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Neue Solidarität
Nr. 51-52, 22. Dezember 2022

Friedensbewegung unterwegs zu einer neuen Weltordnung

Christoph Mohs berichtet vom 29. Bundesweiten Friedensratschlag in Kassel.

Am 10. und 11. Dezember fand zum 29. Mal der „Bundesweite Friedensratschlag“ in Kassel statt. Diese Zusammenkunft verschiedenster Friedensinitiativen und zivilgesellschaftlicher Organisationen ging aus der Friedensbewegung der 1980er Jahre hervor und hatte in diesem Jahr angesichts der angespannten Lage im Ukraine-Konflikt und anderen kriegerischen Auseinandersetzungen weltweit natürlich eine besondere Brisanz. Der erste Teil des Veranstaltungstitels, „Unterwegs zu einer neuen Weltordnung“, ließ daher auch auf vielversprechende Beiträge und Diskussionen hoffen. So gut wie alle Vorträge der mehr als ein Dutzend Redner fokussierten sich auf das (bevorstehende) Ende der unipolaren, von den USA dominierten Weltordnung der letzten Jahrzehnte und die aus ihrer Sicht entstehende multipolare Welt.

Etwa 350 Teilnehmer aus ganz Deutschland und darüber hinaus waren zu der Veranstaltung angereist, um ihrer Entrüstung über den Kriegskurs und die Sanktionspolitik der Bundesregierung, der EU-Führung und der NATO Ausdruck zu verleihen und Wege zur Überwindung der strategischen Spannungen und Ungerechtigkeiten der westlichen Konfrontationsagenda zu suchen.

Auch die Rednerliste war mit einigen führenden Vertretern des linken Spektrums aus Politik, Diplomatie, Journalismus, Wissenschaft und Zivilgesellschaft ordentlich besetzt. So sprachen am ersten Tag mit Prof. Dr. Karin Kulow, Peter Wahl, Karin Leukefeld u.a. einige nicht nur Insidern bekannte Friedensaktivisten; sie verurteilten, daß vor allem die Bundesminister Baerbock und Habeck einen echten Dialog mit der russischen Führung verweigern und stattdessen weiter einen vollkommen unrealistischen „ukrainischen Sieg über Putin“ durch massive Waffenlieferungen und andere logistische und militärische Unterstützung für Kiew anstreben. Auch die Ausrufung einer „Zeitenwende“ durch Bundeskanzler Olaf Scholz und sein Sonderbudget von 100 Milliarden Euro für eine Aufrüstung der Bundeswehr und moderne Waffensysteme wurden deutlich kritisiert. Genauso wurde auf die Gefahr der Eskalation hin zu einer nuklearen Katastrophe sowie auf das bereits einsetzende Großmachtgerangel mit China hingewiesen.

Die klare Erkenntnis, daß die Führung der Grünen angesichts dieses Kriegskurses ihre Wurzeln in der Friedensbewegung schon lange gekappt hatte, war allgegenwärtig erkennbar, und eine etwaige Hoffnung, dies könne sich wieder ändern, kam erst gar nicht auf. Allerdings wurde ebenso deutlich, daß die enge Verknüpfung zwischen Friedens- und Umweltbewegung weiterhin besteht - nicht nur der zweite Teil des Veranstaltungstitels, „Weltkrieg oder sozialökologische Wende zum Frieden“, ließ darauf schließen, sondern auch die Beiträge einiger Redner besonders am zweiten Tag.

So wurde die Plenarsitzung über „Verhandlungslösungen für die Ukraine und eine globale Friedensordnung“ von der langjährigen linken Bundestagsabgeordneten Heike Hänsel moderiert, die als wichtige Brückenbauerin zwischen der Linken und den Grünen gilt, und umfaßte neben der Auftaktrede des ehem. UN-Diplomaten Hans-Christoph von Sponeck auch einen Beitrag des Bundesvorsitzenden der Naturfreunde Michael Müller, der als Bundestagsabgeordneter und ehemaliger parlamentarischer Staatssekretär der SPD im Umweltministerium saß. Beide Redner fokussierten ihre Beiträge nicht nur auf die Friedenspolitik, sondern auch auf die ihrer Meinung nach notwendige Rückbesinnung auf die „eigentlichen Katastrophen und Probleme“ der Menschheit, vor allem den „menschengemachten Klimawandel“, der viele weitere Krisen wie den Welthunger und die „Gefahr von Kippunkten“ bei der Klimaentwicklung mit schwerwiegenden Folgen für Mensch und Umwelt erst verursache.

Andererseits gab es auch sehr gut argumentierende Beiträge, die den Hauptfokus auf der Forderung „… eine neue Weltordnung - für Kooperation statt Konfrontation!“ der gemeinsamen Abschlußerklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag beibehielten. Insbesondere die Reden des ehemaligen UN- und OSZE-Diplomaten Michael von der Schulenburg, der schon vor mehreren Monaten zusammen mit Jeffrey Sachs und anderen bekannten Persönlichkeiten eine Friedensinitiative im Vatikan gestartet hatte, sowie der linken Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen, die eine scharfe Attacke auf die Doppelmoral der Bundesregierung und der EU lancierte, ließen erkennen, daß es auch in diesen Kreisen realistisch denkende Individuen gibt, die das Momentum des Handelns wiedergewinnen wollen.

Was in den Analysen der Redner allerdings beinahe komplett fehlte, war der Bezug zum britischen Faktor im Ukrainekrieg und den weltweiten Konfliktregionen generell. Das Verständnis, was eine geoimperialistische Strategie von der Formung und Verteidigung eines souveränen Nationalstaats unterscheidet, war bestenfalls rudimentär ausgeprägt. Und auch der letztendliche Hauptgrund dieser nicht enden wollenden Strategie der Spannung - der Malthusianismus in Form der Vier Reiter der Apokalypse - wurde selbst auf Nachfrage eines Aktivisten des Schiller-Instituts ans gesamte Podium nur von einer Rednerin äußerst kurz und unzureichend gestreift.

Und so verwundert es dann auch nicht, daß es insgesamt an der für eine große Mobilisierung der Öffentlichkeit notwendigen Überzeugungskraft bei den Rednern wie den Zuhörern deutlich erkennbar mangelte; was sicherlich nicht nur der eingangs erwähnten Dezimierung und folglich Demoralisierung der Friedensbewegung durch das Überwechseln der Grünen zur Kriegsfraktion geschuldet war.

Der entscheidende Faktor, um eine neue, geläuterte Friedensbewegung aufzubauen, die in der Lage ist, diese alte unipolare Weltordnung in eine neue Ära der Kooperation aller Länder zu überführen, muß die Aneignung eines prinzipiellen Verständnisses für die gemeinsamen Ziele der Menschheit sein. Daher war es erfreulich zu sehen, daß die Flugblätter mit Helga Zepp-LaRouches „Zehn Prinzipien für eine neue internationale Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur“ von vielen Teilnehmern gerne genommen und eingehend studiert wurden. Zusammen mit anderen Publikationen des Schiller-Instituts und der BüSo bildeten diese und weitere Flugblätter den Einstieg in teils intensive Debatten, die sicherlich ihre Wirkung nicht verfehlen und den Grundstein für eine hoffentlich fruchtbare Zusammenarbeit legen könnten.

Denn eines war allen Beteiligten sonnenklar: Eine erfolgversprechende Mobilisierung der Bevölkerung wird nur gelingen, wenn man die dialektischen Grabenkämpfe zwischen links und rechts, alt und jung, progressiv und konservativ etc. überwindet und sich auf diejenigen Prinzipien einigen kann, die bereits bei der Entstehung der Blockfreien Bewegung in den 1950er Jahren angedacht worden waren und nun zu einer Gesamtkonzeption für die gesamte Menschheit des 21. Jahrhunderts weiterentwickelt werden müssen.

Christoph Mohs