Produktive Kreditschöpfung 
  Neues Bretton Woods
  Glass-Steagall
  Physische Wirtschaft
  Kernenergie
  Eurasische Landbrücke
  Transrapid
  Inflation
  Terror - Cui bono?
  Südwestasienkrise
  11. September und danach
  Letzte Woche
  Aktuelle Ausgabe
  Ausgabe Nr. ...
  Heureka!
  Das Beste von Eulenspiegel
  Erziehungs-Reihe
  PC-Spiele & Gewalt 
  Diskussionsforum
  Wirtschaftsgrafiken
  Animierte Grafiken
» » » Internetforum mit Helga Zepp-LaRouche « « «
Neue Solidarität
Nr. 12, 20. März 2013

Nicht die Geldmenge, sondern die Produktivität entscheidet

Sparpolitik-Kritik widerspricht Geldmengenausweitungs-Kritik

Unser Leser Lorenz Meyenburg sieht in der Kritik der Neuen Solidarität an der Sparpolitik der Regierungen und ihrer gleichzeitigen Kritik an der Gelddruckpolitik der Zentralbanken einen Widerspruch. Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage beantwortet die Redaktion diesen Einwand ausführlich.

Ich erhielt kürzlich die Zeitung Nr. 8 vom 20. Februar 2013. Die Weltkarten über die derzeitige Verschuldung (http://www.marketoracle.co.uk/Article23137.html, http://www.thetrader.se/2011/06/05/world-debt-map) sagen doch alles: Die alte Welt hat ein Schuldenproblem. Und Schulden werden über das Giralgeld der Banken geschöpft, die Geldmengenausweitung dann aber über den Leitzins gesteuert. Durch den Leitzins ist die Geldmengenausweitung sehr wohl noch kontrollierbar über die Zentralbanken, selbst wenn kein Trennbankensystem existiert!

Die Verschuldung der Staaten ist letztlich ein Treiber der Geldmenge, schlicht und ergreifend, weil die Geldmenge durch ausgegebene Kredite steigt und die reine Privatwirtschaft gar nicht eine so große Menge an Krediten aufzunehmen braucht. Damit ist ein klarer Zusammenhang zwischen überbordender Staatsverschuldung und Geldmengenausweitung vorhanden.

Warum betont die Zeitschrift Neue Solidarität dann auf S. 11: „Das Gelddrucken der FED hat zwar die Börse nach oben getrieben, verfehlt aber den behaupteten Zweck, nämlich die Förderung der Kreditvergabe an die Wirtschaft. Statt dessen verbindet sie sich mit der radikalen Sparpolitik zu einem explosiven, hyperinflationären Gemisch.“

Die Sparpolitik ist doch gerade kein Inflationsgrund, sondern führt wenn dann zu Deflation! Die Preise werden von den Zentralbanken nur stabil gehalten durch den Geldzufluß, damit es nicht zu einer Deflationsspirale kommt durch die Krise. Das ist aber einer Deflationsspirale vorzuziehen. Es ist für mich ein klarer Widerspruch, daß sich Ihre Bewegung gegen die Sparpolitik auf Staatsebene ausspricht,

1. obwohl gerade die Staatsschulden zur Wettbewerbskrise und zum künstlichen Wachstum im nichthandelbaren Sektor geführt haben (zu viel und zu teuer bezahltes staatliches Personal, Immobilienpreise),

2. obwohl die BüSo (vernünftigerweise!) nachhaltiges Wachstum propagiert,

3. obwohl der Staat im Vergleich zum freien Markt ineffizient handelt, und definitiv zu nicht nachhaltigem Wachstum führt - siehe Griechenland, Portugal, Italien, mittlerweile eigentlich halb Europa inkl. Deutschland,.

4. obwohl die derzeitige staatliche Kreditnachfrage so stark ist, daß sie nicht nur der Privatwirtschaft Verschuldungsmöglichkeiten entzieht (Zins-Crowding Out) und die Geldmenge in ineffizientere Staatsbereiche lenkt, sondern zusätzlich einer Geldmengenausweitung gleichzusetzen ist, weil ohne die staatliche Kreditnachfrage die volkswirtschaftlichen Gesamtschulden (und damit die Geldmenge) erheblich niedriger wären.

Es ist für mich erschreckend, daß sich eine internationale Bewegung auf so einfache Weise von der Solidaritätsparole einlullen lassen kann. Man kann Sparpolitik nicht verdammen und gleichzeitig die Geldmengenausweitung kritisieren. Das ist ein Widerspruch in sich.

Mit freundlichen Grüßen,

Lorenz Meyenburg (per E-Mail)


Antwort der Redaktion

Sehr geehrter Herr Meyenburg,

herzlichen Dank für Ihre Zuschrift.

Zu den von Ihnen angeführten Karten ist zunächst einmal zu sagen, daß bei einer zehnfach höheren Wirtschaftsleistung pro Kopf auch zehnmal höhere Staatsschulden pro Kopf keineswegs bedeuten, daß der betreffende Staat überschuldet ist.

Auch Ihr Einwand, daß die Zentralbanken die Geldschöpfung der Banken durch die Leitzinsen steuern können, geht fehl, weil ja - wie im Fall der Federal Reserve bekannt wurde, und bei der EZB wird es wohl ähnlich sein -, die Zentralbanken ein Vielfaches ihres eigenen Kapitals abschreiben müßten, sobald sie versuchen, die Geldmenge z.B. durch Zinsanhebungen zu drosseln: Sie werden es also nicht tun, weil sie sonst den eigenen Bankrott eingestehen müßten.

Aber auch sonst kann ich Ihrer Kritik nicht zustimmen. Denn tatsächlich entsteht die Hyperinflationsgefahr durch die immer größere Kluft zwischen der umlaufenden Geldmenge und der realen Produktion. Wenn die reale Wirtschaft, wie in Griechenland, durch die Sparmaßnahmen um ein Drittel verkleinert wird, so verstärkt das dieses Mißverhältnis genauso, als steigerte man die Geldmenge um 50%.

Derzeit sieht man diese inflationäre Wirkung nur deshalb nicht in vollem Umfang, weil die Sparmaßnahmen auch die Kaufkraft der Bevölkerung massiv reduzieren - etwas, was man euphemistisch als „Deflation“ bezeichnet, was aber tatsächlich bereits mörderische Wirkung hat, jedenfalls für die Griechen und andere, die sich ihre Medikamente nicht mehr leisten können.

Sie meinen, Inflation sei einer Deflationsspirale vorzuziehen, aber das ist eine Scheindebatte: Für die Menschen ist es letztendlich egal, ob sie sich notwendige Dinge nicht mehr leisten können, weil ihre Löhne gekürzt wurden (wie in Griechenland) oder weil die Preise angestiegen sind (Elektrizität in Bulgarien). Der wesentliche Unterschied ist, daß Deflation vor allem die Armen trifft, während Inflation auch den sog. Mittelstand verarmen läßt.

Momentan fließt ein großer Teil des frisch gedruckten Geldes an die Börsen und in die Schattenbanken und erzeugt dort eine Scheinhausse, die man aber richtigerweise als „Wertpapierinflation“ bezeichnen muß. Wie schnell das dann in eine tatsächliche Hyperinflation umschlagen kann, zeigen z.B. die Zuckerpreise, die sich auf dem Weltmarkt in den letzten Monaten etwa verdoppelt haben.

Grafik: EIR/Lyndon LaRouche
Abb. 1: Lyndon LaRouches „typische Kollapsfunktion“

Es ist auch nicht die Staatsverschuldung, die das Wachsen der Geldmenge vorantreibt. Beides sind vielmehr nur Teilaspekte einer „typischen Kollapsfunktion“ (Abbildung 1): Die treibende Kraft hinter beidem ist die Demontage der produzierenden Wirtschaft in den ehemaligen Industrienationen in den letzten vier bis fünf Jahrzehnten, verbunden mit der Unterdrückung des wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts im gleichen Zeitraum, nicht zuletzt im Namen einer angeblich „nachhaltigen“ Wirtschaftsweise.

Dieses Schrumpfen der produzierenden Wirtschaft führt dazu, daß sie die spekulativen Werte der Finanzwelt nicht mehr stützen kann. So spielten z.B. die Massenentlassungen in der amerikanischen Automobilindustrie Mitte der 2000er Jahre eine wesentliche Rolle dabei, daß die Immobilienblase nicht mehr finanziert werden konnte, weil plötzlich Hunderttausende bis dahin gut bezahlte Arbeitsplätze verloren gingen und die Betroffenen damit als Kunden im Immobilienmarkt ausfielen. Das Platzen dieser Blase hat dann 2007 die derzeitige Krise in Gang gesetzt.

Man sieht an diesem Beispiel, wie bei diesen Spekulationen der Parasit seinen eigenen Wirt auffrißt: Nicht zuletzt die steigenden Immobilienpreise hatten die Kaufkraft vieler Amerikaner so sehr beansprucht, daß sie sich nicht mehr wie zuvor neue Automobile leisten konnten, und das führte dann zum Zusammenbruch des Automobilmarktes - und dieser wiederum zum Platzen der Finanzblase.

Seitdem war das gesamte Bankensystem der westlichen Welt faktisch pleite, aber weil die Banken als „too big to fail“ galten, haben die Regierungen den Banken die wertlosen Papiere abgenommen - und sind nun selbst überschuldet. Nun brauchen die bankrotten Banken Geld von den bankrotten Regierungen, und die bankrotten Regierungen brauchen Geld von den bankrotten Banken. Nach der monetaristischen Logik kann das fehlende Geld nur aus der Druckerpresse kommen, und genau so handeln Bernanke und Draghi.

Die Vermehrung der Staatsschulden ist dabei nicht die Ursache der Geldmengenvermehrung, die Staatsschulden werden vielmehr vermehrt, um die Geldmenge weiter steigern zu können, mit der die Finanzblase am Leben erhalten werden soll. Es ist klar, wo das hinführen wird: Hyperinflation.

Diese Mittel fließen dann in die Hände relativ weniger Spekulanten, die sich auf diese Weise - mit Unterstützung der Regierungen - bereichern. Dabei wird der Teil der Bevölkerung, der nicht zu den Begünstigten dieser Geldschöpfungsoperation gehört - also die große Mehrheit - quasi enteignet.

Was ist „nachhaltig?

Ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen, die BüSo befürworte ein „nachhaltiges Wachstum“; so, wie dieser Begriff üblicherweise verstanden wird, bedeutet „nachhaltig“ doch gerade Nullwachstum, und in diesem Sinne wäre „nachhaltiges Wachstum“ ein Widerspruch in sich.

Die BüSo befürwortet dagegen ein weltweites, massives Wachstum der realen Produktion und der realen Produktivität - würden wir dafür den Begriff „nachhaltig“ verwenden, verstünde niemand, was wir damit meinen, nämlich den Einsatz modernster Technologien und Bau von modernster Infrastruktur weltweit: Kernkraftwerke, Meerwasserentsalzungsanlagen, ein weltweites Netz von Magnetschwebebahnen usw. usf.

Die „Nachhaltigkeit“ dieser Politik (wenn man diesen Begriff verwenden will) liegt darin, daß die Rohstoffe niemals zuende gehen, weil ständig neue Rohstoffe entdeckt und durch immer höhere Energieflußdichten nutzbar gemacht werden.

Tatsache ist jedoch, daß derzeit genau das Gegenteil geschieht: An die Stelle effizienter Technologien wie der Kernkraft werden vollkommen ineffiziente, angeblich „alternative“ Technologien verwendet (wie z.B. Windmühlen oder Solaranlagen), sodaß unsere Realwirtschaft seit Jahrzehnten physisch immer stärkere Defizite aufweist und deshalb nicht mehr in der Lage ist, die Finanzwerte zu finanzieren. Es wird mehr verbraucht, als neu produziert wird, insbesondere im Infrastrukturbereich, weil der Staat schon seit Jahrzehnten wesentliche Teile seiner Aufgaben nicht mehr erfüllt.

Das in Umlauf Bringen auch großer Geldmengen wäre an sich nicht das Problem, wenn es in der realen Wirtschaft ankäme und dort entsprechende Gegenwerte und steigende Produktivität erzeugen würde, denn dann wären die Kredite ja gedeckt. Aber das Geld kommt eben nicht bei den produzierenden Unternehmen an, und das liegt nicht daran, daß der Staat zuviel Kredite aufnimmt, sondern daran, daß die Banken wissen, daß die staatlichen Sparmaßnahmen die Wirtschaft in eine Depression stürzen werden und damit der produzierenden Wirtschaft insgesamt die Geschäftsgrundlage entzogen wird. Und ohne Zukunft sind produzierende Betriebe nicht mehr kreditwürdig.

Da machen die Banken weniger Verluste, wenn sie das frisch gedruckte Geld gleich bei der Zentralbank parken. Es ist die Entscheidung der Banken, den Produzenten keine Kredite zu geben, denn Geld und Kreditbedarf wäre genug da. Den amerikanischen Finanzmärkten z.B. wurden durch die Stützungspakete 2500 Mrd. $ zugeführt, aber die Kreditvergabe an die privaten Unternehmen sank um rund 1000 Mrd.$. Ein großer Teil der Differenz wird derzeit von den Banken gehortet, d.h. in Finanzpapiere gesteckt, deren Zusammenbruch ebenso absehbar ist wie der Zusammenbruch des Geldwertes.

Die Aufgabe des Trennbankensystems

Der einzige Ausweg ist, die ganzen spekulativen Papiere und Forderungen durch ein geordnetes Konkursverfahren aus der Welt zu schaffen und für null und nichtig zu erklären. Und der einzige Weg, wie dies geschehen kann, ohne dabei sämtliche Banken und damit auch sämtliche Ersparnisse der Bevölkerung gleich mit zu vernichten, ist, zunächst einmal innerhalb des Bankensystems die Spreu vom Weizen zu trennen - und das geht nur durch ein Trennbankensystem, welches dafür sorgt, daß es keine Geschäftsbeziehungen mehr zwischen den ordentlichen Geschäftsbanken und spekulierenden Investmentbanken gibt, so wie es das Glass-Steagall-Gesetz getan hatte.

Der Sinn eines Trennbankensystems ist weder die Geldmengensteuerung noch die Verhinderung von Inflation noch die Verhinderung von Bankenpleiten, sondern die Sicherung der Kundengelder vor den Folgen der Zahlungsunfähigkeit gescheiterter Spekulanten. Das Glass-Steagall-Gesetz hätte die Pleite von Lehman Brothers vielleicht nicht verhindert, aber wenn es das Gesetz noch gegeben hätte, hätte Lehman Brothers keine Geschäftsbeziehungen zu irgendwelchen Geschäftsbanken gehabt, und somit wäre die Abwicklung von Lehman ohne negative Konsequenzen für die Geschäftsbanken und deren Kunden geblieben.

Die BüSo (und die ihr nahestehende Neue Solidarität) ist nicht generell gegen Einsparungen, im Gegenteil, wir müssen sogar sehr dringend sparen, aber an der richtigen Stelle: Wir können es uns nicht mehr leisten, die Schulden der Spekulanten zu übernehmen. Das Geld des Staates muß für wichtigere Dinge verwendet werden, beispielsweise zur Finanzierung eines neuen, globalen Wirtschaftswunders - dann ergeben sich die Einsparungen (z.B. bei den derzeit unverzichtbaren Sozialausgaben) ganz von selbst, ohne daß darunter Menschen leiden müssen.

Mit freundlichen Grüßen,

Alexander Hartmann,
Chefredakteur Neue Solidarität