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Neue Solidarität
Nr. 49, 7. Dezember 2011

„Kare Inglise“

Die mörderische „unsichtbare” Hand des Britischen Imperiums

Von Bijan Bahadorvand Shehni

Ein Redebeitrag, der beim Berliner Seminar des Schiller-Instituts am 19. November verlesen wurde, kam von dem früheren iranischen Diplomaten Bijan Bahadorvand Sheni und befaßte sich mit der Rolle des Britischen Empire in der Geschichte des Iran.

Es gibt ein sehr berühmtes Sprichwort, das unter den Iranern allgemein verbreitet ist, welches sagt: „Die Hand von England“ oder, wie wir es auf persisch sagen, „kare inglise”, steckt hinter allem, was in der Politik und in Regierungsangelegenheiten passiert. Die Strategie des „Teile und Herrsche” war schon immer das Leitbild der Politik des Britischen Imperiums. Wann auch immer und wo auch immer es unsinnige Konflikte and blutige Kämpfe gab - seien es religiöse, ethnische Konflikte oder Zusammenstöße regionaler Art -, dann und genau dort kann man hinter all dem die manipulierende Hand des Britischen Imperiums entdecken.

In den Augen der allgemeinen Bevölkerung hatte die korrumpierende Kontrolle und der entscheidende Einfluß von Großbritannien keine Grenzen, noch nicht mal die religiösen Führer zeigten sich immun und widerstandsfähig gegenüber diesem bestechenden Einfluß. In der Tat konnte bis zum Triumph der Islamischen Revolution in Februar 1979 kein anderes politisches Motto dem Umfang und dem Ausmaß dieser Klischees oder Glauben quer durch den Iran gleichkommen.

Während des 19. Jahrhunderts und sogar bis 1924, als die Kadscharen-Dynastie an der Macht war, war der Iran keine unabhängige Nation, er war durch und durch kontrolliert von Großbritannien und diente zur Verteidigung Indiens, des Kronjuwels unter den Kolonien des Britischen Imperiums - ein Aspekt, der von Lord Curzon ausgearbeitet wurde, dem berühmten Generalgouverneur und Vizekönig von Indien (1899-1904). Demnach hat Großbritannien tatsächlich die iranischen Angelegenheiten kontrolliert und überwacht, nämlich durch seine Vizekönige in Indien, und alle britischen Bürger und Beamte im Iran erstatteten zuerst dem Vizekönig in Indien Bericht, und nicht dem Kolonialministerium in London.

Der Sturz der Kadscharen-Dynastie und der Aufstieg von Reza Schah Pahlavi im Jahre 1924 haben dieses Bild des Britischen Imperiums nicht verändert. Reza Pahlavi, der Vater des letzten Königs, Mohammad Reza, hatte zuerst 1921 einen Putsch durchgeführt, der vollkommen von britischen Agenten gesteuert und gefördert wurde, wobei Colonel Ironside1 von der britisch-kaukasischen Front eine zentrale Rolle spielte. Im Jahre 1924 stürzte dann die Dynastie der Kadscharen, und Reza Pahlavi wurde der neue König, der eine neue Pahlavi-Dynastie schuf - all dies jedoch nur durch die Manipulation und Machenschaften der britischen und anglophilen Kreise in den sogenannten Parlamenten und Kabinetten, insbesondere durch den damaligen Premierminister Foroughi, der ein frühzeitiger Vertreter des britischen Liberalismus war.

Reza Schah baute unter Führung der Briten eine extreme Diktatur auf, die alle Gegner unterdrückte und alle Überreste der Verfassung des 20. Jahrhunderts zerstörte, die eigentlich eine konstitutionelle Monarchie geschaffen hatte und Hoffnung brachte, den Willen des Königs, der traditionell als der Schatten Gottes, auf persisch „selola”, bekannt war, durch die Herrschaft des Rechts zu ersetzen.

Die Bohrung der Ölquelle im Jahre 1905 in Masjid Sulaiman im Süden des Iran als die erste Ölquelle, die im Nahen Osten gefunden wurde, und das anschließende Auftreten von British Petroleum in den iranischen Angelegenheiten erhöhte und vertiefte die Macht des Imperiums über den Iran. BP, damals noch Anglo-Persian Oil Company, wurde zur wirklich regierenden Macht, vor allem in allen ölproduzierenden Regionen im Süden des Iran. Der Vertrag von 1907 zwischen dem Britischen Imperium und dem russischen Zaren, das Territorium in zwei Einflußzonen aufzuteilen (die nördliche russisch und die südliche britisch), half den Briten, ihren Beute zu konsolidieren.

Jüngste Forschungen, hauptsächlich basierend auf nichtbritischen Dokumenten oder Quellen, z.B. vom amerikanischen Nationalarchiv NARA (National Archives and Records Administration) zeigen, daß sogar der Einfluß des russischen Zaren im Iran während der letzten Jahrzehnte des 19. und auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts in allerlei Hinsicht von der umfassenden und überweiten Reichweite der Klauen des Empire überschattet und überschritten wurde. Verkörpert wurde es durch die Textilunternehmen von den Bankerinteressen des Zaren im Norden Irans und die Finanzinteressen des Imperiums im Süden Irans.

Ganz im Sinn eines britischen Sprichworts - oder im Englischen, von „british“ nicht weit entfernt, „brutish“, also bestialisch, brutal -, daß ein Dieb nie seinen Namen und seine Adresse hinterläßt, so agiert auch die offizielle britische Historiographie. Die offiziellen Dokumente und Papiere, die von früheren Kolonialbeamten oder von diplomatischen Gremien hinterlassen wurden, tendieren typischerweise entweder zur Verwirrung, zur Verheimlichung wichtiger Punkte oder zur Verzerrung der eigentlichen wahren Intention und Vision des Forschers, sowie auch zu regelrechter Manipulation.

Zum Beispiel ist das Bild, das von der iranischen Politik in den Dokumenten amerikanischer Diplomaten in Teheran aus dem 20. Jh. gezeichnet wird, erheblich anders und widerspricht teils völlig der Version der Briten.

Die britische Version spricht z.B. von Reza Schah als dem Gründer des modernen Irans, der versucht habe, die Basis für Fortschritt einzuleiten, und er wird keineswegs als korrupt dargestellt. Aber die amerikanischen Dokumente präsentieren eine gegenteilige Sicht, einen Mann am Rande des Wahnsinns, sehr korrupt in finanziellen Angelegenheiten. Im Jahr 1914, d.h. nach 16 Jahren seiner Königsherrschaft, hatte er 200 Mio. Dollar in ausländischen Banken deponiert und 15 Mio. in iranischen Banken. Man muß dabei bedenken, daß im Jahre 1925 das ganze Nationalbudget 20 Mio. Dollar betrug! Dr. Mossadegh hatte recht, wenn er Reza Schah vorwarf, daß er durch den Verkauf des Öls an BP fast das ganze Einkommen des Landes in seinem Bankkonto gesammelt hatte.

Ein weiteres Beispiel der Verschleierung der Wahrheit durch das britische Imperium ist ein Dokument, das über eine großflächige Hungersnot und die Verbreitung epidemischer Krankheiten in Iran berichtet, was 1917-19 bis zu neun Millionen Menschen das Leben kostete, was der größte Genozid im 20. Jh. war! Man muß hierzu bemerken, daß zu dieser Zeit der Iran der Hauptanbieter von Getreide für die britischen Stützpunkte in den südasiatischen Kolonien war. Prof. Gholi Majd von der Princeton-Universität schreibt in seinen Buch The Great Famine and Genocide in Persia, daß amerikanische Dokumente zeigen, wie die Briten den Import von Weizen und anderem Getreide in den Iran aus Mesopotamiem, Asien und auch den USA verhinderten, und daß die mit Weizen beladenen Schiffe nicht am Hafen von Busher am Persischen Golf ausladen durften. Prof. Majd sagt konkret, daß Großbritannien Genozid durchführte, um den Iran zu zerstören und um das Land effektiv für die eigenen Ziele zu kontrollieren.

Man erinnere sich in diesem Zusammenhang an die alte und traurige Geschichte der Hungersnot in Bengalen in Indien im Jahre 1870.

Als dann Mossadegh taktvoll von der temporären vorteilhaften Atmosphäre im Iran und um den Iran Nutzen ziehen konnte und schließlich die Ölfirmen im Jahre 1951 verstaatlichte, hoffte er, daß die republikanischen Ströme im Westen, speziell die von Roosevelts USA, zu der gerechten Entwicklung Irans und dessen Souveränität beitragen würden, doch leider erlag die Truman-Administration, verkörpert von den Dulles-Brüdern und Averell Harriman, dem Druck des Imperiums. Mossadegh wurde gestürzt durch einen Coup, ausgetragen vom Intelligence Service und der CIA.

Unzufrieden über den quälend langsamen Fortschritt, schikaniert durch den Schah und seine politische Tyrannei, schließt sich das iranische Volk, tief verletzt durch die Handlungen des britischen Imperiums, der islamischen Revolution an, mit der Hoffnung, durch seine Bemühung und seinen souveränen Willen Fortschritt zu erlangen und Demokratie zu erringen, ähnlich wie es in Indien, China, Afrika und anderen Ländern geschehen war.

In diesem Augenblick tritt das britische Imperium hervor und gibt schamlos öffentlich sein wahres Vorhaben bekannt: Genozid oder dasselbe, genannt die Reduzierung der Weltbevölkerung. Es ergreift jedes Instrument oder jeden Vorwand, der ihm gelegen kommt, doch Völkermord ist das Hauptziel, alles andere ist ein Vorwand oder das berühmte doublespeak (Doppelzüngigkeit).

Vielleicht sind Iraner traditionell und historisch besser in der Lage, die Impulse des Britischen Empire zu spüren und seine Gedanken zu lesen.

Solange diese Kreatur lebt, ist jede Form von Schaden und Zerstörung möglich. Sie kennt keine Grenzen; viele Europäer und Amerikaner mögen es vielleicht nicht sofort verstehen, daß auch Hitler ein Produkt des Imperiums war, „made in England”. Aber die tief verwundeten Inder, Chinesen, Iraner, Afrikaner und viele andere wissen und glauben, daß England hinter allem steckt - so wie wir es sagen, „kare inglise”.

Lassen Sie uns einen Schritt nach vorne tun und diesen Golem aufhalten, der Kriege produziert und ein Geschäft aus Kriegen macht.


Anmerkung

1. Der spätere britische Feldmarschall Edmund Ironside.