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Putins Wirtschaftsberater Glasjew empfiehlt den osteuropäischen Mitgliedstaaten der EU, über einen Wechsel zur Eurasischen Wirtschaftsunion nachzudenken.
Sergej Glasjew, Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften und Berater von Präsident Wladimir Putin, stellt in einer internationalen Analyse die für viele sicherlich provozierende Behauptung auf, daß Länder wie Griechenland, Zypern und sogar die Türkei besser dastünden, wenn sie sich (statt der EU) der in Vorbereitung befindlichen Eurasischen Zollunion und Eurasischen Union anschließen würden.
Glasjew war selbst früher Vizesekretär der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft. Sein Artikel mit der Überschrift „Wer wird gewinnen? Politische und wirtschaftliche Faktoren bei der regionalen Integration“ erschien am 27. Dezember auf Englisch und Russisch in der Zeitschrift Russia in Global Affairs. Ähnlich wie schon zuvor in einem Artikel in der amerikanischen Zeitschrift The National Interest belegt er darin, welche Vorteile eine Zusammenarbeit mit der Zollunion für die Ukraine hätte, im Gegensatz zu der wirtschaftlichen Ausschlachtung unter einem Freihandelsregime der EU.
Glasjew nennt dann die schockierendsten Beispiele der Zerstörung der produktiven Wirtschaft in den ost- und mitteleuropäischen Ländern, die im letzten Jahrzehnt der EU beigetreten sind, aber auch in Griechenland. Hier einige Auszüge:
„Griechenland. Als Resultat der auf Forderung der EU durchgeführten Reformen halbierte sich die Baumwollerzeugung, und die Quoten in der Landwirtschaft trafen die lokalen Winzer hart. Die berühmte griechische Schiffbauindustrie existiert praktisch nicht mehr: griechische Reeder kauften seit dem Beitritt des Landes zur EU 770 Schiffe im Ausland...
Ungarn hat die Produktion seiner einst beliebten Ikarus-Busse, deren Produktion im Land in den besten Jahren 14.000 Einheiten erreichte, praktisch eingestellt.
Polen hat seit dem Beitritt des Landes zur EU im Jahr 2004 90% seiner Kohleminen, die mehr als 300.000 Menschen beschäftigten, geschlossen; 75% der polnischen Bergarbeiter haben ihre Arbeit verloren. Polens Schiffbau ist in einer tiefen Krise. Die große Danziger Schiffswerft, die in den 1960er und 1970er Jahren weltweit die meisten Schiffe baute, wurde in zwei Firmen zerschlagen, die keine Aufträge haben. Dutzende kleinerer Werften mußten aufgeben und ihr Personal ging nach Westeuropa. Polen hatte 99 Mrd.$ Auslandsschulden, als es der EU beitrat, Anfang 2013 waren sie auf 360 Mrd.$ angewachsen.
Lettland hat seine gesamte Elektro- und Automobilindustrie verloren.
In Litauen schrumpfte der Viehbestand um 75%, weil die Bevölkerung nach der Einführung von Milchquoten das Halten von Kühen aufgab. Auf Verlangen der EU hat Litauen sein Kernkraftwerk Ignalina stillgelegt und sich dadurch von Stromimporten abhängig gemacht (und es wird eine Milliarde Euro kosten, das Kraftwerk Ignalina abzureißen).
In Estland schrumpfte der Viehbestand auf ein Fünftel, die Landwirtschaft wurde auf die Erzeugung von Biotreibstoff ausgerichtet. Die Maschinenfabrik und das Volta-Werk in Tallinn, die einst Ausrüstung für die Stromerzeugung produzierten, wurden geschlossen. Auf Verlangen der EU reduzierte Estland seine Stromerzeugung um fast zwei Drittel von 19 Mrd. kWh auf 7 Mrd. kWh.
Die EU-Mitgliedschaft traf die Fischereibetriebe in den baltischen Staaten durch Einführung der Fischfangquoten und sogenannte ,Solidaritätsnormen’ bei der Nutzung der europäischen Wasserressourcen. 2007 verhängte die EU Geldbußen gegen Litauen, Lettland und Estland, weil sie versuchten, Nahrungsmittelvorräte zur Senkung der Preise anzulegen.“
Angesichts dieser „beklagenswerten Resultate“, schreibt Glasjew dann, könne niemand ernsthaft behaupten, daß die sechs Länder der sog. Östlichen Partnerschaft der EU - Armenien, Aserbeidschan, Georgien, Moldawien, Ukraine und Weißrußland - von einer Assoziierung mit der EU in irgendeiner Weise profitieren würden.
„Eine unvoreingenommene Analyse enthüllt rein politische Motive hinter der EU-Politik der Östlichen Partnerschaft, mit dem Ziel, Möglichkeiten einer Beteiligung der ehemaligen Sowjetrepubliken an der eurasischen Wirtschaftsintegration mit Rußland zu blockieren. Den antirussischen Kern dieser Politik sieht man deutlich an den konsequenten Bestrebungen von Politikern und Geheimdiensten der NATO-Mitgliedstaaten, sich in die inneren Angelegenheiten der neuen unabhängigen Staaten einzumischen, anti-russische Propaganda zu verbreiten und rußlandfeindliche politische Kräfte zu fördern. Alle ,farbigen’ Revolutionen, die vom Westen im postsowjetischen Raum angestachelt wurden, wurzelten in einer fanatischen Rußlandphobie und zielten darauf ab, die Integration mit Rußland zu verhindern.“
Glasjew fährt fort, als Reaktion darauf könne man beispielsweise Ländern, „die von den supranationalen Körperschaften der EU diskriminiert werden“, allen voran Griechenland und Zypern, eine Beteiligung an der eurasischen Integration anbieten. Dabei könne Zypern „als Pilotprojekt für den Übergang von der europäischen Integration zur eurasischen Integration dienen, insbesondere weil seine Wirtschaftsbeziehungen zu Rußland und zur Gemeinschaft Unabhängiger Staaten nach dem Bankrott seines Bankensystems noch viel wichtiger geworden sind“. Griechenland stehe wahrscheinlich das erniedrigende Schicksal bevor, daß Besitz der Orthodoxen Kirche und des Staates zugunsten europäischer Gläubiger säkularisiert und enteignet wird. Beide Länder unterhielten enge kulturelle und wirtschaftliche Verbindungen nach Rußland. Glasjew erwähnt auch, daß Kasachstans Präsident Nursultan Nasarbajew die Türkei als „einen willkommenen Teilnehmer der eurasischen Integration“ bezeichnet hat.
Vorerst erschienen solche Beteiligungen angesichts der „äußeren Verpflichtungen gegenüber der EU“ vielleicht unrealistisch. Aber Glasjew schlägt vor: „Ein konstruktiver Ausweg aus den wachsenden Widersprüchen zwischen den alternativen Integrationsprozessen in Eurasien wäre es, sie zu einer wirtschaftlichen Kooperation zum beiderseitigen Nutzen zu entpolitisieren. Allerdings scheinen die euro-atlantischen Vertreter nicht bereit zu sein, ihren Anspruch auf Hegemonie in den internationalen Beziehungen aufzugeben, so daß diese Option derzeit unwahrscheinlich erscheint. Wie es scheint, man muß noch abwarten und erst eine weitere Verschärfung der euro-atlantischen Integrationskrise erleben, bevor die Länder Europas und Asiens das eurasische Prinzip einer gleichberechtigten Zusammenarbeit zum gegenseitigen Nutzen akzeptieren können.“
rbd