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Von Lyndon H. LaRouche
Vollständige deutsche Übersetzung der Einleitung zu LaRouches Schrift vom 19. Dezember 2004 (auf englisch erschienen in dem Buch "Earth's Next Fifty Years", Hrsg. Lyndon LaRouche PAC, Leesburg VA, März 2005.)
Dieser ziemlich umfangreiche Bericht ist notwendig geworden, weil es jetzt dringlich ist, sich mit einer kaum verstandenen, aber nahen Gefahr für unsere Zivilisation zu befassen. Ich möchte damit dem Mangel abhelfen, daß gewisse wichtige, möglicherweise fatale Folgen der gegenwärtig wahrscheinlich fruchtlosen Bemühungen um einen notwendigen Dialog der Kulturen im allgemeinen nicht erkannt werden. Dieser Dialog wird höchstwahrscheinlich scheitern, mit katastrophalen Folgen für die Menschheit, wenn man nicht auf gewisse falsche, aber derzeit gängige Vorstellungen über diesen Dialog hinweist und einige dieser Irrtümer unter mühsamer Kleinarbeit berichtigt, so wie ich dies hier unternehme.
Wir wollen in dieser Schrift folgendermaßen vorgehen: Erst beschreiben wir, worin diese tödliche Gefahr für die Weltzivilisation besteht und wo sie herkommt, und anschließend betrachten wir kritisch die Irrtümer und Chancen des Dialogs der Kulturen, wie er heute angestrebt wird, als mögliche Abhilfe gegen die Gefahr.
Man darf allerdings diesen Dialog nicht auf Vertreter der weitgehend gescheiterten Generation beschränken, die in den letzten vier Jahrzehnten die Welt und ihre Nationen immer mehr in den tödlichen kulturellen Sumpf, in dem wir heute stecken, hineingezogen hat. Wir würden unser Ziel verfehlen, wenn wir nicht auch das sagen, was besonders der heutigen jungen Erwachsenengeneration, der wir unausgesprochen die Zukunft der Menschheit anvertrauen, gesagt werden muß. Wir müssen dieser jungen Erwachsenengeneration der 18-25jährigen alles sagen, was sie wissen muß. Alles, was wir sagen, geschieht vor dieser jungen Erwachsenengeneration, in deren Hände wir es legen, die Lösung des drohenden Problems in die Tat umzusetzen.
Leider herrscht in den Bemühungen um einen Dialog der Kulturen, wie sie heute üblich sind, ein Hang zu Allgemeinplätzen und Sentimentalitäten. Man drückt sich vor dem unangenehmen konkreten Wer, Wie, Was, Wann und Wo bestimmter problematischer Diskussionen, die mancher lieber meidet, als sie zu lösen. Man geht dann aus übertriebener Höflichkeit nicht nur der notwendigen Auseinandersetzung mit Fragen der "Persönlichkeit" aus dem Weg, es fehlt auch die nötige Präzision bei der Definition konkreter Lösungen für Probleme, die offen angesprochen werden müssen, wenn man auf Dauer Fortschritte erzielen will. Die heutige Lage erfordert dringend konkrete Lösungen, auch wenn diese manchmal umstritten sind. Manchmal führt der Weg zum Sieg über steiles Gelände.
Ich werde nun dementsprechend verfahren.
Die akute Krise, die einen Dialog der Kulturen dringend erforderlich macht, kann und muß anhand einiger konkreter und zuweilen ruppiger Feststellungen genau festgemacht werden - etwa wie folgt.
Die Zöglinge des verstorbenen Harvard-Professors William Yandell Elliot, Zbigniew Brzezinski und Samuel Huntington, haben - oft in Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Leiter des britischen Arabien-Büros Bernard Lewis - Pläne ausgearbeitet, um ein faschistisches anglo-amerikanisches Weltreich als moderne Kopie des Römischen Reiches zu errichten. Sie und andere betreiben eine solche "Globalisierung" als Fortsetzung von Huntingtons Entwurf in seinem romanesken Der Soldat und der Staat, der auf ein internationales faschistisches SS-System hinausläuft, auch wenn er dies wenig glaubhaft abstreitet. Zu seinem fragwürdigen Repertoire gehören Die Krise der Demokratie, das zur Gründung der wortverdreherischen Einrichtungen "Projekt Demokratie" und "National Endowment for Democracy" beitrug sowie sein Leitfaden für weltweiten Religionskrieg Kampf der Kulturen.1 Die entsprechenden außenpolitischen Schriften und Machenschaften des Gründers der Trilateralen Kommission Brzezinski entsprechen in ihren Zielen und ihrem Hang zum Bösartigen ganz denen seines langjährigen Kumpans Huntington.2
Viele glauben fälschlich, die Pläne für eine teils neuartige, weltweite, neofeudale ultramontane Tyrannei kämen aus Amerika. So wie das britische Arabien-Büro eine Rippe aus dem imperialen Indien-Büro der Briten war, so entstammen die teuflischen Spielchen dieses Pärchens und ihrer Komplizen in Wirklichkeit der Tradition des Pariser Vertrags vom Februar 1763, mit dem das britische Empire geschaffen wurde. Dem Dienst dieses Imperiums hat der Altmeister der Bande von Oberdrückebergern um Brzezinski und Huntington, der rassistische Nashville-Agrarier und Harvard-Professor Elliott, sein Lebenswerk gewidmet. Es ist das Empire, gegen das der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg geführt wurde und das mehrfach versucht hat, die Vereinigten Staaten zu zerstören, meist entweder gewaltsam oder durch Unterwanderung in der Art von Professor Elliott und seiner Mannschaft.3
Der gleiche böse Grundzug wie bei Bzrezinski und Huntington findet man z.B. im Werk der ehemaligen US-Außenministerin und Brzezinski-Freundin Madeleine Albright, samt ihren Komplizen wie Richard Holbrooke, die in ihrer Amtszeit im Balkankrieg die Rezeptur für ein "neues finsteres Zeitalter" umsetzte. Ironischerweise hat sie zur gleichen Zeit als Außenministerin in einer Rede in New York nicht nur zugegeben, sondern sich sogar damit gebrüstet, sie und ihr Vater seien Anhänger des faschistischen britisch-imperialen Utopismus des Gesinnungsgenossen des Amerikahassers Bertrand Russell, H.G. Wells.4
Wenn ich dieser Mannschaft soviel Bedeutung zumesse, ist das keine Haarspalterei. Genauso wie es sich der Harvard-Professor für Politische Wissenschaften Elliott und ähnliche Leute zur Lebensaufgabe machten, die Vereinigten Staaten im Hobbesschen Magen eines künftigen britisch-imperialen Commonwealth aufzulösen, so war und ist es die erklärte Absicht Brzezinskis, Huntingtons und anderer bei allem, was sie tun, den Nationalstaat als solchen von der Erde zu vertilgen - die USA eingeschlossen. All dies und noch viel mehr tun sie für eine moderne Kopie einer imperialen Weltordnung, wie sie Lord Shelburnes Lakai Gibbon in seinem Aufstieg und Fall des Römischen Reiches entwarf.
Diese imperialen Absichten äußern sich heute in dem Versuch einer Rückkehr zu einer imperialen Ordnung nach dem Vorbild des ultramontanen Systems im mittelalterlichen Europa, das in der jahrhundertelangen Partnerschaft der herrschenden Finanzoligarchie Venedigs mit der für die Kreuzzüge berüchtigten normannischen Ritterschaft wurzelte. Eine solche Weltordnung zeigte sich auch bei dem Vorstoß des spanischen Großinquisitors Tomàs de Torquemada zur Erneuerung des ultramontanen Systems im Jahr 1492 - dem Vorbild für Hitlers Judenverfolgung und für die nachfolgenden Religionskriege in ganz Europa. Dies alles sollte den in der Renaissance gerade geborenen neuzeitlichen europäischen Nationalstaat in der Wiege ersticken. Dieser ultramontane Imperialismus zeigt sich heute im Vorstoß zur "Globalisierung" - einer gegen die Vereinigten Staaten gerichteten imperialistischen Doktrin, mit der die Tradition des Westfälischen Friedens von 1648 ausgelöscht werden soll.5 Führende Kreise, die dies vertreten, sollten es nach ihren Erfahrungen mit Adolf Hitlers Unternehmungen eigentlich besser wissen.
Wie die immer noch relevanten Schriften des Martinisten und Freimaurers Graf Joseph de Maistre verdeutlichen - sozusagen der Erfinder des räuberischeren gallischen Tyrannen und Romantikers Napoleon Bonaparte6 - , ist das Torquemada-Modell der Ursprung des Faschismus der Neuzeit, wie man ihn mit Benito Mussolini oder Adolf Hitler verbindet. Das ist die Tradition der neuen Imperialisten wie Elliott, Huntington und Brzezinski.
Im Zuge des Kampfes gegen das Übel des Religionskriegs, wie ihn Brzezinski, Huntington und andere verbreiten wollen, unternehmen die Gegner ihrer Pläne wie Papst Johannes Paul II. neue Anstrengungen für eine wahrhaft agapische ökumenische Brüderlichkeit der großen Weltreligionen. Sie erneuern damit die Bemühungen führender Köpfe der Katholischen Kirche wie Kardinal Nikolaus von Kues während der Renaissance in Europa im 15. Jh.7 Andere haben die Aufgabe in "Dialog der Kulturen" umbenannt, aber der andere Fachausdruck bedeutet eigentlich für die europäische Politik nichts Neues, außer einer größeren Reichweite: Es zwingt den Dialog nur zurück zu derselben Kategorie wie des Cusaners alter Vorschlag zu einem "Frieden im Glauben" zwischen Christen, Juden und Muslimen, wenn auch auf breiterer Grundlage.8
Man versteht besser, was die ökumenischen Bemühungen der führenden Köpfe der europäischen Renaissance für die heutige Auseinandersetzung bedeuten, wenn man besonders betont, wie Großinquisitor Torquemada gegen die Ökumene der christlichen Kirche eines Cusanus aus der Mitte des 15. Jh. blutig vorgegangen ist.
Torquemada stand für Rassenhaß als weltanschauliche Waffe, wie dies auch Huntington usw. schüren, was typisch sowohl für das alte Römische Reich als auch für den mittelalterlichen Ultramontanismus der venezianischen Finanzoligarchie und normannischen Ritter mit den Kreuzzügen war. Mit der Ausweisung der Juden aus Spanien 1492 entfesselte Torquemada eine Zeit der Religionskriege; die nachfolgenden religiösen Bruderkriege gegen die Einrichtung des neuzeitlichen souveränen Nationalstaats beherrschten den gesamten Zeitraum von 1511 bis zum Westfälischen Frieden 1648. Heute bildet dies wiederum die Grundlage der Absicht, das Erbe des Westfälischen Friedens auszurotten; praktisch ist es der Drang zu einem faschistischen Weltreich, wie er sich in den Thesen eines Brzezinski oder Huntington ausdrückt. Der gegenwärtige Feldzug für die "Globalisierung", gegen die Ordnung des Westfälischen Friedens, ist der kulturelle Ausdruck davon, daß die Welt in ein neues finsteres Zeitalter abzugleiten droht.
Es gibt nur einen Weg, wie die Mitglieder eines Konzerts nationaler Kulturen beurteilen können, in welche Zukunft die jeweils vorgeschlagenen Impulse führen würden. Sie wären verpflichtet, zu verfolgen und zu beurteilen, welche der weltweiten qualitativen Veränderungen durch diese Impulse neuartige mörderische Konflikte heraufbeschwören, die man doch gerade verhindern wollte. Es stellt sich also die Frage: Wie müssen wir unter Berücksichtigung dieser Überlegungen die gemeinsamen Ansichten beurteilen und verändern?
Man müßte sich dann beispielsweise vorstellen: Was wäre das reale Ergebnis nach einer Testphase von schätzungsweise zwei Generationen oder länger - von der Geburt eines Kindes heute bis zur Geburt von dessen Enkelkind. Unter den jetzigen Bedingungen gäbe es wahrscheinlich in jeder ökumenischen Übereinkunft zwischen Nationen, auf die sich heute bestehende Institutionen einigen würden, einige Dinge, die zukünftige Generationen aus guten Gründen verfluchen würden.
Das war beispielsweise das ungewollte Ergebnis, als man einen Völkerbund gründete: Der Völkerbund hatte sich in weniger als einer Generation gründlich diskreditiert und trug sogar maßgeblich dazu bei, daß es zum Zweiten Weltkrieg kam. Ähnliches gilt für die Arbeit der UNO, der Vereinten Nationen, die zwar wesentlich nützlicher waren als der Völkerbund - einige Male sogar unabdingbar - , die aber heute, zwei Generationen nach ihrer Gründung, an der Verwirklichung ihrer vor fast 60 Jahren gesetzten grundsätzlichen Ziele kläglich gescheitert sind, wie es sich heute im Fall Irak zeigt.
Ein Beispiel für die enttäuschende Arbeit der UNO war die Entscheidung des anglo-amerikanischen Establishments und anderer Mitte bis Ende der 60er Jahre, sich in eine "nachindustrielle" utopische Zukunft zu stürzen. Diese Entscheidung für die "ökologische Ökumene", wie sie sich im Zeitraum von 1964-81 entfaltete, war die Hauptursache, der entscheidende kulturelle Wertewandel, der uns heute an die Schwelle des selbstverschuldeten Untergangs der amerikanischen und europäischen Volkswirtschaften gebracht hat. Nun drohen die kettenreaktionsartigen Folgen der damaligen Entscheidung die ganze Welt in ein neues finsteres Zeitalter zu stürzen.
Es sollte offensichtlich sein, daß dieser Hang zur Gegenkultur auch eine tödliche Gefahr für jeden "Dialog der Kulturen" ist, weil dieser höchstwahrscheinlich an den eigenen Widersprüchen zugrundegehen würde. Das ist aber nur ein beispielhafter Aspekt der großen Hindernisse, die sich bei den heutigen Versuchen eines Dialogs der Kulturen auftun. Es sind hauptsächlich Hindernisse zweier Art.
Der erste allgemeine Fehler fast aller Utopisten unterschiedlicher Arten ist bei solchen Versuchen, daß sie von Anfang an davon ausgehen, die beste Übereinkunft wäre eine Art Minestrone, indem man wie bei einer bunten italienischen Suppe ganz "demokratisch" die Vorschläge aller Teilnehmer zusammenmischt. Die Übereinkunft soll möglichst wenig kulturellen und sonstigen Widerspruch der vorgeformten Meinungen der anderen erregen.
Bei einem solchen Hang zur Sophisterei - manchmal wird das "Demokratie" genannt9 - werden die entscheidenden Dinge - ob etwa gewisse kulturelle Züge einer Nation wenig tauglich für das Funktionieren dieser Nation mangelhaft sind - niemals wirksam wissenschaftlich hinterfragt. Wenn man so fortfährt, entsteht am Ende ein Vertrag wie unter gegnerischen Anwälten, ohne jede tiefere Grundlage im Naturrecht (der Begriff wird weiter unten dargelegt). In einem so angelegten Dialog der Kulturen wird die Auseinandersetzung um so deutlicher in neuer Form zutagetreten, je mehr man sie scheinbar beigelegt hatte. Allgemein besteht heute der Fehler darin, daß man versucht, die Wissenschaft aus der Sicht der Tradition an sich zu beurteilen, statt aus angemessener wissenschaftlicher Sicht die Tradition zu begutachten und ihr Gutes von ihrem Schlechten zu trennen, was dringend notwendig wäre.
Der schlimmste aller Fehler in einem solchen fehlgeleiteten Dialog der Kulturen ist die Vorstellung, die Religion müsse der Wissenschaft unvereinbar gegenüberstehen. Dieser leider weit verbreitete tödliche Irrtum, es gebe unvereinbare Gegensätze zwischen Religion und Wissenschaft, wird in diesem Aufsatz an entsprechenden Stellen besonders untersucht und berichtigt.
Aber einmal abgesehen von dem, was bloß Verwirrung stiftet: Beispielhaft für das wirklich Bösartige, dem bei dieser grundsätzlich falschen Art der "Demokratie" - wie unabsichtlich dies auch sein mag - Unterschlupf gewährt wird, ist der verkommene existentialistische Irrationalismus des Kongresses für Kulturelle Freiheit (Congress for Cultural Freedom, CCF) des Nazi-Freundes Allen Dulles.10 Beispielhaft für den profaschistischen Charakter des CCF ist der Existentialismus der "Frankfurter Schule" des Nazi-Philosophen Martin Heidegger und seiner jüdischen Freunde Hannah Arendt und Theodor Adorno,11 die zusammen mit anderen Existentialisten und deren Verbündeten wie die American Family Foundation den Faschismus der berüchtigten "Rattenlinie" und anderer Nazi-Freunde von Dulles und Genossen rechtfertigen wollten, indem sie vorgaben, die kulturellen Übel des Kommunismus zu bekämpfen.12
Man suchte Kompromisse zwischen Kulturgruppen, die alle davon ausgingen, ihre vorhandenen, durch die Kultur geprägten Wünsche seien im Kern von Natur aus richtig. Diejenigen, die solchermaßen auf den typischen Irrationalismus des CCF hereinfielen, pochten auf ihre einander widersprechenden Vorstellungen von "richtig", weil man sie ihnen jeweils als a priori existierend dargestellt hatte. Die schlimmsten faschistischen existentialistischen Philosophen, wie der zeitweilige Schützling des Nazi-Kronjuristen Carl Schmitt Leo Strauss und seine Anhänger in der Regierung Bush heute, übernahmen die bestialische Philosophie des realen und literarischen Thrasymachos, wonach widerrechtliche oder tyrannische Regimes wie das von Hitler oder von Präsident George W. Bush ein Recht auf Willkürherrschaft hätten.13
Zweitens müssen wir uns fragen, ob die Überlegung, ob das angestrebte Ergebnis wirklich Erfolg haben wird oder nicht, nicht vielleicht von vornherein ausgeschlossen wurde. Dies geschah dann mehr oder weniger aus Rücksicht auf die jeweiligen axiomatisch begründeten und mit den eigenen unvereinbaren Empfindlichkeiten der anderen. Und zwar mit dem Argument, man wolle nicht über die Werteordnung der anderen Beteiligten, oder zumindest einigen von ihnen, von "außen" ein Urteil fällen. Das Schlimmste daran ist, daß man die inneren Widersprüche der Prinzipien, die man bei den jeweiligen kulturellen Wertesystemen annimmt - etwa der willkürlich angenommene Gegensatz zwischen europäischen und asiatischen spirituellen Werten - , auch noch als positives Prinzip ansehen will!
Eine solche Suche nach einer möglichst schmerzlosen Einigung, sich nicht auf Prinzipien zu einigen, ist die Folge davon, wenn man die entscheidende Tatsache umgeht, daß ein Prinzip, wenn es denn wirklich eines sein soll, ein Prinzip in dem Sinne sein muß, wie wir diesen Begriff mit den Naturgesetzen des Universums verbinden.
Mit anderen Worten: Wir müssen "Prinzip" so verstehen, wie die klassische Tradition Platons und die neuzeitliche Wissenschaft eines Cusanus, Kepler, Leibniz, Gauß oder Riemann die wissenschaftliche Methode definieren - so wie W.I. Wernadskijs experimentelles Prinzip der Noosphäre eine Wissenschaft definiert, die zu einer neuen eurasischen Kultur werden muß. Wenn man ein wahres Prinzip mißachtet oder ein falsches durchsetzt, wie etwa den mörderischen "olympischen" Umweltkult der vergangenen vier Jahrzehnte,14 dann wird die ganze Menschheit dafür bestraft, wie es sich an dem apokalyptischen Ergebnis nach vier Jahrzehnten des Einflusses und der Anwendung solcher falschen Überzeugungen zeigt. Die beiden Weltkriege sind lehrreiche Beispiele dafür, was geschieht, wenn man diesen Zusammenhang mißachtet.15
Nimmt man seine Zuflucht zu solchen falschen, sentimentalen a priori-Annahmen, vor denen ich gerade gewarnt habe, so ist das Ergebnis - wie im Falle des Völkerbunds und der UNO - der gutgemeinte Wille, eine Wiederholung früherer Kriege oder ähnliches zu vermeiden, indem man Regeln aufstellt, die im besten Falle den vermuteten Absichten bestimmter früherer Konflikte entgegenwirken, in Wirklichkeit aber nur neue Regeln eines Spiels sind, das die Nationen bewußt oder unbewußt auf den Weg in den nächsten brutalen Weltkonflikt führt. So geschah es, recht bald, nach dem Ende der beiden "Weltkriege" des 20. Jh. Und heute geschähe genau dasselbe.
So war der Weg in den Zweiten Weltkrieg von 1922 bis 1939 die Folge eines faschistischen Plans der Finanzoligarchie der Synarchistischen Internationale16 auf der Grundlage der neuen anglo-holländischen liberalen Spielregeln, die von den entsprechenden Mächten in den Versailler Vertrag hineingeschrieben wurden. Die eigentlichen Verursacher des Krieges waren nicht ein paar rechte Fanatiker wie Hitler oder Mussolini, sondern jene Leute, die diese beiden und andere Fanatiker groß machten und als Werkzeuge benutzten, um den Krieg herbeizuführen. Jeder, der die politische Wirklichkeit kannte, wußte von Anfang an, daß die Finanzoligarchie der Synarchistischen Internationale, die Urheber des Versailler Vertrages, diesen Krieg wollte.
Nach Versailles dienten das Buch Die offene Verschwörung und der Film The Shape of Things to Come des utopischen Fanatikers H.G. Wells als ideologische Generalprobe für den Absturz der Welt in den Zweiten Weltkrieg und danach in ein finsteres Zeitalter, so wie es heute nach dem gegenwärtigen anglo-amerikanischen Irakkrieg droht. Dieses finstere Zeitalter wird schon bald das Ergebnis sein, wenn die sozusagen Wellsschen "neokonservativen" Grundannahmen, wofür die gegenwärtigen Regierungen der USA und Großbritanniens stehen, nicht bald verdrängt werden.17 Ohne diese Veränderung sind ein neuer Weltkrieg und in der Folge ein Absturz in ein weltweites finsteres Zeitalter praktisch unvermeidlich, so sicher, wie man Mitte der 30er Jahre nur die Worte "Adolf Hitler" zu sagen brauchte - auch wenn heutige Romantiker diesen Zusammenhang noch so vehement bestreiten mögen.
Solche immer wiederkehrenden Paradoxa gibt es nicht erst in der Neuzeit. Alle großen Tragödien in der Geschichte der europäischen Zivilisation vom Fall Athens im Gefolge des Peloponnesischen Krieges bis hin zu den Leiden Kontinentaleuropas, seit unter dem englischen König Edward VII. das angezettelt wurde, was man die beiden "Weltkriege" des letzten Jahrhunderts nannte, veranschaulichen dasselbe Prinzip.18 Und der lange Bogen der bekannten Geschichte asiatischer Kulturen ist in dieser Hinsicht noch schlechter als der Europas. Europa scheint nur vielen auf den ersten Blick schlimmer dran zu sein, weil die europäische Kultur der Neuzeit, wenigstens bis jetzt, pro Kopf betrachtet ein mächtigeres Instrument gewesen ist als die asiatische Kultur. Heute, da sich unwiderruflich Atomwaffen in den Händen asiatischer Kulturen befinden und immer mehr diese erlangen, und da weltweit noch mehr asymmetrische Kriege entfesselt werden, drohen uns nicht Kriege zwischen Zivilisationen, sondern - wie wir an der gegenwärtigen Praxis der Regierung Bush im Irak sehen - ein allgemeiner Krieg gegen den Fortbestand der Zivilisation selbst, ein Weltkrieg unter Tanzpartnern wie der, auf den sich die bereits tanzenden Regierungen Bush und Blair einlassen. Es ist höchste Zeit, darüber zu sprechen, statt in selbsterniedrigender Weise so zu tun, als glaube man den üblichen diplomatischen Allgemeinplätzen.
Wer die Geschichte nicht versteht, redet sich aus der eigenen Mitschuld gewöhnlich damit heraus, daß er die Schuld einigen wenigen führenden Persönlichkeiten gibt - hauptsächlich solchen, die sich in opportunistischer Weise nur allzusehr an eine gerade beliebte Kultur angepaßt haben. Dabei wird übersehen, daß die Ursache solcher Katastrophen immer die Kultur selbst war, nicht nur die Kultur der Führung, sondern, was viel wichtiger ist, die des ganzen Volkes. Es war das Volk, das sich gewohnheitsmäßig auf die eine oder andere Art und Weise eine solche Führung für seine herrschenden Institutionen ausgewählt hat. Dabei wurden entweder vorhandene Alternativen abgelehnt oder, schlimmer noch, es stand gar keine andere qualifizierte Führung zur Auswahl.
Zugegeben, B.G. Tilak und Mahatma Gandhi wiesen mit ihrem Eingreifen Indien den Weg aus der tyrannischen Fremdherrschaft. Dies belegt erneut in herausragender Weise, daß eine Kultur ein Regime, das mit den Beherrschten unvereinbar ist, stürzen kann. Diese Erfahrung und die gegenteilige Neigung der Untertanen, der Tyrannei Glaubwürdigkeit zu verleihen - wie in Deutschland nach Görings Reichstagsbrand und in den USA nach dem 11. September 2001 - , sind für den entscheidenden Dualismus in der bisherigen Geschichte bezeichnend. Dennoch bleibt die häßliche Wahrheit, daß eine schlechte Herrschaft, wie die der römischen Cäsaren, ein Ausdruck der Kultur des Volkes ist. Shakespeare bringt das, etwa in der Eröffnungsszene von Julius Cäsar oder in Hamlet, auf dem Theater gekonnt zum Ausdruck. In beiden Fällen stellt Shakespeare mit genialer Einsicht das Böse einer Kultur auf die Bühne - sei es der Tyrann oder sei es der mordlustige Dummkopf, den das Böse im Volk hervorgebracht hat. Wie Shakespeare den Charakter Julius Cäsars oder Hamlets auf der Bühne erschafft, so erschafft auch die Kultur im Volk oft die Tyrannen, die es dann später regieren.19
Dann denken Männer und Frauen nicht klar, sondern laufen wie Hamlet lieber opportunistisch etwas nach, was innerhalb der Grenzen liegt, die gerade von der öffentlichen Meinung anerkannt sind. Sie denken nicht daran, welche Folgen diese Gegenwart auf die Zukunft, von der vermeintlich "noch kein Reisender je zurückkehrte", haben wird. Auf diese Weise wurde immer wieder der weitverbreitete, intellektuell-geistig feige Glaube an eine bestimmte Kultur zur Quelle ihres eigenen Unheils. So bringen Gesellschaften, wie heute, oft utopistische Pläne hervor, unter deren Folgen kommende Generationen leiden müssen, wenn sie nicht verhindert werden.20
Dabei wäre es möglich gewesen, wissenschaftliche Prinzipien zu entdecken, mit deren Hilfe man dem immer wieder ähnlich törichten Ausgang solcher utopistischen Pläne hätte entgehen können. Ich muß es wieder betonen: Das Problem, das wir lösen müssen, besteht in der verbreiteten, manchmal tödlichen falschen Vorstellung, die erwünschte Utopie müsse auf Prinzipien gründen, die vermeintlich ganz naheliegend sind und die man oft als herzerwärmend empfindet - wie z.B. eine bestimmte Tradition. Eine solche sich selbst verderbende Moral der Völker wird in unverantwortlicher Weise als etwas mehr oder weniger Selbstevidentes behandelt, und selbst sonst vernünftige Menschen schließen sich ihr ohne Zögern an.
Der große, oft tödliche Irrtum liegt darin, außer acht zu lassen, daß - wie in der Naturwissenschaft - die gewünschte Lösung nur darin liegen kann, neue Prinzipien zu finden, die oft so gut wie alles, was die vorherrschende Meinung bisher geglaubt hatte, auf den Kopf stellen. Gewöhnlich wurde leider fälschlicherweise angenommen, die Krise sei die Folge von Verstößen gegen irgendwelche herkömmlichen Werte, doch in Wirklichkeit wurde sie gerade dadurch verursacht, daß diese herkömmlichen Werte nicht verletzt wurden. Anschauliche Beispiele sind Benjamin Franklins Amerikanische Revolution auf der Grundlage des Leibnizschen Denkens oder Schillers Behandlung der historischen Figur des Wallenstein. Der Irrtum besteht also gerade in der Annahme, die Lösung läge im Rahmen des Denkens, das in die Krise führte. So marschieren die Lemminge ihrer schrecklichen Tradition folgend über die Klippe und stürzen ins Meer.
Die Aufgabe des guten Rettungsschwimmers ist nicht, die Dame zu verführen, sondern ihr Leben zu retten, ob sie ihm nun persönlich sympathisch ist oder nicht. Genauso ist es mit den Staatsmännern, von denen die Lösung einer kulturellen Krise wie der heutigen Weltkrise abhängt. Hier liegt die eigentliche Herausforderung eines Dialogs der Kulturen. Falls ein solcher Dialog tragisch scheitert, läge dies, wie schon in der Vergangenheit, in erster Linie daran, daß sich keine Führung entwickelt, die Änderungen der allgemein anerkannten Prinzipien einer Kultur durchsetzen kann.
Erklären wir diesen ganz entscheidenden Punkt der Klarheit halber noch einmal anders. Ich darf nicht zulassen, daß unser Dialog sich von diesem Punkt entfernt.
Der größte Feind der Menschheitszivilisation und aller Zivilisationen, die Quelle ihrer größten, tödlichsten Schwäche, ist letztendlich die Vergötterung allgemeiner Mittelmäßigkeit im Namen des "Wahrens bestehender Traditionen". Das Verhalten gleicht dem von Raubtieren oder deren Opfern, die ihren angeborenen tierischen "Instinkten" nicht entrinnen können. Der Mensch sollte sich darauf verlassen, daß er sich anders verhalten kann. Der Hang, sämtliche Stimmen, die den irreführenden, falschen Frieden allseitiger Mittelmäßigkeit bedrohen, zu unterdrücken oder ganz zum Schweigen zu bringen, ist der typische Ausdruck jener Verachtung für das Prinzip der Wahrhaftigkeit, die vormals scheinbar große Kulturen in den selbstverschuldeten Untergang führt.
So war z.B. die vorherrschende "antivoluntaristische" Kultur der sowjetischen Gesellschaft in wirtschaftlicher Hinsicht der wichtigste der Umstände, die zum selbstverschuldeten Fall der Sowjetunion führten. Die Tatsache, daß der lebendige, "voluntaristische" Impuls der sowjetischen Rüstungsforschung die Schlacht gegen Plechanows Tradition des Sowjetsystems verloren hatte, bleibt auch heute noch die entscheidende strategische Lehre für den Entwurf eines Programms für Rußlands Erholung aus dem Zusammenbruch der Sowjetunion.21
Das entscheidende Thema, mit dem man sich bei der Beurteilung früherer gescheiterter Versuche in Richtung eines Dialogs der Kulturen befassen muß, zeigt sich beispielhaft daran, daß Führungspersönlichkeiten, wenn sie tatsächlich auftraten, ermordet, eingesperrt oder auf andere Art ausgeschaltet wurden. Abweichung ist das Ferment von Genie und Dummheit gleichermaßen, aber sie bleibt dennoch die Brutstätte, wo etwas Neues entstehen kann, mit dessen Hilfe sich ein Volk aus dem tödlichen Griff fehlgeleiteter Gewohnheiten befreit. Solche abweichenden Stimmen systematisch auszurotten, ist typisch für die Unfähigkeit, eine Systemkrise zu überwinden, die eine ehemals mächtige Nation in den selbstverschuldeten Untergang treibt.
Der allgemeine Fehler der Staatsführer in der Vergangenheit war also der, daß entweder keine anderen ausgewählt wurden oder daß gar keine geeignete andere Führung zur Verfügung stand, weil man diese in der betreffenden Kultur nicht entwickelt und gefördert hatte oder sogar frühzeitig beseitigt hatte - so wie man den "unerwünschten legitimen Erben am liebsten schon in der Wiege ermordet" - , entweder auf Anordnung oder unter stillschweigender Duldung der Herrschenden. In solchen Fällen brachten die Menschen in aller Regel schlimmstes Leid über sich. Das Wirken des Kongresses für kulturelle Freiheit (CCF) des Nazifreundes Allen Dulles ist ein Paradebeispiel dafür, wie den Völkern eine solche geeignete Führung, die sie vor dem selbstverschuldeten tragischen Untergang bewahrt hätte, vorenthalten wird, indem man verhindert, daß sie sich entwickelt und zur Auswahl steht.22
Dagegen waren sämtliche großen Staatsmänner, die eine Kultur vor den Folgen ihrer eigenen Torheit in Sicherheit brachten, Ausnahmen dessen, was diese Kultur "im Durchschnitt" wahrscheinlich als akzeptable Wahl betrachtet hätte.
Solche Ausnahmen waren die Wahl der amerikanischen Präsidenten Abraham Lincoln und Franklin Roosevelt oder des Präsidenten Charles de Gaulle in der französischen Fünften Republik. Beispiele für das Prinzip, solche Ausnahmeerscheinungen in entscheidenden Momenten der Geschichte auszuschalten, waren die Ermordung der indischen Premierministerin Indira Gandhi oder die Ermordungen Jürgen Pontos und Alfred Herrhausens in jeweils entscheidenden Phasen der Geschichte Deutschlands. Die glücklicheren Ausnahmen, scheinbare Zufälle der Geschichte wie Lincoln oder Franklin Roosevelt, waren nicht wirklich Zufälle. Es waren Menschen, die sich bewußt für eine bestimmte Rolle entschieden. Weil sie dazu erzogen waren und sich auch selbst dazu erzogen hatten, sich gegen die anerkannten Verhaltensmuster der herrschenden Kultur zu stellen, konnten sie die außergewöhnlichkeiten Möglichkeiten, die eine Krise oftmals bietet, richtig nutzen. Dann war das Ergebnis eine Ausnahme von den üblichen tragisch falschen Vorlieben der betreffenden Kultur, wenn es um kritische Entscheidungen ging.
Wer Aussicht hat, ein solcher Staatsführer zu werden, und in dem Verdacht steht, solche unerwünschten Fähigkeiten in sich zu tragen, wird gewöhnlich auf die eine oder andere Weise von der Szene entfernt. So erging es mir, u.a. wegen gemeinsamer Anstrengungen meiner Gegner in Amerika und der Sowjetunion, hinsichtlich meiner Rolle bei der Strategischen Verteidigungsinitiative (SDI) zwischen 1983 und 1989.23
So rettete die Wahl des außergewöhnlichen Franklin Roosevelt seinerzeit die USA und half entscheidend, damals die Welt zu retten. Roosevelts Tod beseitigte die entscheidenden Hindernisse der Herrschaft des geistigen und moralischen Mittelmaßes, verkörpert im "kleinsten gemeinsamen Nenner" Harry S. Truman, die dann zu den größten Katastrophen in der Welt der letzten 50 Jahre führte. Diese Seuche ungeheurer intellektueller und moralischer Mittelmäßigkeit - verstärkt durch den vom Nazi-Freund Allen Dulles und anderen gegründeten CCF - schuf die Grundlage für den Absturz der Weltzivilisation in die kulturelle Dekadenz und von dort in die nun drohende "Götterdämmerung" eines weltweiten neuen finsteren Zeitalters.
Die größte Torheit der bekannten Kulturen bestand immer darin, daß man die Führung der Nationen und ihre Pläne auf einen vermeintlichen politisch-kulturellen Konsens, eine sogenannte altehrwürdige Tradition, stützen wollte. So war es bei den Mächten Kontinentaleuropas, die zu Beginn des Ersten Weltkriegs führend waren, als die sich anbahnende Krise erfordert hätte, sich gegen alle Meinung nur auf die nackte Wahrheit zu verlassen - jene Art von Wahrheit, welche die selbstmörderische Dumheit der vorherrschenden kulturellen Normen entlarvt.
Zivilisationen sind durch ihr stures Festhalten an den Fehlern ihrer ererbten kulturellen Gewohnheiten zum Untergang verurteilt, wie eine Tierart durch ihr genetisches Erbe zum Aussterben verurteilt ist. Deshalb ist es ironischerweise oft nur eine Revolution der kulturellen Traditionen, wie Benjamin Franklins Amerikanische Revolution 1776-89, welche die wertvollsten politischen und anderen Institutionen, die in dem Fall die englischsprachige Welt bis dato hervorgebracht hatte, retten konnte und auch rettete.
Daß es Kontinentaleuropa nicht gelang, sich auf revolutionäre Weise vom Erbe parlamentarischer Gewohnheiten und sog. "unabhängiger" Zentralbanken zu befreien, war seit 1789 die Ursache aller großen Tragödien und verpaßten Chancen, die Kontinentaleuropa bis heute wiederholt über sich brachte.
In der Naturwissenschaft, in der großen klassischen Kunst und in der Staatskunst zeichnet sich eine Nation, die wahre Größe erlangt, dadurch aus, daß sie zu der notwendigen grundsätzlichen Ausnahme vom sonst allgemein üblichen Vorgehen greift - man spricht auch von der "revolutionären" Ausnahme. So war es bei der Rückbesinnung auf die amerikanische Verfassung unter Franklin Roosevelt.24 Man muß aus dem Kreis der Besten in diesen Berufen die wirklich außergewöhnlichen auswählen, die allein die Veränderungen bewirken können, von denen die Größe und sogar das Überleben einer Kultur abhängt. Die Tiere sind dazu verurteilt, eines Tages von der Natur ausgelöscht zu werden, weil ihre Gattungen festgelegt sind. Aber der Mensch ist kein Tier, es sei denn, er versucht, die Tiere nachzuahmen, indem er Glaubensstrukturen wie die "radikalökologische" annimmt, die einer niederen Gattung mit kulturell festgelegten, quasi-genetischen Eigenschaften zukäme.
Das gilt auch für die Religion. Religionen, welche die Existenz des Schöpfers außerhalb des Universums annehmen und sich ein Universum mit festen Regeln wie auf einem Fußballfeld vorstellen, begehen den blasphemischen Fehler, dem Schöpfer die Fähigkeit abzusprechen, aus seinem Universum heraus Veränderungen zu bewirken. Das wirkliche Universum ist das, in dem Er selbst lebt. Wenn ein solcher Narr in überheblicher Weise dem Schöpfer des Universums diese Fähigkeit absprechen will, muß er sich auch damit abfinden, daß er selbst nicht mehr ist als ein Tier. Er leugnet die Existenz des menschlichen Individuums, die Existenz der Seele, die den sterblichen Körper, den sie nur für einen kurzen Moment bewohnt, überleben soll. Spräche man dem einzelnen die Fähigkeit und die Pflicht ab, willentlich dazu beizutragen, das Universum, das sein kurzes sterbliches Dasein überlebt, zu verbessern, so erniedrigte man ihn dazu, sich selbst für ein Tier zu halten. Dann verhielte er sich auch wie ein Tier, wie einst der Großinquisitor Torquemada - was, wie man sehen kann, auch heute leider oft am Ende dabei herauskommt.25
Das Gespräch in Form eines "Dialogs der Kulturen" ist nicht nur wichtig, es ist dringend notwendig. Aber, wie uns die Geschichte gelehrt haben sollte, besteht die große Gefahr, daß die Beteiligten sich zu schnell, zu weitgehend und zu oberflächlich auf nur allzu bereitwillig hingenommene Gemeinplätze einigen. Die Suche nach einem neuen Kompromiß führt dann zu einem Ergebnis, das sich sehr schnell überlebt, so wie beim Völkerbund.
Deshalb dränge ich auf die langfristige Sichtweise, die ich schon in verschiedenen früheren Schriften beschrieben habe. Wie soll man versuchen einzuschätzen, warum und wie unsere Nachfahren zwei Generationen nach uns die Ergebnisse unseres vereinbarten gemeinsamen Vorgehens beurteilen werden? Vorher angemessen einzuschätzen, ob unsere Entscheidung richtig ist, beruht eben nicht auf der Erfahrung der Vergangenheit, sondern auf unserer richtigen Beurteilung der Erfahrungen der Zukunft.26 Das ist das entscheidende Paradox, die große Herausforderung für alle Befürworter eines Dialogs der Kulturen, die ich mit dieser Schrift machen möchte. Dieses Paradox beschreibt die große Gefahr bei allen Versuchen, nur aus dem Dialog selbst heraus eine erfolgreiche allgemeine Einigung zu erzielen. Die beste Daumenregel für die Lösung dieses entscheidenden Paradoxons bietet W.I. Wernadskijs Definition der Noosphäre.
Die Zukunft löst die Aufgaben der Gegenwart
In diesem Einleitungsteil beschränke ich mich auf eine grobe Übersicht, zu welcher Lösung uns dieses Paradox führen muß. Ähnlich wie schon in früheren Schriften möchte ich hier Wernadskijs Beschreibung der Noosphäre Bal Gandaghar Tilaks Orion und The Arctic Home in the Vedas (Die arktische Heimat in den Veden) gegenüberstellen. So wie die Griechen die Wissenschaft der Sphärik, die in den Pyramiden zum Ausdruck kommt, von den Ägyptern übernahmen, und wie sich diese klassische Wissenschaftsmethode in Keplers Entdeckungen widerspiegelte, so sollten wir mit Tilak das Leben auf unserem Planeten heute und morgen aus der Sicht von Jahrtausenden und noch weiter zurück in der Vergangenheit betrachten. Untersuchen wir, was das aus der erneuerten klassischen Sicht von Wernadskijs Definition der Noosphäre bedeutet, und definieren davon ausgehend, welche gemeinsamen Werte als Maßstab für den Erfolg der Menschheit auf dieser Erde in nur zwei Generationen dienen können.
Wenn wir davon ausgehen, wie bestimmt dann die Entscheidung für bestimmte kulturelle Werte heute, ob und wie der jetzt so akut und massiv gefährdete Planet in etwa zwei Generationen erfolgreich dastehen wird? Offensichtlich ist: Wenn man zuließe, daß nur die heute gängigen kulturellen Werte - in ihrer schon jetzt extremen Form - weiter aufeinander wirken, wäre das Ergebnis nicht nur ein allgemeines Scheitern, sondern sogar eine unmittelbare Katastrophe.
Die Schwierigkeit heute ist nicht, daß einige maßgebliche Nationen Fehler gemacht haben. Die Schwierigkeit ist, daß die Gesamtheit der kulturellen Einflüsse auf der Erde in den 60 Jahren seit Franklin Roosevelts Tod, und verstärkt in den letzten 40 Jahren, zu einem gegenseitigen Hochschaukeln Roosevelt entgegengesetzter Einflüsse zwischen Nationen und Kulturen geführt hat. Das ist es, was den ganzen Planeten in die heute unmittelbar drohende Gefahr gebracht hat. Und auch wenn heute einige Regierungen und Vereinigungen einzeln oder zusammen teilweise nützliche Ideen in Erwägung ziehen, berücksichtigt bisher doch keine davon angemessen die eigentliche jahrzehntelange Ursache des Niedergangs in das nunmehr drohende lange finstere Zeitalter.
Zum Beispiel: Der Schlüssel zum Verständnis der Weltgeschichte der Neuzeit, mindestens der vergangenen drei Jahrhunderte, ist die Erkenntnis, daß die Weltgeschichte spätestens seit dem Triumph von Lord Shelburnes britischer Ostindiengesellschaft im Februar 1763 von der weltweiten imperialen Macht des anglo-holländisch-liberalen Systems geprägt ist. Dennoch tut die Mehrheit der heutigen Welt törichterweise so, als nähme sie diese offensichtliche Tatsache und damit auch ihre bis heute weitreichenden praktischen Folgen für alle Teile der Erde sozusagen "höflich" nicht zur Kenntnis. Es ist, als stünde ein Elefant laut trompetend im Hochzeitsbett und würde trotzdem nicht wahrgenommen.
Dieses liberale System beherrscht die Welt mit Hilfe des oligarchischen Weltfinanz- und Währungssystems - spätestens seit dem 10. Februar 1763, dem Tag des Pariser Vertrages am Ende des von den Briten inszenierten Siebenjährigen Krieges, der die betrogenen Mächte Kontinentaleuropas ins Verderben stürzte. Mit diesem Vertrag entstand das Weltreich der britischen Ostindiengesellschaft, die im 18. und 19. Jh. Indien und viele andere Länder ausraubte und ausbeutete. Die heutige Weltkrise ist im Grunde ein Ergebnis der künstlichen Steuerung der Beziehungen zwischen den Nationen der Welt, hauptsächlich über die Mechanismen des Liberalismus, die in dem noch heute regierenden ausbeuterischen finanzoligarchischen Imperium vorherrschen.
Ein Beispiel: Es ist nur zu typisch für die falschen Vorstellungen vieler, die an die Idee eines Dialogs der Kulturen herantreten, daß in den vergangenen Jahrzehnten die Vereinigten Staaten, und praktisch sie allein, öffentlich als angeblicher Herrscher der Welt verurteilt wurden - eine ebenso alberne wie weitverbreitete Meinung. Für den, der weiß, wie Entscheidungen wirklich zustandekommen, ist diese Legende die Frucht einer tödlichen, selbstmörderischen Torheit derer, die die Dinge so simpel erklären wollen.
Entgegen dieser weitverbreiteten falschen Meinung, die sich sogar in den USA selbst findet, beherrscht das anglo-niederländische liberale System in erheblichem Maße die heutigen USA. Das tut es zunehmend seit dem Tode Franklin Roosevelt und besonders seit dem Mord an Präsident John F. Kennedy, der die Amerikaner vor Angst fast erstarren ließ, ähnlich wie später die Ereignisse des 11. September 2001.
Diesen fremden Einfluß verkörpert heute hauptsächlich die Mannschaft der liberal-imperialen Fabianer um den britischen Premierminister Tony Blair, und vor ihm war es die Bande um Margaret Thatcher, die denselben Hintergrund hatte. Das ist das anglo-niederländische System, gegen das wir Amerikaner den Unabhängigkeitskrieg kämpften, das sich aber heute wie ein Parasit am Hals der einfältigen USA festgekrallt hat, so wie vorher schon während der Regierungen Harry Trumans und Richard Nixons. Und lange vor Truman dienten Vertreter der Tradition der Konföderierten wie Theodore Roosevelt und Woodrow Wilson sowie später die Seuche typisch liberalen Diebstahls unter Wall-Street-Kreaturen wie Coolidge und Hoover dieser imperialen Mutter des Systems globaler Unterdrückung, dem liberalen System.
Diese Verbindungen zu leugnen, hieße den Elefanten im Hochzeitsbett nicht sehen zu wollen. Dies allein könnte schon Grund für ein tragisches Scheitern eines versuchten Dialogs der Kulturen sein.
Unter dem heutigen Weltwährungs- und Finanzsystem wird die Politik eines Landes oder einer Gruppe von Ländern nicht von klar abgegrenzten einzelnen politischen Entscheidungen dieser Länder bestimmt. Die Gesamtwirkung, die in diesen einzelnen Entscheidungen zum Ausdruck kommt, entsteht vielmehr durch bestimmte axiomatische Grundannahmen - wie etwa dem heute weitverbreiteten Aberglauben an das Freihandelsdogma des anglo-holländisch-liberalen Systems.27
Dies stellt ein äußerst wichtiges, aber selten als solches erkanntes methodisches Problem im Umgang mit dem Verhalten in und zwischen Gesellschaften dar. Betrachten wir die geschichtliche Bedeutung von vier verschiedenen, recht häufigen Auswirkungen einzelner politischer Entscheidungen.
Erstens gibt es Fälle, in denen eine Handlung praktisch ein Theorem bestehender axiomatischer Grundannahmen über das richtige Verhalten ausdrückt, so daß das geltende Handlungsprinzip durch sie nicht in Frage gestellt wird. Wenn dieser Auswuchs geistigen Stillstands dazu beiträgt, die Lage weiter zu verschlimmern, dann war das nur ein Beweis dafür, was schon in den früheren Denkgewohnheiten über die Axiome politischer Entscheidungen begründet lag.
Zweitens gibt es Fälle, in denen die herrschenden axiomartigen (d.h. systemischen) Annahmen nicht geändert werden, aber ein extremer Punkt in der von diesen axiomartigen Annahmen vorherbestimmten Bahn berührt wird. Weil man damit in die Nähe einer Grenzbedingung des Systems gerät, löst dies eine ungewohnte neuartige Wirkung aus, wie man sie mit einer "Krise" verbindet, doch die entsprechenden axiomartigen Annahmen, nach denen sich die Gesellschaft bis dahin richtete, werden damit noch nicht verändert.
Drittens gibt es Entwicklungen, die mit dem, was die allgemein herrschenden Grundannahmen erlauben, axiomatisch in Widerspruch geraten, deren Folgen aber wahrscheinlich aufgefangen werden - wie ein kleiner Insektenstich, der den Schläfer nur kurz belästigt - , wobei das System herrschender Annahmen kaum gestört wird.
Dann denke man sich einen vierten Fall, in dem die Auswirkung einer Handlung das System der bislang herrschenden axiomartigen Annahmen über den Haufen wirft oder zumindest diesen Anschein erweckt. In diesem Fall besteht die Möglichkeit, daß eine axiomatische Veränderung des ganzen Systems ausgelöst wird. Zum Beispiel: Die meisten direkten und indirekten Androhungen von Gewalt gegen meine Person, die in den letzten 30 oder mehr Jahren aus dem "Establishment" kamen, rührten daher, daß die entsprechenden Leute erkannt hatten, daß meine Handlungen den Fortbestand ihres Systems ernsthaft gefährden konnten.
In allen Fällen ist nicht die einzelne Handlung historisch entscheidend, sondern das System oder das Ineinanderwirken der Systeme oder Veränderungen im System. Deshalb muß man bei der fachkundigen langfristigen Wirtschaftsprognose Wirtschaftssysteme immer axiomatisch betrachten, so wie es die fachkundige Naturwissenschaft tut: Man betrachtet sie als System und gründet Prognosen darauf, das System als System zu untersuchen, statt sich in den Schlamm oder Treibsand der unweigerlich falschen Extrapolationen eines gedankenlosen Buchhalters mit seinen wie üblich grobschlächtigen und oft völlig irrwitzigen statistischen Methoden zu begeben.
Dasselbe gilt in leicht veränderter Form, wenn man einen anderen Fall von Belang betrachtet: das bösartige Dogma, Zentralbanken - die in Wirklichkeit nichts anderes sind als Werkzeuge des kollektiven Willens des "Schleimpilzes" finanzoligarchischer Privatinteressen - müßten unter dem Schutz der systemischen Annahme arbeiten, daß sie frei von der Aufsicht gewählter Regierungen sein müssen. Das ist das System, die Weltanschauung, die heute in den meisten Nationen herrscht, und wer dieses System beherrscht, der bestimmt die Art und Weise, wie in den jeweiligen Nationen die Politik gestaltet wird. Falsche axiomatische Annahmen wie der Glaube an die Unabhängigkeit der Zentralbanken herrschen dann in den entsprechenden Institutionen von Regierung und Volk vor, und somit richtet sich die ganze Nation nach ihnen. Und gewöhnlich sind es diese Annahmen, die schon im voraus bestimmen, welche Entscheidungen gefällt werden. Es sind nicht einzelne Entscheidungen, die zu diesem Ergebnis führen, vielmehr bestimmt die Entfaltung einer Weltanschauung, welchen Lauf die Auswirkungen der entsprechenden Entscheidungen nehmen.28
Immer bestimmt das System die Bedeutung eines Ereignisses und nicht, wie heute fälschlich angenommen wird, die statistische Häufung von Ereignissen das System. So bestimmte in der Weltgeschichte, wie u.a. der Erste Weltkrieg zeigt, bisher meistens das Axiomatische einer Weltanschauung den Willen und das Schicksal von Nationen - und das weit wirksamer und erbarmungsloser als jede noch so überwältigende Streitmacht.
Der Unfug anzunehmen, die Vereinigten Staaten wären die Hauptursache der gegenwärtigen Systemkrise dieser Welt, ist genau die Art Irrglaube, die unweigerlich die Welt, die daran glaubt, in eine tragische Katastrophe führen würde. Nur wenn man erkennt, daß die Vereinigten Staaten heute selbst im System ein Untertan (ein Opfer) des "Freihandels"-Systems und des weltanschaulichen Erbes der britischen Ostindiengesellschaft - der Weltherrschaft finanzoligarchischer Interessen - sind, nur dann kann man mehr tun als törichte Vermutungen über das Wesen der heutigen Welt verbreiten. Wenn dieser Punkt nicht verstanden wird, wird jeder Ansatz zu einem Dialog der Kulturen zu einem katastrophalen Ergebnis verdammt sein.
Das Ausmaß einer Wirkung an sich - wie die Auswirkungen der Handlungen der Vereinigten Staaten heute - ist noch kein Beweis dafür, daß sie auch ihre eigene Ursache ist. Entscheidend ist, welcher Einfluß zu der Wirkung geführt hat und die nächste Wirkung steuern wird. Große Fußspuren sind noch keine großen Füße. Die Ursache ist das System, welches das Verhalten der Vereinigten Staaten bestimmt. Um diese Wirkung zu steuern, müssen wir das System steuern, das das Volk lenkt, solange das Volk noch nicht selbst das System steuert.
Als man merkte, daß die Vereinigten Staaten sich dringend auf ihre Verfassung berufen mußten, änderte sich das System. So handelte Präsident Franklin Roosevelt 1933, um die USA vom Joch des anglo-holländischen Systems hinter der Politik der Regierungen Theodore Roosevelt, Wilson, Coolidge und Hoover zu befreien. Die Folge war ein Eingriff in den Gang der Geschichte unter Franklin Roosevelt, der es möglich machte, daß die Vereinigten Staaten dem Faschismus, der ein im anglo-holländischen System gefangenes Mittel- und Westeuropa überrollte, entkommen konnten.
Diese veränderte Wahrnehmung unter Franklin Roosevelt - wie vorher im Falle Präsident Abraham Lincolns - erlaubte den Vereinigten Staaten nicht nur wirtschaftlich einen großen Sprung nach vorne, sie konnten auch den entscheidenden Beitrag leisten, um das Ungeheuer des Faschismus zu besiegen und das kriegszerstörte Europa wieder aufzubauen.
Eine entgegengesetzte, weitverbreitete und oft verhängnisvolle falsche Annahme ist die, man könne einem Konflikt mit bestimmten Traditionen an der Spitze der Gesellschaft aus dem Weg gehen und die Gesellschaft verbessern, indem man nur bessere Spielregeln des kulturellen Austausches in den Grenzen der unteren Schicht der Weltordnung einführt. Man will solche Verbesserungen in der Gesellschaft von unten nach oben anwenden, doch das eigentlich Entscheidende, von oben nach unten Wirkende - daß beispielsweise Dogmen wie "unabhängige Zentralbanken" und "Freihandel" hingenommen werden - soll nicht angetastet werden. Dieses starrköpfige, manchmal verhängnisvolle Verhalten wird z.B. gerechtfertigt mit dem gängigen, tragischen Wunschdenken: "Die Menschen sind für große Veränderungen noch nicht reif, man muß sie ihnen in kleinen Schritten beibringen" - am liebsten so, daß sich die Beine gar nicht merklich bewegen. Solche häßlichen Anwandlungen selbstauferlegter psychosexueller Impotenz machen aus Menschen gewissermaßen politische Eunuchen.
Unsere Aufmerksamkeit sollte sich daher auf diese Tatsache konzentrieren: Das Beherrschende der internationalen Beziehungen ist seit Februar 1763, daß die Welt nicht von irgendeiner Nation beherrscht wurde, sondern zunehmend von einer modernen Spielart des mittelalterlichen europäischen Systems der Partnerschaft der venezianischen Finanzoligarchie mit der normannischen Ritterschaft - nämlich dem anglo-holländischen liberalen System der Weltfinanzen, ganz besonders in der Form, die es seit 1971-72 hat. Früher kannte man dieses liberale System als die Weltmacht, die sich im 18. Jh. selbst als Venezianische Partei oder auch als die französische und britische "Aufklärung" etwa eines Voltaire bezeichnete. Es ist dieses System, das heute die Welt regiert und mit Hilfe des Weltwährungsfonds und der Weltbank die Regierungen der Nationen wie Vieh einsperrt und bei Bedarf schlachtet, solange die Nationen sich nicht selbst aus ihrem Griff befreien.
Bereiten wir uns nun darauf vor, in den Hauptteil dieses Berichts einzusteigen, indem wir das bisher Dargelegte wie folgt zusammenfassen.
Die Währungs- und Finanzeinrichtungen, in erster Linie die internationalen und in zweiter Linie die nationalen, haben das Sagen bei allen wesentlichen Entscheidungen zu den Angelegenheiten der Nationen und Völker, die von 1972 bis heute die "Autorität" von IWF und Weltbank hingenommen haben. Törichte Regierungen und Menschen sehen im allgemeinen nichts Bedeutsames an dieser Regelung. Man geht in maßgeblichen meinungsbildenden Kreisen weithin stillschweigend davon aus, daß es zu dem mit diesen Institutionen verbundenen System gegenwärtig keine absehbare Alternative gibt - jedenfalls bis eine entsprechende Systemkrise ausbricht. Aus diesem Grund will die unwissende Meinung, die heute in höchsten Regierungsstellen vorherrscht, einfach nicht erkennen, daß der Wille der Regierungen heute in der Regel nicht von der Macht der Nationen abhängt, sondern von einem System supranationaler finanzoligarchischer Interessen, das mächtiger ist als jedes Land, das sich den Spielregeln dieses liberalen Systems unterwirft.
Das heutige liberale System ist nur ein typischer Ausdruck einer Klasse von Einfluß über den Willen von Nationen und Völkern, den man eine "Ideologie" nennen kann. Ein Mensch, der irgendwelche Voraussetzungen als quasi axiomatisch für seine Entscheidungen hingenommen hat, ist in diesem Maße genauso wenig Herr über sein eigenes Denken und Handeln wie ein Tier, dessen Verhalten durch seine Instinkte als Mitglied seiner Art oder Rasse vorherbestimmt ist. Die tatsächliche Macht von Institutionen wie Regierungen oder Gruppen von Regierungen ist heute nur selten wirklich von der Vernunft gelenkter freier Wille, sondern oft eher das Ochsenjoch einer bestimmten Weltanschauung.
Man sehe sich den Staatsmann an, wie er sich innerhalb dieser eingebildeten "eisernen Jungfrau" herumwindet. Er droht vernünftig zu handeln, aber weil er die Zwänge seiner Lage spürt, meidet er lieber den Schmerz und schränkt seine Bewegungen entsprechend ein. Er hat die Voraussetzungen, vernünftig zu sein; aber wie ein tragischer Held kann er sich noch nicht von den entsprechenden Begrenzungen befreien. Das System beherrscht ihn.
In früheren Schriften und Reden habe ich die Funktionsweise dieses Problems als "Fischglas"-Ideologie beschrieben. Eine Bevölkerung übernimmt bestimmte gewohnheitsmäßige Annahmen, von denen einige ziemlich wahr und andere grundfalsch sind, als ihre Weltanschauung. So war das kollektive Handeln aller bisher bekannten Gesellschaften eine Reaktion auf eine unausgesprochene, eingebildete physikalische Geometrie, die vom wirklichen Universum mehr oder weniger radikal abwich. Selbst dann, wenn im Laufe der Entwicklung die bestehenden kulturellen Werteordnungen der Wirklichkeit über ein erträgliches Maß hinaus widersprechen, werden die Opfer dieser Weltanschauung eher nicht auf die wirkliche Welt reagieren, sondern auf die eingebildete Welt ihrer gewohnten Weltanschauung. Ich habe das "Fischglas-Ideologie" genannt: Man schwimmt weiter im gewohnten Fischglas, selbst wenn das Glas zerbrochen ist und das Wasser und die hilflos zuckenden Fische sich über das Mobiliar ergießen.
Das war noch bis vor kurzem der erbärmliche Geisteszustand eines großen Teils der amerikanischen Wählerschaft, die den steilsten Einbruch der Wirtschaft ihrer Region seit einem halben Jahrhundert erlebte, aber gleichzeitig George W. Bush wiederwählte, weil sie an einen anhaltenden Wirtschaftsaufschwung glaubte, der überhaupt nicht existierte! Das liberale System ist eine maßgebliche Ideologie - eine "Fischglas-Mentalität" - , welche die Nationen heute meistenteils beherrscht.
Wenn die Beteiligten versuchen, beispielsweise durch einen Dialog der Kulturen ein System kultureller Gefälligkeit zu definieren und so axiomatisch gegensätzliche a-priori-Annahmen zu vermischen, führt das aus einer gegenwärtigen oder früheren Katastrophe geradewegs wieder in Auseinandersetzungen, die in gegenseitiger Selbstzerstörung münden - etwa ausweglose Kriege wie den Krieg der USA im Irak heute.
Eine wichtige Tatsache ist damit also schon ziemlich klar: Die Anstrengungen für Reformen wie etwa kulturelle Vereinbarungen unter den heutigen Nationen werden mit Sicherheit völlig scheitern - so edel und leidenschaftlich die Motive auch sein mögen - , bis das Kranke des übergreifenden Systems der derzeit herrschenden "Fischglas-Mentalität", dem finanzoligarchischen imperialen System des anglo-holländischen Liberalismus, aus den Institutionen der Macht auf der Erde entfernt ist.
Diese heute herrschenden Mechanismen sind "genetisch" die Nachfahren der Mechanismen, aus denen der Erste Weltkrieg hervorging, der wiederum die faschistische Herrschaft in Kontinentaleuropa zwischen 1922 und 1945 nach sich zog. Heute sind es die beherrschenden Kräfte in der Welt des alten amerikanischen Oligarchen George Shultz und seiner Geschöpfe Condoleezza Rice, Dick Cheney, Arnold Schwarzenegger sowie dem alten Räuber Pinochet. Kein Kulturabkommen unter den Mäusen unterschiedlicher Couleur wird von Dauer sein, solange die anglo-holländische finanzoligarchische Katze frei herumläuft. Wir müssen dieser großen, menschenfressenden Katze nicht nur eine Schelle umhängen, zuerst müssen wir sie in den Käfig sperren.
Die Befreiung dieses Planeten von der anglo-holländischen liberalen Tradition, die früher auch die Regime von Benito Mussolini, Adolf Hitler und Francisco Franco hervorbrachte, ist die unverzichtbare Vorbedingung dafür, heute die Zivilisation zu bewahren. Aber es gibt noch viel mehr, was ins Reine gebracht werden muß. Mussolini und Hitler loszuwerden, war notwendig; aber den ekligen Müll heraustragen heißt noch lange keine schmackhafte Mahlzeit produzieren. Wir müssen an der Stelle der kranken Welt von heute ein neues Gebäude errichten. Also fragen wir: Nach welchen Grundsätzen sollte man dann ein ökumenisches System der Zusammenarbeit unter souveränen Nationen gestalten, das alle Phasen der Planung und des Aufbaus auf der Erde im Laufe von zwei Generationen ab jetzt angemessen behandelt?
Das Gute ist niemals nur die Negation des Schlechten. Das Gute ist das Erhabene, das aus seiner eigenen positiven Natur heraus außerhalb der Grenzen vorhandener Verhaltensgewohnheiten wirkt und da aufbaut, wo das Herkömmliche aufgrund seiner innewohnenden Mängel zerstört. Eine gute dramatische Behandlung eines Gegenstandes wie Adolf Hitler beschreibt die Menschen nicht als gut, wenn es nur zeigt, wie böse Hitler war. Sich in den schmutzigen Einzelheiten eines schrecklichen Verbrechens zu suhlen - wie etwa die Absicht hinter Allen Dulles' proexistentialistischem CCF ein großes Verbrechen war - veredelt den Betrachter eines Theaterstücks nicht, sondern wird auf das Publikum und die Schauspieler eher eine verderbliche Wirkung haben, so wie ein Stück von Bertolt Brecht. Man behandelt das Böse Hitlers durch Liebe zu dem Guten, das er vernichtete - nicht nur das Gute in seinen Opfern, sondern auch das verdorbene Gute in Deutschen und anderen, die von Hitler und dem System seiner synarchistischen Herren für ihre Unternehmungen mißbraucht wurden.
Die Welt braucht dringend ein Bild, das dem dient, was die Befürworter des Dialogs der Kulturen fördern möchten. Aber wir müssen richtig daran herangehen. Der Wunsch nach etwas Besserem darf uns nicht zu romantischen Träumen und Wunschdenken verlocken, die schon so oft genau das Gegenteil von dem bewirkten, was man sich davon erhofft hatte.
Wernadskijs Noosphärenbegriff definiert einen erhabenen empirisch-gedanklichen Bezugspunkt, einen Bezugsrahmen, der alle ernsthaft zu behandelnden Fragen - auch die Unterschiede zwischen den Kulturen - quasi axiomatisch einschließt. Wie wird die Noosphäre in zwei Generationen aussehen? Wie soll das zustande kommen? Welche Herangehensweise ist der beste Weg, im Laufe der kommenden beiden Generationen oder mehr sowohl die Erfordernisse nationaler und persönlicher Souveränität zu erfüllen als auch dringend notwendige Verbesserungen der Eigenschaften und Qualität der Noosphäre zu schaffen?
Anmerkungen
1. Samuel P. Huntington, Der Soldat und der Staat (The Soldier and the State, 1957), Kampf der Kulturen (The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order, 1996).
2. Mit seinen gegenwärtigen Machenschaften, beispielsweise aus dem Nordkaukasus heraus in die Ukraine, behält Brzezinski die Rolle, die er als Nationaler Sicherheitsberater der Regierung Carter spielte, als er den Krieg gegen den, wie er es nannte, "weichen Unterleib" der Sowjetunion in Afghanistan in Gang setzte. Diese Operation und der stark vermehrte internationale Rauschgifthandel, der als Teil ihrer logistischen Basis entstand, geht heute weiter mit dem Versuch, die Ukraine und Rußland durch Terroroperationen aus dem Nordkaukasus zu zerstören. Man könnte Brzezinski einen Wahnsinnigen nennen, aber Wahnsinn mindert nicht die Bedrohung der Zivilisation durch solche durch und durch verrückten römischen Kaiser wie Caligula oder Nero.
3. Man sollte nicht vergessen, daß die Konföderierten Staaten von Amerika durch eine Unternehmung von Jeremy Bentham vom britischen Außenamt und seinem wichtigsten Schützling Lord Palmerston entstanden. Den Kern der entstehenden Konföderation bildete das Junge Amerika, eine Unterabteilung des Jungen Europa von Palmerstons Spion Giuseppe Mazzini. Der spätere Präsident Theodore Roosevelt erhielt seine Ausbildung bei seinem Onkel, dem Leiter des Nachrichtendienstes der Konföderation, dessen Hauptsitz in London war, und Präsident Woodrow Wilson, ein Anhänger des britischen Liberalismus, war ein in der Wolle gefärbter Befürworter des Ku-Klux-Klans, welcher während seiner Amtszeit mit seiner tatkräftigen Unterstützung wiederbelebt wurde. Die Nashville-Agrarier, zu deren Führung der Harvard-Professor Elliot gehörte, wurden in den 20er Jahren im wesentlichen von einem Kreis von Enkeln der Väter des ursprünglichen Ku-Klux-Klans gegründet.
4. Rede von Außenministerin Madeleine Albright vor dem Institute of International Education in New York City, 14. Oktober 1999. Siehe H.G. Wells Die offene Verschwörung (1928). Abraham Lincolns Sieg veranlaßte die Briten, ihre frühere Absichten eines direkten militärischen Angriffs auf das US-amerikanische Festland aufzugeben - einmal abgesehen von dem britisch-japanischen Plan aus den frühen 20er Jahren für einen japanischen Angriff auf Pearl Harbor - und sich stattdessen auf Unterwanderung der Art zu verlegen, wie sie die Lehren von Bertrand Russell, H.G. Wells oder Professor Elliot verkörpern.
5. Dafür stehen auch Lynne Cheneys Verbindungen zum britischen liberalen Imperialismus; sie erinnert an Mary Wollstonecraft Shelley, weil sie ihrerseits ihr kaugummikauendes Frankensteinmonster, ihren fanatisch imperialistischen und neokonservativen Golem, Vizepräsident Dick Cheney, sozusagen aus dem Schlamm eines Fußballfeldes erschuf.
6. Siehe The Children of Satan, LaRouchePAC, 2004 (deutsche Übersetzung: Die Wiederkehr der Barbarei, Wiesbaden 2004, ISDN 3-925725-49-0). Die Ähnlichkeiten der Gallikanischen Kirche des Kaisers Napoleon Bonaparte zu der des "Sonnenkönigs" Ludwig XIV. sind Bestandteil eines bis heute immer wiederkehrenden romantischen, gewissermaßen "Fronde-artigen" verderblichen Zuges in der französischen Kultur.
7. Siehe Nikolaus von Kues, De pace fidei. Die Agape, von der Sokrates in Platons Staat spricht, ist dieselbe Agape wie die des christlichen Apostels Paulus in seinem Brief an die Korinther (1. Korinther 13) und wie die des Verfassungsprinzips des Leibnizschen "Strebens nach Glück" in der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung sowie der Präambel der Verfassung der USA von 1787-89.
8. De pace fidei von Nikolaus von Kues steht in Einklang mit seinem europaweiten Eintreten für Ozeanfahrten über den Atlantik und in den Indischen Ozean. Das Werk des Cusaners und seiner unmittelbaren Mitarbeiter regte Christopher Kolumbus zu seinem Plan zur Wiederentdeckung Amerikas an. U.a. deswegen haßt ihn die venezianische Oligarchie bis zum heutigen Tag, wie die Schriften des Francesco Zorzi, des venezianischen Eheberaters Heinrichs VIII., belegen.
9. Das klassische Beispiel für das Gleichsetzen von "Demokratie" mit "Sophisterei" ist der Fall der selbsternannten Demokratischen Partei in Athen, die den Justizmord an Sokrates verübte - ein Mord im Namen der Verteidigung der "fundamentalistischen" religiösen Überzeugungen jenes Ortes zu jener Zeit.
10. Siehe The Children of Satan, a.a.O.
11. Das Teuflische der Tradition des existentialistischen Irrationalismus der Frankfurter Schule und Brechts gelangte in Allen Dulles' Kongreß für kulturelle Freiheit (CCF) über die Politik von T.W. Adorno u.a. in Die autoritäre Persönlichkeit (New York: Harper, 1959).
12. Beurteilt man die Entwicklung seit 1989, so läßt sich leicht nachweisen, daß die Rechtfertigungsversuche des Existentialismus über die Netzwerke um den Kongreß für kulturelle Freiheit (CCF) der nachsowjetischen Weltzivilisation von heute mehr moralischen und materiellen Schaden zugefügt haben als der sowjetische Marxismus. Der schlimmste kulturelle Einfluß unter dem Kommunismus waren solche Ideologien wie die der ehemaligen Marxisten im CCF, die als intellektuelle Wühlmäuse die Propagandakampagnen des CCF steuerten. Die schlimmsten marxistischen Philosophen folgten Engels' britischer Lehre, der Mensch sei "objektiv" wie ein Affe - ohne Erkenntnis. Die Existentialisten des CCF hingegen, die wie Adorno und Arendt die Wahrheit haßten, waren noch schlimmer: Sie negierten die Erkenntnis nicht, sondern vergewaltigten sie und brachten sie um.
13. Es gibt nur ziemlich wenige Bürger der Vereinigten Staaten - solange es nicht erwiesene Verrückte in spinnerten religiösen Sekten in der Tradition eines Jonathan Edwards, der Nashville-Agrarier oder eines Torquemada sind - , die Präsident George W. Bush als Mensch mögen; aber seit dem 11. September und dem Patriot-Gesetz gibt es viele verängstigte und feige moralische Schwächlinge, die Angst haben, jemand könnte sie erwischen, daß sie ihm nicht huldigen, ähnlich wie jene Deutschen, die Hitler zwar verachteten, ihn aber trotzdem unterstützten, nachdem die Ereignisse 1933 und 1934 sie in Angst und Schrecken versetzt hatten. Das ist das Thrasymachos-Prinzip, dem Leo Strauss und seine neokonservativen Anhänger huldigten - eben das Prinzip, das Platon in seinem Staat entlarvte.
14. Siehe Aischylos, Der gefesselte Prometheus. "Olympisch" bezieht sich darauf, daß der grausame Zeus in Aischylos' Prometheus-Trilogie den Menschen die Kenntnis der Naturgesetze verbieten will.
15. Es war zwar die Geld- und Wirtschaftspolitik unter der Doktrin der "kontrollierten Auflösung der Wirtschaft" der Trilateralen Kommission aus den 70er Jahren, die als grundlegende Veränderung der Währungs- und Finanzpolitik die heutige Weltdepression auslöste, aber erst die systematische Zerstörung der Politik der Kapitalbildung durch wirtschaftliche Anwendung wissenschaftlichen und technischen Fortschritts unter dem Einfluß des "Umwelt"-Kults verlieh der jetzigen Weltwährungs- und Finanzkrise die Attribute einer drohenden allgemeinen Zusammenbruchskrise des gegenwärtigen Weltsystems. Die Natur hat laut und deutlich kundgetan, daß sie den Umweltkult nicht sanftmütig hinnehmen wird.
16. Über den Synarchismus siehe The Children of Satan, a.a.O., passim.
17. Zum Verständnis der Balkankriege, die bald auf den ersten Irakkrieg folgten, siehe die Bemerkungen über US-Außenministerin Madeleine Albright.
18. Entgegen allen populären Ammenmärchen der Diplomatie bis zum heutigen Tage: Nach dem Scheitern der Absichten Lord Palmerstons mit dem Sieg der USA über die Konföderierten stand fest, daß die Vereinigten Staaten eine Dynamik entwickelt hatten, die neue mittelbare oder unmittelbare britische Angriffe auf diese Republik unmöglich machten. Deshalb wurden neue britische imperiale Strategien ersonnen; beispielhaft dafür ist die schrittweise Entstehung des liberalen Imperialismus der Fabianer, wie ihn heute die Regierung Tony Blair verkörpert. Der von Palmerston ausgebildete "Herr der Inseln", der spätere Edward VII., ging zu den Ursprüngen britischer Imperialmacht zurück: der Anzettelung des Siebenjährigen Krieges, der zu dem britischen imperialen Triumph am 10. Februar 1763 führte. Das Ergebnis, das Vermächtnis Edwards VII. an seine Nachwelt, nannte man den Ersten Weltkrieg, woraus dann in veränderter Form der Zweite Weltkrieg und später der "Kalte Krieg" von 1946-89 wurde.
19. "Nicht durch die Schuld der Sterne, lieber Brutus, durch eigne Schuld nur sind wir Schwächlinge." Wer diesen Satz nicht versteht, so wie Shakespeare ihn gemeint hat, hat noch nichts Wesentliches über Politik, Geschichte oder die geistige Natur des Menschen verstanden.
20. Siehe Hamlets Monolog im 3. Akt.
21. Das war die Grundlage für meine prophetische Warnung im Februar 1983 gegenüber dem sowjetischen Vertreter bei den Sondierungsgesprächen, die ich 1982-83 im Auftrag des amerikanischen Präsidenten R. Reagan führte. Ich sollte der sowjetischen Regierung den Vorschlag erläutern, den ich Präsident Reagan gemacht hatte - eben den Vorschlag, den der Präsident selbst wenige Wochen später, am 23. März 1983, öffentlich unterbreitete. Ich faßte die Entscheidung zwischen diesem Plan und der entgegengesetzten Doktrin der Sowjetregierung folgendermaßen zusammen: "Sollte die Regierung der Sowjetunion das Angebot, falls mein Präsident es unterbreitet, zurückweisen, dann würde die sowjetische Wirtschaft in etwa fünf Jahren zusammenbrechen." Am 23. März 1983 unterbreitete Präsident Reagan öffentlich das Angebot, doch der sowjetische Generalsekretär Andropow wies es umgehend zurück, und etwa sechs Jahre später begann das sowjetische System sichtlich auseinanderzufallen. Es war meine Einsicht in die wirtschaftlich selbstmörderischen Folgen des sowjetischen Antivoluntarismus in den nichtmilitärischen Bereichen der Wirtschaft, die mich in die Lage versetzt hatte, diese prophetische Einsicht in die heutige russische Geschichte zu gewinnen.
22. "Nazi-Freund" ist keine Übertreibung. Die Brüder Dulles waren Teil des internationalen Apparates der Finanzoligarchie, der die faschistische Entwicklung in der Zeit nach Versailles geschaffen hatte, und gehörten zu der internationalen Fraktion, die Hitler 1933 an die Macht brachte. Hitlers Entscheidung Mitte der 30er Jahre, erst im Westen anzugreifen, bewog Frankreich und England, die USA ins Spiel zu bringen. Unter diesen Bedingungen wechselten viele in den USA und in Großbritannien, die vorher zu Hitlers Unterstützern gezählt hatten, vorübergehend auf die andere Seite. Aber noch mitten im Kampf zum Sieg über Hitler holten Leute wie Allen Dulles wesentliche Teile des Nazi-Apparats in das Umfeld der späteren NATO und in die Putsch- und Mordmaschinerie etwa des Pinochet-Regimes und der mit diesem verbundenen massenmörderischen Operation Condor in Mittel- und Südamerika. Der CCF war ein integraler Bestandteil dieser heimlichen "Renazifizierung".
23. Dazu zählte ein massiver bewaffneter Einsatz in der Nacht vom 6. zum 7. Oktober 1986 mit dem Ziel, mich zu töten. Damit sollten die Gespräche über die SDI bei dem kurz bevorstehenden Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Ronald Reagan und dem sowjetischen Generalsekretär Gorbatschow in Reykjavik verhindert werden.
24. Die Gepflogenheiten der Zeit von 1901-1932 verkörperten insbesondere die Regierungen unter den Präsidenten Theodore Roosevelt, Woodrow Wilson, Calvin Coolidge und Herbert Hoover.
25. Dies zeigt sich u.a. in der gnostischen Lehre vom ewigen Bösen, wie sie auch protestantische Sekten wie die des Großvaters des Verräters Aaron Burr, Jonathan Edwards in Nordamerika immer vertreten. Tatsächlich ist der Mensch nicht von Natur aus böse, sondern wird böse, wenn er seine eigene Natur verleugnet, und die besteht darin, sich als Geschöpf, das der Liebe seines Schöpfers würdig ist, zu entwickeln - ein Geschöpf von Agape, wie es Platons Sokrates z.B. im Staat oder Paulus im 1. Korintherbrief 13 beschreiben. Diejenigen, den Philos und ähnliche Vorstellungen eines Schöpfergottes im Universum ablehnen, nehmen sich theologisch das Recht heraus, dem Schöpfer anzutun, was Zeus in Aischylos' Trilogie Prometheus antut. Die gnostische Lehre von einem nach der Schöpfung "gezähmten" Gott in einem von Satan beherrschten Universum ist immer auch ein Deismus des Satanismus - so wie der Kult des Bernard Mandeville in Friedrich von Hayeks und Milton Friedmans Mont-Pèlerin-Gesellschaft oder des Großinquisitors in Dostojewskis Novelle.
26. In der Geschichte der neuzeitlichen Wissenschaft bildet diese Vorstellung, die Zukunft zu erfahren, die Besonderheit der herausragenden Errungenschaften von Kepler und Gauß in der Astrophysik sowie der allgemeinen Prinzipien der Relativität, die in Bernhard Riemanns Werk gründen. Diese Vorstellung universeller wissenschaftlicher Prinzipien als Ausdruck einer in die Zukunft wirkenden Kraft war bereits in dem Kraftbegriff der Pythagoräer und Platons enthalten. Gauß' Entdeckung der Umlaufbahnen der Asteroiden - die Keplers Annahme bestätigte, daß es einmal einen Planeten zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter gegeben haben muß, der später explodierte - ist ein bemerkenswertes Beispiel dafür, die Zukunft schon in der Gegenwart zu erfahren, und zwar nicht nur intellektuell, sondern real. Diese Vorstellung erscheint dem heutigen Durchschnittsleser paradox, weil sie den krankhaften Vorschriften eines philosophischen Reduktionismus, wie etwa des Empirismus, grundsätzlich widerspricht.
27. Die Lehre vom "Freihandel", die Lord Shelburnes Anhänger Adam Smith 1776 in seiner Polemik gegen die Amerikanische Revolution Der Reichtum der Nationen darlegte, war im wesentlichen bei den führenden französischen Physiokraten Dr. François Quesnay und Turgot, zwei zweifelhaften Autoritäten, abgeschrieben. Obwohl Quesnays mystische Lehre vom Laissez-faire Smiths wichtigste Quelle war, wurde sein Plagiat in England vor allem deswegen anerkannt, weil ihm Bernard Mandevilles Bienenfabel vorangegangen war: Den merkwürdigen gnostischen Eingebungen Mandevilles zufolge kam öffentliches Wohl für die Gesellschaft durch private Laster zustande. Smith selbst verteidigte solche spezifisch gnostisch-unfruchtbaren Wahnvorstellungen 1759 in seiner Theorie der moralischen Empfindungen mit derselben Begeisterung für schiere Irrationalität, die den merkwürdigen Sexualpraktiken der Katharer (denen wir das Wort "Kondom" verdanken) die weltanschauliche Grundlage lieferte. Professor Milton Friedman bietet in seiner Fassung desselben Unfugs nicht einmal mehr solchen exotischen Ersatz für Rationalität. Er argumentiert nur, wie Frau Joan Robinson aus Cambridge darlegte, wie ein tölpelhafter Schüler, der den Lehrstoff in sein Schulheft abschreibt: post hoc ergo propter hoc. 28. Einige Entscheidungen sind bahnbrechend, weil sie die besondere Eigenschaft haben, die herrschende Kultur zu verändern. Sonst ist es immer das Muster der Entscheidungen und nicht eine oder mehrere einzelne Entscheidungen, welches den absehbaren Weg einer Nation bestimmt.
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