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Neue Solidarität
Nr. 29, 21. Juli 2016

„Die internationale Gemeinschaft verschließt ihre Augen“

S.E. Hamid Sidig, Botschafter und außerordentlicher Gesandter der Islamischen Republik Afghanistan in Deutschland, richtete bei der Berliner Konferenz des Schiller-Instituts die folgenden Grußworte an die Teilnehmer.

Sehr geehrte Frau Zepp-LaRouche, verehrte Kollegen und Freunde,

ich möchte meine Dankbarkeit zum Ausdruck bringen, Teil dieser sehr wichtigen Veranstaltung zu sein. In den letzten 30 Jahren hat das Schiller-Institut eine bedeutende Rolle dabei gespielt, die internationale Diskussion über die großen Fragen zu fördern, die die Zukunft der Welt gestalten.

Seit der Antike war die Seidenstraße ein Symbol für eine Arterie des Handels, die Asien und Europa miteinander verbindet und Wohlstand und kulturellen Austausch zum Nutzen aller beteiligten Länder schafft. Unsere heutige Konferenz hofft, an diese große antike Tradition anzuknüpfen, indem sie Wissenschaftler und Politiker zusammenbringt, um eine Neue Seidenstraße zu entwickeln und den Prozeß des Heilens und der Regeneration dieser sehr wichtigen Region Zentralasien zu beginnen.

Unsere Vision ist es, ein sicheres und friedliches Leben in unserer Region zu schaffen und damit Tausenden von Flüchtlingen zu erlauben, in ihre Heimat zurückzukehren und ihre Gemeinden wiederaufzubauen. (Applaus.) Diese Konferenz soll die Möglichkeiten betrachten, wie wir eine solche Zukunft gestalten können: eine Zukunft auf der Grundlage wirtschaftlicher, sozialer, politischer und kultureller Kooperation, die Eurasien jene Stabilität und Prosperität bringt, die so dringend notwendig ist.

Wir sollten dabei die höchst wichtige Frage der Sicherheit und der Beherbergung von Elementen, die die ganze Region destabilisieren, nicht vergessen. Ich meine, diese Leute – und die Länder, die Terroristen und Aufständischen im Namen der Religion beherbergen – sind ein Faktor der Instabilität in dieser Region. Und das Tun solcher Länder sollte aufgedeckt werden.

Ich glaube, daß wir Infrastruktur und Wege aufbauen sollten, um diese Vision u.a. durch die Ankurbelung des Handels zu verwirklichen. Auf der praktischen Ebene müssen wir neue Eisenbahnen bauen, darunter auch Hochgeschwindigkeitsbahnen, und neue Quellen grüner und sicherer Energie ins Auge fassen, neue Technologien und Erfindungen erforschen, insbesondere im IT-Sektor, um unseren Erfolg zu fördern, und schließlich faire Handelsabkommen für den Wettbewerb auf den internationalen Märkten schaffen.

Unsere Vorfahren waren mit ihren begrenzten Technologien und Standards in der Lage, diesen wichtigen Handelsweg über mehr als 1000 Jahre aufrecht zu erhalten. Deshalb sollten wir heute in der Lage sein, ihn nicht nur wieder aufzubauen, sondern ihn zu einer wirtschaftlichen und kulturellen Fernstraße für das kommende Millenium zu machen.

Wenn wir uns heute eine solche, bessere Zukunft vorstellen, dann können wir sie gemeinsam zur Realität von morgen machen.

Ich will hier keine lange Rede halten, aber abschließend möchte ich noch eine Bemerkung machen zu einem Thema, das in letzter Zeit sehr wichtig geworden ist: die Flüchtlinge. Ich komme aus einem Land, das seit Anfang der 1980er Jahre, nach der sowjetischen Invasion, zu einem Land geworden ist, aus dem die junge Generation und ganze Familien weggehen. Sie gehen, obwohl alle diese Menschen ausgebildet wurden und Afghanistan sie sehr dringend braucht.

Nun lautet meine Frage an die internationale Gemeinschaft: Warum ist Afghanistan, trotz all der Milliarden von Dollars an Unterstützung und Beiträgen aus den Vereinigten Staaten, der Europäischen Union, von regionalen Mächten wie China, Indien und Katar, immer noch unruhig, und warum verläßt die junge Generation das Land? Und das sogar noch viel schlimmer als zur Zeit der sowjetischen Invasion Afghanistans! Während der sowjetischen Invasion betrug die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kamen, 46.000 – innerhalb eines ganzen Jahrzehnts. Jetzt kamen allein innerhalb von anderthalb Jahren oder einigen Monaten mehr als 185.000 Afghanen nach Deutschland. Das kann man nicht abstreiten. Aber was ist der Grund dafür? Warum kommt die junge Generation?

Ich erlebe es jeden Tag – jeden Tag! –, daß Hunderte von jungen Menschen zu uns in die Botschaft kommen, um neue Pässe zu beantragen. Wir helfen ihnen natürlich. Und es sind einige unter ihnen, die langweilen sich hier in Deutschland und wollen gerne zurück, und wir geben ihnen einen Passierschein.

Aber auf die Frage, die ich jedem von ihnen stelle, gibt es immer nur eine Antwort: Sie gehen nicht wegen der Armut aus Afghanistan weg, sie gehen nicht aus Afghanistan weg aus Mangel an Arbeit. Sie gehen weg wegen der Sicherheit. Eltern verkaufen ihre Häuser und ihr Eigentum, und übergeben es den Mafias, damit sie ihre Kinder aus dem Land bringen.

Seit mehr als 40 Jahren ist Afghanistan im Krieg. Die Zeit der Sowjetunion ist vorüber. Aber was ist jetzt? Wie kommt es, daß wir seit dem Abzug der Sowjets aus Afghanistan nicht zu einem normalen Leben zurückgefunden haben? Ich denke, die internationale Gemeinschaft hat ihre Augen verschlossen und will die Realität dessen, was vor sich geht, nicht wahrnehmen. Welche Länder beherbergen Terroristen, welche Länder schaffen Madrasas [Koranschulen, d. Red.] für diese Terroristen? Welche Länder haben die Ausbildungslager? Und welche Länder geben diesen Leuten Waffen und schicken sie zu uns?

Jeden Tag verlieren in Afghanistan Hunderte von jungen Menschen im Namen der Taliban oder unter irgendeinem anderen Namen ihr Leben.

Und schließlich, wo sind diese Terroristen? Wo findet sie die internationale Gemeinschaft? Jeder weiß es, aber niemand versucht, das Problem in unserer Region zu lösen. Vielleicht sind all diese Probleme, die über Afghanistan kommen, der Grund dafür, daß diese Menschen davonlaufen. Ich hoffe, daß die internationale Gemeinschaft eines Tages eine wirkliche Lösung findet, und einen wirklichen Grund, warum dies so ist.

Meine Damen und Herren, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.