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Neue Solidarität
Nr. 20-21, 16. Mai 2024

„Es gibt Gutes im Universum, und es wird sich durchsetzen“

Ein Bericht vom 48. Treffen der Internationalen Friedenskoalition

Von Daniel Platt

Das 49. Internettreffen der Internationalen Friedenskoalition (IPC) am 10. Mai begann mit einem Lagebericht der IPC-Mitgründerin Helga Zepp-LaRouche über die akute Gefahr einer Eskalation des Krieges in der Ukraine. Sie verurteilte die Provokationen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, des britischen Außenministers David Cameron und des Fraktionschefs der Demokraten im US-Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries. Der russische Präsident Putin habe daraufhin Manöver mit taktischen Atomwaffen angekündigt. Die Behauptung, im Falle eines russischen Sieges in der Ukraine würde Putin „ganz Osteuropa überfallen“, entbehre jeder Grundlage. Putin wolle vom Westen Sicherheitsgarantien, wie er sie am 17. Dezember 2021 gefordert hatte.

Im Gazastreifen seien 100.000 von 1,3 Millionen Flüchtlingen aus Rafah vertrieben worden, manche inzwischen zum achten Mal! Viele hätten weder genug zu essen noch medizinische Versorgung. Der Verhandlungsprozeß zu Gaza sei ein „unglaublich zynisches Spiel“. Man habe der Hamas einen dauerhaften Waffenstillstand versprochen, aber das plötzlich umdefiniert – die Waffenruhe solle „kein Punkt, sondern nur ein Komma sein“, d.h., sobald die israelischen Geiseln freigelassen sind, würde der Krieg weitergehen.

„Wenn der Oasenplan verwirklicht wird, kann er der erste Schritt zu einem neuen Paradigma sein“, sagte Zepp-LaRouche. Selbst der Chefredakteur des Sprachrohrs der Londoner City, des Economist, gebe jetzt zu, daß „die alte Ordnung im Sterben liegt“. Ihr Zusammenbruch könnte plötzlich und unumkehrbar sein. Abschließend berichtete sie über das erfolgreiche Seminar des Schiller-Instituts in Kopenhagen am 8. Mai, bei dem Diplomaten aus mehr als einem Dutzend Ländern und geladenen Gästen der Oasenplan vorgestellt und weitere Friedenspotentiale erschlossen wurden.

„Kein Bluff“

Oberst a.D. Richard H. Black, ehemaliger Leiter der Strafrechtsabteilung der US-Armee im Pentagon und ehemaliger Landessenator im Bundesstaat Virginia, betonte, die russischen Atomübungen seien kein Säbelrasseln und kein Bluff. Rußland wolle an „eine eiskalte Realität“ erinnern. Der Westen riskiere alles „auf dem gefährlichsten Spielplatz der Welt, dem nuklearen“. Die USA hätten die Nordstream-Pipeline sabotiert, zum Schaden der gesamten europäischen Wirtschaft. Die Ukraine habe offenbar den Terroranschlag auf die Krokus-Konzerthalle bei Moskau organisiert. Aber solche Aktionen entsprängen der Verzweiflung. „Jetzt wanken die Verteidigungslinien der Ukraine. Das Weiße Haus weiß das, wird aber nicht zulassen, daß dieser Krieg vor den Wahlen im November beendet wird.“ Black warnte, NATO-Bodentruppen in der Ukraine würden als legitime Ziele betrachtet, und es könnte Vergeltungsmaßnahmen gegen NATO-Ziele geben. Das könne dann das Vorspiel zum Dritten Weltkrieg sein.

Der ehemalige Geheimdienstoffizier des US-Marinekorps und UN-Waffeninspektor Scott Ritter sagte: „Wir haben eine Situation, in der die klassische Abschreckung versagt. Die NATO und die Vereinigten Staaten haben eine Strategie für eine strategische Niederlage Rußlands formuliert.“ Aber Rußland werde das niemals zulassen, warnte Ritter den kollektiven Westen, es werde keine NATO-Intervention in der Ukraine dulden. Und Rußland würde sich im Ernstfall nicht auf einen begrenzten nuklearen Schlagabtausch beschränken. Die heutigen westlichen Pseudo-Strategen setzten allesamt auf eine falsche Politik, „die irgendwann Rußlands rote Linien überschreitet“.

Zepp-LaRouche und Ritter sprachen über Ritters Vorschlag, „neue Jalta- und Potsdam-Konferenzen“, jeweils zum 80. Jahrestag im Februar und Juli 2025, einzuberufen, die Experten aus den USA, Rußland und vielen anderen Ländern zusammenbringen, um über die Lösung des Konflikts zwischen Rußland und der Ukraine zu sprechen. „Dort könnten Europa und Rußland anfangen, über eine Versöhnung in einem postukrainischen Umfeld zu verhandeln.“ Zepp-LaRouche ergänzte: „Die Idee einer neuen internationalen Konferenz, um zu diskutieren, wie wir auf dem Planeten zusammenleben können, ist das wichtigste überhaupt.“ Sie stellte ihren Vorschlag vor, eine neue Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur nach dem Vorbild des Westfälischen Friedens von 1644-48 zu entwickeln.

Prof. Steve Starr, ein Experte für nukleare Kriegsführung, sprach die heute weit verbreitete Ignoranz und Dummheit an. „Ich habe den Eindruck, daß die politische Elite des Westens wie meine Studenten ist, die praktisch nichts über den Atomkrieg wissen.“ Die westlichen Medien seien zu einer „Echokammer für die offiziellen Narrative“ verkommen. Starr erinnerte an einige der lächerlichen Behauptungen über den Ukrainekrieg, die der Öffentlichkeit unverfroren aufgetischt wurden. Er betonte, seit dem Zweiten Weltkrieg hätten Rußland (bzw. die Sowjetunion) und die USA nur Stellvertreterkriege geführt, aber das habe sich mit den ukrainischen Angriffen auf Ziele in Rußland geändert. Starr nannte eine lange Liste provokativer NATO-Aktionen, u.a. daß „die NATO in Rumänien den größten Militärstützpunkt Europas errichtet“. Die Russen seien sich all dessen sehr wohl bewußt. „Wir haben eine Führung, zumindest in den Vereinigten Staaten, die darauf aus ist, einen Krieg mit Rußland anzufangen.“ Starr schloß, indem er noch einmal die düstere Realität eines Atomkriegs vor Augen führte, die er schon bei früheren Treffen beschrieben hatte.

Berichte von Aktivisten

Dr. Chandra Muzzaffar aus Malaysia, Präsident der „Internationalen Bewegung für eine gerechte Welt“ (JUST), sagte, der Westen verschleiere die Tatsache, daß das Ziel des Ukrainekrieges die Vernichtung Rußlands sei. Die IPC, die seit nunmehr 49 Wochen ununterbrochen tagt, sei zu einem wichtigen Faktor in der strategischen Weltlage geworden. „Daß wir diesen Dialog so lange aufrechterhalten haben, ist ein großer Erfolg... Wir können verschiedene Gruppen erreichen, sowohl auf der russischen Seite als auch im Westen. Beide müssen die Gefahr erkennen, die uns droht. Ich kann mich an keinen Moment in unserer Geschichte erinnern, in dem wir dem Armageddon, der totalen Zerstörung, so nahe gekommen sind. Wir haben nicht mehr viel Zeit.“

Sian Bloor, eine Aktivistin der britischen Workers Party, berichtete über den jüngsten Wahlsieg von George Galloway für einen Unterhaussitz. Galloway hatte als Unabhängiger mehr Stimmen als die Kandidaten der Labour Party, der Konservativen und der Liberalen Partei zusammen erhalten und schockierte damit das gesamte politische Establishment Großbritanniens. Galloways Sieg beweise die Unzufriedenheit der britischen Wählerschaft mit dem, was als „Einheitspartei“ oder „Duopol“ von Labour und Konservativen gelte. „Zwischen die paßt kein Zigarettenpapier, wie George immer sagt.“ Zu ihr gesellte sich der unabhängige New Yorker Kongreßkandidat José Vega. Vega tritt gegen den Kriegstreiber Richie Torres an, der im Kongreß ein Gesetz plant, das die mächtige Bewegung von Studenten und Dozenten für einen Waffenstillstand in Gaza unterdrücken soll.

Der italienische Nuklearingenieur und Gründer von Atomi per la Pace (Atome für den Frieden) Vincenzo Romanello warnte, das Schlimmste an einem Atomkrieg wären der radioaktive Niederschlag und der anschließende nukleare Winter, den niemand überleben würde. Er sprach aber auch darüber, wie Kerntechnik zur Meerwasser-Entsalzung dem Oasenplan zum Erfolg verhelfen wird.

Pater Harry Bury von Pax Christi warb leidenschaftlich dafür, den Oasenplan „überall bekannt zu machen“. Leider träten bisher nur wenige für den Plan ein, das müsse die IPC unverzüglich ändern. Der Erste Weltkrieg habe uns gelehrt, daß die Sieger mit der Bestrafung Deutschlands nur bewirkten, daß Hitler an die Macht kam. Doch indem man nach dem Zweiten Weltkrieg den besiegten Ländern half, habe man die Grundlage für Frieden geschaffen. Er verglich den Oasenplan mit dem Marshall-Plan und schloß mit den Worten: „Wir müssen hart arbeiten, um allen Ländern zu helfen, sich zu entwickeln.“ Es folgte noch ein Live-Bericht von Diego Machuco Lopez und Fernando Garzon von einer Demonstration für Gaza in Guayaquil in Ecuador, an der sie gerade teilnahmen.

In ihrem Schlußwort sagte Zepp-LaRouche: „Wenn die Eliten wüßten, womit sie spielen, würden sie es nicht tun.“ Die wichtigste Waffe überhaupt sei jetzt, „strategisch informiert zu sein“, deshalb legte sie allen Teilnehmern nahe, ein kostenloses Probeabonnement für den EIR Daily Alert zu beziehen. Diese tägliche Information böte die richtige Orientierung. Sie empfahl auch den jüngsten Essay des Dirigenten und Pianisten Daniel Barenboim über Beethoven und seine 9. Sinfonie in der New York Times (https://www.nytimes.com/2024/05/06/opinion/daniel-barenboim-beethoven-ninth-symphony.html, siehe auch "Barenboim kommentiert Beethovens 9. Sinfonie" in dieser Ausgabe). „Es gibt Gutes im Universum, und es wird sich durchsetzen“, sagte Zepp-LaRouche.