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Neue Solidarität
Nr. 40, 2. Oktober 2013

Putin spricht im Waldai-Club über Rußlands nationale Identität

Am 19. September führte Präsident Putin eine lange und tiefgehende Diskussion mit Teilnehmern des internationalen „Waldai“-Diskussionsforums, in der er seine Vorstellung der Rolle Rußlands in der heutigen Welt entwickelte. Es überrascht nicht, daß dabei mehrfach auf Putins berühmte Rede bei der Münchener Sicherheitskonferenz 2007 Bezug genommen wurde, in der er sehr deutlich gemacht hatte, daß sich Rußland weder den Diktaten einer liberal-imperialen Welt noch der Zerstörung des Völkerrechts beugen werde.

In einen Scherz verpackt, in Wirklichkeit jedoch sehr ernst gemeint, gab Putin zu verstehen, daß er 2018 wahrscheinlich zur Wiederwahl antreten wird. Somit stellen seine Bemerkungen eine Perspektive für die russische Politik für die kommenden zehn Jahre bis 2024 dar.

Putin stellte grundsätzlich klar, daß es keine Rückkehr zur sowjetischen Ideologie oder dem „fundamentalen Konservativismus“ des Rußland vor 1917 geben werde, genauso lehnte er aber den „extremen westlichen Liberalismus“ ab. Rußlands nationale Identität stehe unter einem „objektiven Druck durch die Globalisierung“, aber auch dadurch, daß der russische Staat im 20. Jahrhundert zweimal, 1917 und 1991, völlig zusammenbrach. Das „war ein verheerender Schlag für die kulturellen und geistigen Überzeugungen unserer Nation. Wir waren konfrontiert mit der Unterbrechung der Traditionen und des harmonischen Gangs der Geschichte, einer gesellschaftlichen Demoralisierung und einem Defizit an Vertrauen und Verantwortlichkeit.“

Nach 1991 „nutzte das Fehlen einer aus einer nationalen Identität stammenden nationalen Idee dem quasi-kolonialen Element der Elite - denen, die zum Stehlen und Geldverschieben entschlossen waren und die ihre eigene Zukunft nicht mit der des Landes verbanden, dem Ort, wo sie ihr Geld verdienten“.

Am beeindruckendsten für die Zuhörer waren Putins Äußerungen zu Rußlands traditionellen Werten, seine explizite Ablehnung von „political correctness“ und der Vorwurf, die westliche Welt gebe ihre eigenen moralischen Grundprinzipien auf: „Wir sehen, wie viele euro-atlantische Länder ihre Wurzeln verwerfen, einschließlich der christlichen Werte, die die Grundlage der westlichen Zivilisation bilden. Sie leugnen moralische Prinzipien und alle traditionellen Identitäten, wie nationale, kulturelle, religiöse und sogar sexuelle. Ohne die auf dem Christentum und anderen Weltreligionen beruhenden Werte, ohne die Standards von Moral, die sich über Jahrtausende gebildet haben, werden die Menschen unumgänglich ihre Würde verlieren. Wir halten die Verteidigung dieser Werte für natürlich und richtig. Die Rechte einer jeden Minderheit, anders zu sein, müssen geachtet werden, doch die Rechte der Mehrheit dürfen nicht in Frage gestellt werden.“

Eingangs hatte Putin gesagt, die Notwendigkeit „neuer Strategien zur Bewahrung unserer Identität in einer sich schnell wandelnden Welt... betrifft auf die eine oder andere Weise so gut wie alle Länder und Völker: Russen, Europäer, Chinesen und Amerikaner.“ Jedes Land brauche „militärische, technische und wirtschaftliche Stärke, die Hauptsache jedoch, die den Erfolg ausmachen wird, ist die Qualität der Bürger, die Qualität der Gesellschaft: ihre intellektuelle, geistige und moralische Stärke. Letztendlich folgen Wirtschaftswachstum, Wohlstand und geopolitischer Einfluß alle aus den gesellschaftlichen Bedingungen. Diese hängen davon ab, ob sich die Bürger des jeweiligen Landes als Nation betrachten, zu welchem Grad sie sich mit ihrer Geschichte, ihren Werten und Traditionen identifizieren und ob sie durch gemeinsame Ziele und Verantwortung geeint sind. In diesem Sinne ist die Frage, die nationale Identität zu finden und zu stärken, grundlegend für Rußland.“

eir