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Neue Solidarität
Nr. 13-14, 28. März 2024

Internationale Experten warnen vor Nuklearkrieg

Das Schiller-Institut hat die wichtigsten Beiträge internationaler Experten aus dem wöchentlichen Internettreffen der Internationalen Friedenskoalition vom 8. März in einem Video zusammengefaßt (Übersetzung aus dem Englischen und Spanischen). Sie finden das Video im englischen Original unter: https://schillerinstitute.com/blog/2024/03/14/international-experts-warn-of-danger-of-nuclear-war-today/

Helga Zepp-LaRouche, Gründerin des Schiller-Instituts, Deutschland

Ich möchte Sie alle begrüßen und meine Dankbarkeit dafür zum Ausdruck bringen, daß so viele Experten an diesem Aufruf teilnehmen, denn ich bin mir sicher, daß denkende Menschen in verschiedenen Teilen der Welt sehr besorgt darüber sind, daß wir näher an einem Atomkrieg sind als je zuvor in der Geschichte. Und angesichts der atemberaubenden Irrationalität vieler westlicher Regierungen brauchen wir eine außerordentliche Anstrengung der Internationalen Friedenskoalition (IPC) und anderer Friedensbewegungen, die wir vereinen müssen, um wirklich eine Veränderung der Situation zu erreichen.

Zum einen ist da das laufende NATO-Manöver Steadfast Defender. Es handelt sich um 90.000 NATO-Soldaten, die bereits seit Februar bis in den Mai hinein im Einsatz sind und zum ersten Mal das Szenario eines Angriffs Rußlands auf ein NATO-Land üben, dabei wird in dem Manöver eine große Anzahl von Truppen verlegt. Eine russische Publikation kommentierte das, solche Manöver seien eine sehr gute Tarnung und ein Vorwand für einen echten Angriff, deshalb sei Rußland in erhöhter Alarmbereitschaft.

Das Gleiche gilt natürlich auch für die strategische Gesamtlage. Die Idee, daß eine internationale Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur auf die internationale Agenda muß, die die Interessen aller Länder der Erde berücksichtigt, kommt immer mehr in die Diskussion. Wie Sie in ein paar Minuten hören werden, hat ein Kongreßabgeordneter aus Mexiko eine sehr wichtige Rede mit genau dieser Forderung gehalten.

Ich werde hier aufhören, aber ich kann nur sagen, daß wir uns in einer Situation befinden, in der wir jeden Moment die Zivilisation verlieren könnten - so angespannt ist die Lage. Und ich denke, die Diskrepanz zwischen dem, was wir wissen, und dem Bewußtsein der Bevölkerung könnte nicht größer sein. Das ist es, was wir dringend beheben müssen. Wir müssen die Menschen mobilisieren, die Politik zu ändern, hin zu einem neuen Paradigma für eine Zukunftsgemeinschaft der ganzen Menschheit. Denn genau so ist es: Wir sind eine Menschheit, die in einem Boot sitzt, und wenn das schief geht, wird niemand mehr da sein, der darüber diskutieren kann, warum. Deshalb müssen wir unsere Anstrengungen enorm verstärken. Ich danke Ihnen.

* * *

Oberst a.D. Richard A. Black, ehemaliger Leiter der Strafrechtsabteilung der US-Armee im Pentagon,
ehemaliger Landessenator von Virginia

Die Zeichen stehen auf Sturm. Die Ukraine ist ein Schlachthaus. Die Ukraine ist wirklich ein Schlachthaus. Sie verliert den Krieg, und wenn die NATO etwas tun will, bleibt ihr nur noch, dort einzuspringen und es selbst zu tun. Man darf nicht vergessen, daß es in allen NATO-Ländern eine enorme Anzahl von Menschen gibt, deren Leben und Ansehen und Familienvermögen von Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Krieg abhängt, und die haben nicht die Absicht, die Ukraine untergehen zu lassen.

Deshalb ist das eine äußerst gefährliche Zeit. Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um zu verhindern, daß amerikanische und NATO-Truppen noch mehr in den Krieg in der Ukraine verwickelt werden, als sie es bereits sind. Ich danke Ihnen.

* * *

Oberstleutnant a.D. Ulrich Scholz, ehemaliger NATO-Offizier, ehemaliger Tornado-Pilot, Deutschland

Ich bin der Meinung, daß der Krieg beendet werden muß, weil er zu nichts führt. Schon am ersten Tag ging er ins Leere. Die Frage ist nun: Warum machen sie weiter? Ich würde sagen, es ist eine Pflichtübung, um das Gesicht zu wahren. Sie wollen aussteigen, aber sie wissen nicht, wie.

Und die armen Ukrainer fragt wohl niemand. Offiziell ist da ihr Präsident, der immer sehr streitlustig ist, aber wie fühlen sich die Ukrainer? Ich glaube, sie sind erschöpft und ausgeblutet. Und ich denke, daß die Ukrainer verlieren werden, ganz gleich, wer auf politischer Ebene gewinnt.

Ich denke also, es geht darum, daß wir irgendwie zu Gesprächen kommen - in der Türkei oder wo auch immer -, um auf beiden Seiten, dem Westen und Rußland, einen Bereich zu finden, in dem es gemeinsame Interessen gibt. Darum geht es bei der Diplomatie: Man sucht einen Bereich, in dem man gemeinsame Interessen hat, und konzentriert sich dann auf diesen Bereich, und hört auf zu schießen. Das ist der einzige Weg, um aus der Sache herauszukommen.

* * *

Graham Fuller, ehemaliger US-Diplomat, CIA-Analyst und Islamwissenschaftler

Solange die Vereinigten Staaten nicht schlicht und einfach der Realität ins Auge sehen können, daß sie nicht mehr in der Lage sind, das Sagen auf der Welt zu haben, bleiben wir weiter in einer sehr gefährlichen Situation. Es ist fast wie bei einem müden Boxer, der darauf besteht, wieder in den Ring zu steigen und zu zeigen, daß er immer noch kämpfen und die Nummer Eins sein kann.

Es ist hart, so etwas zu sagen, aber ich fürchte, das ist gegenwärtig die Realität. Vielleicht setzt sich in den Vereinigten Staaten die Wahrheit - der Aufstieg Chinas und der Aufstieg der BRICS-Mächte und des Globalen Südens - langsam durch. Vielleicht. Aber das darf nicht zu schnell passieren, sonst stecken wir in einem brandgefährlichen „Angsthasen-Spiel“ in der Ukraine, bei dem die Vereinigten Staaten unbedingt beweisen wollen, daß ihre Seite gewinnen wird.

Und ich hoffe, wenn sich am Ende eine Stimme der Vernunft durchsetzt und diesen Krieg beendet, daß das dann hoffentlich auch Einfluß auf andere sehr häßliche und tragische Situationen hat, wie heute in Palästina und Gaza. Ich danke Ihnen.

* * *

Prof. Richard Sakwa, britischer Politikwissenschaftler,
ehemaliger Professor für Russische und Europäische Politik an der Universität von Kent, Großbritannien

Zunächst einmal stimme ich zu, daß wir uns jetzt im Vorgebirge eines Dritten Weltkriegs befinden. Im Nuklearzeitalter wird ein solcher Krieg nicht sofort erklärt werden, aber wir sind so weit. Wir haben die erste Stufe der Eskalationsleiter noch nicht betreten, aber wir sind sehr nahe daran. Es gibt in Moskau eine Menge Leute, die davon reden, daß ein kleiner Atomschlag auf eine europäische Großstadt vielleicht eine Art „heilsame Warnung“ wäre.

Daß das Tabu, über einen begrenzten Atomkrieg zu diskutieren, gebrochen ist, und die Art und Weise, wie ungerührt westliche Kommentatoren das tun, zeigen uns, wie gefährlich dieser Moment ist. Das zeigt klar, warum die LaRouche-Organisation und wir alle, wie ich weiß, den Schwerpunkt auf „Frieden und Entwicklung“ legen - mit anderen Worten, ein Rahmen für das Gemeinwohl. Wir sehen das in allen Erklärungen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, in der erweiterten BRICS-Plus-Organisation, und in auch bei der russisch-chinesischen Annäherung, die so wichtig ist, und auch mit Indien und so vielen anderen Staaten.

Der Globale Süden, der Politische Osten, stemmt sich also dagegen und kann hoffentlich als mäßigende Stimme fungieren und uns davon abhalten, weiter zu eskalieren und vom Vorgebirge zu den Gipfeln des Dritten Weltkriegs hinaufzusteigen. Das ist ein kleiner Anflug von Optimismus, aber ich denke, in diesen dunklen Zeiten müssen wir uns an den Gedanken klammern, daß der Rest der Welt dieses Spiel einfach nicht mitspielt.

* * *

Prof. Steve Starr, Professor an der Universität von Missouri,
ehemaliger Direktor des Programms für Klinische Laborwissenschaften der Universität von Missouri

Es gibt das falsche Narrativ, daß man eine taktische Atomwaffe einsetzen kann, um die Russen zu stoppen, daß man sie so zum Rückzug zwingen kann. Aber Rußland hat Atomwaffen genau wie die Vereinigten Staaten. Und wenn wir in einem Krieg als erste Atomwaffen einsetzen, wollen Sie wirklich darauf wetten, daß sie nicht auch gegen uns eingesetzt werden, wenn man gegen eine andere Atommacht kämpft? Ich denke, das ist wieder so ein falsches Narrativ. Die Russen haben sich schon in den 1980er Jahren über die Vorstellung gespottet, man könne einen begrenzten Atomkrieg gewinnen.

Ich denke also, daß die Gefahr eines Atomkriegs durch diese Narrative „Wir können Rußland zum Nachgeben zwingen“ und „Wir haben die nukleare Vormacht über Rußland“ erheblich vergrößert wird. Und wenn wir Regierungen haben, die solche Wahnvorstellungen haben und diese Narrative annehmen, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, daß wir am Ende Opfer dieser Narrative werden.

* * *

Dr. George Koo, Unternehmensberater im Ruhestand,
spezialisiert auf den Handel zwischen den USA und China und Vorsitzender der Burlingame Foundation

Alle meine Vorredner haben über die Gefahr eines Atomkriegs als Folge des Ukraine-Rußland-Konflikts gesprochen. Ich möchte nur erwähnen, daß der Pazifikraum auch eine Lunte ist, ein sensibler Punkt, weil die Vereinigten Staaten den Philippinen und Taiwan entsprechende Signale senden und versuchen, sie zu ermutigen, einen Stellvertreterkrieg [gegen China] zu beginnen.

In den Vereinigten Staaten haben wir seit unserem Rückzug aus Afghanistan gelernt, daß es viel besser ist, andere für uns kämpfen zu lassen, indem wir nur die Gelder, die Waffen und die militärischen Mittel bereitstellen. Aber ich möchte die amerikanische Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen: Wenn die Vereinigten Staaten es schaffen, Kämpfe zwischen China und den Philippinen oder zwischen China und Taiwan zu provozieren, dann weiß die Regierung der Volksrepublik China ganz genau, wer tatsächlich hinter einem solchen Konflikt steckt. Und ich prophezeie und bin fest überzeugt: Das erste, was passiert, wenn ein solcher Konflikt ausbricht, wird sein, daß sie als erstes alle US-Marineschiffe im Pazifik ausschalten werden, damit die Menschen in Taiwan oder auf den Philippinen sehen, daß China absolut in der Lage ist, ihre militärische Rückendeckung zu zerstören, und sie werden sich die Sache zweimal überlegen.

* * *

Ray McGovern, ehemaliger CIA-Analyst, Mitbegründer der Veteran Intelligence Professionals for Sanity (VIPS)

Präsident Kennedy warnte in seiner Rede vor der American University am 10. Juni 1963: Wir müssen uns eines merken: daß wir einer anderen Atommacht nicht die Wahl zwischen einer demütigenden Niederlage und einem Atomwaffeneinsatz lassen dürfen.

Warum erwähne ich das? Nun, es wird eine demütigende Niederlage in der Ukraine geben. Die Russen werden den Einsatz von Atomwaffen nicht einmal in Erwägung ziehen müssen, aber die Assistenten und Berater um Biden herum könnten dem Präsidenten sagen: „Wissen Sie, wir haben bis zu den Wahlen nur noch ein paar Monate. Wir werden verlieren, es wird eine demütigende Niederlage in der Ukraine geben. Wenn wir die zusätzlichen 80 Milliarden Dollar vom Kongreßsprecher Mike Johnson nicht bekommen, dann haben wir noch diese anderen Waffen. Warum probieren wir nicht diese Mini-Atombomben? Damit würden wir es den Russen zeigen, und das würde uns vielleicht bis zur Wahl reichen.“

Nun, bilde ich mir da etwas ein? Nein! Diese Leute haben immer und immer wieder das „Unvorstellbare“ getan.

* * *

Benjamín Robles Montoya, Abgeordneter des mexikanischen Bundeskongresses

Heute droht wieder ein Atomkrieg - die Vereinigten Staaten schicken Waffen in die Ukraine und nach Israel, wo ein grausamer Völkermord stattfindet. Und sie mischen sich in den China-Taiwan-Konflikt ein, während gleichzeitig Rußland aus den Verträgen zur Reduzierung strategischer Waffen und dem Atomtestverbot aussteigt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stehen vor dem Abgrund eines Atomkrieges, und es ist dringend notwendig, daß alle Nationen ihre Stimme erheben - nicht die Stimme einer Nation, auch nicht mehrerer Nationen, sondern die der ganzen Menschheit - für den Frieden und gegen den Atomkrieg! Alle Bürger der Welt sollten sich auch für eine neue internationale Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur einsetzen, die das Recht auf Wohlergehen und wirtschaftliche Entwicklung aller Menschen auf diesem Planeten garantiert. Frieden durch Entwicklung zu schaffen - das ist der Weg. Das ist alles, Frau Präsidentin.