Produktive Kreditschöpfung 
  Neues Bretton Woods
  Glass-Steagall
  Physische Wirtschaft
  Kernenergie
  Eurasische Landbrücke
  Transrapid
  Inflation
  Terror - Cui bono?
  Südwestasienkrise
  11. September und danach
  Letzte Woche
  Aktuelle Ausgabe
  Ausgabe Nr. ...
  Heureka!
  Das Beste von Eulenspiegel
  Erziehungs-Reihe
  PC-Spiele & Gewalt 
  Diskussionsforum
  Wirtschaftsgrafiken
  Animierte Grafiken
Folgen Sie uns auf
acebook
Neue Solidarität
Nr. 44-45, 30. Oktober 2025

„Die Stimme des Globalen Südens muß gehört werden“

Von Luiz Inácio Lula da Silva,
Präsident der Föderativen Republik Brasilien

Auszüge aus der Rede des brasilianischen Präsidenten Lula da Silva am 23. September 2025 vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen. Übertragen nach der offiziellen englischen Übersetzung aus dem Portugiesischen; Zwischenüberschriften sind hinzugefügt.

(…) Dies sollte ein Anlaß sein, die Vereinten Nationen zu feiern. Die am Ende des Krieges gegründeten Vereinten Nationen symbolisieren den höchsten Ausdruck des Strebens nach Frieden und Wohlstand. Heute jedoch sind die Ideale, die ihre Gründer in San Francisco inspirierten, wie nie zuvor in ihrer Geschichte bedroht. Der Multilateralismus steht an einem neuen Scheideweg. Die Autorität dieser Organisation wird in Frage gestellt.

Wir erleben die Konsolidierung einer internationalen Ordnung, die durch wiederholte Zugeständnisse an die Machtpolitik gekennzeichnet ist. Angriffe auf die Souveränität, willkürliche Sanktionen und einseitige Interventionen werden zur Regel. Es besteht eine klare Parallele zwischen der Krise des Multilateralismus und der Schwächung der Demokratie. Autoritarismus wird gestärkt, wenn wir angesichts willkürlicher Handlungen untätig bleiben.

Wenn die internationale Gemeinschaft bei der Verteidigung von Frieden, Souveränität und Rechtsstaatlichkeit versagt, sind die Folgen tragisch. Überall auf der Welt versuchen antidemokratische Kräfte, Institutionen zu unterwerfen und Freiheiten zu unterdrücken. Sie verehren Gewalt, preisen Unwissenheit, agieren als physische und digitale Milizen und schränken die Presse ein.

Selbst unter einem beispiellosen Angriff hat sich Brasilien dafür entschieden, Widerstand zu leisten und seine Demokratie zu verteidigen, die das Volk vor 40 Jahren nach zwei Jahrzehnten diktatorischer Regierungen zurückerobert hatte. Einseitige und willkürliche Maßnahmen gegen unsere Institutionen und unsere Wirtschaft sind durch nichts zu rechtfertigen. Die Aggression gegen die Unabhängigkeit der Judikative ist inakzeptabel…

Vor einigen Tagen wurde zum ersten Mal in 525 Jahren unserer Geschichte ein ehemaliger Staatschef wegen eines Angriffs auf den demokratischen Rechtsstaat verurteilt. Er wurde in einem gründlichen Verfahren untersucht, angeklagt, vor Gericht gestellt und für seine Taten zur Rechenschaft gezogen. Sein Recht auf Verteidigung war gewährleistet - ein Vorrecht, das Diktaturen ihren Opfern verweigern.

Vor den Augen der Welt sandte Brasilien eine Botschaft an alle Möchtegern-Autokraten und ihre Unterstützer: Unsere Demokratie und unsere Souveränität sind nicht verhandelbar. Wir werden weiterbestehen als unabhängige Nation und als Volk frei von jeglicher Vormundschaft.

Kampf gegen die Armut

Gesunde Demokratien gehen über das Ritual der Wahlen hinaus. Ihre Stärke setzt den Abbau von Ungleichheit und die Gewährleistung der grundlegendsten Rechte voraus: Nahrung, Sicherheit, Arbeit, Wohnen, Bildung und Gesundheit.

Die Demokratie versagt, wenn Frauen weniger verdienen als Männer oder durch die Hand ihrer Partner und Familienangehörigen sterben. Sie versagt, wenn sie ihre Türen verschließt und Migranten für die Übel der Welt verantwortlich macht. Armut ist ebenso ein Feind der Demokratie wie Extremismus. Deshalb waren wir stolz, von der FAO die Bestätigung zu erhalten, daß Brasilien 2025 erneut aus der Welthungerkarte verschwindet.

Aber weltweit gibt es immer noch 670 Millionen Menschen, die hungern. Etwa 2,3 Milliarden Menschen sind von Ernährungsunsicherheit betroffen. Der einzige Krieg, bei dem alle Sieger sein können, ist der Krieg, den wir gegen Hunger und Armut führen. Das ist das Ziel der Globalen Allianz, die wir beim G20-Gipfel ins Leben gerufen haben und die von 103 Ländern unterstützt wird.

Die internationale Gemeinschaft muß ihre Prioritäten überdenken:

Illegale Interventionen

In anderen Teilen der Welt hat es schon Interventionen gegeben, die mehr Schaden als beabsichtigt angerichtet haben und schwerwiegende humanitäre Folgen hatten. Der Weg zum Dialog in Venezuela darf nicht versperrt werden. Haiti hat das Recht auf eine Zukunft ohne Gewalt. Und es ist inakzeptabel, daß Kuba als Land aufgelistet wird, das Terrorismus unterstützt. Im Konflikt in der Ukraine wissen wir alle längst, daß es keine militärische Lösung gibt.

Das jüngste Treffen [der Präsidenten Trump und Putin] in Alaska weckt Hoffnungen auf eine Verhandlungslösung. Der Weg für eine realistische Lösung muß geebnet werden. Dazu müssen die legitimen Sicherheitsbedenken aller Parteien berücksichtigt werden. Die von China und Brasilien ins Leben gerufene Afrikanische Initiative und die Gruppe „Freunde für den Frieden“ können dazu beitragen, den Dialog und eine diplomatische Lösung zu fördern.

Keine Situation steht symbolischer für den unverhältnismäßigen und illegalen Einsatz von Gewalt als die in Palästina. Die Terroranschläge der Hamas sind in keine Hinsicht zu rechtfertigen. Aber nichts, absolut nichts, rechtfertigt den anhaltenden Völkermord in Gaza. Dort sind unter Tonnen von Trümmern Zehntausende unschuldiger Frauen und Kinder begraben.

Begraben sind dort auch das humanitäre Völkerrecht und der Mythos der ethischen Sonderstellung des Westens. Ohne die Mitschuld derjenigen, die es hätten verhindern können, hätte dieses Massaker nicht stattgefunden. In Gaza wird Hunger als Kriegswaffe eingesetzt, und die Zwangsumsiedlung von Bevölkerungsgruppen bleibt ungestraft.

Ich spreche allen Juden, die sich innerhalb und außerhalb Israels gegen diese kollektive Bestrafung aussprechen, meine Bewunderung aus. Das palästinensische Volk ist vom Untergang bedroht. Es kann nur mit einem unabhängigen Staat überleben, der in die internationale Gemeinschaft integriert ist. Das ist die Lösung, für die sich mehr als 150 UN-Mitglieder einsetzen und die gestern hier in diesem Plenum bekräftigt wurde, aber durch ein einziges Veto blockiert wurde.

Es ist bedauerlich, daß Präsident Mahmud Abbas vom Gastgeberland daran gehindert wurde, in diesem historischen Moment den palästinensischen Platz einzunehmen. Die Ausweitung dieses Konflikts auf den Libanon, Syrien, den Iran und Katar führt zu einer beispiellosen Aufrüstung…

Eine Zukunft ohne Konfrontation

Nur wenige Bereiche haben sich so verschlechtert wie das multilaterale Handelssystem. Einseitige Maßnahmen haben grundlegende Prinzipien wie die Meistbegünstigungsklauseln bedeutungslos gemacht. Sie stören Wertschöpfungsketten und stürzen die Weltwirtschaft in einen Teufelskreis aus hohen Preisen und Stagnation. Es ist dringend notwendig, die WTO auf einer modernen und flexiblen Grundlage neu zu gründen.

Meine Damen und Herren, in diesem Jahr hat die Welt zwei außergewöhnliche Persönlichkeiten verloren: den ehemaligen uruguayischen Präsidenten Pepe Mujica und Papst Franziskus. Beide verkörperten wie kein anderer die besten humanistischen Werte. Ihr Leben war eng mit den acht Jahrzehnten des Bestehens der Vereinten Nationen verflochten.

Wären sie noch unter uns, würden sie diese Plattform nutzen, um daran zu erinnern,

In der Zukunft, die Brasilien sich vorstellt, gibt es keinen Platz für die Wiederaufnahme ideologischer Rivalitäten oder Einflußsphären. Konfrontation ist nicht unvermeidlich.

Wir brauchen Staatsführer mit klaren Visionen, die verstehen, daß die internationale Ordnung kein „Nullsummenspiel” ist. Das 21. Jahrhundert wird zunehmend multipolar sein. Damit es friedlich bleibt, muß es multilateral sein.

Brasilien mißt der Europäischen Union, der Afrikanischen Union, ASEAN, CELAC, den BRICS und G20 zunehmende Bedeutung bei. Die Stimme des Globalen Südens muß gehört werden.

Die UNO hat heute fast viermal so viele Mitglieder wie die 51, die bei ihrer Gründung dabei waren. Unsere historische Mission ist es, sie wieder zu einer Hoffnungsträgerin und Förderin von Gleichheit, Frieden, nachhaltiger Entwicklung, Vielfalt und Toleranz zu machen.

Gott segne uns alle. Vielen Dank.

Ein Hilferuf an die Freunde der Neuen Solidarität!

Wie andere Zeitungen auch leidet die Neue Solidarität unter steigenden Kosten und sinkenden Abonnentenzahlen. Angesichts dieser Entwicklung ist das Weiterbestehen unserer Zeitung – jedenfalls in der bis­heri­gen Form – gefährdet. Damit ginge dem deutschsprachigen Raum eine wichtige Stimme der Vernunft verloren.

Wir sehen uns daher – hoffentlich nur vorübergehend – gezwungen, die Erscheinungsweise von bisher acht Seiten wöchentlich auf zwölf Seiten alle zwei Wochen umzustellen.

(Für die aktuellen Meldungen empfehlen wir als Ergänzung unsere täglich erscheinenden E.I.R. Nachrichten, die den Abonnenten per E-Mail zugestellt werden. Neukunden können sie 10 Tage lang kostenlos und unverbindlich testen.

Aufrufe zur Unterstützung unserer Zeitung im vorigen Jahr halfen uns, das Defizit zu mildern, wofür wir uns bei allen Unterstützern herzlich bedanken. Aber um das weiter­be­stehende strukturelle Defizit wirklich zu überwinden, brauchen wir vor allem eines: mehr Abonnenten für unsere Zeitung, was auch das beste Mittel ist, das geistige Defizit im politischen Diskurs der deutschsprachigen Welt zu bekämpfen.

Nutzen Sie unsere Zeitung als ein Instrument, dies zu erreichen! Helfen Sie uns, neue Leser zu finden, und empfehlen Sie unsere Zeitung weiter.

Man kann Abonnements auch verschenken. Manche unserer Leser haben Mehrfach-

Abonnements, damit Sie die Zeitung an Interes­sierte weitergeben können. Und natürlich können Sie uns auch weiterhin mit Förderabonnements und Förderbeiträgen helfen.

Bankverbindungen – Empfänger: E.I.R. GmbH, Wiesbaden

Nassauische Sparkasse Wiesbaden
IBAN: DE79 5105 0015 0114 0044 99 – BIC: NASSDE55

Postbank Frankfurt
IBAN: DE93 5001 0060 0330 0216 07 – BIC: PBNKDEFF

Stichwort: Erhaltet die Neue Solidarität