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Von Helga Zepp-LaRouche
Angesichts der immer offensichtlicher werdenden Desintegration des transatlantischen Finanzsystems und der europäischen Gemeinschaftswährung einerseits und der wachsenden internationalen Unterstützung für eine Rückkehr zum Glass-Steagall-Gesetz Franklin D. Roosevelts andererseits wächst auch die Hysterie der Banker, die am Kasino-Modell der Hochrisikospekulation festhalten wollen. Man gewinnt den Eindruck, daß die Verteidiger der Globalisierung ein ganzes Heer von PR-Firmen engagiert haben, die einen Propagandafeldzug gegen und eine Verwirrungskampagne um das Trennbankensystem organisieren sollen.
Ein klassisches Beispiel für die Irreführung der Bürger durch die Medien wird an einem Interview des Weltsparkassenpräsidenten Heinrich Haasis in der Esslinger Zeitung vom 1. Februar deutlich. Der Artikel hat die Überschrift „Die Krise zahlt der Sparer, nicht der Steuerzahler“, und Haasis führt darin unter anderem etwas verkürzt aus, daß die von den Regierungen gewollte Niedrigzinspolitik der EZB zu einer „galoppierenden Inflation“ geführt habe, da die Inflation für die normalen Haushalte viel höher sei als die offizielle Inflationsrate von 2.4%, weil die Strompreise dieses Jahr um 13% ansteigen würden und auch Heizöl, Mieten und Lebensmittel teurer geworden seien, die Geldentwertungsrate also höher sei als die offizielle Inflationsrate. Wenn ein Weltsparkassenchef von „galoppierender Inflation“ spricht, ist das ungeheuerlich und der eigentliche Neuigkeitswert des Interviews!
Und was machen Stern.de und zahlreiche Finanz-Blogs daraus? Eine Kurzmeldung mit der Überschrift: „Haasis: Trennbankensystem geht ,am Hauptproblem vorbei’“. Es handelt sich hier um einen klinischen Fall von Täuschung durch Veränderung des Zusammenhangs der Argumente („fallacy of composition“). Hier der Auszug aus dem Interview:
„Was halten sie von Überlegungen zum Trennbankensystem?“
Haasis: „Ich halte das für eine Schauveranstaltung. Man will zeigen, daß man etwas tut. In Wahrheit geht es am Hauptproblem vorbei. In der Krise sagte man, keine Bank darf mehr so groß sein, daß sie einen Staat erpressen kann. Genau das wird jedoch nicht geregelt. Jetzt erklärt man 34 Banken weltweit für systemrelevant und gibt ihnen damit eigentlich Bestandsgarantien. Jetzt noch den Eigenhandel abtrennen, das geht am Thema vorbei.“
Da Haasis sich hier offensichtlich auf die in Deutschland geführte Konfetti-Debatte um das Trennbankensystem bezieht, hat er natürlich recht: Die ganze Diskussion um Varianten eines angeblichen Trennbankensystems, von Vickers-Kommission und „ringfencing“ - also getrennte Geschäftszweige, aber unter einem Dach der Bank - oder die sogenannte Volcker-Regel des Dodd-Frank-Gesetzes, das 848 Seiten und so viele Regeln hat, daß es bis zu 30.000 legale Zusätze haben kann, die Schlupflöcher für Hochrisikospekulanten lassen, die so groß wie Scheunentore sind, ist in der Tat eine Schauveranstaltung.
Jemand in der Position von Haasis muß aber 100%ig darüber informiert sein, daß es darüber hinaus eine ganz andere Diskussion um die Trennung der Banken gibt, die alles andere als eine Schauveranstaltung ist, sondern den profitverwöhnten Investmentbankern die Haare zu Berge stehen läßt - und das ist die von Marcy Kaptur und Walter Jones im amerikanischen Kongreß eingebrachte, sehr reale Gesetzesvorlage HR 129 für die Wiedereinführung des realen Glass-Steagall-Gesetzes von Franklin D. Roosevelt von 1933. Die Forderungen des Vizepräsidenten des Einlagensicherungsfonds FDIC und ehemaligen Chefs der Federal Reserve Bank in Kansas City, Thomas Hoenig, und des Chefs der Federal Reserve Bank in Dallas/Texas, Richard Fisher, die sich offen dafür ausgesprochen haben, jegliche Absicherung der Investmentbanken zu beenden, sind keine Schauveranstaltung, sondern gehen ans Eingemachte. Vor allem die jüngste Rede Fishers im National Press Club in Washington ist derzeit im Kongreß und Senat ein heißes Thema, ebenso wie im ganzen Land.
Das gleiche gilt für die Forderung Giulio Tremontis - der am italienischen Wahlkampf teilnimmt - nach dem richtigen Glass-Steagall, die unmittelbar bevorstehende Abstimmung des isländischen Parlamentes, die breite Opposition in Frankreich gegen Hollandes verwässerten Bankgesetz, die für das originale Glass-Stegall-Gesetz eintritt, und ähnliche Initiativen in vielen Nationen.
Insofern hat Haasis durch seine unklare Formulierung selber zu der Konfusion beigetragen, was aber nicht die Medienmanipulation entschuldigt.
Warum ist das überhaupt wichtig? Nun, weil dieses Beispiel absolut typisch dafür ist, wie mit allen Mitteln versucht wird, die Bevölkerung zu verdummen und zu manipulieren.
Die Realität ist aber, daß wir allen Manipulationen und Szenarien zum Trotz am Rande einer Krise stehen, neben der der Kollaps von Lehman Brothers 2008 wie ein Kindergeburtstag aussieht. Das kleine Land Zypern mit 800.000 Einwohnern hat soeben um ein Rettungspaket von 17 Mrd. Euro nachgefragt - bei einer Exportleistung von 1,5 Mrd. Euro, einem Importvolumen von 6,5 Mrd. Euro und maximal 2-3 Mrd. Euro an möglichen Erlösen im Falle des Verkaufs von Staatseigentum. Norbert Barthle, Haushaltssprecher der Unionsfraktion, befürchtet zu Recht „Ansteckung“ und systemisches Risiko, verschweigt aber, daß Zypern erst durch die mörderische und inkompetente Politik der Troika gegenüber Griechenland in Mitleidenschaft gezogen worden ist.
Neben all den bekannten kriminellen Aktivitäten im Finanzsektor - den LIBOR-Zinsmanipulationen, Geldwäsche, Steuerhinterziehung, CO2-Zertifikateschwindel, Betrug am Kunden, um nur einige zu nennen - ist nun ans Tageslicht gekommen, daß sowohl die älteste noch aktive Bank der Welt, Monte dei Paschi in Siena (gegründet 1472) als auch die Deutsche Bank massive Verluste bei Derivatgeschäften durch neue Wetten und Bilanzfälschungen - bzw. im Falle von Montepaschi auch durch italienische Regierungsgelder - vertuscht hatten, eine Angelegenheit, die jetzt von den Staatsanwälten untersucht wird und Montis und Draghis Karrieren vorzeitig beenden könnte.
Das anscheinend völlige Fehlen jeglichen Rechtsbewußtseins im Bankensektor ist ein zusätzlicher extrem wichtiger Grund für die sofortige Einführung des originalen Glass-Stegall-Gesetzes Roosevelts, was bekanntlich mit der Einsetzung der Pecora-Kommission einherging, die die verantwortlichen Wall-Street-Banker hinter Schloß und Riegel brachte. Es ist nicht nur der Sparer, der für die Krise zahlt, es ist auch der Steuerzahler und jeder Bürger.
Es ist ein hoffnungsvolles Zeichen, daß es auch in einigen anderen extrem wichtigen Bereichen Bestrebungen zu einer Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit gibt. Dazu gehören:
1. Die Entscheidung des US-Berufungsgerichts für den District of Columbia (die US-Hauptstadt Washington) vom 25. Januar, daß Präsident Obama mit seinen sogenannten „Ferienernennungen“ die von der US-Verfassung ausdrücklich vorgeschriebene Gewaltenteilung verletzt habe. Das Gericht betonte, daß die Bedeutung des Urteils weit über den behandelten, konkreten Fall hinausgeht und alle Angelegenheiten betrifft, die mit der Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative zusammenhängen. Damit ist der Tendenz einer übermächtigen Exekutive („unitary executive“), die sich von Bush jun. zu Obama noch verstärkt hatte, ein Riegel vorgeschoben, der nur um einen hohen politischen Preis beseitigt werden kann.
2. Die Untersuchung des UN-Sonderberichterstatters für Menschenrechte und Terrorismusbekämpfung, Ben Emmerson, bezüglich des US-Programms für gezielte Tötungen durch Kampfdrohnen. Sie könnte zu dem Ergebnis kommen, daß es sich bei diesen Tötungen um Kriegsverbrechen handelt.
3. Das Gerichtsverfahren von Noor Khan, Sohn des pakistanischen Stammesführers Malik Daud Khan, gegen britische Geheimdienstvertreter, deren falsche Informationen zu einem US-Drohnenangriff im pakistanischen Nordwasiristan benutzt wurden, bei dem mehrere Dutzend Zivilisten umkamen. Der ehemalige Rechtsberater des US-Außenministeriums und des Nationalen Sicherheitsrates, John Bellinger, wiederholte in einem Kommentar zu einem Artikel der New York Times am 30. Januar die gleiche Sorge, die er schon im Oktober 2011 in der Washington Post geäußert hatte: „Werden die Drohnenattacken Obamas Guantanamo?“
4. Die Feststellung der UN-Menschenrechtskommission (UNHRC), daß die Siedlungspolitik Israels in der Westbank eine Verletzung der vierten Genfer Konvention darstellt, daß es sich um Kriegsverbrechen handelt und daß Israel mit dem sofortigen vollständigen Rückbau dieser Siedlungen beginnen muß.
Der gemeinsame Nenner all dieser Begebenheiten? Zu einem Zeitpunkt, an dem sowohl das internationale Völkerrecht als auch die nationalen Verfassungen und die Rechtsstaatlichkeit selbst in größter Gefahr sind, sind die hier genannten Bemühungen um die Aufrechterhaltung des Rechtes extrem bedeutsam.
Aber die Durchsetzung des originalen Glass-Steagall-Trennbankensystems ist der unerläßliche erste Schritt. Ihm muß ein Kreditsystem für den Wiederaufbau der Realwirtschaft folgen.
Helfen Sie uns bei der Mobilisierung für die Durchsetzung dieses Programms. Und halten Sie, was die Medien berichten, nicht für bare Münze, sondern fragen Sie, was bezwecken die damit!