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Neue Solidarität
Nr. 21-22, 25. Mai 2023

Die Zukunft fordert uns heraus:
„Belastbarkeit“ oder echte Transformation?

Von Julio De Vido

Julio De Vido war argentinischer Minister für Planung und öffentliche Investitionen und Kongreßabgeordneter. (Übersetzung aus dem Spanischen.)

Ich möchte dem Schiller-Institut und insbesondere Helga Zepp-LaRouche und Dennis Small für die Möglichkeit danken, heute an dieser Versammlung teilzunehmen und Ihnen in diesem Video einige kurze Gedanken mit auf den Weg zu geben.

Der Titel meines Vortrags geht zurück auf eine Aussage von Dennis Small in seinem Wochenbericht vom 7. April sowie auf einen Vorschlag der geschäftsführenden Direktorin des IWF, Kristalina Georgieva, und den Bericht des IWF für die derzeit stattfindenden „Frühjahrskonferenzen“, deren vorgebliche Botschaft es ist, die wirtschaftliche Belastbarkeit zu stärken und das Wachstum zu stimulieren.

Diese beiden Thesen lassen sich natürlich nicht miteinander verbinden. Ein Festhalten am Kurs der multilateralen Kreditorganisationen, die versuchen, die Finanzierung für bereits verschuldete Länder wie Argentinien auszuweiten, indem sie überarbeitete Verschuldungsziele und neue Instrumente vorschlagen, um die Anpassungsmechanismen stets auf die Erwartungen der von ihnen unterstützten Investoren auszurichten, kann nicht der Weg zu einer Lösung sein.

Wir alle wissen, daß der Begriff Belastbarkeit oder Resilienz aus verschiedenen Bereichen wie Psychologie, psychische Gesundheit, Soziologie, Pädagogik usw. stammt. Er bezieht sich auf eine Realität voller Ungewißheiten, auf die Lebenslinien von Menschen, die traumatische Situationen von beträchtlicher Dauer und Intensität durchlebt haben, solche Aggressionen erfolgreich überwunden haben und durch diese Pfeile und Schleudern in Bezug auf Reife und Wachstum gestärkt worden sind.

Die falsche Vorstellung des IWF, die Schuldnerländer hätten die Schrumpfung der regionalen Volkswirtschaften aufgrund steigender globaler Kosten erlitten oder erduldet, kann niemals eine Voraussetzung für nachhaltiges Wachstum oder soziale Gerechtigkeit sein und wird auch nicht die Auswirkungen auf die schwachen Bevölkerungsgruppen mildern. Im Gegenteil, unsere Völker haben sich tolerant verhalten und unsere Regierungen haben sich bisher gehorsam an die Vorgaben des IWF gehalten.

Das Rezept hätte statt dessen lauten müssen: vorbeugen, erkennen und rechtzeitig eingreifen, zusammen mit der sogenannten Wachstumsförderung, um den Zustand von sozialer Entrechtung, Risiko und Verwundbarkeit in Bezug auf ihre Rechte zu korrigieren, was in diesem Zusammenhang an erster Stelle stehen sollte, anstatt mehr Druck für „Anpassungen“ auf die Schuldnerländer auszuüben.

Mit solchen Werturteilen wird eine unkritische Anpassung der Schuldnerländer angestrebt, etwas, was für uns bereits ein selbstverständlicher Teil unserer Existenz ist, wie es beispielsweise in den 90er Jahren geschah, als nach dem Drehbuch des Washingtoner Konsenses bestimmte Regionen als „nicht lebensfähig“ eingestuft wurden.

Die Welthegemonie der wichtigsten Industrienationen des 20. Jahrhunderts, der Vereinigten Staaten und ihrer europäischen Partner, hat die Kontrolle über die Weltwirtschaftsordnung behalten, indem man die Herrschaft der mächtigsten Institutionen über die kommerziellen, politischen und finanziellen Beziehungen der übrigen Welt aufrechterhalten hat.

Dieser hegemoniale Prozeß, der durch das Bretton-Woods-System mit der Schaffung von Institutionen wie IWF, Weltbank (ursprünglich Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung), GATT und seiner gesamten Palette an Handels- und Zollstandards (nach dem Ende der ITO 1947 und der Eingliederung in die WTO im Jahr 1995) eingeleitet und durch den „Washingtoner Konsens“ und das Ende des Kalten Krieges noch verschärft wurde, kann politische und wirtschaftliche Beziehungen nur unter dem Aspekt der Herrschaft begreifen.

Das überholte System der multilateralen Kreditinstitutionen erdrückt immer noch die Länder, insbesondere die Entwicklungsländer, und steht mit seinen hegemonialen Ansprüchen nach wie vor im Widerspruch zu verschiedenen Teilen der Welt. Um Doktrinen aufzugeben, die in jedem internationalen Abkommen enthalten sind, brauchen wir eine Revision und einen Drehpunktwechsel für die globale Integration – nicht nur im Hinblick auf die Einbindung ausländischer Investitionen in unsere Volkswirtschaften, sondern auch auf die Mobilisierung unserer Märkte, und vor allem auf die Fähigkeit der Regierungen der Länder dieser Region, der ich angehöre, in diesem neuen Weltszenario zu manövrieren. Denn es ist klar, daß diese Veränderungen in der Weltwirtschaft uns neue Wachstumsmöglichkeiten bieten.

Ich habe bereits in früheren Beiträgen darauf hingewiesen, daß die „grüne“ Produktion und die erneuerbaren Energien, die auch heute noch als „Notwendigkeit“ angepriesen werden, nicht die erwarteten Ergebnisse in Bezug auf den Handel und die Warenausfuhr gebracht haben und sich weiterhin auf den Handel mit Rohstoffen konzentrieren, was zu einem Rückgang der Industrialisierungstendenzen in unserer Region geführt hat und Finanzströme in Steuerparadiese gelenkt hat.

Diese neuen „neokolonialen Imperative“ kann man heute in den Putschen in Bolivien, Peru und der Situation um das Volk der Mapuche in Argentinien sehen, erleben und dokumentieren, wo das eindeutige Ziel darin besteht, Konflikte zu bewaffnen und zu finanzieren, institutionelle Handlungsunfähigkeit in unserer Region und unseren Ländern zu provozieren und einen Prozeß des Zerfalls und des Verlusts der Kontrolle über unsere natürlichen Ressourcen anzuheizen.

Ich habe an dieser Stelle und bei anderen Gelegenheiten vorgeschlagen, daß transformative Maßnahmen, wie wir sie in Argentinien von 2003 bis 2012 umgesetzt haben, mit einer schrittweisen Entdollarisierung unserer Volkswirtschaften einhergehen müssen, damit die Grundausgaben, die Kapitalausgaben, die Ausgaben für wesentliche öffentliche Dienstleistungen und die Warenkosten im allgemeinen, die beim heutigen Lohngefälle eine wichtige Rolle spielen, unsere Währung widerspiegeln können. Solange das nicht geschieht, gibt es keine Chance auf politische Stabilität und klare Spielregeln. Und das wird nicht durch Förderung der „Belastbarkeit“ erreicht, sondern vielmehr, wie Dennis Small in seinem Wochenbericht vom 7. April hervorhob, als er vorschlug, Titel 14 der neuen außenpolitischen Erklärung der Russischen Föderation zur Kenntnis zu nehmen, nämlich die Verteidigung des Rechts auf Existenz und der Freiheit zur Entwicklung, und zu diesem Zweck eindeutig alle verfügbaren Mittel zu nutzen.

Wie Dennis in Bezug auf den Fall der Credit Suisse betonte, steht die Souveränität eines Landes auf dem Spiel, wenn es sich dem Finanzkasino unterwirft.

Das Streben nach Transaktionen in lokalen Währungen sollte das Gebot der Stunde sein, und sie sollten auf der Grundlage einer Bewertung der natürlichen Ressourcen eines jeden Landes, die die physische Wirtschaft eines souveränen Staates ausmachen, erfolgen.

Meines Erachtens ist die Entdollarisierung der regionalen Volkswirtschaften die einzige Möglichkeit, die von den Vereinigten Staaten aufgezwungene „unipolare Welt“ zu beenden. Auf dem Weg dahin spielen die internationale Zusammenarbeit im Rahmen der Neuen Seidenstraße und die Stärkung der BRICS eine große Rolle und kann viel zu einer solchen Auflösung der Blöcke beitragen.

Die BRICS und die Entwicklungsländer müssen ihre eigene Finanzarena entwickeln, ihre eigenen Kreditmechanismen schaffen und versuchen, die Welt auf Multilateralismus und eine umfassende Reform der lateinamerikanischen Wirtschaftsinfrastruktur auszurichten; dies wird eine stärkere regionale Integration und Süd-Süd-Kooperation fördern, wo der Zustand der unausgewogenen Produktionsstrukturen zum Maßstab und Ausgangspunkt einer neuen Realität wird, die wir für die Herausforderung einer transformativen Zukunft leben und gestalten müssen.