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Neue Solidarität
Nr. 26, 25. Juni 2014

Dokument des US-Außenministeriums zeigt, wie Revolutionen gekauft werden

Vor kurzem wiederholte die amerikanische UN-Botschafterin Samantha Power in einer Rede an der Harvard-Universität die inzwischen berühmte (zweifelhafte) Geschichte, der „Arabische Frühling“ habe damit begonnen, daß in Tunesien ein Straßenverkäufer sich aus Verzweiflung über die ständige Unterdrückung durch seine Regierung selbst verbrannte. Das habe einen Aufstand des tunesischen Volkes ausgelöst, mit dem ein Diktator gestürzt wurde, und so sei eine neue Verfassung zustandegekommen, die grundlegende Freiheiten, Gewaltenteilung sowie Frauen- und Minderheitenrechte achte. Power meinte dann: „Es wäre aber falsch, diese Errungenschaft nur als das Werk der tunesischen Führung zu betrachten. Es war das tunesische Volk, unterstützt von Menschenrechtlern, Bürgergruppen, einer dynamischen Presse, NGOs und vielen, vielen anderen, was diese neuen Staatsführer zwang, einen solchen Kompromiß zu erzielen.“ Etwas später ergänzte sie: „Präsident Obama hat alle seine Diplomaten instruiert, die Unterstützung der Zivilgesellschaft zum integralen Bestandteil der amerikanischen Außenpolitik zu machen - die Veränderer zu unterstützen, die im Kampf für universelle Rechte an vorderster Front stehen.“

Aber das ist nicht die ganze Geschichte. Ein Dokument des US-Außenministeriums, das vor kurzem auf einen Antrag nach dem Gesetz über Informationsfreiheit (FOIA) hin freigegeben wurde, beschreibt ein Programm der amerikanischen Regierung zur Erlangung der finanziellen und organisatorischen Kontrolle über Gruppen der „Zivilgesellschaft“ und „Nichtregierungsorganisationen“ im Nahen Osten und in Nordafrika. Das Dokument wurde mehrere Monate vor den Ereignissen in Tunesien verfaßt, es ist datiert auf den 22. Oktober 2010. Zu der Zeit arbeitete ein Team im Nationalen Sicherheitsrat (NSC) der USA, dem auch Samantha Power angehörte, an einer Umgestaltung der US-Politik für diese Region. Präsident Obama hatte diese von dem NSC-Team koordinierte, behördenübergreifende Planung mit der Präsidial-Studiendirektive Nr. 11 angeordnet, vermutlich im August 2010.1 Vom State Department veröffentlichte Mails beziehen sich in dem Zusammenhang auf Arbeitspapiere mit Titeln wie „Reform der Nahostpolitik“, einige auf ein „NSC-Papier über Reform der Arabienpolitik“.

„Werkzeug für die gesamte Region“

Das zentrale Element ist ein Papier des State Department mit dem Titel „Überblick über die Nahost-Partnerschafts-Initiative“, kurz MEPI; dort heißt es im einleitenden Absatz:

In der Schrift werden dann die drei Hauptmechanismen der MEPI beschrieben:

Ein Abschnitt des Papiers aus dem Jahr 2010 lautet „Einzigartige Eigenschaften der MEPI“; darin heißt es:

Interessant ist, daß eines der beiden MEPI-Regionalbüros in Tunis sitzt bzw. saß.

Ist nun etwas falsch an diesem Programm, das nach eigenem Bekunden dazu dient, der rückständigen Region Nahost-Nordafrika die Wohltaten der Demokratie zu bringen?2 Die Antwort lautet: Ja.

Das Programm des US-Außenministeriums ist eine extreme Form der Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer souveräner Nationen. Es ist eine Sache, wenn Bürger und Organisationen einer anderen Nation politische und soziale Einrichtungen organisieren, um den Kurs ihrer Gesellschaft zu gestalten. Doch es ist etwas ganz anderes, wenn das US-Außenministerium primär im Interesse der Vereinigten Staaten („neue Gelegenheiten oder Herausforderungen für die Ziele der US-Politik“, wie es in dem Papier heißt) Bürger in diesen Ländern benutzt bzw. mißbraucht, um den Kurs dieser Nationen im US-Sinne zu gestalten. Im wesentlichen handelt es sich um die uralte Methode von Großmächten, die Gedanken und Handlungen der Bürger und Institutionen anderer Nationen in die gewünschte Richtung zu lenken - angefangen damit, daß diejenigen, die sich um Zuschüsse bewerben, ihre Programme sicherlich so formulieren, wie es der Weltsicht des US-Außenministeriums entspricht, bis letztlich dahin, daß die Leute, die in der Zukunft diese anderen Nationen regieren, sich bei der Gestaltung der Politik ihres Landes nach den USA richten werden.

Heuchelei à la Wilson

In den USA selbst sind solche Aktivitäten anderer Länder - insbesondere wenn deren Ziele denen der US-Regierung entgegenstehen - durchaus zu Recht verboten. Im Kalten Krieg waren die Vorwürfe, im State Department und anderen staatlichen politischen Einrichtungen würden Amerikaner mit einer politischen Vorliebe für die Sowjetunion arbeiten, Grundlage für die Durchführung missbräuchlicher Untersuchungen von Staatsbediensteten durch die Regierung Truman, die von konservativen Republikanern gefordert worden waren („McCarthy-Ära“). Auch in Hollywood - als einer der zentralen Stellen, die die Weltsicht der Amerikaner prägten - wurden Autoren, Regisseure und Schauspieler Opfer dieser „Kommunistenjagd“. Und die Bewegung für die Bürgerrechte der Afro-Amerikaner und ihre Anführer wie Martin Luther King wurden vom FBI und von Kongreßausschüssen wegen des Vorwurfs mutmaßlicher „sowjetischer Einflüsse“ ähnlich bedrängt.

Dieses Vorgehen der amerikanischen Regierung und die Vorwürfe, auf denen es beruhte, waren meist unbegründet, und oft standen bösartige Absichten dahinter. Aber die Grundlage war unumstritten: man dürfe auf keinen Fall zulassen, daß die Sowjetunion die politische und soziale Entwicklung in den USA zu ihren eigenen außenpolitischen Zwecken kanalisierte.

Auch heute noch sind in Amerika Spenden von Ausländern für Wahlkämpfe um landesweite politische Ämter zu Recht verboten. Und jede Person, die in den USA eine politische oder quasi politische Tätigkeit (wie Lobbyismus) ausübt und die Interessen einer anderen Nation vertritt, muß sich als „Außenagent“ dieser Nation registrieren lassen.

Doch gleichzeitig beschweren sich Vertreter des State Department regelmäßig aufgeregt darüber, daß in anderen Ländern „die Zivilgesellschaft bevormundet“ wird, etwa durch Gesetze zur „Beschränkung der Möglichkeit von NGOs oder Aktivisten, in der Weise frei zu agieren und zu handeln, wie sie es gerne täten“.3 Warum aber sollten diese Länder ihre Organisationen der „Zivilgesellschaft“ nicht beaufsichtigen, solange das amerikanische State Department deren Aktivitäten steuert? Im Grunde ist das die gleiche alte Heuchelei in der Tradition von Präsident Wilson, wo sich hinter hochtrabenden Erklärungen und dem Versuch, anderen Ländern Vorschriften zu machen, letztlich doch nur das Interesse des Kolonialismus verbirgt. Wenn die edlen Ziele, die das State Department mit der MEPI und ähnlichen Aktivitäten angeblich verfolgt, auch im Interesse der anderen Staaten und Gesellschaften sind - so scheint es ja -, warum verhandelt man darüber nicht mit diesen Regierungen diplomatisch (das ist ja schließlich die Aufgabe eines Außenministeriums), um sie in ihrem eigenem Interesse von diesen Zielen zu überzeugen und bei deren Verwirklichung zu helfen?

Tatsache ist, daß die Regierungen von George W. Bush und Dick Cheney und danach Barack Obama seit den Angriffen auf das World Trade Center und das Pentagon am 11. September 2001 systematisch „farbige Revolutionen“ in verschiedenen ausgewählten Nationen fördern, um unter Vorwänden wie „Demokratisierung“ und „Verhinderung von Greueltaten“ Regimewechsel, also Regierungsstürze betreiben. Diese ununterbrochene Kontinuität von Bush bis Obama führte zu US-Interventionen in aller Welt, die meistens in Instabilität, Ausbreitung von Terrorismus und wirtschaftlichem Kollaps endeten.

George Canning


Anmerkungen

1. Die eigentliche Direktive (Presidential Study Directive-11, PSD-11), die im Mittelpunkt des FOIA-Antrags stand, wird vom State Department weiter geheimgehalten. Der Apparat der „humanitären Interventionisten“ und „Demokratisierer“ ging fließend von Bush auf Obama über. So ist z.B. William B. Taylor als Chef von Präsident Obamas „Büro des Sonderkoordinators für Übergänge im Nahen Osten“ der verantwortliche Mann für sämtliche „Farbrevolutionen“ in dem Gebiet Nahost-Nordafrika. Von 2006-09 war er Präsident Bushs Botschafter in der Ukraine, wo er sich in der ersten Phase der „Orangenen Revolution“ seine Sporen verdiente.

2. Zusätzlich zu den Prinzipien, um die es hier geht, ist es nützlich, einmal die tatsächlichen Resultate der Zivilgesellschaft-NGO-Operationen des State Department zu betrachten. Die hehr klingenden Ziele, von denen in dem Papier von 2010 die Rede ist, sind natürlich Werbeslogans für die Öffentlichkeit, die in Wirklichkeit genauso wahr wie unwahr sein können. In Ägypten, Libyen und Syrien öffneten diese Operationen Tür und Tor für die Muslim-Bruderschaft, Al-Kaida und Islamistenmilizen, deren Ziele das genaue Gegenteil von „pluralistischen“ und „mitbestimmten“ Gesellschaften sind. Und was den „Wohlstand“ betrifft, ist die Sicht des US-Außenministeriums über „Reformen“ und den Weg zu einer florierenden Wirtschaft mehr als fragwürdig. Nachdem die Zivilgesellschaft-NGO-Netzwerke die demokratisch gewählte ukrainische Regierung gestürzt hatten, weil diese sich den wirtschaftlichen Forderungen der Europäischen Union widersetzt hatte, erklärte Staatssekretärin Victoria Nuland vor einem Senatsausschuß voller Begeisterung, das neue ukrainische Parlament habe „bahnbrechende Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung und Maßnahmen zum Abbau des Haushaltsdefizits beschlossen und sehr schwierige Schritte ergriffen, um den Energiesektor zu reformieren. Viele davon werden für die Menschen in der Ukraine schmerzlich sein, aber sie sind absolut notwendig...“ Man sieht, daß die Vorstellungen von „Demokratie” ihre Grenzen haben.

3. Das war die Formulierung des „Chefberaters für Zivilgesellschaft und neue Demokratien“ im State Department, Tomicah Tillemann, in einer Pressekonferenz des Ministeriums 2011. Samantha Power nannte Tillemann in einer Rede bei der Ford Foundation 2014 „unseren Vorkämpfer der Zivilgesellschaft im State Department“.