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Neue Solidarität
Nr. 14-15, 6. April 2023

Demokratie-Gipfel: ein weiterer Schwindel
zur Rettung der unipolaren Weltordnung

Von Harley Schlanger

Am 28. März wurde der zweite „Gipfel für Demokratie“ unter der Leitung von US-Präsident Biden einberufen, um die Verpflichtung zur „Verteidigung der liberalen demokratischen Ordnung“ zu bekräftigen. In seiner Eröffnungsrede versicherte Biden, die teilnehmenden Nationen schüfen „die Wende zugunsten der Demokratie“, und betonte, wir hätten einen „Wendepunkt für unsere Welt hin zu mehr Freiheit, mehr Würde und mehr Demokratie“ erreicht.

Der größtenteils online abgehaltene Gipfel, auf dem ein paar Gelder für den „Marsch zur Demokratie“ zugesagt und ansonsten viele Plattitüden verbreitet wurden, fand zu einem für die „westlichen Demokratien“ wenig günstigen Zeitpunkt statt. Sie haben sich in einen verlustreichen Krieg gegen Rußland in der Ukraine verstrickt, und sie sind mit einer zunehmenden Banken- und Finanzkrise konfrontiert, weil die Zentralbanken mit ihrer jahrelangen „Quantitativen Lockerung“ den wirtschaftlichen Absturz mit einer Flut von Liquidität verdecken wollten.

Die Folge ist eine erdrückende Schuldenkrise im öffentlichen und privaten Sektor, die sich durch den allgemeinen Zusammenbruch der industriellen und landwirtschaftlichen Produktivität noch verschärft. Der Rückgang des Lebensstandards infolge dieser verfehlten Politik und der Widerstand gegen die riesigen Ausgaben für die „permanenten Kriege“, wobei jetzt die Ukraine im Mittelpunkt steht, sorgen für eine wachsende Rebellion unter den „Untertanen“.

Gleichzeitig bewegen sich die Nationen des Globalen Südens – die jetzt als die „Globale Mehrheit“ auftreten – auf eine neue Entwicklungsarchitektur zu, die auf der Durchsetzung ihrer souveränen Rechte beruht. Zu diesen Rechten gehört nicht zuletzt die Schaffung von Investitions- und Handelsinstitutionen außerhalb der Kontrolle der dominierenden Finanzinstitute der City und der Wall Street, die ihnen eine neokoloniale Politik auferlegt haben – einschließlich als „Klimaschutz“ getarnter wachstumsfeindlicher Maßnahmen –, die mit der Androhung einer Kreditsperre oder militärischer Interventionen der USA bzw. NATO durchgesetzt werden, wenn man sich nicht freiwillig unterwirft.

In Wirklichkeit ist die Konferenz ein Versuch, die „westlichen Demokratien“ auf Linie zu bringen und ihre Verpflichtung zu bekräftigen, Farbrevolutionen, hybride Kriegsführung, Putsche und Kriege gegen alle Staaten einzusetzen, die die sogenannte „regelbasierte Ordnung“ ablehnen, welche längst als Deckmäntelchen für die Ausplünderung im Rahmen der unipolaren Weltordnung entlarvt ist.

„Drehbuch“ für die regelbasierte Ordnung

Der Gipfel für Demokratie (S4D) ist ein Projekt, das 2008 aus Diskussionen im Politischen Planungsstab (PPS) des US-Außenministeriums hervorging und dann vom Atlantic Council (AC) ab 2014 als größeres Vorhaben unter der Bezeichnung „D-10“ (Democracy 10) übernommen wurde. Der PPS war 1947 von George Kennan, dem Begründer der „Eindämmungspolitik“ gegenüber der Sowjetunion, unter der Leitung des damaligen Außenministers George Marshall ins Leben gerufen worden. Einen Großteil der Koordination für die D-10 leisten ehemalige Mitarbeiter des PPS und des German Marshall Fund.

Die Liste der D-10-Staaten ist identisch mit denen, die hinter dem Vorstoß für eine „Globale NATO“ zur Eindämmung Rußlands und Chinas stehen. Mitglieder sind Australien, Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Südkorea und natürlich die Vereinigten Staaten, das Vereinigte Königreich und die Europäische Union. Diese Staaten wurden Dokumenten des AC zufolge ausgewählt, weil sie über die diplomatischen, wirtschaftlichen und militärischen Ressourcen verfügen, um „auf globaler Ebene zu handeln“. Die D-10 wurde 2014 gegründet, ihre erste Sitzung fand im Juli 2014 statt, kurz nach dem von den USA organisierten Regimewechsel in der Ukraine vom Februar 2014. Ihr Auftrag wurde auf einem Gipfeltreffen im März 2017 mit dem Titel „Strategie der Beschränkung“ weiter definiert als eine Initiative, „um Rußlands Herausforderung der regelbasierten demokratischen Ordnung zu begegnen“.

Die Absicht hinter dem S4D-Gipfel 2023, der Revolte der entstehenden Globalen Mehrheit entgegenzuwirken, ist Gegenstand eines aktuellen AC-Dokuments mit dem Titel „Eine vierte demokratische Welle fördern: ein Drehbuch, um der autoritären Bedrohung entgegenzuwirken“. Das Dokument wurde von drei AC-Stipendiaten erstellt, Hardy Merriman, Patrick Quirk und Ash Jain, alle ehemalige Mitarbeiter des PPS bzw. des German Marshall Fund. In der Einleitung warnen sie: „Eine mächtige autokratische Welle rollt über den Globus“ – eine Aussage, die Bidens Behauptung, daß sich „das Blatt zugunsten der Demokratie wendet“, komplett widerspricht! Weiter heißt es, Autokraten „gehen gegen ihre Zivilgesellschaften vor, koordinieren ihre Strategien..., propagieren eine autoritäre Regierungsführung im Ausland und führen immer schärfere Angriffe gegen Demokratien“.

Um dem entgegenzuwirken, schlagen sie Maßnahmen vor, um „die demokratische Widerstandsfähigkeit zu stärken, Druck von oben und von unten auf autokratische Regime auszuüben und die Koordinierung durch eine Reihe von Akteuren zu fördern“. Dies könne erreicht werden durch „neue Ansätze und Instrumente zur Unterstützung von Bemühungen um zivilen Widerstand“, durch die Förderung „einer neuen internationalen Norm – der ,Unterstützungsverantwortung‘ für prodemokratische Bewegungen“, sowie durch die Entwicklung „strategischer und taktischer Optionen, um autoritäre Regime in die Schranken zu weisen und die Kosten ihrer Unterdrückung zu erhöhen“, u.a. mit Strafsanktionen.

Dieses „Drehbuch“ ist nichts anderes als ein Versprechen, Regimewechsel und Bürgerkriege zu organisieren, indem das frühere Dogma der „Schutzverantwortung“ zu einer „Unterstützungsverantwortung“ bei Angriffen auf Nationen erweitert wird, die die regelbasierte Ordnung ablehnen.

Trotz der Beteuerungen guter Absichten folgt all dies keineswegs einem Prinzip höherer Moral. Die Autoren räumen selbst ein, daß all das notwendig ist, weil viele Demokratien „eine Legitimitätskrise durchmachen, weil sie seit langem nicht mehr in der Lage sind, ihren Wählern angemessen zu liefern“. Das mache die Bevölkerung anfällig für „Populismus, Polarisierung, störende Informationstechnologien, autoritäre Angriffe von außen und interne Demagogen“. Daher sei es unabdingbar, mit dieser Strategie die gefährdete unipolare Ordnung zu verteidigen.

Wenig überraschend stammt die Finanzierung des Atlantic Council laut seinem Geschäftsbericht 2021 größtenteils von Rüstungsunternehmen aus dem Militärisch-Industriellen Komplex der USA, von Großbanken wie Goldman Sachs und JP Morgan Chase sowie von Stiftungen wie der Rockefeller Foundation. Einer der größten Geldgeber ist das britische Außenamt.

Gegen „russische Propaganda“

Dieser kurze Überblick über die Hintergründe des S4D-Gipfels macht deutlich, daß es dort nicht darum geht, die Reihen der demokratischen Nationen zu vergrößern, sondern darum, eine zusammenbrechende Weltordnung zu retten, die mit Krieg, Sanktionen und Erpressung droht, um ihren privilegierten Status zu wahren. Erstaunlich ist, wie blind die Veranstalter für die Reaktion eines Großteils der Welt auf ihre hochtrabende Rhetorik über „Demokratie“ sind (oder sich blind stellen). Eine Vertreterin eines afrikanischen Landes fragte, ob sie so arrogant seien, daß sie gar nicht verstehen können, warum ihre Forderungen auf Widerstand stoßen. „Sind die unfähig zur Selbstreflexion?“, fragte sie.

US-Außenminister Blinken, der lauteste Trompeter der „regelbasierten Ordnung“, hat oft behauptet, die S4D-Strategie sei notwendig, um russische Desinformation und chinesische Bestechung zu bekämpfen. Bei solchen ignoranten Kommentaren wird völlig vergessen, daß die Regierungen, auf die das „Drehbuch“ abzielt, lange und schreckliche Erfahrungen mit kolonialer und neokolonialer Politik gemacht haben. Heute fühlen sie sich ermutigt, ihre Stimme gegen die offenen Schikanen und verdeckten Operationen der D-10-Länder zu erheben, und sie stellen sich hinter das Potential für eine neue Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur unter der Führung Rußlands und Chinas, die Hauptangriffsziele der Finanz- und Konzernoligarchen hinter dem D-10-Projekt sind.

Die hochtrabende Rhetorik des Gipfels klingt hohl angesichts der langen Geschichte westlicher Lügen, den Folgen bösartiger Sanktionen und massenmörderischen Angriffen gegen Länder, die sich nicht unterwerfen wollen. Die Globale Mehrheit vergißt nicht die Lügen hinter den Invasionen in Afghanistan und im Irak, der Zerstörung Libyens und dem Regimewechselversuch in Syrien, den Bruch der Versprechen zur NATO-Osterweiterung und der Minsker Vereinbarungen gegenüber Rußland, die dessen militärische Sonderoperation in der Ukraine provozierten, den Versuch, den US-Terrorismus bei der Sabotage der Nord-Stream-Pipelines zu vertuschen, oder die Anklage gegen Präsident Putin vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das „Verbrechen“, schutzlose Kinder aus den Kriegsgebieten nach Rußland in Sicherheit zu bringen.

Hinter der Selbstbeweihräucherung der D-10-Gruppe verbirgt sich eine Nervosität, die sogar von einigen US-Teilnehmern auf der S4D-Veranstaltung zum Ausdruck gebracht wurde. Die Washington Post zitierte einen Teilnehmer, die Veranstaltung sei eine „belanglose Gesprächsrunde oder ein ungewolltes Schaufenster für die Inkonsequenz der US-Politik“. Richard Haas, der Präsident des Council of Foreign Relations, twitterte, das Ganze sei „eine schlechte Idee“, die aber „nicht wieder verschwinden wird“.

Anders als Haas in seinem Zynismus sagt, handelt es sich um eine schlechte Idee, die sehr wohl wieder verschwinden wird, sobald die Bürger im Westen den Mut finden, sich gegen ihre heuchlerischen Regierungen aufzulehnen, die im Namen der „Demokratie“ töten und plündern, und ihre Nationen in die Globale Mehrheit zu bringen.