfen, sowie in Moldawien, wo ein Projekt für „Stärkung der Medien- und Informationskompetenz in der Republik Moldawien“ läuft, das von einem Konsortium neokonservativer Denkfabriken und Nichtregierungsorganisationen zusammen mit den Regierungen der USA, Großbritanniens und der Niederlande finanziert wird.

In oligarchischen Kreisen wird seit mindestens 70 Jahren über Methoden diskutiert, die eine Konformität des Denkens sicherstellen sollen. So schrieb Lord Bertrand Russell 1952 in The Impact of Science on Society (dt. „Wissenschaft wandelt das Leben”):

Wikipedia: Archiv geprüfter Propaganda

Ein Meilenstein bei dem Vorstoß, „Standard-Narrative“ für den öffentlichen Konsum zu schaffen, war 2001 die Gründung der Online-Enzyklopädie Wikipedia. Einer der beiden Gründer, Jimmy Wales, erlangte bald die Kontrolle und wurde zum „Gottkönig“ des Projekts ausgerufen.1 Wales ist ein Bewunderer der Freimarktfanatiker Ayn Rand und Friedrich von Hayek, und 2012 heiratete er Kate Garvey, die ehemalige Assistentin des britischen Premiers Tony Blair.

Wikipedia enthält inzwischen über 60 Millionen Artikel zu allen erdenklichen Themen. Sie unterhält eine symbiotische Beziehung zu Google und anderen Suchmaschinen, so daß der Wikipedia-Artikel zu einem Suchbegriff unweigerlich ganz oder nahe der Spitze von Internet-Suchergebnissen auftaucht. Im April 2018 kündigten Facebook und YouTube an, Nutzern bei der Erkennung von „Fake News“ zu helfen, indem sie Links zu Faktenchecks in entsprechenden Wikipedia-Artikeln vorschlagen.

Bei Wikipedia gibt es für Redakteure einen Wust an Regeln und Vorschriften, die von der herrschenden Wikipedia-Elite sehr inkonsequent und subjektiv ausgelegt und durchgesetzt werden (in dieser Hinsicht ahmt Wikipedia die „regelbasierte Ordnung“ des amerikanischen und britischen Außenministeriums nach).

Wikipedias Doktrin der „verläßlichen Quellen“ in Bezug auf Politik läßt sich in der einen Zeile zusammenfassen: „Die Berichterstattung etablierter Nachrichtenorganisationen wird im allgemeinen als verläßlich für Tatsachenbehauptungen angesehen.“2 In der Praxis bedeutet „etabliert“: „akzeptabel für Neokonservative“. Alle Nachrichtenorganisationen mit Sitz in einem Land, das für die Neokonservativen auf der Liste der „Bösewichte“ steht, gelten automatisch als unseriös und werden in Wikipedia-Artikeln als Quelle für Sachinformationen ausgeschlossen. Andererseits werden große US-Nachrichtenorganisationen, die kritiklos den Schwindel mit den „irakischen Massenvernichtungswaffen“ übernommen oder zum „Russiagate“ falsche Behauptungen aus anonymen Quellen verbreitet haben, ohne jemals eine Entschuldigung oder einen Widerruf zu veröffentlichen, von Wikipedia trotzdem als völlig zuverlässig eingestuft. Somit ist Wikipedia ein riesiges Archiv gründlich geprüfter und kuratierter Medienpropaganda.

Indoktrinierung im Auftrag von EU und NATO

Die politischen Verlautbarungen der Europäischen Kommission in ihren Leitlinien für Lehrer und pädagogische Fachkräfte zur Bekämpfung von Desinformation und zur Förderung der digitalen Kompetenz durch allgemeine und berufliche Bildung sind ähnlich vage und offen für eine subjektive Auslegung, ganz im Sinne von Russells Ermahnung: „der breiten Masse wird es nicht erlaubt sein, zu verstehen, wie ihre Überzeugungen geschaffen wurden“. Die EU-Kommission sagt in der Schrift zwar nicht ganz offen, was sie den Kindern als die „reine Wahrheit” über die Welt erzählen will, dafür verkünden andere EU-Gremien an anderer Stelle, was für sie „Desinformation“ ist. 2015 richtete der Europäische Rat eine Arbeitsgruppe ein, die East Stratcom Task Force, um „gegen Rußlands laufende Desinformationskampagnen vorzugehen“. Die Gruppe unterhält eine Webseite3 mit einer Liste von Standpunkten, die als „russische Desinformation“ gebrandmarkt werden - obwohl viele der dort aufgelisteten „Fake News“ nachweislich wahr sind, was „alternative“ Nachrichtenmedien in der englischsprachigen Welt ausführlich begründet haben. Hier sind einige Beispiele:

Die Europäische Kommission ist nun jedoch zu dem Schluß gekommen, daß es nicht ausreicht, unerwünschte Fakten und Konzepte einfach als „russische Desinformation“ zu kennzeichnen und Journalisten, die darüber berichten, zu bestrafen. Warum? Weil man in dem Moment den Kampf im Grunde schon verloren hat: Denn auch wenn die „Faktenchecker“ eine Idee anprangern mögen, hat sie sich bereits im Bewußtsein der Bürger festgesetzt, die sie kritisch prüfen und gegen die offizielle Darstellung abwägen können. Die Möglichkeit, daß sich die offizielle Darstellung (das Narrativ) als falsch erweisen könnte, ist ein zu großes Risiko. Es mußte daher ein Weg gefunden werden, um sicherzustellen, daß die gefährliche Idee gar nicht erst in Erwägung gezogen wird. An dieser Stelle kommt das „Prebunking“ ins Spiel.

„Impfung” gegen „Desinformation”

Am 21. Oktober 2021 veranstaltete die Europäische Kommission eine „Auftaktsitzung der Expertengruppe zur Bekämpfung von Desinformation und zur Förderung der digitalen Kompetenz durch allgemeine und berufliche Bildung“.5 Die „5 Hauptthemen“ der Sitzung waren

Prof. Sander L. van der Linden ist Sozialpsychologe und Professor für Sozialpsychologie in der Gesellschaft an der Fakultät für Psychologie der Universität Cambridge in England. Er ist ein hyperaktiver Verfechter der Prebunking- und „Inokulationsforschung“ und veröffentlicht pseudo-wissenschaftliche Abhandlungen in Publikationen wie Nature, in denen er eine ausgeklügelte Analogie zwischen der Ausbreitung von Viren in einer Epidemie und der Verbreitung von Fehlinformationen konstruiert.6 Um sein Konzept der „Immunisierung“ auf die Konditionierung von Kindern anzuwenden, hat van der Linden Spiele entwickelt, die in Schulen eingesetzt werden. Eines davon heißt „Schlechte Nachrichten“ (Bad News), dabei schlüpfen die Spieler in die Rolle von Twitter-Nutzern, die „mit irreführenden Taktiken ihr eigenes Fake-News-Imperium aufbauen“.7

Van der Linden pflegt auch eine enge Beziehung zu der von Google betriebenen Plattform YouTube. Er hat mit YouTube bei einer Reihe von Videoprojekten zusammengearbeitet, die die gewünschte „Immunisierung“8 erzeugen sollen.

In New Jersey nimmt das Projekt „Medienkompetenz“ Fahrt auf mit der Verabschiedung des Senatsgesetzes 588 am 21. November, welches „das Bildungsministerium anweist, für New Jerseys Schüler Lernziele in Informationskompetenz zu entwickeln“. Eine der treibenden Kräfte hinter dem Projekt ist Olga Polites, Leiterin des New Jerseyer Ablegers der gemeinnützigen Interessengruppe „Media Literacy Now“. Polites beklagt die Tatsache, daß das Vertrauen der Bevölkerung in die etablierten Nachrichtenmedien sinkt und viele jüngere Menschen sich deshalb auf der Suche nach alternativen Informationsquellen den sozialen Medien zuwenden:

Es überrascht nicht, daß der gesamte neokonservative „Regimewechsel“-Apparat eng in das Projekt der „Medienkompetenz“ eingebunden ist. Das Mutterschiff dieses Apparats ist USAID, die US-Behörde für internationale Entwicklung, unter der Leitung der neokonservativen Hohepriesterin Samantha Power, frühere UN-Botschafterin der USA. USAID ist die Mutterbehörde des berüchtigten National Endowment for Democracy (NED). USAID hat ein eigenes „Medienkompetenz“-Programm mit dem Namen „YouThink“10 und organisiert ein spezielles Programm in Nordmakedonien, das, wie sie beklagen, „zu den europäischen Ländern gehört, die am wenigsten widerstandsfähig gegen den schädlichen Einfluß von Desinformationskampagnen sind“. USAID verspricht, „die Jugend zu befähigen, eine aktive Rolle bei der Entwicklung des Landes zu übernehmen“.

Nina Jankowicz, die Desinformationsspezialistin und Social-Media-Fanatikerin, die von der US-Regierung zur Leiterin der kurzlebigen Zensurbehörde Disinformation Governance Board ernannt worden war, ließ sich am 18. November offiziell als Agentin einer ausländischen Nation, des Vereinigten Königreichs, registrieren. Jankowicz, deren Twitter-Name @wizcipedia ist, arbeitet nun für das Centre for Information Resilience (CIR) in Großbritannien. Schon im Mai 2021 hatte sie geschrieben:

In einem Artikel aus dem Jahr 2018 mit dem Titel „Die Desinformationsimmunisierung“12 lobte Jankowicz ein Medienkompetenzprojekt namens „Learn to Discern“, das von einer amerikanischen NGO namens IREX in der Ukraine durchgeführt wird, wo das Bildungsministerium einen Erlaß unterzeichnet hat, der die Medienkompetenz in den nationalen Lehrplan aufnimmt. Im Vorstand von IREX sitzen Leute wie David Gross, der von Präsident George W. Bush zum US-Koordinator für internationale Kommunikations- und Informationspolitik im US-Außenministerium ernannt wurde, und Vipul Amin, geschäftsführender Direktor bei der Carlyle Group in der Abteilung für Unternehmensübernahmen in den USA. Bekanntlich ist die Ukraine vier Jahre später über die „Medienkompetenz“ hinausgegangen und hat die oppositionellen Medien ganz einfach verboten.

Und bist du nicht willig…

Die Europäische Union droht auch damit, Twitter zu verbieten, das nach der Übernahme durch Elon Musk unter neuer Leitung steht. Thierry Breton, der für die Durchsetzung der digitalen Gesetze der EU zuständig ist, teilte Musk am 30. November mit, daß Twitter Gefahr läuft, gegen den Digital Services Act zu verstoßen, und warnte, daß die Plattform verboten wird, wenn sie nicht ihre Moderationsrichtlinien verschärft und ihre „willkürliche“ Herangehensweise an die Wiederaufnahme gesperrter Nutzer abstellt, so die Financial Times.13 Breton sagte auch, daß Musk einer „umfassenden unabhängigen Prüfung“ der Plattform zustimmen müsse.

Am 3. Oktober, einige Wochen vor Abschluß seines Kaufs von Twitter, hatte Musk in Form einer Umfrage folgenden Vorschlag für einen Verhandlungsfrieden in der Ukraine getwittert:14

Solche Vorschläge, die im neokonservativen Lager höchst unerwünscht sind, sind wahrscheinlich ein Beispiel dafür, warum man von Musk eine „Verschärfung der Moderationspolitik“ fordert. Das angeblich „willkürliche“ Vorgehen bei der Wiederaufnahme gesperrter Nutzer bezieht sich auf Musks Entscheidung, eine allgemeine Amnestie für alle gesperrten Nutzer zu erlassen, die nicht gegen Gesetze verstoßen oder Spam im großen Ausmaß betrieben haben.

Ein Beispiel für einen solchen gesperrten Nutzer, der wieder zugelassen werden könnte, ist der ehemalige US-Geheimdienstoffizier des Marine Corps und UN-Waffeninspekteur Scott Ritter, der am 6. April dieses Jahres gesperrt wurde. Ihm wurde seltsamerweise vorgeworfen, wegen des folgenden Tweets gegen eine Twitter-Regel gegen „Belästigung und Mißbrauch“ verstoßen zu haben:

Wie es sich gehört, beeilten sich die Wikipedia-Redakteure, Ritters Biografie auf Wikipedia zu aktualisieren und diesen Tweet als „falsche Behauptung“ zu kennzeichnen. Ist das „Medienkompetenz“ in Aktion?


Anmerkungen

1. https://www.seattletimes.com/business/hes-the-god-king-but-you-can-call-him-jimbo/

2. https://en.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Reliable_sources

3. https://euvsdisinfo.eu/report/

4. https://www.donbass-insider.com/2022/06/21/julian-assange-alina-lipp-and-anne-laure-bonnel-when-truth-becomes-a-crime-in-the-west/

5. https://education.ec.europa.eu/news/kick-off-meeting-of-the-expert-group-on-tackling-disinformation-and-promoting-digital-literacy-through-education-and-training

6. https://www.nature.com/articles/s41591-022-01713-6

7. https://www.weforum.org/agenda/2018/02/now-theres-a-game-you-can-play-to-vaccinate-yourself-against-fake-news/

8. https://theconversation.com/youtube-how-a-team-of-scientists-worked-to-inoculate-a-million-users-against-misinformation-189007

9. https://www.k12dive.com/news/new-jersey-k-12-media-literacy-law/637367/

10. https://www.usaid.gov/sites/default/files/documents/YOUTHINK_March_2022_1.pdf

11. https://www.sciencefocus.com/future-technology/the-simple-reasons-online-disinformation-may-never-be-fixed/

12. https://www.wilsonquarterly.com/quarterly/the-disinformation-age/the-disinformation-vaccination

13. https://www.ft.com/content/a07ca1ae-9f9a-46ee-9457-27bb30e18ed2

14. https://twitter.com/elonmusk/status/1576969255031296000