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Neue Solidarität
Nr. 51-52, 22. Dezember 2016

Meine frühe Begegnung mit Leibniz:

Über die Monadologie

Von Lyndon LaRouche

Gleich zwei Gedenktage erinnerten in diesem nun zuendegehenden Jahr an den großen Philosophen und Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz: der 370. Jahrestag seiner Geburt am 1. Juli 1646, und der 300. Jahrestag seines Todes am 14. November 1716. Aus diesem Anlaß veröffentlichen wir hier noch einmal eine Schrift des amerikanischen Ökonomen Lyndon LaRouche - dem Gründer der politischen Bewegung, als deren Sprachrohr sich die Neue Solidarität versteht -, welche die besondere Bedeutung des Gedankenguts von Leibniz für den Denker und Staatsmann LaRouche verdeutlicht. Sie erschien ursprünglich am 22. Januar 2008 im englischen Original und im April 2008 erstmals in deutscher Übersetzung in dieser Zeitung.

In meinem heutigen Alter von 85 Jahren habe ich mir ein freudig lebensfrohes Gefühl für meine wahrscheinlich noch verbleibenden produktiven Jahre bewahrt. Dennoch wage ich nicht, die Weisheit zu ignorieren, daß man jetzt besser sagt, was man an Wichtigem gesagt haben sollte, solange man noch die Möglichkeit dazu hat. Daher halte ich es für meine Pflicht, einige der wichtigsten tieferen Wurzeln der kostbarsten Konzepte darzustellen, die für den Gebrauch der intellektuell führenden Schicht der heutigen Generationen von Heranwachsenden und jungen Erwachsenen dringend erforderlich sind. Die zentralsten, grundlegenden und denkwürdigsten tieferen Wurzeln meiner heute erfahrenen Sicht gehen auf meine Reaktion auf die Beschäftigung mit Gottfried Leibniz’ Konzept der Monadologie seit meiner Jugend zurück.

Gemälde von Andreas Scheits
Gottfried Wilhelm Leibniz
EIR/Christopher Lewis
Lyndon H. LaRouche

Mit diesem Thema möchte ich mich hier im wesentlichen befassen.

Es gibt bestimmte Ideen, die ich - als wäre jede einzelne von ihnen ein Gedicht1 - als Erbe insbesondere in die Hände meiner Ehefrau Helga legen möchte, mit der ich in dieser Hinsicht etwas sehr Wertvolles teile; alle diese Fragen, wie meine Entdeckung der Bedeutung von Leibniz’ Monadologie in meiner Jugend, müssen aber auch das gemeinsame Gut insbesondere all jener meiner Mitarbeiter werden, die sich verpflichtet haben, sich im gleichen Sinne zum Wohl der gesamten heutigen und zukünftigen Menschheit einzusetzen.

Der Text der Monadologie ist für denjenigen, der ihren genialen Geist aufspüren will, natürlich verfügbar;2 aber wie ich ihn erlebt habe und seiner Bedeutung in den Jahrzehnten seit meiner Jugend immer weiter nachgegangen bin, das ist eine Erfahrung, die man unter lebenden Personen, deren Weltanschauung von den verbliebenen kulturellen Überresten der europäischen Zivilisation der Zeit nach 1968 geprägt ist, nur selten antrifft. Das wird auch der verbreitete Zustand bleiben, bis sich mehr unter uns so wie ich anstrengen, um anderen, besonders der sich jetzt herausbildenden jungen Führungsgeneration, ein Gefühl jenes spezifischen prometheischen Funkens zu vermitteln, mit dem sich Männer und Frauen von den Ketten des Sophismus befreien können.

Wie ich auf Riemann stieß

Meine erste bedeutsame und bleibende Begegnung mit Gottfried Leibniz’ Werk war wie eine geistige Eruption in meinen Jugendjahren, im Zusammenhang mit einer Art Guerillakrieg, den ich gegen den Kult der Euklidischen Geometrie führte. Diese Eruption fand während meines 14. und 15. Lebensjahres statt. Obwohl ich Leibniz’ Monadologie damals in englischer Übersetzung las, war sie in dem Zusammenhang das erste Werk, zu dem ich mich ernsthaft und dauerhaft hingezogen fühlte - ich ahnte, daß dort etwas vorhanden war, was mein ganzes Selbst umfaßte.

Es war dieses Thema, das in meinen Eintragungen, die ich während der Schulferien in diesen Jahren in meine Notizhefte kritzelte, die meisten Seiten füllte. Die Monadologie mit ihrer spezifischen Argumentationsweise packte mich insbesondere wegen ihrer Bedeutung für meine bereits entschiedene Ablehnung der gängigen Lehre von der sogenannten ebenen Euklidischen Geometrie, später der Körpergeometrie und noch später der sog. kartesischen („analytischen“) Geometrie und der verfälschten Cauchy-Version der Differentialrechnung.

Immanuel Giel/wikipedia/cc-by-sa
Die Fachwerkstruktur des Eiffelturms illustriert die Entdeckung, die Lyndon LaRouche in seiner Jugend bei einem Besuch der Charlestown-Werft der US-Marine in Boston machte: daß die Euklidische Geometrie im physischen Universum nicht gilt.

Ich habe das in zahlreichen Vorträgen und Schriften zu diesem Thema, vor allem in den letzten vier Jahrzehnten, schon immer wieder kurz angesprochen: Meine Ablehnung Euklids bei meiner ersten Begegnung mit dieser Lehre in der Schule beruhte auf Schlußfolgerungen aus der Beschäftigung mit Bautechniken, die ich zuvor auf der Charlestown-Werft der US-Marine in Boston beobachtet hatte. Mir war auf dieser Werft besonders aufgefallen, wie Träger gestaltet wurden, um das Verhältnis des Gewichts tragender Teile zum Gesamtgewicht der getragenen Strukturen zu erhöhen, indem man die richtige Formgebung für die Träger und ihre Gesamtstruktur wählte.3

In Erinnerung an diese wichtige Erfahrung aus der Marinewerft war ich nach der ersten Stunde meines Geometrieunterrichts zu recht davon überzeugt, daß die reduktionistische Methode hinter Euklids sogenannten apriorischen Definitionen, Axiomen und Postulaten vom Wesen her (d.h. axiomatisch) falsch war. Diese Überzeugung wuchs in späteren Jahren zu der Erkenntnis, daß der Ursprung von Euklids Schwindel im Einfluß des Sophisten Aristoteles auf seinen Anhänger Euklid gesucht werden mußte.

Diese frühere Erfahrung sorgte dafür, daß ich die Lehre der analytischen Geometrie, wie ich sie später an der Schule und Hochschule erfuhr, geradezu allergisch ablehnte, und daß sich mein Geist weigerte, die axiomatischen, reduktionistischen Annahmen zu tolerieren, die man mir in den ersten Jahren an der Universität als Differentialrechnung eintrichtern wollte. Die Beweise verursachten eine fast allergische Reaktion gegen eine Differentialrechnung im Sinne der Lehren von Laplace und Cauchy. Erfreulicher, wenn auch bald unterbrochen, war die Erfahrung mit bestimmten Aspekten eines Kurses über Integralrechnung an der Universität im Herbst 1942 während des Krieges; er lieferte, wenn auch leider nur kurz, eine starke Bestätigung der Sicht, zu der ich einige Jahre zuvor gelangt war. Daraus entstand meine Erkenntnis der Notwendigkeit eines wirklichen Leibnizschen Kalkulus auf der Grundlage einer bewußten, wirksamen Ablehnung des axiomatisch reduktionistischen, sophistischen, aristotelischen Modells von Euklid.

Ebendiese angesammelten Erfahrungen der Zeit von 1936-42 sorgten nach dem Krieg 1946-47 für meine Reaktion auch auf andere Fragen, etwa die üblen reduktionistischen Ansichten von Verbrechern wie Aristoteles und Euklid über Grundfragen des Lebens. Schon damals sah ich im Leben eindeutig eine notwendigerweise ontologisch ganz spezifische Form der Existenz - etwa bei meiner kurzzeitigen Sympathie für Pierre Le Comte du Noüy und in meiner späteren Reaktion gegen die radikal reduktionistische4 Verpestung durch Prof. Norbert Wieners kultische Quacksalberei der „Informationstheorie“. In der Folge veranlaßten mich meine Überlegungen über die Grundfehler der „Informationstheorie“ 1953, den Standpunkt von Bernhard Riemanns Habilitationsschrift von 1854 zu übernehmen: ein Werk Riemanns, dessen ersten beiden Druckseiten damals aus wohl offensichtlichen Gründen ausreichten, meine Seele zu berühren und anzuregen, so wie auch wieder bei der Vorbereitung dieser Schrift heute.5

Diese Erfahrung führte anschließend dazu, daß ich mich zunehmend zu den griechischen Philosophen hingezogen fühlte, die von einigen akademischen Formalisten unter der oft völlig irreführenden Bezeichnung „vorsokratisch“ eingeordnet werden.6 Über die Jahre wurde daraus eine Vorliebe für die historischen Fundamente der modernen Naturwissenschaft bei Nikolaus von Kues, Kepler, Fermat, Leibniz, Riemann, Wernadskij und auch Albert Einstein in seinen späteren Jahren. Diese besondere Vorliebe betrifft auch den eigentlichen Kern der Kontinuität der voraristotelischen (nicht „vorsokratischen“!) Ansichten Platons u.a. gegen Sophisten wie Aristoteles und dessen bekannteste Anhänger in der Wissenschaftsgeschichte wie die antiken Sophisten Euklid und Claudius Ptolemäus sowie deren neuzeitliche Nachfolger, die Ockham-Liberalen des Paolo Sarpi.

Insofern ist die von mir bezogene Sicht eine anti-aristotelische, platonische; diese zeigt sich für mich besonders klar und durchgängig bei den bedeutendsten christlichen Aposteln wie Johannes und Paulus sowie in den Angriffen von Zeitgenossen dieser Apostel wie Rabbi Philon (Judäus) von Alexandria, der dem Apostel Petrus nahestand, auf Aristoteles.

So war für es mich eine höchst eindrucksvolle Erfahrung, wie mein Geist mit immer neuen Entdeckungen in Berührung kam, wenn ich zum wiederholten Male eine englische Übersetzung von Leibniz’ Monadologie las, wie in der alten Zeit, als ich zum Lernen oft im zweiten Stock der Bibliothek der English High School in Lynn (Massachusetts) saß. Zusammengenommen bildeten diese wiederholten Betrachtungen eine Erfahrung, als wenn man mit immer weiteren Schlägen ein gläsernes Gefängnis zertrümmert, eine Art geistiges Gefängnis in Form der Illusionen des damaligen „Zeitgeistes“, so daß mein Geist frei wurde, das wahre Universum jenseits der Fallgruben gängiger Indoktrinierung zu erforschen.

Die Frage der Astrophysik

Zu den Folgen meiner frühen Ablehnung Euklids gehörte, daß ich Jahrzehnte später, in den siebziger Jahren und Anfang der achtziger Jahre, zu dem Schluß gelangte, daß der menschliche Geist die Idee des „Universellen“ nur auf eine Weise zum ersten Mal hatte wahrnehmen können - indem diese Vorstellung innerhalb alter Seefahrerkulturen über lange Zeitabschnitte vieler aufeinanderfolgender Generationen im Zuge von Herausforderungen wie der Navigation auf hoher See entstand. Diese Schlußfolgerung war nicht nur schlüssig, sie war auch von entscheidender epistemologischer Bedeutung für meine gesamte Arbeit, insbesondere prägte sie den Hintergrund meiner Weiterentwicklung einer eigenen, verbesserten Form einer Wissenschaft der physischen Ökonomie.

Für mich war daran das Entscheidende, daß sich bei diesen Seefahrerkulturen, die sich nach unserer Erkenntnis über eine Spanne vieler Generationen von Navigationserfahrung entwickelten, etwas auf einer höheren Ebene veränderte, und dieser Prozeß der Veränderung beginnt erst heute seine eigentliche Ernte abzuwerfen.

Es geht um den Prozeß, daß sich Dinge auf eine Weise verändern, die man nicht als bloße ständige Wiederholung erklären kann.

Das gesamte Universum öffnete sich so meiner Vorstellungskraft als eines, dem ausdrücklich eine qualitative Entwicklungsbewegung universeller, antientropischer Art zugrunde liegt.7  Ich sah, daß sich über lange Zeiträume, lange, lange vor meiner Zeit insbesondere in den Seefahrerkulturen, die über den Wandel vieler aufeinanderfolgender Generationen hin an der Astronavigation arbeiteten, Veränderungen vollzogen, die so geordnet waren, daß es mit dem Denken eines typischen führenden Mitglieds einer solchen Kultur übereinstimmte. Aus diesem Grund sah ich mich genötigt, die Hauptrichtung für wissenschaftliches Vorgehen von einem Begriff bloßen Beobachtens und bloßer Wiederholung von Formeln wegzubringen (wie dies auch Kepler für seine Entdeckungen getan hatte), hin zu den fortschreitenden, qualitativen Veränderungen innerhalb von etwas, das zwar in grober Annäherung als Wiederholung erscheinen könnte, in Wirklichkeit aber nicht einfache Wiederholung ist, sondern Veränderung in den charakteristischen Merkmalen von Prozessen, in denen man sonst fälschlich sich scheinbar wiederholende Vorgänge sehen würde.

Mein diesbezüglicher Ansatz orientiert und definiert sich letztlich durch den immer wiederkehrenden Gedanken, daß das menschliche Wissen über das von uns bewohnte Universum den Charakter eines großen wissenschaftlichen Experiments hat - ein Experiment, das man sinnvollerweise auf die von der realen Wirtschaft gelieferten Fakten gründet. Dieses ebengenannte Prinzip lautet richtig ausgedrückt: Die Gültigkeit unseres bestimmbaren Wissens über die Natur unseres Universums ist bedingt durch die Belege für das Ausmaß der Fähigkeit des Menschen, dieses Universum bewußt zu verändern. Ich schreibe dies im Sinne des von Aischylos verteidigten Prometheus-Prinzips: Unser Wissen über das von uns bewohnte Universum ist bedingt durch unsere Fähigkeit, die Macht menschlicher Existenz in diesem Universum willentlich zu erhöhen. Unser Wissen über die Natur des Universums beruht somit auf Beweisen der Fähigkeit des menschlichen Geistes, durch Entdeckung wirklicher physikalischer Prinzipien willentlich realwirtschaftlichen Fortschritt der menschlichen Gattung als Ganzer in diesem Universum zu schaffen. Dies ist der einzig wesentliche Beweis, der für jede gültige Entdeckung und die Anwendung jedes wissenschaftlichen Prinzips erforderlich ist.

Man betrachte in der Hinsicht die funktionelle Bedeutung der antiken Pythagoräer, die in Anlehnung an Thales das pythagoräische Konzept der Sphärik vertraten, für die heute als kompetent anzusehenden Richtungen der neuzeitlichen europäischen Naturwissenschaft, die spezifisch in diesen Entwicklungen der Antike wurzeln. Hierin kommt eine entsprechende, lange vorgeschichtliche Evolution von Seefahrerkulturen zum Ausdruck, wie z.B. der Kulturen, deren Charakter die Geschichte und das Territorium des Ägyptens der Großen Pyramiden mitprägte. Aus diesem Erbe ging eine Kultur hervor, die mit ihrer kulturellen und realwirtschaftlichen Stärke pro Kopf und Quadratkilometer zur vorherrschenden Kultur in der Region wurde, und so entstand über kulturelle Synthese der Keim des Prinzips, aus dem das hervorging, was wir mit Recht die europäische (abendländische) Zivilisation nennen.

Alle kulturell definierten Teile der menschlichen Gattung besitzen so erwiesenermaßen die Fähigkeit, die potentielle relative Bevölkerungsdichte der Menschheit zu erhöhen, und zeigen dies auf eine Weise, die sich am besten vom pythagoräischen Standpunkt der Sphärik und Platons in der Antike abbilden läßt. Diese erwiesene Fähigkeit unterscheidet die menschliche Gattung grundsätzlich von allen anderen Gattungen - eine Besonderheit im Geist des menschlichen Individuums, definiert durch etwas quasi Unsterbliches im gesunden Geistesleben der Menschen, was das bloße biologische Dasein übersteigt, und diese Lebensweise existiert im Tierreich nicht.8 Entwickelte, fortschrittliche maritime Kulturformen erkennen dies eher als rein landeingeschlossene Kulturen. Man erkennt es am einfachsten an der Entwicklung der Naturwissenschaften, die sich als solche ganz natürlich auf ihre Ursprünge in vielen Jahrtausenden maritimer Kulturen zurückführen läßt. Diese Sicht liefert uns den relativ klarsten Einblick in den entscheidenden Unterschied zwischen Mensch und Tier.9

Zur Veranschaulichung sollte man die Entwicklung zur echten modernen Infinitesimalrechnung betrachten, angefangen mit dem von mir oben erwähnten Anstoß des Nikolaus von Kues bis hin zu Leonardo da Vinci, Fermat, Leibniz usw. Man beachte dabei den Gegensatz zur verfälschten Version des Kalkulus bei Empiristen wie Leonhard Euler, Joseph Lagrange, Laplace und Cauchy. Den gleichen systemischen krankhaften Einfluß dieser Empiristen sollte man an der ebenso falschen Lehre von der sog. „Thermodynamik“ erkennen, wie dies heute noch nicht nur wissenschaftsblinde alte „68er“ in der Anhängerschaft des betrügerischen ehemaligen US-Vizepräsidenten Albert Gore vertreten, sondern auch eher angesehene sog. „Reduktionisten“ der neueren Zeit wie Clausius und Grassmann oder später die noch übleren Anhänger des Mystikers Ernst Mach, des widerlichen Bertrand Russell u.a.

Heute möchte ich, im Rückblick auf meine Erfahrungen in über sieben Jahrzehnten, den Kern von Leibniz’ Monadologie wie folgt darstellen.

1. Der menschliche Geist

Percy Bysshe Shelley erinnerte uns, z.B. in seinem Prometheus Unbound, implizit an die neuzeitliche Wiederentdeckung des antiken Prinzips kompetenter Naturwissenschaft - manchmal auch „das Feuer“ genannt: In der Renaissance des 15. Jahrhunderts wurde es als moderne Wissenschaft neu entdeckt und insbesondere von Nikolaus von Kues begründet.10 Die fortdauernde Entwicklung der neuzeitlichen Naturwissenschaft hat dem Wissen um den Einfluß des erhaltenen Fragments von Aischylos’ Prometheus-Trilogie, Der gefesselte Prometheus, auf das sich Shelley bezieht, tatsächlich viel zu verdanken. Cusas Entdeckung, daß Archimedes’ Quadratur des Kreises physikalisch inkompetent war, hat sich als der Hauptgedanke aller kompetenten Definitionen der modernen Naturwissenschaft herausgestellt. Was Cusa entdeckte und die Verbreitung des „Wissens über das Feuer“ unter den Menschen, weswegen Prometheus in Aischylos’ Drama gemartert wird, ist ein und dieselbe Vorstellung.11

Diese Vorstellung ist die einzige angemessene Grundlage für eine allgemeine angewandte Naturwissenschaft. Also: Cusas Wiederentdeckung ist der Schlüssel zu jeder kompetenten modernen Wissenschaft, zu dem Wissenschaftsprinzip, wie es sich von Luca Paciolis Freund Leonardo da Vinci über Johannes Kepler, Fermat, Leibniz und Riemann bis in die Arbeiten der erklärten Riemann-Anhänger W.I. Wernadskij und Albert Einstein verbreitete. Es ist diese Vorstellung, die in der neuzeitlichen Wissenschaft auf Nikolaus von Kues zurückgeht, die als Grundprinzip in Leibniz’ Monadologie zum Ausdruck kommt und als solches verstanden werden muß. Sie drückt das wahre, einzigartige Geheimnis des menschlichen Geistes aus.

Das Kernprinzip jeder kompetenten Naturwissenschaft läßt sich folgendermaßen zusammenfassen.

Wenn man es mit dem richtigen Verständnis im ganzen liest, wurzeln die Grundlagen der modernen Naturwissenschaft als solcher und auch der zentrale Gedanke von Leibniz’ Monadologie in Nikolaus von Kues’ Erkenntnis eines entscheidenden, axiomatischen Fehlers in Archimedes’ Quadratur des Kreises (und der Parabel). Tatsächlich hatte Nikolaus von Kues damit schon jenes ontologische Prinzip entdeckt, das Leibniz später zum Thema seiner Monadologie und damit auch zum zentralen Prinzip einer kompetenten, antieuklidischen Mathematik des ontologisch Infinitesimalen machte.

Zeitgenössisches Stifterbild,
St.-Nikolaus-Hospitals, Bernkastel-Kues
Geistige Vorläufer von Leibniz:
Nikolaus von Kues (1401-1464) und ...

Zeitgenössisches Gemälde, um 1610
... Johannes Kepler (1571-1630)

Ich selbst lernte dieses Prinzip im Ringen mit der Monadologie während meiner Jugendjahre, ausgehend von meiner kategorischen Ablehnung von Euklids Apriori-Annahmen. Aus meiner wichtigen Erfahrung 1953, als ich mir Riemanns Standpunkt zueigen machte, lernte ich es noch viel breiter und tiefer als allgemeines Prinzip wissenschaftlicher Methode kennen. Mitte bis Ende der 70er Jahre gelang es mir mit Hilfe der Cusanus-Studien meiner Frau Helga, die dabei wichtige Anleitungen von Prof. Rudolf Haubst als führendem Mitglied der Cusanus-Gesellschaft erhielt, die in Leibniz’ Werk ausgedrückte moderne Vorstellung auf ihre tieferen Ursprünge im Werk des Nikolaus von Kues zurückzuverfolgen. Dieses cusanische Werk so zu betonen, ist keine Übertreibung. Tatsächlich ist er nicht nur der Begründer einer systematischen modernen Naturwissenschaft, er war auch der Mensch, der in der Neuzeit dieses eine große Prinzip einführte, von dem seither alle gültigen wissenschaftlichen Entwicklungen direkt oder indirekt abhingen.

Zum notwendigen Nachdruck soll dieser Punkt noch einmal folgendermaßen ausgedrückt werden: Diese Entdeckung, wie bei Nikolaus von Kues und Leibniz, bringt das zentrale zugrundeliegende, ontologische Prinzip jeder kompetenten naturwissenschaftlichen Mathematik zum Ausdruck. Alle kompetenten Richtungen in der modernen Naturwissenschaft und verwandten Tätigkeiten beruhen auf diesem Aspekt des cusanischen Werks als moderne Form einer gegliederten, universellen Naturwissenschaft, wobei diese heute auf den Durchbruch, der Johannes Kepler zum Nutzen seiner Nachfolger gelang, unbedingt angewiesen ist.

Wahre Wissenschaft ist also nicht bloße Beobachtung und Beschreibung unseres Naturerlebens. Richtig verstanden, ist Wissenschaft auch ein zentrales Prinzip hinter der menschlichen Erkenntniskraft, welches das schöpferische wissenschaftliche und künstlerische Potential des menschlichen Geistes von dem unterscheidet, was man etwas locker als das „Geistesleben“ der Tiere bezeichnen könnte. Hier zeigt sich deutlich der Unterschied zwischen einer wahrlich menschlichen Seele und dem bloßen Meinen bei den Tieren, die wir als Haustiere halten. Wie ich in den Betrachtungen über meine eigenen Erfahrungen zeigen möchte, hat Leibniz keineswegs übertrieben, als er dem Konzept der Monadologie solche Bedeutung zumaß oder als er die Untauglichkeit der von Descartes und dessen Anhängern unter den „Newtonianern“ verwendeten sophistischen Methode anprangerte.12

Die antiken Wurzeln der modernen Wissenschaft

Die erwähnte Entdeckung des Nikolaus von Kues war nicht völlig neu. Sie steckte bereits als Prinzip hinter dem Wirken der Pythagoräer (Sphärik) und darüber hinaus der früheren Entwicklung der Astronavigation, die bei den erfolgreicheren Kulturformen der „Seevölker“, die in der Mittelmeerregion zur Zeit der großen Eisschmelze vor etwa 21.000 Jahren die entwickeltste menschliche Kultur darstellten, eine wichtige Rolle spielte.

Auch wenn es in der Zwischenzeit bis zur europäischen Renaissance in der Mitte des 15. Jahrhunderts einige Fortschritte gab, beruht aller Fortschritt der neuzeitlichen Wissenschaft auf den Aspekten der Naturwissenschaft und verwandten Bereichen in der Kultur, die vor dem Tod von Eratosthenes und Archimedes existierten - vor der dunklen, bedrückenden Periode der europäischen Geschichte unter dem Römischen und Byzantinischen Reich sowie den Übeln einer mittelalterlichen Gesellschaft, die durch das Bündnis aus venezianischem Wucher und normannischem Rittertum brutal und verdorben war. Zu diesem Schluß muß man gelangen, wenn man die innerwissenschaftlichen Fakten aus der Sicht des Nikolaus von Kues und seiner geeigneten Nachfolger betrachtet. Dies ist beispielhaft in Kues’ Schrift De Docta Ignorantia („Die belehrte Unwissenheit“) dargestellt. Mit seinem Werk erneuerte Kues den Impuls zu wissenschaftlichem Fortschritt, der damals seit fast zwei Jahrtausenden13 wie erstickt gewesen war. Sein Beitrag bestand in der Hinsicht darin, das lange verloren geglaubte Erbe der Pythagoräer und Platons wiederzubeleben.

Insbesondere ist schon die Idee des „Universellen“ an sich ontologisch davon abhängig, daß man den Fortschritt menschlichen Lebens auf der Erde als eine Erweiterung der Entdeckung von wissenschaftlich und experimentell gültigen Erkenntnissen über das Sternenuniversum betrachtet - und nicht andersherum. Daher verläuft auch die Entwicklungsgeschichte der Zivilisation, die in der Mittelmeerregion begann, von den Meeren und Ozeanen flußaufwärts und nicht flußab.14

Seit dem Entstehen der einigermaßen bekannten Zivilisationsformen im Zuge des Bündnisses zwischen Ägypten (d.h. Cyrenaica), den Ioniern und Etruskern gegen die räuberische Seemacht von Tyros (und auch Entwicklungen noch vor dieser Zeit) ist der gesamte Fortschritt der europäischen Zivilisation Ausdruck einer natürlichen, nur dem Menschen eigenen Denkweise über die Entdeckung und Anwendung naturwissenschaftlicher und verwandter Prinzipien der klassischen Kunst, wofür die Errungenschaften der Pythagoräer einen typischen Maßstab darstellen.

Lange Perioden der Stagnation und selbst des Rückschritts in der menschlichen Kultur waren entweder die Folge ungünstiger natürlicher Bedingungen in Teilen oder fast der ganzen Biosphäre oder die Folge kulturellen Verfalls. Zu kulturellem Verfall kam es typischerweise immer in Zeiten weitverbreiteter Sklaverei oder Leibeigenschaft oder unter Bedingungen des Rückschritts wie nach 1945, als sich in Europa und Amerika eine neue Form des Sophismus verbreitete - insbesondere, seit unter dem Einfluß der sog. „68er“ in Amerika und Europa praktisch ein Trend hin zu einem „neuen finsteren Zeitalter“ entstand.

Die Bedeutung von Leibniz

Der Entdecker der modernen Wissenschaft nach einem langen finsteren Zeitalter vor seiner Geburt im Jahre 1401 war, wie ich oben erneut betont habe, jener Nikolaus von Kues, dem in der Wissenschaft, wie Kepler betonte, insbesondere Luca Paciolis Freund Leonardo da Vinci folgte. Aber eine wirklich universelle angewandte Wissenschaft, wie sie Cusa beabsichtigte, verwirklichte erst Kepler: Er lieferte der neuzeitlichen Wissenschaft eine praktikable, wissenschaftliche Vorstellung des astrophysikalischen Universums. Nach Kepler und Fermat war Gottfried Leibniz die zentrale, wichtigste und unverzichtbare Figur der gesamten neuzeitlichen Wissenschaft - bis zu den Arbeiten seiner Nachfolger wie Gauß, Dirichlet und Riemann.

Keplers einzigartige Entdeckung der physikalischen Bedeutung des Begriffs universell zeichnet ihn eindeutig als Wissenschaftler aus - während Claudius Ptolemäus ein Betrüger war, und Kopernikus und Brahe nicht in der Lage waren, jenes zentrale Prinzip der Astrophysik zu entdecken -, und diese Entdeckung hat die gesamte kompetente Wissenschaft, wie sie sich nach Keplers eigenem Wirken entwickelte, erst ermöglicht.

Zugegeben, es gibt viele fähige Physiker, die selbst auf ihre relativ begrenzte Weise in ihrer Arbeit kompetent waren (oder sind), und ihre Beiträge waren für bestimmte, manchmal sogar entscheidende Fortschritte unverzichtbar, obwohl sie oft darauf beharren, ihre Sicht irgendwie mit einer Rechtfertigung des Schwindlers Isaac Newton zu verbinden. Ich stand einige Zeit lang mit einigen höchst bemerkenswerten und auch weniger bemerkenswerten solcher Zeitgenossen in Verbindung, von denen die meisten aber inzwischen verstorben sind.

Leider hat jedoch der moderne europäische Sophismus - der systemische Einfluß eines Liberalismus, wie ihn Paolo Sarpi in Umlauf brachte und dem die empiristischen Nachfolger von Galileo und Descartes folgten - in den Reihen der Wissenschaft einen modernen empiristischen Kult organisiert. Man ersetzte die Methoden der experimentellen Wissenschaft durch einen Kult des reinen axiomatischen Empirismus im Stile einer „Offenbarungsreligion“, eines Kultes, der sich getreu an die antiken Einflüsse von Euklid oder Claudius Ptolemäus anlehnt, wenn auch in einer eigenen Verpackung.

Der korrumpierende Einfluß dieses Kultes des modernen Liberalismus hat die ironische Lage geschaffen, wo aktive Wissenschaftler im Labor wichtige Resultate erzielen, aber sie oft schon die bloße Anwesenheit einer Tafel im Gutachterausschuß oder bei ähnlichen Ritualen, die die moderne Wissenschaft von den babylonischen Priestern entlehnt hat, zur Ohnmacht reduziert.15

Wenn ich hier Liberalismus schreibe, meine ich damit jenes in der offen dekadenten europäischen Kultur vorherrschende Dogma, das Paolo Sarpi und sein mafiöser Glückspielexperte Galileo auf den Argumenten des mittelalterlichen Irrationalisten William von Ockham aufbauten. Sarpi und Galileo sorgten dafür, daß das Privileg von Wissenschaftlern (und anderen) darauf beschränkt blieb, lediglich „praktische“ Kenntnisse über wissenschaftsnahe Anwendungen zu finden und experimentelles Wissen nach Art der Empiristen auf rein mathematische Formulierungen zu reduzieren, die sich mit digitalen Methoden erfassen lassen. Wie der olympische Zeus im Gefesselten Prometheus des Aischylos verbietet das empiristische Dogma dem modernen Wissenschaftler (und anderen), Kenntnisse über das Prinzip des „Feuers“ als praktisches Wissen in der Gesellschaft insgesamt zu verbreiten.16 Mit dem Wegfall des Einflusses der Generation, die einmal die Mondlandung der USA möglich gemacht hatte, entstand eine Generation wie die, die dem albernen früheren US-Vizepräsidenten Al Gore und seinem Mentor, dem Prinzen von Wales, hinterherläuft. Ihr Ablehnen oder Umgehen wissenschaftlicher Prinzipien hat die Wissenschaft wie auch die Wirtschaft seit dem Aufstieg der alten „68er“17 verkrüppelt und die relative Kompetenz früherer Generationen verdrängt. Akademische oder ähnliche Hohepriester18 kultivieren den anglo-holländischen Liberalismus - die einzige Glaubensrichtung, der die Sophisten der modernen europäischen Zivilisation innerhalb oder außerhalb von Gotteshäusern wirklich treu ergeben sind: Ihre Altäre für geistige Menschenopfer sind seit jeher die Schreibtafel und die reduktionistische Hokuspokus-Theologie der „peer-review-Journale“. Wie schon beim Betrug des neoaristotelischen Sophismus von Claudius Ptolemäus im Römischen Reich tritt das aristotelische Erbe des digitalen Kauderwelsches Euklidischer Geometrie an die Stelle wirklicher Naturwissenschaft.

Im Verlauf des 17. Jahrhunderts ging das Betrügergewand von Galileo, Sir Francis Bacon und Thomas Hobbes auf Leute wie Hooke, den üblen englischen Organisator des afrikanischen Sklavenhandels, John Locke, und auf René Descartes über.

Vor diesem wissenschaftsfeindlichen Hintergrund liberalen Aberglaubens gelangen Leibniz bei seiner Verteidigung des Grundprinzips einer kompetenten modernen Wissenschaft zwei herausragende Leistungen. Die erste dieser beiden Leistungen war seine einzigartige und ursprüngliche Entdeckung der Keplerschen Infinitesimalrechnung, des einzigen kompetenten Kalkulus im Gegensatz zu dem willkürlichen Dogma bei de Moivre, D’Alembert, Euler, Lagrange, Laplace, Cauchy u.a.; die zweite war seine Wiederherstellung des alten pythagoräisch-platonischen Prinzips der dynamis unter seiner modernen Bezeichnung Dynamik. Diese beiden Leibnizschen Entdeckungen, die zu dem nichtlinearen (d.h. nichtdigitalen) universellen Naturprinzip der geringsten Wirkung führten, haben die noch weiterreichende, fundamentalere Bedeutung, den im Werk der Pythagoräer und Platons eingebetteten Begriff des Universellen wiederzubeleben: das Universum, das sich im Werk der antiken Seefahrerkulturen widerspiegelt, von denen sich die pythagoräische Wissenschaft der Sphärik ableitete, und das von Kepler definierte Universum der Astrophysik.19

Daher gibt es heute für eine kompetente Wissenschaft keine andere Bedeutung des Begriffs „Infinitesimal“ als die, die Kepler bei der Definition der Erdumlaufbahn verwendete - was mit den von Archimedes benutzten Quadraturmethoden unmöglich war - und die Leibniz verwendete, um die ontologische, nicht kartesische Bedeutung des Begriffs „Infinitesimal“ zu bestimmen. Diese letztere Alternative ist es, die wir auf diesen Seiten bestimmen müssen.

Unter Wissenschaft sollte man auf Experimenten beruhendes Wissen verstehen, welches sich von einer Vorstellung des Universums ableitet, wie es durch Keplers Entdeckungen in der Astrophysik als einzige gültige Bedeutung des Begriffs „Universum“ im Sinne der modernen Wissenschaft definiert wurde. Kepler verstand das Universum als ein Prinzip. Keplers Bedeutung in dieser Hinsicht ist absolut entscheidend für jeden kompetenten Ansatz, die vorherrschenden Annahmen der heutigen modernen Wissenschaft einer dringend notwendigen Überprüfung zu unterziehen.

2. Riemanns Universum

Wie wichtig Leibniz’ Begriff der Dynamik ist, wird erst vollständig klar, wenn man die Bedeutung von Bernhard Riemanns Habilitationsschrift aus dem Jahr 1854 verstanden hat und ihn davon ausgehend betrachtet.20 Wie Riemann in den Eingangsparagraphen dieser Schrift betont, hat es in der Wissenschaft der Neuzeit niemals einen so unmittelbaren und systematischen Angriff auf die weitverbreitete üble Tradition der Euklidischen Geometrie gegeben, bevor er selbst eine moderne antieuklidische physikalische Geometrie einführte.21

Familienarchiv Thomas Schilling
Geistige Erben von Leibniz: Bernhard Riemann (1826-1866) ...
Ferdinand Schmutzer, 1921
... Albert Einstein
(1879-1955) und ...
АН СССР
... Wladimir Wernadskij
(1863-1945)

Inzwischen haben die naturwissenschaftlichen Revolutionen von Wladimir Wernadskij und Albert Einstein die praktische Bedeutung von Riemanns revolutionären Errungenschaften dermaßen klar bestätigt, daß es kindisch wäre, nicht die Früchte von Riemanns Genie im Licht seiner beiden großartigen Nachfolger zu betrachten, wie ich es im folgenden noch einmal tue.22

Bevor wir uns direkt mit der Bedeutung des Werks von Wernadskij und Einstein beschäftigen, sind einige einleitende Bemerkungen erforderlich.

Mit der Entstehung der modernen Atom- und Kernphysik seit dem Wirken großer Pioniere wie Max Planck sind ernsthafte Denker gezwungen, die Realität, an die man sich in der akademischen Welt als experimentelle Grundlage für wissenschaftliche Forschung gewöhnt hatte, anhand der neuen Beweise über Art und Ausmaß dieser Realität gründlich zu überprüfen. In dieser Hinsicht haben die arglistigen, wüsten Angriffe der Anhänger des offen mystischen Ernst Mach und des im Grunde verbrecherischen Bertrand Russell auf Planck in Deutschland und Österreich in den Jahren 1914-17 die tiefere ontologische Bedeutung von Plancks Entdeckung immer weiter in den Hintergrund gedrängt. Der entscheidende Einwand, den diese zunehmend radikalen positivistischen Seilschaften gegen Plancks Werk und Anschauung erhoben, war eigentlich nichts neues: Die gleiche methodische Frage hatte sich schon mit Keplers Untersuchungen über die Harmonie des Sonnensystems gestellt, sie hatte sich nur vom Bereich der Astronomie in den der Mikrophysik verlagert.

Der Streitpunkt ist in beiden Fällen die Frage der Sinnesgewißheit.

Monate, bevor wir geboren werden (sozusagen „frisch aus der Verpackung kommen“), sind wir bereits mit Sinnesorganen ausgestattet, deren Funktion auf unsere biologische Organisation als Lebewesen abgestimmt ist. Wir kennen das Universum außerhalb von uns nicht wirklich durch eine wörtliche Ausdeutung dieser Wahrnehmungen; diese Erfahrungen liefern uns aber den praktischen Nachweis, daß wir nicht das Universum selbst direkt erfassen, sondern nur die Einwirkungen der Außenwelt auf unsere Sinnesorgane.

Die übliche naiv-fahrlässige Fehlinterpretation der Resultate dieser Verhältnisse wird zum geeigneten Gegenstand der Überprüfung durch unser kritisches Erkenntnisvermögen, sobald wir unsere Aufmerksamkeit von der lokalen Raumzeit, in der wir leben, auf die Phänomene verlagern, auf die man bei der Beschäftigung mit Extremen stößt: das Astronomische des antiken Seefahrers (das sehr Große, „Unendliche“) und das moderne Mikrophysikalische („das Infinitesimale“).23

So bevorzugen naive Leute, ob Wissenschaftler und andere, eher den Gesichtssinn (das Sehen), so wie auch der kindische Euklid diesen in der Geometrie als Apriori-Realität behandelte. Wenn man nun aber versucht, die vermeintliche Euklidische „Sinnesgewißheit“ mit dem physikalischen Aufbau unseres Sonnensystems in Einklang zu bringen, trifft man auf Phänomene, die man sonst vom Hörsinn her kennt („Harmonie“), wie Kepler betont. Keplers Entdeckung, eine quantitative Beschreibung eines allgemeinen Prinzips der Gravitation, beruhte auf seiner Erkenntnis dieser ironischen Beziehung zwischen den beiden Sinnen, die entsteht, wenn man versucht, das, woran man sich im engeren Umfeld gewöhnt hat, auf astronomische Größenverhältnisse auszudehnen. Max Planck konfrontierte uns mit einem ähnlichen Paradox hinsichtlich der Sinnestäuschungen bei Phänomenen aus dem subatomaren oder annähernd subatomaren Bereich.

Ein Beispiel für die einfältige Ansicht über den subatomaren Mikroraum ist das, was man mir an der Schule, Hochschule und anderswo eintrichtern wollte: Ich sollte an ein Universum glauben, das aus sonst leerem Raum besteht, in den irgendwer subatomare Teilchen und anderes Zeug hineingeworfen hatte. Diese armselige Sichtweise sollte man gründlichst überprüfen - ausgehend von der von Kepler entdeckten Meßweise des Prinzips astronomischer Gravitation. Beide Extreme, die der Astrophysik und die der Mikrophysik, sollte man so betrachten, wie es Riemann (schon) in seiner Habilitationsschrift angemahnt hatte. In beiden Fällen, dem Keplerschen Sonnensystem und dem implizit von Max Planck erforschten mikrophysikalischen Raum, werden die Vorstellungen bloßer Erweiterung der Sinneswahrnehmungen auf spezifisch Riemannsche Weise infrage gestellt.

Auf der Ebene des subatomaren Raums arbeiten wir nicht direkt mit unseren Sinnen, sondern mit Instrumenten, die wir gewöhnlich in der irrigen Annahme benutzen, sie seien nur Erweiterungen unserer Sinneswahrnehmung und man könne sie deshalb so behandeln, wie Euklid-Geschädigte mit den rohen Informationen einfacher Sinneswahrnehmung umgehen. Wenn wir an Keplers Argumente für die physikalische, funktionelle Ordnung des Sonnensystems zurückdenken und dazu Riemanns Warnung in bezug auf die relativen Extreme der Maßskala berücksichtigen, dann wird schnell ersichtlich, daß die wesentlichen mikrophysikalischen Argumente der Gegner Plancks und Einsteins - bzw. der statistische oder statistikähnliche Ersatz für diese Argumente - nur ein hysterischer Schwindel sind.

Die Lehre daraus ist: Die Tatsache, daß die berichteten Phänomene reale Beschreibungen realer Phänomene sind, heißt nicht, daß auch die Ursache dieser Phänomene richtig abgeleitet wurde. Die Tatsache, daß die Katze Cornflakes mit Zucker und Milch frißt, macht sie noch lange nicht zu einem Menschen.

Das eben beschriebene Paradox zwingt einen sorgfältigen Denker zu der Erkenntnis, daß unsere Sinne nur Instrumente sind, so wie wir Instrumente als Ersatz für Sinneswahrnehmung benutzen, um uns Vorgänge aus dem mikrophysikalischen Bereich vorzustellen. Dies sei uns eine Warnung, den gewohnten Glauben an die Zuverlässigkeit unserer Sinneswahrnehmung überhaupt aufzugeben: Man sollte die Idee, wirklich etwas zu wissen, von der Vorstellung trennen, die uns über unseren biologischen Sinnesapparat übermittelten Eindrücke wortwörtlich auszulegen. Wir müssen demnach unterscheiden zwischen der Frage nach der Gültigkeit von Wissen (ein Akt des menschlichen Geistes) und der qualitativ anderen Frage der Gültigkeit von Sinneserfahrungen als solchen (eine beobachtete Wirkung auf den biologischen Sinnesapparat).

Da der menschliche Geist den einfacheren Fähigkeiten der Tiere qualitativ überlegen ist, sollte eigentlich offensichtlich sein, daß wirksames menschliches Wissen nicht in den Sinneseigenschaften liegen kann, die auch den Tieren eigen sind.

Die Prometheus-Frage

Dies zwingt den Weisen, in dieser Frage noch einen Schritt weiter zu gehen. Es bedeutet nämlich, daß sich die Wissenschaft, wie sie den Pythagoräern und Platon in der Antike oder Kepler, Fermat, Leibniz und Riemann in der Neuzeit bekannt war, nicht nach statistischen Methoden definiert, sondern als qualitativ ontologische Unterscheidung zwischen universellen Naturprinzipien und der bloßen Erfahrung von Einzelereignissen. Das ist die gleiche qualitative Unterscheidung wie die beim Cusanus-Anhänger Kepler zwischen dem quasi analogen Prinzip, das die Planetenbahn bestimmt, und dem digitalen Nachverfolgen des Körpers, der dieser Umlaufbahn folgt. Dieser Unterschied ist der Grund, wenn Leonhard Eulers Argumente gegen Leibniz’ Infinitesimal eher den Eindruck eines albernen Wutausbruchs machen. Entgegen Eulers vorsätzlichem Schwindel ist das Leibniz-Bernouillische Infinitesimal der geringsten Wirkung keine statistische (d.h. digitale) Raummenge, sondern ein analoges Prinzip, das ontologisch als Ausdruck eines „unendlich“ universellen Prinzips der geringsten Wirkung existiert und wirkt.24

Der so ausgedrückte Unterschied ist der zwischen etwas, das real existiert (ein universelles physikalisches Prinzip, wie das von Kepler entdeckte Gravitationsprinzip), und einem örtlichen „Schatten“ seiner Wirkung (die beobachtete Wirkung dieses Prinzips, die sich andeutungsweise in der Größenordnung des kleinsten gewählten Abstands ausmachen läßt).

So gehen Narren, die sich von Euler u.a. täuschen lassen, unausgesprochen davon aus, daß die Gravitation ein Effekt ist, der (wie durch Induktion) durch die gemessene Bewegung zwischen zwei Punkten auf einer Strecke in der kartesischen (d.h. euklidischen) Raumzeit hervorgerufen wird - während sie tatsächlich als eine Wirkung in den universellen physikalischen Raum eingebettet ist, der somit als der Urheber des erkennbaren Phänomens der Gravitation anzusehen ist. Diese Torheit ist typisch für die (deduktiv-induktive) ideologische Weltsicht nicht nur von Aristoteles und Euklid, sondern auch der Anhänger des Sarpischen „liberalen“ Irrationalismus.

Diese Frage der Methode bringt uns direkt zu Aischylos’ Der gefesselte Prometheus zurück. In diesem Drama steht der Begriff des „Feuers“ für das Wissen des Menschen über wirksame universelle Naturprinzipien; diese werden sämtlich unter der Umschreibung eines Effekts, den man neben anderen zutreffenden Begriffen auch „Feuer“ nennt, zusammengefaßt. Er bezeichnet, ganz im Sinne von Heraklits berühmtem Aphorismus, stetige universelle Prinzipien universeller Wirkung, im Gegensatz zu diskreten Ereignissen - so wie dieser Unterschied auch in Platons Dialog Parmenides hervorgehoben wird. Der Schiffer antiker Seefahrerkulturen, der zum Himmel aufschaute, erkannte sich als unter dem Sternenuniversum lebenden Menschen und lernte so, unter diesem Gesetz, das ihn wie von oben zu seinem Ziel lenkte, als großer Steuermann die Meere und Ozeane zu befahren.

Doch wie die großen Steuermänner der fernen Vergangenheit entdeckten und in den von ihnen entwickelten Kalendern ausdrückten, war das beobachtete Sternenuniversum nicht fix, sondern veränderte sich ständig. Diese Vorstellung des Universums mußte die Wissenschaft übernehmen, da nur die Seefahrerkulturen solches Wissen über systemische Änderungen über entsprechend lange Zeiträume von vielen aufeinanderfolgenden Generationen entwickeln konnten. Untersuchungen der entsprechenden überlieferten Teile antiker Kalender zeigen uns dieses Wissen. Das ist das typische Kennzeichen der pythagoräischen Wissenschaft, genannt Sphärik.

Durch solche Entwicklungen innerhalb lange bestehender Seefahrerkulturen und die Übertragung ihrer Erfahrungen auf Ansiedlungen im Binnenland entstand die Vorstellung eines universellen Prinzips der Veränderung - das, was man heute unter Wissenschaft versteht. Die Metapher des „Feuers“ in Aischylos’ Gefesseltem Prometheus hat diese Bedeutung.

Das Universum wird von großen Prinzipien beherrscht, aber diese Prinzipien sind Kinder noch größerer Prinzipien universeller Veränderung. Und diese letztere, höhere Ordnung der Veränderung definiert den Begriff einer gültigen universellen Wissenschaft. Der Begriff eines Universums, das durch dieses höhere Prinzip universeller Veränderung ontologisch definiert ist, stellt gültige Wissenschaft dar, und das ist die Bedeutung des „Feuers“ in Der gefesselte Prometheus.

Was das für Einstein bedeutet

Einstein hat die zentrale Aussage, die sich aus diesen Überlegungen ergibt, so zusammengefaßt: Das Universum ist endlich, aber es begrenzt sich selbst. Diese von Einstein und anderen geäußerte Sichtweise bedeutet, daß das Universum hauptsächlich, ontologisch, aus universellen Prinzipien besteht, und daß einzelne Ereignisse Produkte örtlicher Wechselwirkungen dieser Prinzipien sind. Deshalb ist das Universum für Einstein endlich in dem Sinne, daß es sich durch seine Prinzipien selbst begrenzt; es hat die Maßeinheit „eins“ und ist deshalb, wegen dieser Selbstbegrenzung, endlich.

Die Angelegenheit ist mit dieser Argumentation Einsteins und anderer aber noch nicht zuende. Wir stoßen dabei gleich auf eine zweite wesentliche Annahme: die einfältige Annahme, das Universum wäre fix, unveränderlich, wenn es nicht von außen in Gang gehalten würde. Die gesamte „Geschichte“ des Sonnensystems widerspricht der Annahme vom „fixen Universum“. Eine sich schnell drehende, junge Sonne schleuderte etwas von ihrer Materie in eine sie umgebende Ebene aus Plasma, (nahezu sicher) polarisierte Sonnenstrahlung wirkte auf das Plasma ein und setzte so einen Fusionsprozeß in Gang, der die bekannten Standardelemente und -isotope des Mendelejewschen Periodensystems erzeugte. Produkte dieses Plasmas setzten sich auf gesetzmäßigen Planetenbahnen ab, und der so verteilte Stoff kondensierte entsprechend der Gaußschen Überlegungen hierzu zu Planeten und Monden.

Aus den gleichen allgemeinen Gründen wird das Wetter, das wir heute auf der Erde erleben, ganz erheblich von „kosmischen“ Strahlen aus dem Krebsnebel beeinflußt; diese Strahlen treten mit der Sonnenstrahlung in Wechselwirkung, und das bestimmt die Bedingungen, die wir auf der Erdoberfläche erleben.

Worauf will sich jemand berufen, der meint, dieses Universum bringe nichts ohne „äußeren“ Anstoß zustande? Eine ähnliche Kampfansage machte Philon (Judäus) von Alexandria den von ihm verachteten Aristotelikern zu Lebzeiten der ursprünglichen christlichen Apostel. Soll man annehmen, daß das Universum, nachdem der Schöpfer es erschaffen hatte, von einem anderen (vielleicht einem Gnostiker wie Satan) zur Belustigung Isaac Newtons immer mal wieder aufgezogen werden muß wie eine Uhr? Entgegen solchen möglichen Einwänden zeigt die Wirklichkeit, daß das Wesen der Bahnkurve des Universums seine Bewegung ist. Diese Art der Bewegung ist das Wesen des Seins in unserem Universum. Das heißt, die Gravitationswirkung, beispielsweise in der Sonnenumlaufbahn, ist Wirkung schlechthin - schöpferische Wirkung, die sich als Bewegung ausdrückt. Die Existenz dieser antientropischen Wirkung ist, was wir als das Infinitesimale in einer Kepler-Riemannschen Abbildung des Universums wahrnehmen.

3. Wernadskij und das lebendige Denken

Soweit mir bekannt ist, hat Louis Pasteur niemals behauptet, er hätte mit seinen Entdeckungen in der Chemie ein universelles Prinzip des Lebens entdeckt; dennoch bereiteten seine chemischen Entdeckungen den Boden für dieses bedeutende, scheinbar chemische Prinzip von Mendelejews Periodentafel, das Akademiemitglied W. I. Wernadskij in seinen späten Arbeiten als erster als definiert hat. Mit diesem Prinzip wird der absolute ontologische Unterschied zwischen den Produkten lebender Prozesse und den charakteristischen Produkten der Chemie nichtlebender Prozesse praktisch ausgedrückt.25


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Beispiele für die von Wladimir Wernadskij unterschiedenen Bereiche des physischen Universums: Granit (Geosphäre) ...
Wikimedia Commons/AngMoKio/cc-by-sa
... Kaiseradler (Biosphäre) und ...
Domenico Ghirlandaio:
Der studierende Hieronymus
... der Mensch (Noosphäre).

Der erste wesentliche Aspekt dieser Entdeckung Wernadskijs war sein Konzept der Biosphäre. Entscheidend war dabei seine besondere Aufmerksamkeit für die fossile „Geschichte“ der oberen Erdkruste, einschließlich des Charakters der Atmosphäre sowie der allgemeinen Entstehung des Wassers als Produkte der Biosphäre. Daß der Masseanteil lebender Prozesse und ihrer spezifischen Fossilien gegenüber dem der unbelebten Masse wuchs, zeigte in entscheidender Weise, daß das Leben dabei ist, unseren Planeten von einem unbelebten Zustand zunehmend in eine Masse lebender Prozesse zu verwandeln - bis zu einer vielleicht denkbaren, unbestimmten Grenze im Rahmen der Gegebenheiten unseres Planeten.26

Aber die Welt wird nicht nur immer mehr zu einer belebten Masse (Biosphäre), sondern auch zu einer anwachsenden Masse der Noosphäre, ein Produkt, das man ansonsten in lebenden Prozessen nicht findet. Eines der Merkmale der Noosphäre ist eine Zunahme der Bedeutung und der Masse derjenigen physischen Produkte, die durch eine willentliche Steigerung der schöpferischen Intelligenz des menschlichen Individuums entstehen

In gewissem Sinne ist der Unterschied auf den ersten Blick ähnlich wie der zwischen lebenden und nichtlebenden Prozessen: Wenn Wernadskij den bestehenden Begriff Noosphäre aufgriff, um das besondere Konzept (noesis) seiner Entdeckung dieses Prinzips der Geochemie zu bezeichnen, war auch das eine Folge von Prinzipien jenseits der eigentlichen Chemie lebender Prozesse. Diese Prinzipien waren anders und lagen kategorisch außerhalb derjenigen, die er zur Definition des Gegenstands der Biosphäre verwendet hatte. In diesem Fall bestand sein Maßstab in der Zunahme der Masse von Produkten der schöpferisch-produktiven Tätigkeit des Menschen, verglichen mit dem Masseanteil des unbelebten Bereichs und der Biosphäre.

Um die Rolle der Noosphäre abzuschätzen, war es zumindest implizit notwendig, sowohl die potentielle relative Dichte der menschlichen Bevölkerung (im Unterschied zur tierischen Ökologie) als auch die Masse physischer Produkte pro Einheit dieser Bevölkerungsdichte zu messen. Dies äußert sich in dem, was ich mir als eine notwendige wissenschaftliche Revolution zu eigen gemacht habe; diese Revolution in der physischen Ökonomie von Nationen wurzelt weitgehend in den Entdeckungen Bernhard Riemanns.

Diese Messungen verdeutlichen praktisch zwei Punkte. Erstens, daß das Prinzip des Lebens sich vom Prinzip des Nichtlebenden unterscheidet, und zweitens, daß die Erkenntniskraft des menschlichen Geistes eine spezifische Kraft des entwickelten menschlichen Geistes widerspiegelt, die mit dem allgemeinen Begriff der harmonischen Resonanz verwandt ist, aber in den ableitbaren Hirnfunktionen aller niederen Lebensformen fehlt.

Ich erkläre diesen Unterschied und seine Bedeutung.

Meine Modifikation der Auffassung von der Wirtschaftswissenschaft bei der Anwendung dieser Errungenschaften Wernadskijs besteht darin, daß ich - wie schon oben geschrieben - folgendes betone: Der Unterschied zwischen dem menschlichen Geist und sämtlichen niederen Lebensformen besteht darin, daß der menschliche Geist „abgestimmt“ ist auf einen physisch wirksamen Faktor „universeller Kreativität“, der allen niedrigeren Lebensformen fehlt, wobei auch die Menschenaffen in diese Kategorie unter dem Menschen fallen. Diese menschliche Fähigkeit ist allerdings unter den Individuen einer Gesellschaft übertragbar, als eine Seinsqualität, die im Prinzip historisch unsterblich ist, während der lebende menschliche Organismus an sich sterblich ist. Ich habe dieses Element der suprabiotischen Unsterblichkeit im Wesen von Mann und Frau, wie es im ersten Buch der Genesis dargestellt ist, schon oben angesprochen.27

Wie lang die Lebensdauer eines kreativen Individuums auch sein mag, es besteht kein Zweifel, daß der Nutzen wahrhaft schöpferischer Denker - wie Cusanus, Kepler, Fermat, Leibniz, Moses Mendelssohn, Friedrich Schiller, Lazare Carnot, die Humboldt-Brüder, Gauß, Riemann, Planck, Wernadskij, Einstein oder auch der Beiträge großer amerikanischer Präsidenten wie Abraham Lincoln und Franklin Roosevelt - für den Fortschritt dessen, was der Physikochemiker Wernadskij als Noosphäre definierte, viel weiter reicht als nur zu dem Punkt, wo ihre Lebenskerze bis zum Ende abgebrannt ist. Diese Individuen mögen sterben, aber ihre schöpferischen Werke selbst sind, wie die Gemälde Leonardo da Vincis, Raffael Sanzios und Rembrandts, nicht in der gleichen Weise vergänglich wie der menschliche Körper. Ein gültiges universelles Naturprinzip hat, einmal entdeckt, die Eigenschaften einer wahrscheinlich unsterblichen Wirkung.

Die unsterbliche Seele

Ein heute sehr selten gewordenes Buch, Moses Mendelssohn, sein Leben und seine Werke, von Dr. M. Kayserling (Hermann Mendelssohn, Leipzig, 1862), von dem ich seit einigen Jahren ein Exemplar besitze, ist voller sorgfältig gesammelter Einzelberichte, die in bündiger Zusammenfassung wichtige Einblicke in die Persönlichkeit Moses Mendelssohns und ihre historische Bedeutung bieten.

Ein bezeichnendes Beispiel für die selten gewürdigten, aber historisch wichtigen Leistungen seines Lebens ist die Passage eines Briefes, in der er seine bemerkenswerte „persönliche Bekanntschaft des großen Fürsten eines kleinen deutschen Landes, des Grafen Wilhelm von Schaumburg-Lippe“ beschreibt: „Wahrlich ein seltener Mann! Die feinste griechische Seele in einem rauhen westfälischen Körper.“ Wie aus anderen Dokumenten hervorgeht, entwarf Mendelssohn im Zuge der Beziehungen zwischen den beiden das Bildungsprogramm, das Graf Wilhelm, einer der brillantesten Militärstrategen seiner Zeit, zur Offiziersausbildung an seiner Kriegsschule verwendete, dessen bekanntester Schüler der große Scharnhorst gewesen ist.

Der deutsche Jude war, wie sich hier beispielhaft an Moses Mendelssohn zeigt, ein wesentlicher, integraler Bestandteil des Aufstiegs der deutschen Nationalkultur und im weiteren Sinne der europäischen Kultur. Somit war der Massenmord des vor allem von anglo-amerikanischen Finanziers eingesetzten Hitler-Regimes an den deutschen Juden, bis hin zur fast völligen Ausrottung, ein versuchter Mord an der deutschen Seele an sich. Denn es ist die Kultur, nicht die biologische „Rasse“, die eine wirkliche Nation funktionell definiert. Alle Menschen, die nicht wesentlich in ihrem biologischen Potential geschädigt sind, teilen das gleiche Prinzip menschlicher Kreativität. Die Unterschiede liegen in der Art der Kultur und dem Grad der Entwicklung des individuellen Potentials. Groß sind die Kulturen, die ihre eigenen reichen Entwicklungsquellen in sich aufnehmen, so wie die deutsche Kultur der erweiterten Familie Moses Mendelssohns sehr viel zu verdanken hat.

Um den wahren Moses Mendelssohn zu entdecken, der diesen bleibenden Beitrag leistete, müssen wir betrachten, was er als Erbe der Tradition des großen Moses von Ägypten und als bewußter geistiger Erbe von Moses Maimonides noch lange nach der letzten Krankheit und seinem Tode bewirkt hat. Wir müssen ihn historisch so einordnen, wenn wir ihn heute noch verstehen wollen.

Wir müssen ihn in seiner bedeutsamen Freundschaft zum klassischen Dramatiker Gotthold Lessing sehen, einem Schüler und Schützling des großen Mathematikers und klassischen Gelehrten Abraham Kästner (1719-1800). Kästner wiederum stammte aus Leibniz’ Heimatstadt Leipzig, in der später Lessing auch lebte; er wurde ungefähr drei Jahre nach dem Tod von Leibniz, einer der größten historischen Persönlichkeiten aus dieser Stadt, geboren, und wuchs dort auf, als Johann Sebastian Bach dort seine größten Werke schuf.

Neben anderen Beiträgen zur Zivilisation spielte Kästner als führender Kopf an der Göttinger Universität eine wesentliche Rolle bei der Unterstützung Benjamin Franklins und der Sache der amerikanischen Freiheit sowie als Förderer des Lebenswerks von Mendelssohns Freund Lessing.28

Das Wesen des Genies von Moses Mendelssohn, der als armer Jude in Dessau geboren wurde, zeigt sich am mächtigsten und bedeutendsten in seinem großartigsten Werk, seinem großen Platon-Kommentar über die Frage der Unsterblichkeit der menschlichen Seele, dem Phaidon. Dieses Werk ist für den Gedankengang in diesem Kapitel meines Aufsatzes besonders relevant.

Die Genies, die ich aufgezählt habe, verkörpern beispielhaft die wahrhafte Unsterblichkeit der menschlichen Persönlichkeit, die den Menschen vom Tier unterscheidet. Es zeigt das spezifisch Unsterbliche der Arbeit wirklich schöpferischer Persönlichkeiten. Das Unsterbliche am Menschen liegt in der immer wieder neuen geistigen Handlung, die wahrhaft schöpferische (d.h. antientropische) Beiträge zur Förderung und Verteidigung des Fortschritts der Menschheit erzeugt oder wiedererzeugt. Handeln an sich, wie es sich vielleicht in Form irgendeines Gegenstandes manifestiert, hat noch nicht diese Qualität der Unsterblichkeit: Kreativität arbeitet nie deduktiv-induktiv, sondern nur in analoger und ähnlicher Form - die Entdeckung eines universellen Naturprinzips sowie die Weiterentwicklung und Beförderung einer solcher Entdeckung sind typisch dafür. Die herausragende Entdeckung des Konzepts der universellen geringsten physikalischen Wirkung, die in der Zusammenarbeit zwischen Leibniz und Jean Bernoulli zustande kam, ist ein typisches Beispiel für eine solche schöpferische geistige Handlung, welche die reale, physische Welt des Menschen grundlegend verändert.

Wie Aischylos in seinem Gefesselten Prometheus darlegt, werden sonst normale menschliche Wesen durch Mittel wie die Verbreitung des Sophismus in Form der euklidischen Ideologie auf die Stufe von Tieren herabgesetzt. Das zeigen das üble Helotenwesen des Delphikultes in Lykurgs Sparta oder der Verfall durch den delphischen „Liberalismus“ (Sophismus) bis hin zum Peloponnesischen Krieg im Athen des Perikles. Mit dem Sophismus der Euklidischen Geometrie wurde die Geometrie der Pythagoräer und der übrigen Kreise Platons so „umformuliert“, daß sie praktisch ihrer Seele beraubt und in ein totes, deduktives „Ding“ von Sophisten verwandelt wurde.

Individuelle Kreativität des Menschen ist die geistige Kraft, deren Arbeit den wahrhaft freien Menschen von einem pflichterfüllten oder auch aufsässigen Sklaven unterscheidet. Diese Kreativität ist das, was von den Verstorbenen weiterlebt, weil es den kreativen Fortschritt der menschlichen Gattung als ganzer fördert - in einer Weise, wie dies in der Unterscheidung des Menschen vom Tier in der biblischen Schöpfungsgeschichte angedeutet wird.

Da das Tierische an jedem von uns irgendwann wie ein Hund sterben muß, liegt die Natur des in sich freien Menschen in dem, was die Apostel Johannes und Paulus als Agape29 bezeichneten, oder wie es im Westfälischen Friedensvertrag heißt, im „Wohl des anderen“. Unsere wahre Unsterblichkeit lebt in dem, was - so definiert - wahrhaft menschlich ist, was wir anderen und der Gesellschaft insgesamt weitergeben. Wer auf diese Weise gibt, wird den erstrebten Sinn seines sterblichen Daseins nicht verlieren. So triumphieren wir über den Tod des sterblichen Körpers, in dem unser wahres Selbst einen Augenblick lang in der Geschichte lebt. Ein solches Verhalten dient im wesentlichen dazu, unsere eigenen menschlichen Fähigkeiten und die anderer zu entwickeln; aber gerade deshalb müssen wir für den einzelnen und die Gesellschaft allgemein Lebensbedingungen schaffen, die eine Umsetzung schöpferischer Ideen ermöglichen.

Wir sollten die leidige Gewohnheit aufgeben, die Bedürfnisse der Gesellschaft und die Bedürfnisse anderer Männer und Frauen zu betrachten, wie man vielleicht die Bedürfnisse eines Haustieres betrachtet. Wir müssen die anderen vor allem als Menschen betrachten und darüber nachdenken, was erforderlich ist, damit diese wesentliche Qualität des Menschen die kreative Absicht, die ihre höhere Natur auszeichnet, erfüllen kann.

Moral und Naturwissenschaft

Wie jeder gute Wissenschaftler sollten wir erkennen, daß es in unserem Universum keinen leeren Raum gibt. Eine physikalische Lehre, die physikalische Raumzeit als Frage der Fernwirkung behandelt - etwa zwischen Objekten, die als Singularitäten im Raum auftreten -, ist ein Irrglaube, gefangen in einem Fehler, der durch unbewiesene, willkürliche Grundannahmen entsteht. Wer diese Annahme a priori verteidigt, ohne experimentellen Beweis, so wie es die Anhänger der Sophisten Euklid und Newton tun, der verfällt den Illusionen, die mit einer bestimmten Vorstellung eines unendlichen Raumes einhergehen. Deshalb ist die Vorstellung eines irgendwie linear „unendlich“ ausgedehnten Raumes im Grunde kindisch absurd.

Das Universum, so groß es uns erscheinen mag, ist begrenzt, und zwar in genau der Weise, wie Einstein argumentierte und wie ich es bereits weiter oben zusammengefaßt habe.

Wenn jemand diesen weitverbreiteten Fehler der Sinnesgewißheit korrigiert, wird es für jene, die fest daran glauben, schmerzlich oder noch schlimmer; es ist für sie wie ein kindischer Zauber à la „Harry Potter“, Unfug nach dem Vorbild der Luzifer-Anbetung Aleister Crowleys, des Kumpans von H.G. Wells und Bertrand Russell.

Wegen dieser falschen Überzeugungen herrscht bei einer Vielzahl der derzeit verbreiteten Meinungen auf der Welt ein gewisser Wahnsinn. Wenn man das genauer untersucht, stellt man fest, daß diese Ansichten in der verbreiteten Gewohnheit wurzeln, daß eine menschliche Gesellschaft sich selbst lediglich als eine Abart des Tierreichs sieht. Die modernen Gesellschaften haben sich kulturell zwar über die primitivsten Ansichten dieser Art erhoben, aber die Grundannahmen, die mit einem mehr oder weniger blinden Vertrauen in die Sinnesgewißheit einhergehen, sind bei den meisten Mitgliedern dieser Gesellschaften immer noch ein beherrschender Faktor.

Quentin Massys, Die Geldverleiher (1520)
„Viele Menschen tun so, als seien sie religiös, sind es aber nur in dem Sinne, wie ein Spieler oft mit religiöser Inbrunst auf sein Glück am Spieltisch oder an der Börse hofft.“

Solche verbreiteten Annahmen hindern die meisten von uns heute immer noch daran, die Realität der tatsächlich existierenden menschlichen Seele zu erkennen; das zeigen z.B. die Auswüchse blinder Habgier. Viele Menschen tun so, als seien sie religiös, sind es aber nur in dem Sinne, wie ein Spieler oft mit religiöser Inbrunst auf sein Glück am Spieltisch oder an der Börse hofft. Daß man als Mensch sicher die Unsterblichkeit erlangen kann, entgeht ihnen. Ihre Schwierigkeit in dieser Hinsicht ist letztendlich ontologisch; sie haben unser Universum nicht so akzeptiert, wie es tatsächlich existiert, und haben sich in ihrer kindischen Phantasie einen Glauben an ein nichtexistentes Universum zurecht gelegt, in dem, wie Philo über Aristoteles schrieb, die Idee eines wirkenden Schöpfers praktisch keinen Platz hat.

Der Ursprung konzeptioneller Probleme wie dieser ist ein hartnäckiges, im Grunde tierisches Festhalten an der Sinnesgewißheit - wie bei dem berühmten Prediger, der wie der Hahn im Hühnerhof mit den Damen, die er hinter sein Zelt lockte, mehr neue Seelen zeugte, als er mit seinen Predigten im Gottesdienst drinnen vor der Liederlichkeit rettete.

In allen Fällen, wovon ich hier nur ein paar Beispiele anführte, nimmt der entscheidende Fehler ähnliche Formen an wie bei dem modernen Helotentum vieler Bürger in den heutigen Kulturen. Sie klammern sich an jene Illusion der Sinnesgewißheit, die von der praktisch anerkannten „Weltkirche“ des anglo-holländisch-liberalen oder ähnlichen Hedonismus als Glauben verbreitet wird.

Um uns von dieser geistigen Krankheit zu befreien, müssen wir erkennen, daß unser wahres Selbst darin liegt, das praktisch umzusetzen, was im Westfälischen Frieden „das Wohl der anderen“ Völker und Nationen hieß. Die gegenseitige Verpflichtung darauf unter jeweils souveränen Völkerkulturen muß wieder zur Grundlage der Beziehungen in einem System von vollkommen souveränen Nationalstaaten werden. Wenn wir unser Eigeninteresse in einer solchen Lebensweise ausmachen, haben wir einen Schritt der gesamten Menschheit in Richtung auf eine bewußte Teilhabe an der wahren Unsterblichkeit der menschlichen Seele getan. Wie die Apostel Johannes und Paulus dies für die Jünger Jesu Christi verdeutlichten, ist dies im wesentlichen alles, was von uns als Individuen im Leben verlangt wird.

„Globalisierung“, wie diese am 19. Januar (2008) bei einer Veranstaltung in Los Angeles von Judith Rodin von der Rockefeller-Stiftung zusammen mit den Gouverneuren Arnold Schwarzenegger und Ed Rendell und dem New Yorker Bürgermeister Bloomberg ausgegeben wurde, ist ein Plan für einen neuen Imperialismus, einen neuen „Turmbau zu Babel“. Dieses imperiale System wurde von demselben Felix Rohatyn entworfen, der zusammen mit George Shultz eine schmutzige Rolle bei dem faschistischen Pinochet-Regime in Chile spielte, und eine solche Fortführung des Pinochet-Projektes von Shultz und Rohatyn in anderer Form würde heute die Eckpfeiler jeden zivilisierten menschlichen Lebens unter den Völkern dieses Planeten vernichten.

4. Das Prinzip der Kreativität

Genesis 1 besagt, daß das Universum geschaffen wurde, und daß Mann und Frau im Abbild des Schöpfers geschaffen wurden. Es ist interessant und paradox, daß praktisch kaum einer der bekennenden Christen, die diese Sätze gerne zitieren, heute in der Praxis glaubt, daß Mann und Frau tatsächlich nach dem Bilde des Schöpfers geschaffen wurden. Noch schlimmer, die meisten von ihnen glauben - zumindest implizit, was ihr praktisches Handeln angeht -, der Schöpfer sei nur eine Art „Monarch“, eine Art Grundstückseigentümer, der irgendwie eine supergalaktische Immobilie erworben hat, die Ihm zufällig als Territorium zugewiesen wurde, über das Er nun allenfalls herrschen darf.

Für solche Leute ist Genesis 1 lediglich eine Geschichte, die nur deshalb erzählt wird, weil jedes Buch einen Anfang haben muß.

Wenn der Gott der biblischen Schöpfungsgeschichte tatsächlich der Schöpfer des Universums wäre, und Mann und Frau nach Gottes Ebenbild geschaffen wurden und in seinem Namen ähnliche Aufträge zu erfüllen hätten, warum denken dann heute Männer und Frauen, sogar Wissenschaftler, so über das Universum, wie sie es tun? Warum denken sie so, wie es Philo Aristoteles zu Recht vorwarf? Warum verbreiten sie ein schlechtes Märchen, wofür Philo den Aristoteles verantwortlich machte - das dumme Märchen, der Schöpfer des Universums habe sich angeblich selbst handlungsunfähig gemacht, indem er ein abgeschlossenes, vollkommenes System schuf?

Es ist etwas schrecklich falsch an der Art, wie solche Leute denken! Tatsächlich ist dieses Denken nicht nur falsch, sondern in seinen Konsequenzen bösartig, so wie der Kult von Delphi die Glaubenssätze des Apollo-Dionysos-Kultes verbreitete.

Gemälde von Heinrich Friedrich Füger (1817)
Prometheus bringt den Menschen das Feuer

Die Hauptursache dieses verbreiteten Irrtums ist die Tradition, für die der Gefesselte Prometheus steht: daß die große Mehrheit der Menschheit wie Sklaven in geistigen Ketten gehalten wird, weil Zeus den sterblichen Menschen die Kenntnis des „Feuers“ nicht erlauben will. Die Frage, die Philo im Protest gegen das gnostisch-aristotelische Dogma seiner Zeit aufwarf, ist typisch: In der aristotelischen Rechtsauffassung ist es nach dem „universellen Entropiegesetz“ sogar dem Schöpfergott verboten, weiter auf das Universum einzuwirken, nachdem er es einmal geschaffen hat (so daß Satan praktisch freie Hand hat - vielleicht in der Maske, wie Dostojewskij nach dem Vorbild des Tomas de Torquemada den „Großinquisitor“ dargestellt hat).

Das auf Zeus zurückreichende Dogma schreibt im Grunde ein fixes „Nullwachstums“-Universum vor, wie das des verlogenen Sophisten Claudius Ptolemäus im Römischen Reich - ein Universum, in dem es keine Entwicklung mehr gibt und das wie die Uhr des närrischen Isaac Newton oder von Prinz Charles und seines Lakaien Al Gore immer wieder abläuft und immer wieder aufgezogen werden muß.

Das wirkliche Universum ist im Gegensatz dazu ein endloser Schöpfungsprozeß, eine Schöpfung, die sich in Form unaufhörlicher Bewegung und Entwicklung - antientropischer Entwicklung - äußert. Gott, der Schöpfer, lebt also noch, befreit aus dem delphischen Gefängnis des Aristoteles, und führt die Schöpfung fort!

Die Bemerkungen, mit denen ich dieses kurze Schlußkapitel eröffnet habe, beruhen auf wohldefinierten, experimentellen universellen Naturprinzipien. Keplers ureigenste, einzigartige Gründung der modernen Astrophysik ist hierfür beispielhaft. Ebenso beispielhaft ist Leibniz’ Infinitesimal, im Gegensatz zu dem Betrug, den berühmte Leute wie Descartes, Newton, de Moivre, D’Alembert, Euler, Lagrange, Laplace, Cauchy, Clausius, Grassmann u.a. gemeinsam begangen haben, ganz zu schweigen von erbärmlichen Figuren wie Mach, Bertrand Russell u.a.

Ganz einfach ausgedrückt ist das Infinitesimal des Leibnizschen Kalküls, das Leibniz aus Keplers Entdeckung der universellen Gravitation ableitete, ein ontologisches Infinitesimal, wie ich oben dargestellt habe, und kein aristotelisches, euklidisches oder kartesisches. Es ist Ausdruck der Aufwärtsbewegung physischer Entwicklung, Ausdruck eines antientropischen Universalprinzips. Die Eigenschaft als Infinitesimal entsteht (im Falle von Keplers Entdeckung) aus dem relativen Ausmaß der Wirksamkeit dieses Prinzips, indem es nämlich relativ unbegrenzt universell und wirksam ist (das aktual Unendliche - unendlich nicht hinsichtlich seines unmittelbaren Ist-Zustands, sondern hinsichtlich seiner künftigen Entwicklung).

In diesem Sinne ist das Universum in der ständigen Veränderung seiner Bewegung unendlich dicht. Der Nachweis, daß eine solche Änderung auch mit einer qualitativen Entwicklung im Universum verbunden ist, definiert das Wirkprinzip des Universums als antientropisch. Ein „Entropiegesetz“ ist schlicht und einfach ein Betrug.

Das besondere Kennzeichen unserer Gattung sind die schöpferischen Geisteskräfte des Einzelnen, wie sie in der Fähigkeit der menschlichen Gattung zum Ausdruck kommen, ihre potentielle relative Bevölkerungsdichte mit Hilfe neu entdeckter universeller Naturprinzipien oder deren Entsprechung willentlich zu erhöhen - eine Fähigkeit, welche unter allen Gattungen allein dem Menschen vorbehalten ist.

Diese und ähnliche Überlegungen definieren die eigentliche Natur des individuellen Menschen (wenn die Kenntnis des „Feuers“ nicht unterdrückt wird). Wenn er sich seiner Natur gemäß verhält, wirkt der Mensch nicht von unten, sondern antientropisch auf das Universum ein und erweist sich so als das Ebenbild des Schöpfers, von dem diese Kräfte des Menschen wie ein Geschenk herstammen. Diese Qualität des Handelns und Wirkens, welche die Menschheit in dieser ihr zugewiesenen Weise ausdrückt, ist ihrem Wesen nach antientropisch.

Mann und Frau bringen ihre Ebenbildlichkeit zum Schöpfer zum Ausdruck, indem sie wie Werkzeuge des Schöpfers als höhere Macht auf das Universum wirken. Dabei wächst die Macht der Menschheit in dem Maße, wie ihr Wissen über das Universum und über sich selbst voranschreitet. Wir sind keine Untertanen des Universums, sondern teilen mit dem Schöpfer die Pflichten, die uns die Entwicklung der Menschheit unausgesprochen auferlegt.

Anstatt also Opfer unseres ignoranten blinden Vertrauens auf die wortwörtliche Interpretation unserer Sinneseindrücke zu sein, sollte wir diese Sinne und die Hilfsmittel, die wir zu solchen Zwecken erfinden, nur als Werkzeuge behandeln, nicht als Wissen. Unsere vorrangige Aufgabe muß in unserer Natur als Menschen liegen - wie der Gärtner, der nicht nur an den bestehenden Garten denkt, sondern auch an Neuerungen zu seiner Verbesserung. Ebenbild des Schöpfers zu sein, heißt schöpfen.


Anmerkungen

1. Das Prinzip der klassischen Poesie, das im Sinne von Percy Shelleys Zur Verteidigung der Dichtung verstanden werden sollte, ist eine typische Reflexion des wirklichen Begriffs des pythagoräischen Kommas. Das ist das Prinzip der Prosodie, das nicht nur die klassische Poesie leitet, sondern auch die klassische Musik im Sinne der klassischen Grundsätze von Johann Sebastian Bach und seiner Anhänger sowie die gestaltende Kunst im Sinne von Leonardo da Vinci, Raffael Sanzio und Rembrandt. Jede davon muß als eine unterschiedliche Geometrie betrachtet werden, wobei das Prinzip des Kommas, das auch das Prinzip von Leibniz’ Monadologie ist, jeweils das Merkmal des schöpferischen menschlichen Geistespotentials ausdrückt, das den Menschen von den Tieren unterscheidet.

2. Siehe beispielsweise: http://gutenberg.spiegel.de/buch/monadologie-2790/1

3. Siehe in diesem Zusammenhang auch jüngste Arbeiten zur Modifizierung des Pariser Eiffelturms.

4. „Logisch positivistisch“ in der verrückten Tradition Ernst Machs und Bertrand Russells, die sich auch bei Fanatikern wie Norbert Wiener und John von Neumann äußert.

5. Siehe Bernhard Riemann, „Über die Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen“ (1854), in Bernhard Riemanns Gesammelte Mathematische Werke, Herausgegeben von H. Weber. (Siehe http://www.emis.de/classics/Riemann/Geom.pdf)

6. Und manchmal vielleicht sogar absichtlich irreführend.

7. Das soll heißen, daß eine solche Entwicklungsbewegung nicht das Ergebnis von Einflüssen ist, die auf feste Daseinszustände einwirken; sondern daß jene Bewegung, die man antientropische Entwicklung innerhalb des Universums nennt, eine ontologisch primäre Qualität der bloßen Existenz des Universums ist. Deshalb auch die ontologisch infinitesimale Bewegung von Leibniz’ Monadologie.

8. D.h. Mann und Frau, wie in der Schöpfungsgeschichte beschrieben.

9. Wie ich an anderer Stelle betont habe, haben die menschlichen Geisteskräfte, die wir mit wahrer Erkenntnis in Verbindung bringen, keine einfache biologische Grundlage. Erkenntnis, wie etwa die von Johannes Kepler entdeckte Gravitation, ist Ausdruck von tatsächlich ontologisch transfiniter Geistestätigkeit. Sie ist Ausdruck eines wirklichen Prinzips des ganzen Universums, so wie auch die Gravitation ein anderes solches Prinzip ausdrückt, ein Prinzip, auf das der biologische Geistesapparat des menschlichen Individuums sozusagen „abgestimmt“ ist. (Tieren hingegen fehlt eine solche Resonanz.) Das wiederholte Lösen von Rätseln, deren Lösungen im wesentlichen nichtlinear (d.h. nicht reduktionistisch) sind, indem die entsprechende Stimmung des menschlichen Wahrnehmungsapparates gestärkt wird, verbessert die Abstimmung der individuellen Erkenntniskräfte des menschlichen Geistes genauso wie die klassische Kunst (d.h. das Erbe Johann Sebastian Bachs) - wohingegen reduktionistische Erörterungen die „Stimmung“ des menschlichen Geistes und die von Reduktionismus durchsetzte Kultur tendenziell stört und schwächt.

10. Nicht zu übersehen die wichtigen Beiträge Brunelleschis, der als erster in der Neuzeit das Kettenlinien-(Seilkurven-)Prinzip der Physik entdeckte und in zeitlicher Überschneidung in Florenz (bei der Kuppel von Santa Maria del Fiore) anwendete.

11. Das von Cusa entdeckte Konzept entsprach tatsächlich einem Prinzip, das in der Methode der Pythagoräer und Platons enthalten war. Eine kompetente Wissenschaftsmethode hat immer etwas mit rein geometrischen (d.h. analogen, nichtlinearen) und nichts mit digitalen Beziehungen zu tun. Das Problem, auf das Nikolaus von Kues im Fall des Fehlers von Archimedes stieß, spiegelte den sophistischen Einfluß von Aristoteles und Anhängern des aristotelischen Sophismus wie Euklid und Ptolemäus wider. Die Bedeutung von Cusas Entdeckung des Fehlers bei Archimedes äußerte sich ganz zentral in der ursprünglichen Entdeckung der modernen Astrophysik durch Johannes Kepler. Jede kompetente Methode in der neuzeitlichen Wissenschaft basierte danach auf diesem Keplerschen Ursprung der modernen Astrophysik.

12. Siehe die Auseinandersetzung zwischen Leibniz und Clarke (1715-16).

13. Seit etwa 200 v.Chr.

14. Aus diesem Grund gibt es eine wichtige, erstaunliche Bestätigung für das erste Kapitel der Schöpfungsgeschichte. Wenn man der Versuchung bösartiger Ignoranten (einschließlich wissenschaftlicher Einfaltspinsel unter den Theologen) widersteht, und obgleich die Bildersprache dieses Kapitels größtenteils poetisch ist, ist dieses Kapitel, wenn man es als Zugang zu einem nüchternen Schöpfungsverständnis versteht, eine wissenschaftlich bestätigte, poetische Darstellung über die Seinsbeziehung des Universums zu Ursprung und Entwicklung der Erde bis zu dem Punkt, an dem die der menschlichen Gattung zugewiesene Rolle ihren Anfang nahm. Der richtige Ablauf deckt sich mit der Sichtweise, die sich durch die jahrtausendelange Entwicklung einer transozeanischen Astronavigations-Kultur der „Seevölker“ definiert.

Wenn man das übliche Schulgeschwätz außer acht läßt, handelt es sich darum, daß die Vorstellung des „Universellen“, die sich mit dem Begriff der „Sphärik“ bei den Pythagoräern und Platon deckt, als physikalisches Konzept nur vom Standpunkt jahrtausendelanger Astronavigation im Wanderleben von „Seevölkern“ möglich gewesen ist. (Man meide lieber diejenigen Abschnitte des sog. „Alten Testaments“, die sich nach meinen eigenen Erkenntnissen - aus einer intensiven Beschäftigung mit der antiken mesopotamischen Archäologie in den 50er Jahren - eindeutig auf mesopotamische Mythen zurückführen lassen, von denen man weiß, daß sie heidnische Veränderungen oder synkretistische Hinzufügungen zum hebräischen Text sind; sie könnten aus Schriften jüdischer Gefangener unter babylonischer und persischer Gewaltherrschaft stammen.) Moses reflektiert den maritimen Einfluß der „Seevölker“ auf die Ursprünge der antiken ägyptischen Kultur, der nicht „flußab“, nicht als Entdeckung durch eine praktisch landeingeschlossene Kultur, sondern durch das Wissen aus der Seefahrt erfolgte. Zum Vergleich: Die Ansiedlung der Sumerer war eine Kolonie einer nichtsemitischen maritimen Kultur aus dem Indischen Ozean.

15. Der um sich greifende Betrug der „globalen Erwärmung“ ist ein treffendes Beispiel jener Form der Gehirnwäsche selbst an eigentlich intelligenten Menschen.

16. Der verrückte Kernkraftgegner von heute steht in der Tradition nicht nur der Malthusianer, sondern auch des delphischen Apollo-Dionysos-Kultes. Die gehirngewaschene Schicht der ideologisch liberalen Angestellten und Karrieristen, die auf beiden Seiten des Atlantiks zwischen 1945 und 1958 geboren wurden, sind typisch für jene verrückten „68er“, die eine entscheidende Rolle bei der Zerstörung der global verbreiteten europäischen Zivilisation seit 1968 spielten.

17. Die Angestelltenschicht der 68er, die in den Vorstädten der „Schlipsträger“ und ähnlichen Vierteln in Europa und Amerika in der Zeit zwischen 1945 und 1958 herangezogen wurde.

18. Solche einflußreichen degenerierten Typen, wie sie mit der Rolle verbunden sind, welche Mrs. Lynne Cheney und jener Senator Joe Lieberman, der von der Familie William F. Buckleys quasi aus dem Boden von Connecticut gestampft wurde, an den amerikanischen Hochschulen spielen.

S. Scheele/wikipedia/cc-by-sa
Beim Bau des Florentiner Doms nutzte Filippo Brunelleschi das Prinzip der Kettenlinie, um den für unmöglich gehaltenen Bau dieser Kuppel zu bewerkstellingen.

19. Auch wenn das Prinzip der Kettenlinie (oder „Seilkurve“) schon Filippo Brunelleschi bekannt war und von ihm (für den Bau der Kuppel des Doms von Florenz) verwendet wurde, hat keiner der modernen Sophisten, besonders Galileo, das damit verbundene Naturprinzip verstanden. Hierzu gehören auch vorsätzliche Betrüger wie Leonhard Euler und die zahlreichen bloß inkompetenten und empiristischen Verbündeten und Anhänger Eulers, wie Laplace, Cauchy, Clausius und Grassmann. Der Angriff des Betrügers Euler u.a. auf Leibnizens Konzept des ontologisch Infinitesimalen wurde 1799 in der Dissertation von Carl Friedrich Gauß’ implizit zunichte gemacht, der sein Argument später als die richtige Darstellung des „Fundamentalsatzes der Algebra“ bezeichnete.

20. a.a.O.

21. Bereits Nikolaus von Kues, Kepler, Fermat und Leibniz hatten implizit die euklidische Tradition abgelehnt, aber da sie unter der ständigen tödlichen Bedrohung durch die Inquisition standen, konnten sie das nur auf Umwegen tun. Die mittelalterliche Inquisition haßte den Schwindler Galileo, aber das war Ausdruck eines innervenezianischen Streits um die politische und finanzielle Macht zwischen den alten venezianischen Parteigängern des Claudius Ptolemäus und der „neuen venezianischen Partei“ des Paolo Sarpi.

22. Siehe auch Lyndon LaRouche, „Vernadsky & Dirichlet’s Principle“, EIR, 3. Juni 2005. In deutscher Übersetzung: „Wernadskij und das Dirichlet-Prinzip“, in Fusion 2/2005.

23. a.a.O.

24. Jene, die sich in dieser Frage mit mir streiten wollen, verweise ich zu ihrer Information auf die blamable Anregung de Moivres an D’Alembert, daß man die mathematischen „Infinitesimale“, auf die sie bei algebraischen Funktionen mit kubischen und biquadratischen Wurzeln gestoßen waren, einfach beliebig weglassen sollte, weil sie nicht in ihre Beweisführung paßten und allein schon deshalb als offensichtlich nur „imaginäre“ Ablenkungen zu betrachten seien - als wäre daran irgendein bösartiger Betrüger schuld, der unter den Dielenbrettern der Realität sein Unwesen treibt. Die Absurdität solcher Lügen und Irrationalität hielt jedoch Euler, Lagrange, Cauchy, Clausius, Grassmann etc. nicht davon ab, sich die gleiche Anmaßung gegenüber der modernen Naturwissenschaft und der Sache der Vernunft herauszunehmen. Siehe auch Sky Shields, „What exactly, Is a Human Being? Analog, Digital, and Transcendental“, in EIR, 4. Januar 2008, deutsch: „Analog, digital und transzendental - Was genau ist eigentlich ein Mensch?“, Neue Solidarität 16/2016, siehe http://www.solidaritaet.com/neuesol/2008/16/mensch.htm

25. Das Konzept einer Biosphäre oder Noosphäre wurde noch nirgendwo kompetent vorgeschlagen oder wissenschaftlich vorgestellt außer vom russischen Akademiemitglied W.I. Wernadskij im Rückgriff auf experimentelle Prinzipien der physikalischen Chemie.

26. Lyndon LaRouche, a.a.O.

27. Eine sich hieraus ergebende Frage ist, inwieweit der intellektuell entwickelte und aktive Geist einen inneren relativen Vorteilsfaktor zur Begünstigung einer langen Lebensdauer spielt. Selbst ein bösartiger, aber aktiver Geist wie der von Bertrand Russell legt eine solche Frage nahe. Jedenfalls lautet der Schluß - ob sich dies als Spekulation erweist oder nicht -, daß man lieber so ernsthaft wie möglich denken sollte, als hinge das eigene Leben davon ab, unabhängig vom Ergebnis im jeweiligen Einzelfall. Ist es nicht ohnehin weiser, mit der höchsten Seinsform in unserem Universum „gleichgestimmt” zu sein?

28. Kästner machte es sich schon früh in seinem Leben zur Aufgabe, das Werk der beiden größten Bürger seiner Heimatstadt Leipzig, Gottfried Leibniz und Johann Sebastian Bach, zu verteidigen. Natürlich hatte keiner aus der degenerierten Truppe namens „Romantiker“ im 18. und frühen 19. Jahrhundert wirklich eine Ahnung über das Werk von Leibniz, Bach oder Lessing.

29. Siehe, Paulus, 1. Brief an die Korinther 13.