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Neue Solidarität
Nr. 12, 20. März 2013

USA streben nach Erstschlagsfähigkeit

Von Carl Osgood und Rachel Douglas

Amerikanische und russische Experten warnen, die Raketenabwehr der USA ziele darauf ab, Rußlands Interkontinentalraketen auszuschalten.

Am 1. März veröffentlichte das Strategic Studies Quarterly, eine Publikation der Universität der US-Luftwaffe, einen Artikel, der bestätigt, wovor Lyndon LaRouche, die Neue Solidarität und führende Vertreter Rußlands schon seit langem warnen: daß die strategische Politik der USA unter der Regierung Obama darauf ausgerichtet ist, sich die Fähigkeit zu einem Enthauptungsschlag gegen Rußland und/oder China zu verschaffen, bei dem sie keinen Vergeltungsschlag mehr befürchten müßte - und daß diese Haltung einen Atomkrieg deutlich wahrscheinlicher macht.

Die Autoren, Keir A. Lieber, Dozent für Außenpolitik an der Georgetown-Universität (Edmund A. Walsh School of Foreign Service) und Daryl G. Press, Dozent für Regierungswesen an der Universität Dartmouth, warnen schon seit 2006 vor dieser Gefahr. Aber jetzt wurde erstmals einer ihrer Artikel in einer Publikation des US-Militärs veröffentlicht - vielleicht ein stillschweigendes Eingeständnis, daß ihre Argumente berechtigt sind und berücksichtigt werden müssen.

Kurz zuvor war auch in Rußland ein Bericht zu diesem Thema erschienen. Die Autoren kommen vom Isborsk-Klub, einer Vereinigung führender russischer Intellektueller, die sich als „patriotisch und anti-liberal“ bezeichnen. Auch sie warnen vor der zunehmenden Gefahr eines Enthauptungsschlages gegen die russischen Abschreckungswaffen und legen dar, mit welchen militärischen Schritten Rußland sich davor schützen muß.

Seit Barack Obama ins Weiße Haus aufgestiegen ist, hat er den von Bush und Cheney eingeschlagenen Kurs der strategischen Konfrontation mit Rußland weiterverfolgt und ausgeweitet, insbesondere im Zusammenhang mit Syrien und dem Iran. Die amerikanische Politik in Syrien zielt auf einen Regimewechsel - etwas, was Rußland strikt ablehnt. Gleichzeitig betreiben die USA eine Politik der Einkreisung Rußlands durch Raketenabwehrsysteme (ABM) mit Standorten in Polen und Rumänien, verbunden mit dem Plan, als Teil der Raketenabwehr vier Zerstörer der Ägis-Klasse im spanischen Rota zu stationieren.

Am 3. Mai 2012 erklärte der damalige Generalstabschef der Russischen Streitkräfte, General Nikolai Makarow, weitere Fortschritte bei der Indienststellung der ABM-Systeme durch die USA und die NATO in Europa würden Rußlands Sicherheit so sehr bedrohen, daß ein Präventivschlag gegen diese Einrichtungen notwendig werden könne. Der Ausbruch militärischer Kampfhandlungen zwischen den USA und Rußland würde einen Nuklearkrieg bedeuten. Makarow sagte vor einem Publikum, in dem auch Vertreter des US-Militärs saßen: „In Anbetracht der destabilisierenden Natur der ABM-Systeme, insbesondere der Schaffung der Illusion, einen Entwaffnungsschlag ohne Vergeltung führen zu können, wird in einer Zeit der Eskalation eine Entscheidung für den präventiven Einsatz der verfügbaren Offensivwaffen getroffen werden.“ (Hervorhebung hinzugefügt.)

Makarow weist also darauf hin, daß angeblich „defensive“ Waffen auch für einen Angriffskrieg benutzt werden können - in diesem Fall, um dem Westen einen präventiven Erstschlag zu ermöglichen, ohne einen Vergeltungsschlag befürchten zu müssen.

Nur zwei Wochen später räumte der frühere Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs der USA, General James Cartwright, bei einer Konferenz in Virginia ein: „Es besteht die Möglichkeit, daß man tatsächlich ein Szenario entwerfen könnte, unter dem wir wie ein Blitz aus heiterem Himmel einen Präventivschlag starten und dann die Raketenabwehr benutzen“, um die zur Vergeltung gestarteten verbliebenen Raketen Rußlands auszuschalten. „Wir werden da einen Ausweg finden müssen“, sagte er.

Wenn die angebliche Bedrohung durch den Iran, mit der die Raketenabwehr in Europa gerechtfertigt wird, so groß ist, warum will man dann bei dieser Raketenabwehr nicht mit Rußland zusammenarbeiten? Tatsächlich hat Rußland seit 2007 eine solche Zusammenarbeit immer wieder angeboten. Damals reiste Präsident Wladimir Putin nach Kennebunkport/Maine, um Präsident George W. Bush eine Zusammenarbeit mit den USA und der NATO in der Raketenabwehr vorzuschlagen. Bush hat diesen Vorschlag ebensowenig angenommen wie Obama.

Wenn die europäische Raketenabwehr der USA und der NATO sich nicht gegen Rußland richtet, dann müßten die USA das auch irgendwie garantieren können, so wie Rußland dies fordert. Doch die USA und die NATO lehnen das als angeblich „unnötig“ ab. Die Russen warnen immer wieder, daß die Pläne der USA und der NATO das strategische Gleichgewicht stören und das Risiko eines Krieges erhöhen, und sie treffen entsprechende militärische Vorbereitungen, machen jedoch selbst auch zahlreiche Vorschläge, wie man eine solche Konfrontation vermeiden könnte. Die Weigerung der amerikanischen Seite, die russischen Bedenken ernst zu nehmen, bereitet in Verbindung mit der Regimewechselpolitik gegenüber Syrien und dem Iran die Bühne für diese Konfrontation.

USA streben strategische Überlegenheit an

In dem Artikel „Die neue Ära von Kernwaffen, Abschreckung und Konflikt“ stellen Lieber und Press zwei Thesen auf: Erstens „steigt durch technische Innovationen drastisch die Fähigkeit von Staaten, ,Enthauptungsschläge’ zu führen - das sind Militärangriffe, die darauf abzielen, einen Gegner zu entwaffnen, indem man seine Kernwaffen zerstört“. Zweitens „wird es in den kommenden Jahrzehnten viel schwieriger werden, vom Einsatz von Kernwaffen in einem konventionellen Krieg abzuschrecken, als es die meisten Analysten glauben“.

Die Begründung für die erste These von Lieber und Press lautet: „Hochpräzise Trägersysteme, neue Aufklärungstechnologien und die Verkleinerung der Arsenale gegenüber dem Kalten Krieg haben konventionelle und nukleare Enthauptungsschläge viel leichter möglich gemacht als je zuvor.“ Während des Kalten Krieges hätten weder die USA noch die Sowjetunion einen entwaffnenden Erstschlag gegen die andere Seite führen können, weil beide Seiten so viele Waffen hatten und auf unterschiedlichen Wegen zum Einsatz bringen konnten, daß ein versuchter Enthauptungsschlag einen verheerenden Vergeltungsschlag nicht verhindert hätte. Das sei heute nicht mehr der Fall. Wegen der Reduzierung der nuklearen Arsenale auf beiden Seiten seien es jetzt weniger Ziele, die man treffen müsse, besonders in Rußland.

Lieber und Press haben 2006 einen hypothetischen Erstschlag der USA gegen Rußland durchgespielt. „Die gleichen Modelle, die während des Kalten Krieges verwendet wurden, um die Unvermeidlichkeit eines Patts - den Zustand der ,Gegenseitig zugesicherten Zerstörung’, kurz MAD - zu demonstrieren, ließen nun den Schluß zu, daß sogar das große russische Arsenal in einem Entwaffnungsschlag zerstört werden könnte.“

Die Autoren gehen noch weiter und behaupten, daß die USA heute bewußt eine Strategie der strategischen Überlegenheit gegenüber potentiellen Gegnern verfolgen: „...Washington versucht, sich die Fähigkeit zum Sieg über feindliche Nuklearstreitkräfte (sowie andere Massenvernichtungswaffen) zu verschaffen. Aber die Kernwaffen der USA sind nur eine Dimension dieser Bemühungen. Tatsächlich umfaßt der Versuch, feindliche strategische Kräfte zu neutralisieren - d.h. strategische Überlegenheit zu gewinnen -, fast alle Bereiche der Kriegsführung, beispielsweise die Abwehr ballistischer Raketen, Abwehr von U-Booten, Geheimdienste, Überwachungs- und Aufklärungssysteme, offensive Cyberkriegführung, konventionelle Präzisionsangriffe und Langstrecken-Präzisionsangriffe, zusätzlich zu den Nuklearschlags-Kapazitäten.“

Anstatt das Offensichtliche auszusprechen, daß die USA dabei sind, eine Erstschlagskapazität gegen jeden potentiellen Gegner aufzubauen, auch gegen Rußland und China, fragen sie: „Wie soll Abschreckung funktionieren, wenn der Einsatz von Kernwaffen nicht mehr automatisch auch Selbstmord und Massentötung bedeutet?“

Nicht minder beunruhigend ist der zweite Punkt, den Lieber und Press ansprechen. Das Risiko wächst, daß solche Waffen auch zum Einsatz kommen, wenn die Vereinigten Staaten in einen Konflikt mit einer anderen Atommacht hineingezogen werden. Sie widerlegen das Gegenargument, daß niemand, der bei Sinnen ist, einen Atomkrieg gegen die USA beginnen würde. In Friedenszeiten sei das sicherlich richtig, aber wenn ein Regime bereits von den Vereinigten Staaten angegriffen werde, könne es sein, daß es als letztes Mittel für seinen Machterhalt auf eine Eskalation der Gewalt setzt. „Führer schwächerer Staaten - diejenigen, die sich in einem konventionellen Schlachtfeld wahrscheinlich nicht durchsetzen könnten - stehen unter dem Überlebensdruck, ein Patt zu erzwingen. Und Kernwaffen sind ein besseres Mittel der Gewalt-Eskalation als praktisch jedes andere.“

Das ist gar nicht weit hergeholt. Tatsächlich war dies lange die Strategie der NATO im Kalten Krieg. Es war Pakistans Strategie gegenüber Indien, und es dient heute Israel als Sicherheit, falls seine konventionellen Truppen eine katastrophale Niederlage erleiden sollten. Die Autoren schreiben: „Diejenigen, die während des Kalten Krieges schwach waren, sind heute stark, und eine weitere Reihe von militärisch schwachen Ländern - wie etwa Nordkorea, Iran, Pakistan und sogar China und Rußland - klammern sich jetzt an Kernwaffen oder streben danach, um sich gegen eine übermächtige militärische Macht zu verteidigen, so wie es einst die NATO getan hat.“

Die strategischen Nuklearstreitkräfte der USA und Rußlands

In Rußland ist man sich der strategischen Absicht und der Schwierigkeiten, ihr zu begegnen, nur allzu bewußt. Rußlands Nuklearstreitkräfte verfielen nach dem Ende des Kalten Krieges zunehmend. Am 1. September 2012, als die USA und Rußland zuletzt nach dem neuen START-Abkommen entsprechende Daten austauschten, verfügte Rußland über 1499 einsetzbare nukleare Sprengköpfe und 491 Trägersysteme, womit es bereits unter der im Vertrag festgelegten Grenze von 1550 Sprengköpfen liegt. Die USA ihrerseits meldeten 1722 Sprengköpfe und 806 Trägersysteme. Die meisten der russischen Sprengköpfe, nämlich 1092, sind den 334 Interkontinentalraketen verschiedenen Typs zugeordnet, die abgesehen von 36 mobilen Startrampen alle in Silos stationiert sind.

Das wichtigste Element der amerikanischen strategischen Streitkräfte sind die mit Nuklearraketen bewaffneten U-Boote der Ohio-Klasse, von denen 14 in Dienst stehen und dem Vernehmen nach immer mindestens vier die Weltmeere durchstreifen, um die „Abschreckung“ aufrechtzuerhalten. Sie können bis zu 8 Sprengköpfe pro Rakete einsetzen, entweder von Typ W76 (100 kT) oder vom Typ W88 (475 kT). Nach Informationen der US-Marine, die EIR aufgrund einer Anfrage nach dem Gesetz über die Informationsfreiheit erhielt, führten die Trident-U-Boote der USA im Jahr 2009 im Atlantik und im Pazifik 38 solcher Patrouillen durch, 2010 waren es 33 und 2011 noch 28. Dazu muß man noch die britische Flotte von 4 U-Booten der Vanguard-Klasse hinzurechnen, von denen jeweils eines - mit 48 Sprengköpfen bewaffnet - auf Patrouillenfahrt ist.

Die 11 mit Atomraketen bewaffneten russischen U-Boote sind, soweit bekannt ist, nicht ständig auf den Weltmeeren präsent, aber Rußland ist dabei, sie durch den Bau von raketentragenden U-Booten der Borey-Klasse zu verstärken. Das erste von insgesamt 8 vorgesehenen wurde im Januar in Dienst gestellt.

Der Isborsk-Bericht

Ende Januar veröffentlichte der Isborsk-Klub, eine neue Gruppe russischer politischer Vordenker, einen Bericht mit dem Titel „Reform der Verteidigung als integraler Teil eines Sicherheitskonzepts für die Russische Föderation: eine systemische und dynamische Einschätzung“. Die Abschnitte des 85seitigen Papiers, die sich mit der Möglichkeit einer globalen thermonuklearen Konfrontation befassen, belegen, daß sich führende Kreise in Rußland über das, was Lieber und Press in ihrem Papier behandeln, sehr wohl im klaren sind: daß es einen Vorstoß der USA gibt, sich die Fähigkeit zum Enthauptungsschlag zu verschaffen - Rußland die Möglichkeit zu nehmen, nach einem nuklearen Angriff einen Vergeltungsschlag durchzuführen -, und daß dies einen thermonuklearen Krieg sehr viel wahrscheinlicher macht.

Der Isborsk-Klub wurde am 8. September 2012 gegründet - am 90. Geburtstag Lyndon LaRouches (was die Gruppe auch offiziell zur Kenntnis genommen hat) - und versammelt führende patriotische und antiliberale Analysten Rußlands sowie Persönlichkeiten, die dem Kreml nahestehen. Zu den Verfassern ihres neuen Berichtes gehören General a.D. Leonid Iwaschow (früherer Leiter der Abteilung für internationale Beziehungen im russischen Verteidigungsministerium), Akademiemitglied Sergej Glasjew, Alexander Prochanow und Alexander Nagorny von der Wochenzeitung Sawtra und der Historiker Andrej Fursow.

Das Dokument erschien inmitten großer Umbrüche im russischen Verteidigungsministerium. Gegen Anatoli Serdjukow, einen ehemaligen Möbelhändler und Steuereintreiber, der als Verteidigungsminister unter Präsident Dmitrij Medwedjew die Reform der Streitkräfte organisierte, laufen Ermittlungen eines Untersuchungsausschusses im Zusammenhang mit massiven Unterschlagungen in der Immobilienabteilung des Ministeriums, mit deren Leiterin Serdjukow offenbar ein Verhältnis hatte.

Am 27. Februar sprachen Präsident Putin und der von ihm neu ernannte Verteidigungsminister Sergej Schoigu vor einer Konferenz des erweiterten Rates des Verteidigungsministeriums über die Entwicklungen des letzten Jahres und den, wie es Putin formulierte, „schwierigen und manchmal schmerzhaften“ Modernisierungsprozeß des Militärs. In seiner Rede erklärte Putin: „Wir sehen methodische Versuche, das strategische Gleichgewicht auf verschiedenen Wegen und verschiedene Weise zu unterminieren. Die Vereinigten Staaten haben im wesentlichen die zweite Phase ihres globalen Raketenabwehrsystems eingeleitet.“ In diesem und mehreren anderen Abschnitten stimmten Putins Äußerungen mit den Einschätzungen und Empfehlungen des Isborsk-Klubs überein.

Wie LaRouche analysieren die Isborsk-Autoren die Gefahr eines thermonuklearen, vielleicht menschheitsvernichtenden Krieges nüchtern als Ergebnis der utopischen Politik, die im Westen vorherrscht. Sie schreiben:

„Washington eskaliert seine Bemühungen, eine überwältigende militärische und technologische Überlegenheit gegenüber Rußland zu erreichen, indem die Russische Föderation ihr strategisches Kernwaffenarsenal demontiert und dadurch ihre Fähigkeit zu nuklearen Vergeltungsschlägen und infolgedessen auch die strategische Parität mit den USA verliert. Washington verfolgt dieses Ziel durch diplomatische Bemühungen, um Rußland Abkommen über die strategische und konventionelle Abrüstung aufzuzwingen, die für die Vereinigten Staaten vorteilhaft sind...

Washingtons Linie in seiner Rußlandpolitik wird es in nächster Zukunft wahrscheinlich sein, Rußland in einen Plan für einen ,Neuen Neustart’ [der russisch-amerikanischen Beziehungen] hineinzuziehen und den NATO-Block zu benutzen, um (a) eine Annäherung Rußlands an China zu verhindern und (b) Rußlands Militärpotential so weit wie möglich zu schwächen. Diese Schwächung wird durch eine Reihe von Abrüstungsabkommen erreicht, die Rußlands strategisches Raketenpotential sowie seine taktischen Kernwaffen auf ein Minimum reduzieren - letztere besonders wichtig im Fall regionaler und lokaler Konflikte, etwa in Zentralasien und der Kaukasusregion...

In den kommenden Jahrzehnten wird jedoch eine wirkliche Gefahr eines massiven Schlags gegen Rußland mit Nuklearraketen ausschließlich von den USA und ihren Verbündeten ausgehen. Vorerst ist die Wahrscheinlichkeit eines solchen Krieges noch als sehr gering zu betrachten, solange Rußland seine strategischen Nuklearstreitkräfte und seine Abschreckungskapazitäten für einen Vergeltungsschlag mit seinen Nuklearraketen aufrecht erhält. Dies macht die Kernwaffen zur militärpolitischen ultima ratio und zum Gegenstand eines ständigen militär-technologischen Wettlaufs zwischen den Supermächten, in dem Versuch, diesen Machtfaktor auszuschalten. Gleichzeitig werden in Kriegen im regionalen oder lokalen Maßstab taktische Waffen immer wichtiger. Im letzten Jahrzehnt haben die USA und die NATO-Länder intensiv an der Entwicklung von Konzepten für einen nicht-nuklearen Entwaffnungsschlag gegen Rußlands Steuerungssysteme und seine strategischen Nuklearstreitkräfte gearbeitet. Ein solcher Enthauptungsschlag würde die Möglichkeit einer nuklearen Vergeltung Rußlands, die für die USA mit inakzeptablen Schäden verbunden wäre, ausschließen.“

In Hinsicht auf ein „großes Kriegsszenario“ heißt es in dem Bericht weiter:

Der Ausweg

Der Lieber-Press-Artikel hat offenbar nur eine große Schwäche - nämlich in Bezug auf die Frage, wie die USA aus der strategischen Falle, in die sie sich hineinmanövriert haben, wieder herauskommen sollen. Als Alternative bieten sie bloß an, Kriege mit nuklear bewaffneten Staaten zu vermeiden, was, wie sie selbst sagen, unter Umständen nicht möglich sei, oder auf dem bisherigen Weg noch weiter zu gehen, d.h., die Kapazitäten für einen Enthauptungsschlag soweit auszubauen, daß der Gegner keine Eskalation der Gewalt mehr erzwingen kann.

Was sie nicht vorschlagen, was aber notwendig wäre, ist ein umfassender Kurswechsel der strategischen Politik der Vereinigten Staaten. Dieser setzt allerdings voraus, daß Präsident Obama mit verfassungsmäßigen Mitteln abgesetzt wird und daß im strategischen Denken in Washington ein Paradigmenwechsel stattfindet.

Zwei hochrangige russische Vertreter, der frühere Verteidigungsminister und jetzige Leiter der Präsidialverwaltung Sergej Iwanow sowie Wladimir Kosin, Mitglied des Russischen Instituts für strategische Studien und einer interministeriellen Arbeitsgruppe der Präsidialverwaltung, argumentierten kürzlich, die USA sollten Rußland nicht länger mit Raketenabwehranlagen einkreisen und statt dessen gemeinsam mit der übrigen Welt die notwendigen Verteidigungssysteme zum Schutz der Erde vor drohenden Kollisionen mit Asteroiden aufbauen.

Iwanow sagte am 5. März gegenüber der Komsomolskaja Prawda, das amerikanische Raketenabwehrsystem in Europa „erscheint nicht als Reaktion auf potentielle Bedrohungen aus Nordkorea oder dem Iran. Es beeinträchtigt Rußlands strategische Nuklearstreitkräfte und unterminiert das Gleichgewicht der Kräfte. In diesem Fall kann sich Moskau keine neue Abrüstungsrunde leisten, da die USA Rußland derzeit bei den Kernwaffen überlegen sind.“

Iwanow sagte, er sehe bei den Gesprächen mit den USA über die Raketenabwehr „kein Licht am Ende des Tunnels“. Die Komsomolskaja Prawda fügte hinzu: „Herr Iwanow gab damit zu verstehen, daß Washingtons Position nicht ernsthaft sei und nicht ernst genommen werden könne.“

Iwanow machte jedoch ein Gegenangebot und sprach in diesem Zusammenhang die Möglichkeit einer internationalen Zusammenarbeit beim Schutz der Erde an: „Kein Land, nicht einmal die Vereinigten Staaten, kann dieses Problem allein lösen. Es ist enorm kostspielig und sehr schwierig.“ Man könne das nur gemeinsam erreichen.

Kosin hatte schon am 28. Februar in einem Artikel in der Moscow Times gewarnt, die Raketenabwehr der USA ziele darauf ab, Rußlands ballistische Interkontinentalraketen auszuschalten, und hatte den Vereinigten Staaten geraten, statt des Versuchs, Rußland einzukreisen, mit Rußland zusammenzuarbeiten, um die Erde vor der Bedrohung durch Meteoriten und ähnlichen Gefahren zu schützen. Kosins Artikel ist eine ungewöhnlich detaillierte Analyse, die Obamas Angebote zur Verringerung der Offensivwaffen als Täuschung entlarvt, weil die USA in Wirklichkeit ein Arsenal taktischer Kernwaffen aufbauen, während die Raketenabwehr ausgebaut wird.

„Die operationellen Raketenabwehrsysteme der USA, die 2015 bzw. 2018 in Rumänien und Polen in Dienst gestellt werden sollen, sind nicht dazu geeignet, mögliche ballistische Raketen abzufangen, die vom Iran gestartet werden könnten - der Grund, den die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten für die Einführung des Raketenschildes angaben“, schreibt Kosin. „Dies ist die Aufgabe der Raketenabwehrsysteme, die die USA und ihre Verbündeten in der Golfregion stationiert haben. Der einzige Zweck der Raketenabwehrausrüstung der USA, die in Europa stationiert wird, ist der, ballistische Interkontinentalraketen Rußlands zu zerstören.“ [Hervorhebung hinzugefügt, d. Red.]

Und weiter: „Die Tatsache, daß unser Land niemals als möglicher Teilnehmer dieses Raketenabwehrprogramms genannt wird, beweist, daß es sich gegen Rußland richtet. Rußland fehlt sowohl im Aktionsplan der NATO für die Raketenabwehr als auch in den ,Einsatzregeln’ der USA und der Allianz über den Einsatz der Raketenabwehr, die kurz nach dem Chicagoer Gipfeltreffen der NATO im vergangenen Jahr beschlossen wurden.“

In seiner Schlußfolgerung bringt Kosin die Frage der Verteidigung der Erde auf den Tisch: „Offen gesagt, anstatt darüber nachzudenken, wie man Rußland durch Kernwaffen und Raketenabwehrwaffen einkreisen kann, sollte die amerikanische Seite darüber nachdenken, wie sie mit uns und anderen Interessierten zusammenarbeiten kann, um zu verhindern, daß Meteoriten auf unseren Planeten herabregnen.“