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Nach den Terroranschlägen in Wolgograd mehren sich die Stimmen, die anstelle der Konfrontationshaltung eine Kooperation des Westens mit Rußland fordern.
Präsident Barack Obamas infantile Entscheidung, die Winterolympiade in Sotschi zu boykottieren, wird in den USA zunehmend kritisiert. Angesichts der terroristischen Bedrohungen fordert eine Reihe prominenter Kommentatoren vielmehr eine engere Zusammenarbeit mit Rußland.
Einer der Vorsitzenden des Rußland-Ausschusses im Kongreß, Michael Grimm (Demokrat aus New York), veröffentliche am 30. Dezember auf seiner Internetseite eine Erklärung, in der er warnt, die Sotschi-Olympiade könne zu einem „zweiten Bengasi-Alptraum“ führen. Grimm ist Veteran der US-Marines aus dem ersten Golfkrieg und diente mehr als ein Jahrzehnt als Sonderermittler beim FBI. Er schreibt:
„Ich verurteile die Terroranschläge in Rußland nachdrücklich. Da nun die Eröffnung der Winterolympiade in Sotschi näherrückt, dürfen wir nicht zulassen, daß die Terroristen Angst schüren. Die Olympiade ist eine Zeit, in der die Mitgliedstaaten im Namen des friedlichen Wettbewerbs ihre Differenzen beiseite legen sollten. Deshalb müssen wir aufmerksam sein und alle Bedrohungen ernst nehmen.
Wir können diese Bedrohungen nicht unter den Teppich kehren, wie wir es mit Bengasi oder den Warnungen aus Rußland vor den Zarnajew-Brüdern getan haben, die hinter dem Anschlag auf den Bostoner Marathonlauf standen. Jedesmal, wenn wir diese Bedrohungen nicht wahrnehmen, riskieren wir nicht nur das Leben unschuldiger Amerikaner, wir erscheinen auch in den Augen des Feindes schwächer und angreifbarer. Indem wir das tun, ermutigen wir die Terroristen, ihre Schreckensherrschaft fortzusetzen, indem sie uns und unsere Verbündeten in aller Welt angreifen.
Die einzigen Gewinner in Sotschi sollten unsere Sportler sein, deshalb müssen wir eng mit Rußland und unseren Verbündeten zusammenarbeiten, um die Terrorgefahr zu bekämpfen. Das beginnt damit, daß wir jede Bedrohung ernst nehmen und entsprechend handeln, damit die Winterolympiade ein Traum für die Sportler rund um den Globus bleibt und kein Alptraum wie Bengasi wird.“
Ähnlich äußerte sich einen Tag später der republikanische Abgeordnete Dana Rohrabacher aus Kalifornien, Vorsitzender des Außenpolitischen Unterausschusses für Osteuropa und Rußland:
„Immer wenn unbewaffnete Bürger Opfer von Terroranschlägen werden, sollten wir ihren Ländern solidarisch beistehen, ganz besonders Rußland. Leider haben unsere jüngsten Beziehungen zu Moskau das, was Washingtons automatische Reaktion hätte sein sollen, in Frage gestellt...
Rohrabacher betonte: „Unsere Sicherheitskooperation sollte auf einem höheren Niveau und auch viel umfassender sein. Ob es um den 11. September geht oder um den Mord an russischen Schulkindern oder Angriffe in Ägypten, radikale islamistische Terroristen sollten wissen, daß die Guten zusammenhalten und nicht nachgeben werden, wenn sie mit ungeheuerlichen Verbrechen an unbewaffneten und unschuldigen Bürgern konfrontiert sind.“
Auch der bekannte Kolumnist und konservative Republikaner Patrick Buchanan kritisierte am 3. Januar die Regierung Obama scharf. Er schreibt auf seiner Internetseite:
„Präsident Obama sollte in einer Geste der Solidarität mit dem russischen Volk, das mehr als jedes andere Volk Europas seit dem 11. September unter dem islamistischen Terrorismus gelitten hat, ankündigen, daß er seine Meinung geändert hat und nach Sotschi reisen wird. Die Wirkung wäre dramatisch. Der Boykott des Westens gegen die Olympiade würde in sich zusammenfallen. Die Aufmerksamkeit der Fernsehkameras der Welt und der übrigen Menschheit würde sich auf Sotschi richten. Ein Erfolg der Spiele wäre garantiert.“
Buchanan verurteilte die Politiker, die Präsident Putin boykottieren und brüskieren wollen - die Beziehungen der USA zu Rußland seien zu wichtig, um sie durch Streitigkeiten zu blockieren. Er schreibt: „Putin hat den NATO-Schlägen gegen Libyen zugestimmt. Er hat die UN-Sanktionen gegen den Iran hingenommen. Er hat darauf verzichtet, dem Iran die modernsten russischen Flugabwehrsysteme zu liefern. Er hat die Vereinigten Staaten im Krieg in Afghanistan unterstützt. Er hat für Obama in Syrien die Kastanien aus dem Feuer geholt, als das amerikanische Volk und der Kongreß Obama klarmachten, daß er keine Befugnis hatte, Syrien einfach zu bombardieren, rote Linie hin oder her. Wir arbeiten jetzt mit Rußland bezüglich der syrischen Chemiewaffen zusammen. Und diese Kooperation ist unverzichtbar, um Nordkorea zu handhaben und um eine Einigung auszuhandeln, damit der Iran keine Atombombe bekommt.“
Die konservative Kolumnistin Rachel Marsden veröffentlichte am 31. Dezember einen Kommentar mit dem Titel „USA und Rußland können das olympische Gold im Kampf gegen den Terror anstreben“. Darin erinnert sie daran, daß sie schon Anfang September geschrieben hatte, daß Rußland und der Westen sich gegen die radikalen Islamisten verbünden könnten. Nun könne es wegen der Welle islamistischer Terroranschläge „früher als erwartet“ dazu kommen. Putin „sollte das Gold im antiterroristischen Fünfkampf“ anstreben. „Dieses Zusammentreffen der Ereignisse - der syrische Konflikt, die Olympiade in Sotschi und der derzeitige islamistische Terrorismus - bringt Rußland in die Lage, die Führung übernehmen zu können.“ Sie schloß: „Es scheint, als könnte die Menschheit von einer russisch-amerikanischen Zusammenarbeit nur profitieren - natürlich im Geiste der Spiele und der internationalen Sportlichkeit.“
Der frühere hohe Pentagon-Beamte Dov Zakheim schrieb am 3. Januar in einer Kolumne mit der Überschrift „Washington und Moskau: Waffenbrüder?“ in der Zeitschrift The National Interest: „Washingtons Ankündigung, es sei bereit, Rußland beim Schutz der Olympiade in Sotschi zu helfen, schafft eine Gelegenheit, über die Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terror hinauszugehen, trotz der störenden Realität des selbstauferlegten Exils von Edward Snowden in Rußland.“ Zakheim beschreibt dann die von Tschetschenien und Dagestan ausgehende Bedrohung sowie die führende Rolle von Tschetschenen in der syrischen Opposition und sagt: „Die Russen haben Recht behalten, als sie vor zwei Jahren sagten, die syrische Opposition werde von den Extremisten beherrscht sein.“ Da Obama zögere, seine Macht im Nahen Osten einzusetzen, sei eine zunehmende Koordinierung mit Moskau in der Terrorbekämpfung sehr zu empfehlen, „nicht nur in Bezug auf die Winterolympiade, sondern auch im Bestreben, die Bedrohung durch radikale Sunniten im gesamten Nahen Osten zu reduzieren, einschließlich und sogar ganz besonders in Syrien.“ Außerdem spreche vieles „für eine Zusammenarbeit der Regierung mit Rußland in Bereichen, die über die Terrorbekämpfung hinausgehen“.
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