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Neue Solidarität
Nr. 49, 8. Dezember 2016

Ein Besuch in Serbien: Optimismus mit der Neuen Seidenstraße

Elke und Klaus Fimmen waren kürzlich in Serbien, um dort über die Fortschritte der chinesischen Initiative der Neuen Seidenstraße zu berichten und politische Gespräche zu führen.

Mit der „Seidenstraßen“-Politik Chinas entsteht für die Länder Mitteleuropas und des Balkans eine reale neue Zukunftsperspektive, wie eine Delegation des Schiller-Instituts bei einem Aufenthalt Ende November in Serbien feststellen konnte. Anlaß des Besuchs war eine Einladung der Ökonomenvereinigung aus Novi Sad, vor der Wirtschaftsfakultät der dortigen Universität einen Vortrag über „Die Neue Seidenstraße - regionale und globale Entwicklungs- und Friedenspolitik“ zu halten, da das Schiller-Institut seit langem in Serbien für sein Programm der „Eurasischen Landbrücke“ und der Seidenstraße bekannt ist. Außerdem gab es Gelegenheit zu Treffen und intensivem Gedankenaustausch mit Ökonomen, Vertretern von akademischen Institutionen und anderen Vereinigungen, die ihren Respekt und Wertschätzung für die Arbeit des Schiller-Instituts zum Ausdruck brachten.

Ganz im Unterschied zu Deutschland findet in Serbien auf vielen Ebenen eine ernsthafte Beschäftigung mit allen Aspekten der Seidenstraßenstrategie statt. Erstmals in der Geschichte, so ein früherer Politiker im Gespräch, habe Serbien nun die Chance, seine geographische Position und sein Potential positiv in der Welt einzubringen, statt wie bisher - und das über Jahrtausende - ein Spielball geopolitischer Interessen zu sein. Ein führender Intellektueller, der selbst mehrere Untersuchungen zur Seidenstraße und Serbien veröffentlicht hat, betonte, er stimme völlig mit Frau Zepp-LaRouche überein, daß es sich bei der Neuen Seidenstraße um ein neues Paradigma und eine globale Veränderung handle.

Natürlich war auch das Resultat der US-Präsidentschaftswahl ein wichtiges Gesprächsthema. Serbischen Medien hatten vor der Wahl „virtuelle Abstimmungen“ durchgeführt, bei denen sich über 90 Prozent der Befragten für Trump aussprachen. Hillary Clinton verkörpert hier in der öffentlichen Wahrnehmung die zerstörerische Politik der NATO, Aggression und Regimewechsel. Die Aussicht auf vernünftige Beziehungen zwischen den USA und Rußland, auf ein Ende des Syrienkrieges und eine globale Politik der Kooperation statt der verheerenden Geopolitik, auf all das setzen die Menschen in Serbien jetzt ihre Hoffnung. Großes Interesse fand auch der Kampf in den USA für die Durchsetzung des Glass-Steagall-Gesetzes und von Lyndon LaRouches Vier Gesetzen zur Überwindung des drohenden Kollapses des transatlantischen Finanzsystems. Die New-Deal-Kreditpolitik der Roosevelt-Administration und die Bedeutung der Kreditanstalt für Wiederaufbau in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg sind in Serbien bekannte historische Bezugspunkte. Die EU mit ihrem Austeritätsdiktat und ihrer Verhinderungspolitik gegenüber Infrastruktur- und anderen produktiven Projekten hingegen wird im wesentlichen als Störfaktor wahrgenommen, da die EU permanenten „Reform“-Druck auf den Beitrittskandidaten Serbien ausübt, was die wirtschaftliche Entwicklung des Landes verhindert.

Ganz im Gegensatz dazu gibt es im Rahmen der Initiative 16 ost- und mitteleuropäischer Länder (CEEC) mit China,1 aber auch auf bilateraler Ebene große Fortschritte bei der Kooperation. So unterzeichnete China beim kürzlichen CEEC-Treffen in Riga eine bahnbrechende Vereinbarung über Visafreiheit zwischen beiden Ländern ab Januar 2017, und die Bank of China wird ebenfalls ab Januar in Belgrad präsent sein. Außerdem wurden in Riga die letzten Feinheiten für die Hochgeschwindigkeits-Bahnstrecke Belgrad-Budapest geklärt, so daß jetzt mit den Bauarbeiten für die Modernisierung der insgesamt 350 km langen Strecke, davon 184 km in Serbien, begonnen werden kann. Die Reisezeit zwischen beiden Hauptstädten soll sich von jetzt acht auf drei Stunden verkürzen. Auch den internen Bahnverkehr in Serbien ist dies von großer Bedeutung: Für die ca. 80 km lange Teilstrecke von Belgrad nach Novi Sad braucht der Zug heute noch gut zwei Stunden.

Serbien liegt an einem wichtigen Kreuzungspunkt zwischen dem Wirtschaftsgürtel der Seidenstraße wie auch der Maritimen Seidenstraße des 21. Jahrhunderts. Der griechische Hafen Piräus, an dem Chinas Großreederei COSCO im April einen Mehrheitsanteil erworben hat, soll das Hauptterminal der Maritimen Seidenstraße für chinesische Güter werden, die nach Europa verschifft werden. Dafür sind neue Bahnstrecken durch Ungarn, Serbien, Makedonien und Griechenland, ebenso wie der Ausbau und die Schaffung neuer Wasserwege (wie etwa der Donau-Morava-Vardar-Kanal oder der Donau-Oder-Elbe-Kanal) ganz entscheidend.

Chinas wachsendes Engagement in Serbien

China investiert jetzt in Projekte und wichtige Industriebereiche Serbiens, die jahrzehntelang durch geopolitische Kriege und die Schocktherapie nach 1989 zerstört wurden. Beim Staatsbesuch von Präsident Xi Jinping im Sommer dieses Jahres hatten China und Serbien insgesamt 21 Abkommen über Handel, Infrastrukturausbau und andere Bereiche unterzeichnet. Das symbolträchtigste Projekt der Verbundenheit ist die von China bereits fertiggestellte Pupin-Brücke über die Donau in Belgrad, die beim NATO-Krieg gegen Jugoslawien 1999 zerstört worden war. (Damals war auch die chinesische Botschaft in Belgrad von NATO-Flugzeugen „versehentlich“ bombardiert worden.) China und Serbien haben schon 2009 ein Abkommen über eine strategische Partnerschaft geschlossen, die 2016 zu einer „umfassenden strategischen Partnerschaft“ aufgewertet wurde.

Ein wichtiges Projekt ist der Kauf des großen Stahlwerks Smederevo mit gegenwärtig ca. 3000 Beschäftigten durch die chinesische Hesteel-Gruppe. Neben der längst überfälligen Modernisierung des Betriebs ist auch eine Nutzung vorhandener Hafenanlagen an der Donau geplant, die seit langem brach liegen. Die EU versucht, die Genehmigung für den chinesischen Kauf möglichst lange herauszuzögern; es handelt sich jedoch um eine Formalität, denn alle Auflagen (Anti-Dumping etc) sind erfüllt. In Belgrad ist die Errichtung eines Industrieparks mit der Ansiedlung von Hightech-Firmen geplant, der ebenfalls mit einem neuen Hafen an der Donau kombiniert werden kann. Außerdem ist die Erschließung einer der größten europäischen Kupfer-, Silber- und Goldminen in Bor geplant, deren Potential bisher bei weitem nicht ausgeschöpft wurde.

Einige sehen die moderate Erhöhung des Wachstums des Bruttoinlandsproduktes von 2 auf 3 Prozent bereits als Auswirkung der chinesisch-serbischen Zusammenarbeit - bei Investitionen von über 1 Mrd. Dollar im Energie- und Industriebereich. Doch liegt die industrielle Produktion immer noch weitestgehend danieder, während es einen überproportional großen Dienstleistungssektor gibt. Der wichtigste Wirtschaftszweig ist die Landwirtschaft einschließlich Lebensmittelverarbeitung. Serbien sei das einzige Land in Europa, so formulierte einer unser Gesprächspartner etwas salopp, in dem die Landwirtschaft den Staat stützt, während in allen anderen Ländern der Staat die Landwirtschaft stütze.

Die offizielle Arbeitslosigkeit liegt bei 16%, ist aber mit Sicherheit um einiges höher, wobei mehr als die Hälfte der Arbeitslosen unter 30 Jahre alt sind. Die meisten Studenten finden nach ihrem Studium keine angemessene Beschäftigung und müssen sich mit niedrig bezahlten Gelegenheitsjobs durchschlagen oder ihr Glück im Ausland finden. Das Durchschnittseinkommen ist sehr niedrig, so verdient etwa ein Kellner in Novi Sad 200 € monatlich, während die Lebenshaltungskosten bei 500 € liegen. Diejenigen, die vom Land in die Städte kommen, um dort Arbeit zu finden, haben auch dort keine Perspektive.

Daß es bei der Neuen Seidenstraße um nichts weniger als die Schaffung eines völlig neuen Paradigmas von Fortschritt und Aufbau geht, stand im Zentrum der Diskussion nach dem Vortrag vor der Wirtschaftsfakultät in Novi Sad, an der etwa 50 Studenten, Mitglieder des Lehrkörpers und andere Ökonomen teilnahmen. Elke Fimmen kontrastierte Chinas Erfolg, 700 Millionen Menschen aus der Armut zu befreien, das gigantische Infrastrukturprogramm Chinas und die damit verbundene Kreditpolitik mit dem Bankrott des transatlantischen Finanzsystems und der zerstörerischen Austeritätspolitik der EU. In den Fragen wurde großes Interesse daran deutlich, das Konzept und die sich daraus ergebenden Chancen der Neuen Seidenstraße zu verstehen. Neu war vielen Chinas Betonung von Hochtechnologie, Raumfahrt und Kernfusion als Wissenschaftsmotor und Voraussetzung einer neuen Produktivitätsplattform für die Weltwirtschaft - eine völlig neue optimistische Perspektive für junge Menschen, die im alten Paradigma ihre Kreativität nie würden verwirklichen können.

Deutschland hat jetzt eine Riesenchance, im Rahmen der „Win-Win-Strategie“ der Neuen Seidenstraße beim Aufbau Serbiens und der Balkanländer mitzumachen und endlich die Hoffnungen zu erfüllen, die viele immer noch in unser Land setzen.

Elke und Klaus Fimmen


Anmerkung

1. Bereits 2012 initiierte China die sog. 16+1-Gruppe der mittel- und osteuropäischen Länder (CEEC). Dazu gehören Albanien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland, Litauen, Makedonien, Montenegro, Polen, Serbien, Slowakei, Slowenien, Rumänien, die Tschechische Republik und Ungarn. Mit diesen Ländern soll vor allem die Kooperation bei Investitionen, Transport, Finanzen, Wissenschaft, Erziehung und Bildung und Kultur intensiviert und ausgebaut werden. Die zentrale Region von der Ostsee bis zur Adria und zum Schwarzen Meer ist ein integraler Teil des „Grand Designs“ Chinas, Europa und Asien mit einer „Win-Win-Strategie“ gegenseitige Entwicklung anzubieten. Die CEEC-Staaten spielen schon allein aufgrund ihrer geographischen Nord-Süd-Lage quer durch Europa eine entscheidende Rolle.