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Neue Solidarität
Nr. 9, 29. Februar 2024

Schiller-Institut demonstriert für die Aufhebung der UNESCO-Sanktionen

Die UNESCO-Sanktionen gegen Afghanistan, Syrien und anderen Länder verhindern den Schutz des Kulturerbes in den betroffenen Ländern.

Am Donnerstag, den 22. Februar, veranstalteten Mitglieder und Sympathisanten des Schiller-Instituts in Frankreich eine Kundgebung vor dem UNESCO-Büro in Paris und hielten ein großes Transparent mit der Aufschrift „Zusammenarbeit beim Kulturerbe: UNESCO und der Westen müssen jetzt die Sanktionen gegen Afghanistan, Syrien etc. aufheben“. Sie verteilten Flugblätter an UNESCO-Delegierte und ankommende Mitarbeiter.

Zum Abschluß der Veranstaltung betrat Karel Vereycken als Delegierter des Schiller-Instituts das Gebäude und hinterlegte eine von fast 600 Personen unterzeichnete internationale Petition, in der die internationale Gemeinschaft aufgefordert wird, „diese Form der Kollektivstrafe sofort zu beenden, die Leid und Ungerechtigkeit schafft, Unwissenheit fördert und die Fähigkeit der Menschheit zu gegenseitigem Respekt und Verständnis gefährdet“. (Den Text der Petition und eine Auswahl der Unterzeichner finden Sie in dieser Ausgabe.)

In den Tagen vor der Veranstaltung war die Petition mit allen Namen der Unterzeichner per E-Mail an fast 200 Delegationen der UNESCO-Mitgliedstaaten in Paris geschickt worden. Auch in New York erhielten die Delegierten aller UN-Mitglieder Kopien und Informationen über die Initiative. In Kabul riefen die Organisatoren die größte französische Presseagentur AFP an, um sie über die Aktion in Paris zu informieren. Der Text der Petition mit allen Namen der Unterzeichner wurde auf den Webseiten des Schiller-Instituts auf Englisch, Französisch und Deutsch veröffentlicht.1

Wie es begann

Alles hatte vor drei Monaten in der afghanischen Hauptstadt Kabul angefangen. Während eines Workshops über das kulturelle Erbe kamen die eingeladenen Experten des Schiller-Instituts und hochrangige Archäologen der Akademie der Wissenschaften Afghanistans zu demselben Schluß: Der rücksichtslose Abbruch der Zusammenarbeit zwischen dem globalen Westen und Ländern, die als „Feinde seiner Werte und Regeln“ gelten, schadet allen.

Die Nicht-Anerkennung der afghanischen Regierung hat katastrophale Folgen. ISIS und andere Terrorgruppen in Syrien, Afghanistan und Turkmenistan (die vermutlich von westlichen Geheimdiensten unterstützt werden) plündern weiterhin ungesicherte und sogar noch unberührte archäologische Stätten, um die gestohlenen Artefakte zu Höchstpreisen an internationale private Sammler zu verkaufen, und der globale Westen weint Krokodilstränen. Schließlich ist er es, der von heute auf morgen die Zusammenarbeit mit den Fachleuten in diesen Ländern komplett abgebrochen hat, die jetzt unterstützt werden müssen, um zum Wohle der ganzen Menschheit das Weltkulturerbe zu schützen. So bedauerte ein führender Archäologe: „Wenn ich wieder in Afghanistan arbeite, streicht mir die französische Regierung sofort das Gehalt...“

Die UNESCO ist verpflichtet, ihre Stimme gegen jede neue Form „kultureller und wissenschaftlicher Apartheid“ zu erheben. Statt dessen hat sie die Lage jedoch immer weiter verschlimmert, indem sie Fragen politisiert, die nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fallen. Auch hat sie sich immer mehr der Argumentation des US-Außenministeriums angeschlossen.

Internationale Petition

Aus diesen Gründen wurde nach der Konferenz in Kabul im November eine gemeinsame Petition verfaßt, in der die Regierungen der Welt und die UNESCO aufgefordert werden, ihre destruktive Haltung zu ändern. In Rekordzeit sammelte das Ibn-e-Sina-Forschungs- und Entwicklungszentrum über 550 Unterschriften aus dem dynamischsten Teil der heutigen afghanischen Zivilgesellschaft - darunter Akademiker, Universitätsdozenten, Ärzte, Staatsanwälte, Kaufleute, Lehrer usw., davon 140 afghanische Frauen.

Im Januar schlossen sich dem Aufruf auch prominente Mitglieder der afghanischen Regierung an, allen voran der stellvertretende Außenminister, der amtierende Landwirtschaftsminister und der amtierende Vizeminister für Kultur und Kunst.

Das Schiller-Institut erhielt aus aller Welt Unterschriften von angesehenen Wissenschaftlern und Akademikern aus über 20 Ländern, die ihre Namen gerne der Petition hinzufügten. Dazu gehören zwei ehemalige Mitglieder des Europäischen Parlaments und Mitglieder der Akademien der Wissenschaften aus Rußland und China sowie der nationalen Forschungseinrichtungen Frankreichs und Italiens. Unter denjenigen, die die anglo-amerikanische Arroganz kritisieren, sind auch der ehemalige Leiter der CIA-Station in Kabul Graham Fuller und der preisgekrönte Filmemacher Oliver Stone.

Zur Politik seines Landes in Bezug auf das kulturelle Erbe gab der zuständige afghanische Minister eine Erklärung ab, die in Form eines Sonderschreibens an die UNESCO übermittelt wurde. In einem klaren Bruch mit der früheren Taliban-Politik betont er darin, seine Regierung sei fest entschlossen, alles „materielle und immaterielle“ kulturelle Erbe zu schützen, sei es „vorislamisch, nichtislamisch oder islamisch“.

Rückzieher der UNESCO?

Die UNESCO hat zwar noch nicht öffentlich auf eine Anfrage der Organisatoren geantwortet, aber es gibt Anzeichen dafür, daß die Petition hinter verschlossenen Türen intensiv diskutiert wurde und offenbar die Voraussetzungen für einige zaghafte erste Schritte der UNESCO zur Korrektur ihrer Fehler geschaffen hat.

Am 25. Januar kam es zu einem überraschenden Ereignis, das weder auf der Website der UNESCO noch in den westlichen Medien erwähnt wurde. Wie auf der Website des afghanischen Ministeriums für Information und Kultur (MOIC) berichtet wird, hatte Patricia McPhillips, die Leiterin der UNESCO-Organisation für Afghanistan, die jetzt in Islamabad sitzt, in Kabul ein produktives informelles Treffen mit dem stellvertretenden Minister für Kunst und Kultur, Moulvi Atiqullah Azizi. Letzterer betonte: „Das Islamische Emirat ist dem Schutz der historischen und kulturellen Identität des Landes verpflichtet, und wir bitten die internationalen Kulturgemeinschaften, den kulturellen Bereich nicht mit der Politik zu vermischen und Afghanistan in dieser Hinsicht zu unterstützen.“

„Das Ministerium für Information und Kultur hat sich dem Schutz des kulturellen Erbes verschrieben, und wir wollen diese Bemühungen gemeinsam ausbauen“, sagte Frau McPhillips. „Die UNESCO weitet ihre Aktivitäten zum Schutz der kulturellen und historischen Identität Afghanistans in diesem Jahr aus...“2

Karel Vereycken konnte in Paris die Petition und die vollständige Liste der Unterzeichner an die Assistenten der UNESCO-Generalsekretärin Audrey Azouley und des kürzlich ernannten Ständigen Vertreters Indiens bei der UNESCO, S.E. Vishal V. Sharma, übergeben. Das Ziel ist, die 46. Sitzung über das Weltkulturerbe, die im Juli in Neu-Delhi stattfindet, zu einem Erfolg zu machen und die Gelegenheit zur Normalisierung der Beziehungen zu nutzen.

Nach dem Überreichen der Petition gaben Karel Vereycken und Helga Zepp-LaRouche, die Gründerin und Präsidentin des internationalen Schiller-Instituts, kurze Video-Statements ab, in denen sie die Initiative erläutern und den vielen Menschen danken, die dieses historische Ereignis zu einem Erfolg gemacht haben, der für die Zukunft noch viel mehr verspricht.

kav


Anmerkungen

1. Deutsch: https://schillerinstitute.com/de/blog/2024/02/21/pariser-schiller-institut-organisiert-protestveranstaltung-der-afghanischen-zivilgesellschaft-gegen-die-unesco-sanktionen-gegen-die-zusammenarbeit-im-bereich-des-kulturellen-erbes/

Englisch: https://schillerinstitute.com/blog/2024/02/21/paris-schiller-institute-to-stage-afghan-civil-society-protest-exposing-unesco-sanctions-against-cultural-heritage-cooperation/

Französisch: https://www.institutschiller.org/Rassemblement-pour-la-levee-des-sanctions-de-l-UNESCO-contre-la-cooperation-en

2. Quelle: https://www.moic.gov.af/en/moulvi-atiqullah-azizi-deputy-minister-art-and-culture-met-head-unesco