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Neue Solidarität
Nr. 18, 4. Mai 2016

Neues Unternehmen Barbarossa der NATO:
Was hat die Bundeswehr in Litauen verloren?

Von Helga Zepp-LaRouche

Betrachtet man die diversen Aktivitäten der NATO gegenüber Rußland sowie der US-Streitkräfte gegenüber China, dann ergibt sich das Bild einer auf Einkreisung und Provokation angelegten Politik, an deren Ende eigentlich nur die große Katastrophe stehen kann. Daß ausgerechnet die deutsche Regierung jetzt Bundeswehrsoldaten als Teil eines Tausend-Mann-Bataillons der NATO in Litauen stationieren will - 71 Jahre nach der vernichtenden Niederlage Hitlers bei seinem wahnsinnigen Feldzug gegen die Sowjetunion -, ist ein Skandal.

Nachdem Präsident Obama bereits im Vorfeld seines jüngsten Besuchs in Hannover signalisiert hatte, daß er von Deutschland ein größeres militärisches Engagement und Finanzleistungen fordert, hatte Bundeskanzlerin Merkel nichts besseres zu tun, als „hinter verschlossenen Türen“ den Beitrag der Bundeswehr bei der weiteren Ostexpansion der NATO während des sogenannten Minigipfels der Regierungschefs Großbritanniens, Frankreichs, Italiens mit Obama in Hannover zuzusichern. Endgültig beschlossen werden soll diese „ständig rotierende“ Mission auf dem kommenden NATO-Gipfel in Warschau Anfang Juli, bei dem ebenfalls eine ganze Reihe von weiteren offensiven Maßnahmen gegen Rußland in Gang gesetzt werden sollen.

Auf der Moskauer Sicherheitskonferenz, die soeben stattfand, warnte der russische NATO-Botschafter Alexander Gruschko vor den Konsequenzen der Konfrontationspolitik der NATO an ihrer Ostflanke, wie der sogenannten permanenten Truppenrotation (von der die Bundeswehr-Truppenentsendung nun ein Teil werden soll), der dauerhaften Verlegung schwerer Waffensysteme in diverse osteuropäische Staaten, ununterbrochener Manöver, kontinuierlicher Überwachung des Luftraums, Verstärkung von Marineeinheiten in der Ostsee und im Schwarzen Meer. Bei den jüngsten Zwischenfällen in der Ostsee, bei denen russische Kampflugzeuge rund 120 km vor der Küste der russische Exklave Kaliningrad an dort operierende US-Kriegsschiffe heranflogen, brachte die amerikanische Seite das sogenannte „anti access/area denial“ (A2AD) ins Spiel, unter dem Vorwand, Rußland verweigere den freien Zugang zur militärischen Unterstützung der baltischen Staaten - in Wirklichkeit wurde damit das Recht Rußlands auf Selbstverteidigung in unmittelbarer Nähe seiner Grenzen in Frage gestellt.

Ebenfalls in Vorbereitung sind militärische Brigaden, die sich jeweils aus Truppen von Bulgarien, Rumänien und der Ukraine bzw. Litauen, Polen und der Ukraine zusammensetzen. Auch der Ausbau des US-Raketenabwehrsystems in Osteuropa geht voll weiter, obwohl nach dem „P5+1“-Abkommen mit dem Iran jeglicher Vorwand, daß dieses System der Verteidigung gegen iranische Raketen dienen soll, entfallen ist; es ist ganz klar darauf orientiert, die russische nukleare Zweitschlagskapazität auszuschalten.

Warum so gut wie niemand in Deutschland die Frage stellt, warum die Obama- Administration in den kommenden Jahren eine Billion Dollar (!) für die Modernisierung des gesamten amerikanischen Kernwaffenarsenals - einschließlich der in Deutschland stationierten taktischen Nuklearwaffen B61-12 - ausgeben will, die diese (zusammen mit Tarnkappenbombern) „einsatzfähiger“ machen soll, wie jüngst in einer Anhörung des US-Senats mit Senatorin Feinstein festgestellt wurde, das ist nur mit kollektiver Paralyse und Gedächtnisverlust zu erklären. All dies findet immerhin in einem Umfeld statt, das Militäranalysten wie Ted Postol oder Hans Kristensen als gefährlicher als den Höhepunkt des Kalten Krieges, also die Kubakrise bezeichnen, weshalb Persönlichkeiten wie Michail Gorbatschow oder der verstorbene Helmut Schmidt vor nicht allzu langer Zeit vor dem Dritten Weltkrieg gewarnt haben.

Dieses Mal gehen der vorauseilende Gehorsam von Frau Merkel und die Vasallentreue karrieresüchtiger Militärs zu weit. Die zunehmende Beteiligung Deutschlands an der Einkreisungsstrategie der NATO gegen Rußland, bei der die NATO schließlich bis an die Grenzen Rußlands heranrückt, und nicht umgekehrt - der russische Außenminister Lawrow sprach von einem „schmutzigen Versuch, die Wahrheit auf den Kopf zu stellen“ -, setzt die Existenz Deutschlands aufs Spiel, von dem im Ernstfall eines nuklearen Krieges nichts übrigbleiben und niemand am Leben bleiben würde. Und niemand kann uns weismachen, daß Frau Merkel, Frau von der Leyen und die Bundeswehrführung dies nicht absolut wissen müssen.

Zu den NATO-Operationen gegen Rußland hinzu kommen die ebenfalls eskalierenden Provokationen der US-Streitkräfte gegenüber China - wobei die USA auf die „Freiheit der Meere“ im Südchinesischen Meer pochen, die in Wirklichkeit von China nicht ein einziges Mal behindert worden ist -, mit den so begründeten, das chinesische Territorium verletzenden Überflügen über die umstrittenen Inseln und Riffs, der Versuch, die Krise um Nordkorea auszunutzen, um das China und Rußland bedrohende THAAD-Raketensystem in Südkorea zu stationieren, und die Entsendung von weiteren 250 Soldaten der US-Sondereinsatztruppen nach Syrien ohne Einladung durch die syrische Regierung, ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates und ohne die laut der amerikanischen Verfassung notwendigen Befugnis durch den amerikanischen Kongreß.

All dies sind Elemente einer Politik des äußersten Risikos. Sind sie darauf angelegt, Rußland und China in die Falle zu locken und Reaktionen zu provozieren, die dann als Vorwand für großangelegte Strafaktionen benutzt werden können? Handelt es sich um den Aufmarsch für den Erstschlag, wie es den verschiedenen Doktrinen wie Prompt Global Strike oder Air-Sea Battle entspricht? Glaubt man allen Ernstes, daß die Kosten für eine neue Rüstungsspirale in Kombination mit Farbrevolutionen Regimewechsel in Moskau und Beijing bewirken werden, weil sich die Bevölkerung gegen Wladimir Putin und Xi Jinping erheben wird? Alle diese Varianten sind wahnsinnig. In allen Fällen wird die Auslöschung der Menschheit in einem globalen thermonuklearen Krieg riskiert.

Nicht Rußland und China sind das Problem, sondern die neoliberale Finanzpolitik, die der vermeintlichen Notwendigkeit einer imperialen Ausdehnung des transatlantischen Sektors zugrundeliegt. Das Festhalten an dieser Politik ist letztlich der Grund, warum niemand über die „Fluchtursachen“ der Flüchtlingskrise spricht, die das Resultat der auf Lügen gegründeten Kriege in Südwestasien ist, und einer Politik, die Afrika durch die berüchtigten IWF-Kreditauflagen die Entwicklung versagt hat. Diese Politik war es, die in vielen Teilen der Welt die Schere zwischen arm und reich auf unerträgliche Weise geöffnet hat, die dem Moloch der Hochrisiko-Spekulationen zum Nutzen weniger und auf Kosten vieler alles zu opfern bereit zu sein scheint. Und eben diese Politik ist hoffnungslos bankrott, wie die ebenso wahnsinnige Debatte um das „Helikopter-Geld“ demonstriert.

Alleine die Idee, daß wir uns 71 Jahre nach der Totalniederlage der Nationalsozialisten, die unendliches Leid über die russische Bevölkerung ebenso wie die vieler anderer Länder - nicht zuletzt unseres eigenen - gebracht hat, wieder an einem Unternehmen Barbarossa gegen Rußland beteiligen könnten, muß mit allem Nachdruck und in der Praxis zurückgewiesen werden. Wenn alle die jetzt geplanten Eskalationen, einschließlich der Gewährung des NATO-Sonderstatus für die Ukraine und Georgien (als „assoziierte Partner“), was von Rußland seit langem als rote Linie bezeichnet worden ist, der möglichen NATO-Mitgliedschaft Finnlands und Schwedens und der Entsendung von Bundeswehreinheiten nach Litauen, auf dem kommenden NATO-Gipfel beschlossen werden, dann befinden wir uns wahrscheinlich auf dem direkten Weg in die Hölle.

Wir müssen die verbleibenden zwei Monate nutzen, um die Alternative auf den Weg zu bringen, und das ist die „Win-Win“-Zusammenarbeit mit Rußland und China, ohne die keines der uns existentiell bedrohenden Probleme - die Kriegsgefahr, der drohende Finanzkrach, die Flüchtlingskrise oder der Terrorismus - zu lösen ist. Und wir können dem wahren Amerika keinen größeren Freundschaftsdienst erweisen, als auf dieser Zusammenarbeit zu bestehen.

Es gibt einen Ausweg. Wir müssen gemeinsam mit Rußland, China und Indien die Neue Seidenstraße ausbauen, für den wirtschaftlichen Aufbau Südwestasiens und Afrikas und den Wiederaufbau unserer eigenen produktiven Wirtschaft, und wir müssen Amerika klarmachen, daß wir nicht bereit sind, Selbstmord zu begehen, um ein Imperium zu erhalten, das sich durch eigenes Tun längst überdehnt hat. Für das Amerika von George Washington, Alexander Hamilton, Abraham Lincoln, Franklin D. Roosevelt und John F. Kennedy hingegen ist ein Ehrenplatz in der Völkergemeinschaft reserviert.