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Neue Solidarität
Nr. 5, 2. Februar 2023

Die Ermordung Lumumbas

Ein Attentat an der Frontlinie des Kalten Krieges

Von Norbert Mbu-Mputu

Norbert Mbu-Mputu ist Journalist und Buchautor. In der Konferenz „Setzt die wahre Mission von John F. Kennedy und Martin Luther King fort: Stoppt den Weltkrieg der NATO und zerschlagt das Internationale Mord-Büro“ am 14. Januar 2023 hielt er den folgenden Vortrag.

Vielen Dank für die Einladung, auf diesem Symposium des Schiller-Instituts über dieses internationale Thema zu sprechen. Ich spreche zu Ihnen von Ihrem Pariser Büro aus. Um ehrlich zu sein, als ich meinen Vorrednern zugehört habe, habe ich mitgeschrieben, was sie gesagt haben. Ich habe von allen eine Menge gelernt.

Alles, was gesagt wurde, zum Beispiel über die freigegebenen Informationen, über die NATO, Atomwaffen, Präsident Kennedy – alles scheint mit dem Land zusammenzuhängen, aus dem ich komme, der Demokratischen Republik Kongo, bekannt durch das berühmte Buch von Joseph Conrad, Herz der Finsternis.

Dieses Land, das als „Herz der Finsternis“ bekannt ist – dieses Wort verwendete auch Henry Morton Stanley, einer der Abenteurer und Entdecker Afrikas –, hat eine Geschichte, die umgedreht werden muß, und im Mittelpunkt steht dabei die Ermordung einer großen Persönlichkeit, Patrice Émery Lumumba.

In meinem Heimatland wird dieses Wochenende ein großes und langes Wochenende sein. Am 16. Januar wird der Ermordung von Laurent-Désiré Kabila vor 22 Jahren in seiner offiziellen Residenz, dem Palais de Marbre in Kinshasa, gedacht, und am 17. Januar sind es 62 Jahre seit der Ermordung von Patrice Lumumba, Maurice Mpolo und Joseph Okito. Meistens wird vergessen, Mpolo und Okito zu erwähnen.

Ich möchte mit einigen Zitaten beginnen. Das erste stammt von meiner Mutter, ein Sprichwort, es lautet wie folgt: „Wenn du Trommeln kaufst, mußt du auch Trommler kaufen. Denn wenn du Trommeln hast, aber keine Trommler, dann landen alle Trommeln auf dem Müll.“

Die Aufgabe des Schiller-Instituts ist es also, der Trommler zu sein. Wenn es keinen Geschichtenerzähler gibt, der die Geschichten erzählen kann, die Sie erzählen, dann werden diese Geschichten nicht bekannt. Wenn wir nicht genug über unsere Vergangenheit erfahren, sind wir dazu verdammt, Fehler der Vergangenheit zu wiederholen.

Hier ist ein Zitat von Lumumba selbst, aus seinem letzten Brief an seine Frau Pauline. Er schrieb: „Afrika wird seine eigene Geschichte schreiben, und nördlich wie südlich der Sahara wird es eine Geschichte voller Ruhm und Würde sein.“1

Wir leben in einer Generation, in der nicht nur die kongolesische, sondern auch die schwarze, afrikanische Geschichte neu geschrieben wird. Daher ist sehr wichtig, was Sie tun, und ich danke Ihnen nochmals für die Einladung, Ihnen einige Punkte aus dem Buch vorzutragen, das ich vor ein paar Jahren geschrieben habe und zufällig in Ihr Büro in Paris mitbrachte.

Das letzte Zitat, das ich anführen möchte, stammt von Thomas Kanza, aus seinem Buch The Rise and Fall of Patrice Lumumba: Conflict in the Congo („Aufstieg und Sturz Patrice Lumumbas: Konflikt im Kongo“). Er schrieb:

Das ist also der Lumumba, über den ich in meinem mehrere hundert Seiten langen Buch L’Autre Lumumba („Der andere Lumumba“) zu schreiben versuche. Warum? Weil ich in Afrika zu den sogenannten „Unabhängigkeitskindern“ gehöre, also zu denen, die nach den 1960er Jahren geboren wurden. Das Besondere an all diesen Kindern ist, daß wir während der Diktatur der 70er bis 80er Jahre aufgewachsen sind, als diese Geschichten unterdrückt wurden. Wir haben nie etwas über diese Geschichten erfahren. Jetzt, wo wir in unseren 50ern sind, ist eine Art Vakuum entstanden, das wir füllen, überbrücken und nähren müssen.

Da wir jetzt die Möglichkeit haben, Zugang zu freigegebenen Informationen zu erhalten, ist es für uns wichtig geworden, diese Vergangenheit und diese Geschichten wieder aufzugreifen. Das ist der Grund, warum ich dieses große Buch über Lumumba geschrieben habe. In diesem großen Buch werden Sie einige Geschichten finden, die die meisten Ihrer Generation kennen, es werden aber auch einige Fehler korrigiert.

In den meisten Geschichtsbüchern steht zum Beispiel, daß Lumumba in Lodi verhaftet wurde. Ich versuche, das zu korrigieren. Er wurde nicht in Lodi verhaftet, denn sie hatten den Fluß Sankuru bereits überquert. Er wurde auf der anderen Seite von Lodi in einem kleinen Dorf verhaftet, also nicht in Lodi.

Ich versuche auch, die via crucis oder die via dolorosa Lumumbas darzustellen, von seiner Abreise aus Kinshasa bis er zurückgebracht wurde und bis zu seiner Ermordung in der Nähe von Élisabethville [Lumumbashi] am 17. Januar 1961, zusammen mit Maurice Mpolo und Joseph Okoito.

Es ist wichtig, daß der Untertitel meines Buches – Peuple du Congo: Histoire, résistances, assassinats et victoire sur le front de la Guerre froide („Das Volk des Kongo: Geschichte, Widerstand, Morde und Siege an der Front des Kalten Krieges“) – von einem Attentat an der Frontlinie des Kalten Krieges spricht. Denn die meisten unserer Generation wissen wirklich nicht viel über den Kalten Krieg, dem Zusammenhang mit dem CIA-Stationschef in Kinshasa, Lawrence Devlin, der sagte, daß Kongo-Kinshasa zur Frontlinie des Kalten Krieges wurde. So wird unsere Generation mit Lumumba bekannt.

Wer war Lumumba?

Wer also war Lumumba? Lumumba war ein Selfmade-Politiker, der 1958 zusammen mit den meisten seiner Freunde beschloß, die erste wirklich nationale politische Partei zu gründen. Damals waren die meisten politischen Parteien im Kongo Stammesparteien. Aber Lumumba und seine Freunde beschlossen, das Mouvement National Congolais zu gründen, die Partei, von der sie träumten, um alle Kongolesen zu vereinen, insbesondere um für die Unabhängigkeit zu kämpfen.

Lumumba war ein Selfmademan. Er besuchte eine protestantisch-methodistische Schule und auch eine katholische Schule, hat diese Schulen aber nie abgeschlossen, das meiste hat er sich selbst beigebracht. Er ist also ein aufgeschlossener Mensch, der voller Begeisterung gelernt hat. Er informierte sich gerne über die Menschenrechtsbewegungen und die freien Denker der Welt und versuchte zu prüfen, was er tun mußte, um all dies für seinen Kongo nutzbar zu machen. Der Kongo war zu dieser Zeit von Belgien kolonisiert.

Entscheidend für sein politisches Leben war es, als er 1958 an der ersten Panafrikanischen Konferenz teilnahm, die Präsident Kwame Nkrumah in Accra in Ghana organisierte. Als er zurückkam, kämpfte Lumumba wirklich für die Unabhängigkeit, er sagte: „Es ist unser Recht als Kongolesen, unabhängig zu sein, und um unabhängig zu sein, müssen wir die Geschicke unseres Landes selbst in die Hand nehmen. Und wenn das nicht einfach ist, dann bin ich wohl für die Belgier.“

Belgien hatte 1955 einen Professor auf seiner Seite, der sagte, der Kongo müsse 30 Jahre warten, bevor er unabhängig wird. Also sollte er nicht vor 1985 unabhängig werden.

Aber 1959 kam es zu Unruhen in Kinshasa, und es sah aus, als hätten die Belgier geschlafen und wären plötzlich aus ihrem tiefen Schlaf geweckt worden. Es gab eine Konferenz in Brüssel, und innerhalb einer Woche wurde die Entscheidung getroffen, dem kongolesischen Volk die Unabhängigkeit zu geben.

Aber können Sie sich vorstellen, was für eine Art von Unabhängigkeit das war? Die Menschen brauchen Unabhängigkeit, und sie bekommen sie in vier Monaten, aber im ganzen Land hatten nur zehn Menschen einen Universitätsabschluß! Sie hatten ihr Land nie verwaltet, keine Währung, keine Polizei und keine Armee. So wurde die Unabhängigkeit, wie einer der berühmten Leute damals sagte, zu einem „Independence Cha-Cha“. Es war eine „Unabhängigkeit“ wie fast alle in Afrika: Die Belgier wollten ihnen die Unabhängigkeit geben, aber die Kongolesen dabei mehr oder weniger rückständig halten. Und genau das ist passiert.

Und Lumumba fragte, ob das jemand nicht gefalle. Deshalb beschloß er am 30. Juni 1960, am Unabhängigkeitstag, dem kongolesischen Volk eine Stimme zu geben. Er beschloß, für es zu sprechen. Er sagte: „Wir können niemals vergessen, was geschehen ist. Wir vergessen nichts, was Belgien und die Kolonialisten in unserem Land getan haben. Jetzt sind wir gleichberechtigt.“

Er träumte davon, daß wir durch unsere Unabhängigkeit wirklich gleichberechtigt gegenüber den Belgiern und anderen westlichen Ländern würden, aber das war eine Illusion. An dem Tag wurde auf internationaler Ebene, insbesondere von den Belgiern, der amerikanischen CIA und sogar von den Briten, beschlossen, ihn zu ermorden, was sechs Monate später geschah.

Er hat sogar davon geträumt, daß die Kongolesen die Führung aller unserer Länder übernehmen sollten, aber das ist nicht geschehen.

Das ist also der wahre Lumumba, den ich in diesem langen Buch zu porträtieren versuchte. Das Buch ist auf Französisch: Ich habe es auf Französisch geschrieben, weil ich wollte, daß es für meine kongolesischen Mitbürger von Nutzen ist, und ich möchte jetzt herausfinden, wie man es ins Englische übersetzen kann. Es soll die meisten Fragen unserer Generation beantworten, die wir uns immer noch fragen, was passiert ist und wie es passiert ist.

Es ist passiert, weil die CIA Lumumba während des Kalten Krieges als Kommunisten hinstellte. Und jetzt, 60 Jahre nach seinem Tod, zeigen alle Archive, daß er kein Kommunist war. Deshalb lautet der Titel meines Buches L'Autre Lumumba, der anderer Lumumba, den es zu entdecken gilt. Es ist ein Lumumba, der eine Vision für einen besseren Kongo, für ein besseres Afrika hatte. Wie Sie wissen, unterzeichnete er sogar ein Abkommen mit Präsident Nkrumah, um die Vereinigten Staaten von Afrika zu gründen, weil er glaubte, daß Afrika geeint werden muß, damit wir wirklich eine Kraft des Wandels werden.

Leider gefiel das der internationalen Gemeinschaft nicht, und so gab es mehrere Attentatspläne, nicht nur von der CIA, mit ihrem bösen Plan, bei dem die CIA vor Ort in Kinshasa Gift bekam, sie nannten das einen „bösen Plan“. Und sie fragten ihre Leute, wer das mit dem Gift entschieden habe, und der Mann antwortete, Präsident Eisenhower persönlich. Er meinte, nein, so werde er das nicht machen. Aber das bedeutet, daß er seine eigenen Pläne gemacht hat, und auch die Briten hatten ihren Plan, und die Belgier hatten ihre Pläne. Und all diese Pläne liefen zusammen wie eine Art Puzzle, und als sich dann die Gelegenheit bot, behaupteten sie alle: „Oh, es waren die Kongolesen, die ihre eigene Führung umgebracht haben.“

Nein, und das war wirklich der Anfang des Elends im Kongo bis heute, denn er war der erste gewählte Ministerpräsident. Sie wollten eine Demokratie für das ganze Land schaffen, weil es unmöglich war, unsere vielen Probleme zu lösen, ohne eine Demokratie zu schaffen. Und der erste gewählte Ministerpräsident, der ermordet wurde, war Patrice Lumumba. Und die internationale Gemeinschaft ging nach dem gleichen Modus Operandi vor, um alle anderen Führer nach ihm zu ermorden: nicht nur er selbst, auch die Kameruner, sogar Kwame Nkrumah selbst wurde Opfer verschiedener Attentate.

Das sind also Lektionen, die wir lernen müssen, und vor allem die Vision, die Lumumba für den Kongo hatte, und die Vision, die Lumumba und die meisten seiner Mitstreiter über Afrika hatten. Und für diese Vision müssen wir jetzt kämpfen und arbeiten.

Vielen Dank für diese Gedanken, die ich mit Ihnen teilen durfte. Das Buch ist online, wie gesagt, es ist auf Französisch, und man kann es online erwerben.2


Anmerkungen

1. https://www.marxists.org/subject/africa/lumumba/1961/xx/letter.htm

2. https://www.fnac.com/livre-numerique/a16030564/Norbert-MBU-MPUTU-L-AUTRE-LUMUMBA