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„17. …Nicht nur dieser oder jener, alle Menschen sind aufgerufen, zur vollen” Entwicklung der ganzen menschlichen Gesellschaft beizutragen. Die Kulturen entstehen, wachsen, vergehen. Aber wie jede Woge der steigenden Flut weiter als die vorhergehende den Strand überspült, schreitet auch die Menschheit auf dem Weg ihrer Geschichte voran. Erben unserer Väter und Beschenkte unserer Mitbürger, sind wir allen verpflichtet, und jene können uns nicht gleichgültig sein, die nach uns den Kreis der Menschheitsfamilie weiten. Die Solidarität aller, die etwas Wirkliches ist, bringt für uns nicht nur Vorteile mit sich, sondern auch Pflichten…
3. Die Aufgabe
22. „Erfüllt die Erde und macht sie euch untertan (Gen 1,28)“: die Heilige Schrift lehrt uns auf ihrer ersten Seite, daß die gesamte Schöpfung für den Menschen da ist. Freilich, er muß seine Geisteskraft einsetzen, um ihre Werte zu entwickeln und sie durch seine Arbeit sich dienstbar zu machen und der Vollendung näher zu bringen. Wenn aber die Erde da ist, um jedem die Mittel für seine Existenz und seine Entwicklung zu geben, dann hat jeder Mensch das Recht, auf ihr das zu finden, was er nötig hat.
23. Alle anderen Rechte, ganz gleich welche, auch das des Eigentums und des freien Tausches, sind diesem Grundgesetz untergeordnet. Sie dürfen seine Verwirklichung nicht erschweren, sondern müssen sie im Gegenteil erleichtern. Es ist eine ernste und dringende soziale Aufgabe, alle diese Rechte zu ihrem ursprünglichen Sinn zurückzuführen...
25. Für das wirtschaftliche Wachstum und den menschlichen Fortschritt unentbehrlich ist die Industrialisierung, die sowohl Kennzeichen als auch treibende Kraft der Entwicklung bedeutet. Durch die zähe Anwendung seiner Intelligenz und seiner Arbeit entreißt der Mensch Schritt um Schritt der Natur ihre verborgenen Gesetze und macht sich ihre Kräfte dienstbar...
26. Im Gefolge dieses Wandels der Daseinsbedingungen haben sich unversehens Vorstellungen in die menschliche Gesellschaft eingeschlichen, wonach der Profit der eigentliche Motor des wirtschaftlichen Fortschritts, der Wettbewerb das oberste Gesetz der Wirtschaft, das Eigentum an den Produktionsmitteln ein absolutes Recht, ohne Schranken, ohne entsprechende Verpflichtungen der Gesellschaft gegenüber darstellt. Dieser ungehemmte Liberalismus führte zu jener Diktatur, die Pius XI. mit Recht als die Ursache des finanzkapitalistischen Internationalismus oder des Imperialismus des internationalen Finanzkapitals (22) brandmarkte. Man kann diesen Mißbrauch nicht scharf genug verurteilen. Noch einmal sei feierlich daran erinnert, daß die Wirtschaft ausschließlich dem Menschen zu dienen hat (23)...
27. … Nach dem Bilde Gottes geschaffen, „muß der Mensch mit dem Schöpfer an der Vollendung der Schöpfung mitarbeiten und die Welt mit dem Siegel seines Geistes prägen, den er selbst empfangen hat (24)“. Gott, der den Menschen mit Verstand, Phantasie und Einfühlungsvermögen ausgestattet hat, hat ihm auch die Mittel gegeben, irgendwie sein Werk zu vollenden. Ob Künstler oder Handwerker, ob Unternehmer, Arbeiter oder Bauer, jeder, der arbeitet, ist in gewissem Sinne schöpferisch tätig. Beschäftigt mit einer widerspenstigen Materie, prägt er ihr sein Siegel auf und bildet bei sich Zähigkeit, Scharfsinn und Erfindungsgabe aus. Ja, gemeinsame, in Hoffnung, Mühen, Streben und Freude geteilte Arbeit eint die Willen, bringt die Geister einander näher und verbindet die Herzen: im gemeinsamen Werk entdecken sich die Menschen als Brüder (25).
29. Es eilt. Zu viele Menschen sind in Not, und es wächst der Abstand, der den Fortschritt der einen von der Stagnation, besser gesagt, dem Rückschritt der anderen trennt. Die zu treffenden Maßnahmen müssen aufeinander abgestimmt werden; andernfalls würden sie sich wechselseitig stören…
43. Die allseitige Entwicklung des Einzelmenschen muß Hand in Hand gehen mit der Entwicklung der gesamten Menschheit; beide müssen sich wechselseitig unterstützen...
50. Damit diese Anstrengungen einen vollen Erfolg zeitigen, dürfen sie nicht verzettelt werden und noch weniger aus Geltungssucht und Machtstreben einander entgegenarbeiten. Die Situation verlangt Programme, die aufeinander abgestimmt sind. Ein Programm ist wirksamer und besser als eine Hilfe, die je nach Gelegenheit dem guten Willen der einzelnen überlassen bleibt... Und indem es sich um eine Verbesserung der Ordnung in der Welt bemüht, verleiht es dem Menschen selbst ein höheres Maß an Würde und Kraft…
2. Recht und Billigkeit in den Handelsbeziehungen
58. Die Spielregel des freien Handels kann ... für sich allein die internationalen Beziehungen nicht regieren. Ihre Vorteile sind klar, wo es sich um Partner in nicht allzu ungleicher wirtschaftlicher Lage handelt: sie fördert den weiteren Fortschritt und belohnt die Anstrengung... Aber es ist etwas anderes, wenn die Bedingungen von Land zu Land zu ungleich sind: Die Preise, die sich frei auf dem Markt bilden, können ganz verderbliche Folgen haben. Man muß es einfach zugeben: in diesem Bereich wird ein Grundprinzip des sogenannten Liberalismus als Regel des Handels überaus fragwürdig.
59. Noch immer gilt die Lehre Leos XIII. in Rerum novarum: das Einverständnis von Partnern, die in zu ungleicher Situation sind, genügt nicht, um die Gerechtigkeit eines Vertrages zu garantieren. Die Regel, wonach Verträge durch das freie Einverständnis der Partner zustandekommen, ist den Forderungen des Naturrechts untergeordnet (47).
6l. Die soziale Gerechtigkeit fordert, daß der internationale Warenaustausch, um menschlich und sittlich zu sein, zwischen Partnern geschehe, die wenigstens eine gewisse Gleichheit der Chancen haben... Auch hier könnten sich internationale Abkommen, an denen eine hinreichend große Zahl von Staaten beteiligt sind, als nützlich erweisen; sie könnten allgemeine Normen und gewisse Preise regeln, könnten gewisse Produktionen sichern, gewisse sich im Aufbau befindliche Industrien stützen... Eine solche Hilfe hätte nicht nur unmittelbare, sondern auch dauernde Wirkungen.
64. … Wir hoffen, daß aneinander angrenzende Entwicklungsländer die Möglichkeit nutzen werden, ihre weiten Gebiete zu einheitlichen Wirtschaftsräumen zusammenzufassen, wobei sie gemeinsame Programme aufstellen, die Investitionen koordinieren, die Produktion verteilen, den Güteraustausch organisieren…
76. ... Das Elend bekämpfen und der Ungerechtigkeit entgegentreten heißt nicht nur die äußeren Lebensverhältnisse bessern, sondern auch am geistigen und sittlichen Fortschritt aller arbeiten und damit zum Nutzen der Menschheit beitragen. Der Friede besteht nicht einfach im Schweigen der Waffen, nicht einfach im immer schwankenden Gleichgewicht der Kräfte. Er muß Tag für Tag aufgebaut werden mit dem Ziel einer von Gott gewollten Ordnung, die eine vollkommenere Gerechtigkeit unter den Menschen herbeiführt (53).
78. Diese internationale Zusammenarbeit auf Weltebene braucht Institutionen, die sie vorbereiten, aufeinander abstimmen, leiten, bis eine Rechtsordnung geschaffen wird, die allgemein anerkannt ist...
80. Auf diesem Weg müssen wir alle solidarisch sein... Alle Menschen, alle Völker haben ihre Verantwortung zu übernehmen…
87. ... Denn wenn heute niemand mehr bezweifeln kann, daß Entwicklung gleichbedeutend ist mit Frieden, wer wollte dann nicht mit ganzer Kraft an dieser Entwicklung mitarbeiten? Gewiß niemand. Darum laden Wir alle ein, auf Unsern Ruf der Sorge eine hochherzige und mutvolle Antwort zu geben im Namen des Herrn.”
Dieses humanistisch-christliche Konzept des Menschen als Ebenbild des Schöpfers und einer gerechten Weltwirtschaftsordnung auf der Grundlage des Naturrechts ist jetzt das Gebot der Stunde. – Elke Fimmen
Anmerkung
1. Populorum Progressio – Über die Entwicklung der Völker, Enzyklika des heiligen Vaters Papst Paul VI.,
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