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Neue Solidarität
Nr. 37, 11. September 2013

NRW: Pionierland der Industrialisierung
und Vorbild für den Aufbau der Welt

Von Stephan Hochstein

Stephan Hochstein kandidiert im Wahlkreis 95 Köln III für die Bürgerrechtsbewegung Solidarität zum Bundestag.

Wir von der BüSo haben bereits in der Vergangenheit immer wieder die Dringlichkeit des Wiederaufbaus der Realwirtschaft gefordert. Trotz sich zeigender Mängel bei den Investitionen in diesem Bereich haben wir alle Institutionen aufgefordert, nicht bloß am „alten Teppich zu flicken“. Unser Vorhaben setzt die Zusammenarbeit von länderübergreifenden Aufbauprojekten voraus. Im vergangenen Jahr haben wir diesbezüglich ein Wiederaufbauprogramm für Südeuropa publiziert. Nun stellt sich die Frage, welche bedeutende Rolle die einzelnen Wirtschaftsregionen Deutschlands hierbei spielen können.

NRW liefert hierfür historisch gesehen schon wegen seiner Technologie- und Fortschrittsbegeisterung in Industrie und Wirtschaft gute Vorrausetzungen für die Entwicklung der Welt. Immer wieder stellten sich vor allem hier die vielen Pioniere und Erfinder die Frage nach Verbesserung. Ihr Anliegen war es, die Effizienz der Arbeit stetig zu verbessern und mit jeder sinnvollen Tätigkeit neue Entwicklungsmöglichkeiten in der Gesellschaft hervor zu bringen. Nie reichte es aus, sich nur irgendwie über Wasser zu halten. Schon aufgrund der geographischen Lage und des natürlichen Rohstoffreichtums herrschte der Drang nach Verbindung und Ausdehnung in andere Regionen.

Mit zunehmendem Fortschritt und dem Prozeß der Industrialisierung bildete sich ein Musterbeispiel an Integration von Landwirtschaft, Bergbau, Handel und Industrie auf engem Raum. Jeder Wirtschaftszweig griff hierbei die Wünsche und Aufgabenstellungen der anderen Bereiche auf und schuf eine sich wechselseitig unterstützende Einheit. Dies war die Vorraussetzung für den Aufbau neuer wichtiger Wirtschaftsstandorte in Chemie, Landwirtschaft und dem Maschinen und Anlagenbau in Verbindung mit der Entwicklung und der Anwendung neuer Infrastrukturbereiche.

Am Anfang stand die Dampfmaschine

Ein wichtiger Grundstein der Industrialisierung im 18. Jh. war die nutzbringende Anwendung der Dampfmaschine. Die ersten Maschinen wurden von Franz Haniel angefertigt und erreichten eine Leistung von 20 PS. Der Pionier Franz Dinnendahl half maßgeblich die Dampfmaschine im Ruhrgebiet zur Anwendung zu bringen. Er half durch ihren Einsatz, die Effizienz im Bergbau zu steigern, die Mobilität in der Standortwahl von Manufakturen zu erhöhen und die Art des Transports hin zu Eisenbahn und Dampfschiff zu verändern.

Diese Erfindung setzte eine enorme Nachfragesteigerung nach Kohle in Gang. Der Wert des Rohstoffs erfuhr eine Veränderung. Er diente nun nicht mehr als reine Wärmequelle, sondern bekam als Kraftquelle eine neue Anwendung.

Der Abbau von Kohle wurde bereits seit dem 13. Jh., zunächst in Form des einfachen Tagebaus, betrieben. Ab dem 15. Jh. konnten zwar Tiefen von bis zu 200m erreicht werden, doch stagnierte der Abbau bis in die Zeit der Industrialisierung. Bis dahin war Muskelkraft noch die einzige Kraftquelle beim Abbau und der Entwässerung der Gruben. Mit dem Einsatz der Dampfmaschine aber war es nun möglich, das Grundwasser im Kohlebergbau rund um die Uhr, bei einer hundertprozentigen Arbeitsersparnis, abzupumpen.

Mit der Eisenbahn und dem Dampfschiff konnten neue Wirtschaftsbereiche erschlossen werden. Die ersten Eisenbahnverbindungen Köln-Minden, Elberfeld-Dortmund und Steele-Vohwinkel entstanden in den 1840er Jahren. Die Rheinhandelsroute erweiterte sich nun von Mannheim bis Holland. Neue Handelszweige wurden erschlossen und führten zur Ansiedlung von Industriebetrieben, nicht zuletzt neuer chemischer Industrien wie den Sodawerken und den Schwefelraffinerien. Der Warenumschlagsplatz griff nun immer mehr ins Ruhrgebiet hinein und erforderte langfristig eine Umgestaltung der Naturlandschaft. Die ersten Kanäle wurden gebaut. Neue Schleusenbecken mußten geschaffen werden. Um einen konstanten Wasserfluß zu erhalten, wurde es notwendig, Talsperren zu bauen, wie z.B. die Möhne-Talsperre zur Regulierung der Ruhr.

Dieser Prozeß der Vernetzung belebte den Binnenhandel und ermöglichte den Bau neuer Industrien und Städte. Gleichzeitig setzte eine Landflucht aus den umliegenden Regionen ein. Immer mehr stellte sich nun die Frage der Aufrechterhaltung der Versorgung der Bevölkerung.

Nun wurden die Erfindung neuer dampfbetriebener Landwirtschaftsmaschinen, der Einsatz von Mineraldüngern und die Wasserversorgung über Rohre voran getrieben. Das Konsumverhalten der Landwirtschaft veränderte den Handel hin zum Import von Chemikalien und Mastfutter. Die Produktion änderte sich. Für den Bau von neuen Werkzeugen mußten neue Maschinen und Werkzeugmaschinen gebaut werden. Der zunehmende Bedarf an Eisenwerkzeugen in der Industrie und der wachsende Eisenbahnausbau ließ v.a. die Ausweitung des Bergbaus und die Hüttenproduktion ansteigen. Neue Verarbeitungsmethoden wie z.B. das Bessemerverfahren oder das Thomasverfahren wurden entwickelt und steigerten die Effizienz der Roheisengewinnung.

Der Energieverbrauch der Gesamtwirtschaft nahm mit dem steigenden Verbrauch rasant zu. Die Ausweitung der Wirtschaftsräume stellte die Herausforderung nach einem möglichst verlustarmen Energietransport. Der regelmäßige Arbeitsablauf zwischen Tag und Nacht mußte sicher gestellt werden.

Sturm der Elektrifizierung

Konfrontiert mit diesen neuen Umständen stellte sich langsam ein neues Zeitalter ein. Mit dem Bau des ersten Elektromotors und im Zuge der späteren Reichsgründung 1871 begann ein Sturm der Elektrifizierung.

Der Einsatz der Elektrizität verbesserte den Transport und Verarbeitungsprozeß von Kohle und Eisenerzen. Die Gewinnung von Roheisen konnte von 1807 bis 1899 von 25.000 t auf 9,521 Mio. t gesteigert werden. Die Leistung eines Hochofens wurde von 1872 bis 1908 von 7500 t auf 30.000 t gesteigert. Gleichzeitig sank die Zahl der Betriebe und Hochöfen pro Betrieb.

Die von Friedrich Harkort mitbegründete DEMAG lieferte die Maschinen für den Einsatz in der Produktion. Wasserturbinen, Fördermaschinen, Dampfhämmer und Walzwerke wurden hier produziert. Die DEMAG selbst benötigte ca. 500.000 t Koks pro Monat.

Aufgrund des großen Umschlagvolumens siedelte sich ein Großteil der Industrien im Einzugsbereich des Duisburger Binnenhafens an. Eine Welle an neuen Industrien begann zu entstehen. Der Bau von Reedereien, Raffinerien, Chemieanlagen zur Herstellung von Stickstoffdüngern, Nahrungsmittellagern und Mühlen wurde begonnen. Dies ist die Blüte der Sachtleben AG in der Herstellung von Schwefelsäure, der Deutsch-Amerikanischen Petroleumgesellschaft, der Kupferhütte und der Kuppersmühle.

Zeitgleich entstand in den Außenbezirken des Ruhrgebiets wie in Remscheid durch Mannesmann die erste Produktion nahtloser Rohre. Nun war es möglich, die Wasserver- und -entsorgung der Städte und Landwirtschaft zu verbessern.

1898 gründete sich das Rheinisch Westfälische Elektrizitätswerk (RWE). Das städtische Elektrizitätswerk Dortmund konnte in seinen ersten fünf Jahren Betriebstätigkeit die Stromabgabe verzehnfachen.

In der Landwirtschaft setzte der in Hamm geborene Friedrich Wilhelm Raiffeisen mit der Gründung der Genossenschaftsbanken die Grundlage für eine wirtschaftliche Absicherung der Bauern. Die Elektrifizierung der Landwirtschaft ermöglichte z.B. der Firma Claas den Bau von Milchzentrifugen. Aus dieser Firma wurde später der bis heute weltbekannte Hersteller von Erntemaschinen.

Gleichzeitig mit der Elektrifizierung begann die Zeit des Otto-Motors. Nikolaus August Otto begann in Köln mit dem Aufbau des ältesten Motorenwerks der Welt. Die spätere Deutz AG war maßgeblich am Bau der ersten Lokomotiven und Feuerwehrfahrzeuge beteiligt. In Bielefeld baute der ehemalige Nähmaschinenhersteller Dürkopp eines der ersten Autowerke Deutschlands auf.

Aufschwung der Chemieindustrie

Auch die Chemieindustrie bekam mit der Reichsgründung und der zunehmenden Interaktion der Industriezweige neue Impulse. Die Arbeiterzahl in der chemischen Industrie stieg innerhalb von 100 Jahren von 23.000 auf 700.000 an. Die Bemühungen der chemischen Industrie, die ständigen Abfallprodukte der Schwerindustrie zu entsorgen, führten zur Entdeckung neuer chemischen Verbindungen. Dem Wuppertaler Alfred Bayer gelang es schließlich, aus den Abfällen der Färbeindustrien einen neuen Industriemarkt, die Pharmazie, aufzubauen. Schließlich gründete er in Leverkusen den bis heute weltbekannten Konzern. Die Grundstoffe seiner Produktion ermöglichten zeitgleich die Entwicklung neuer Bereiche wie die Photochemie und die Herstellung von Pflanzenschutzmitteln.

Auch in andern Bereichen schuf die Chemieindustrie neue Wege. 1876 gründete der Kaufmann Fritz Henkel in Aachen das erste Werk zur Produktion von Seifenpulver. In späteren Jahren konnte er aus den Nebenprodukten des Wasserglases ein Kali-Düngemittel entwickeln.

Mit dem Beginn der künstlichen Ammoniaksynthese zu Beginn des 20. Jh. begann auch im Ruhrgebiet der Bau von Stickstoffwerken in Scholven und Castrop-Rauxel.

1911 wurde mit der Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in Mülheim an der Ruhr die ersten Versuche unternommen, in der Kohlegasverflüssigung neue Durchbrüche in den chemischen Wissenschaften zu gewinnen. Erst Jahrzehnte später konnte hier ein entscheidender Durchbruch in der Herstellung von Polyethylen unter Normaldruck erzielt werden.

Der Beginn der Kunststoffindustrie in Deutschland begann aber schon vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Bereits mit der Elektrifizierung und dem Bau des ersten Autoreifens entstand ein neuer Industriezweig in der chemischen Industrie, die künstliche Erzeugung von Kunststoffen. Die Gewinnung von Naturkautschuk zur Deckung der Nachfrage konnte mit dem Bedarf nicht mehr mit halten. 1927 Betrug der Naturkautschuk-Verbrauch jährlich 800.000 t. 1950 erreichte der jährliche Weltkautschukverbrauch 12 Mio. t, der nur noch zu einem Drittel mit Naturprodukten gedeckt werden konnte. Die Gründung der Buna-Werke 1938 schaffte gerade eine 12.000 t Jahresproduktion.

Nach 1945 und dem Niedergang der Produktionsanlagen erhielt das Wachstum der Industrie in Nordrhein-Westfalen durch den gezielten Einsatz und Planung der Marshallgelder wieder einen neuen Aufschwung. Anfang der 60er Jahre kam es zur Ansiedlung neuer Produktionsanlagen. In Bochum siedelten sich die Werke von Opel und die Graetz-Fernsehwerke an, die die spätere Produktionsgrundlage für Nokia legten.

In Neuss entwickelte sich das modernste Aluminiumwerk der Welt. Die Deutsche Luft- und Raumfahrtgesellschaft siedelte sich in Köln an. Die Nixdorf-Computer AG in Paderborn legte in den 70er Jahren den Grundstein für das neue Computerzeitalter.

Der steigende Energieverbrauch forderte v.a. im Industrieland NRW immer mehr Sicherheiten. Somit entwickelte sich hier eines Hauptzentren in Deutschland für Fragen der Energiesicherheit und -forschung durch den Nutzen der Kernkraft. 1966 entsteht die Kernforschungsanstalt in Jülich. 1970 wurde der Prototyp des Thorium-Hochtemperaturreaktors gebaut.

1970er Jahre: Die Stimmung kippt

Doch plötzlich begann die Stimmung mit dem Aufkeimen des grünen Kultes der „68er“ in Deutschland zu kippen. Immer mehr wurde der Pioniergeist der Industrie- und Technikgesellschaft verteufelt. Die Verbesserung des Lebensstandards und Wachstumsziele der UN wurden aufs Eis gelegt. Immermehr machte sich die Ideologie der nachindustriellen Gesellschaft und des „nachhaltigen“ Wachstums breit. Dies führte im Ruhrgebiet zum Zechensterben, aber auch zur Auslagerung und Zerstörung der Stahlindustrie und anderer Schwerindustrien.

Vorübergehend schien die Dienstleistungsgesellschaft den Verlust der Produktivität scheinbar auszugleichen. Doch spätestens mit dem neuen grünen Wandel der letzten 15 Jahre, dem totalen Wegfall der Kernenergie und der Unsicherheit des Energiesektors mit seinen erhöhten Kosten droht Deutschland und NRW eine weiterer Produktionsverlust.

Doch diesem Szenario kann in letzter Sekunde Einhalt geboten werden, wenn bestimmte Notmaßnahmen in Verbindung mit dem Aufbau der Realwirtschaft für ganz Europa und darüber hinaus gemacht werden. Das Potential und die Infrastruktur für die Zusammenarbeit mit anderen Nationen können noch genutzt werden. Noch ist es nicht zu spät, die Tradition der Industriepioniere mit einem Aufbauprogramm wachzurufen. Doch die Zeit drängt. Die letzte Generation an erfahrenen Arbeitern ist auf den besten Weg in den Ruhestand und die Arbeitslosigkeit. Lange kann dieses Potential nach jahrelanger systematischer Zerstörung nicht erhalten werden.

Deshalb laßt uns keine Zeit verlieren, und die bereits von uns vorgelegten Pläne für den Wiederaufbau von Europa mit dem Know-how aus NRW verbinden!