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Neue Solidarität
Nr. 20, 17. Mai 2018

Zur Verteidigung des Jemen

Ulf Sandmark vom schwedischen Schiller-Institut erklärt in einem Offenen Brief die Hintergründe des derzeitigen Bürgerkriegs im Jemen.

Die amtierende Regierung des Jemen, die häufig als „illegitim“ bezeichnet wird, ist die Regierung, die heute den Jemen gegen die bösartigen Angriffe der saudisch geführten Koalition verteidigt, mit denen der Jemen als funktionierender Staat und als souveräne Republik mit einem langen, stolzen Erbe zerschlagen werden soll.

Die Regierung Hadi, die in der saudischen Hauptstadt Riad sitzt, hat keine Legitimität. Weder aus juristischer Sicht, da Hadi niemals gewählt war, sondern nur vom Parlament für eine Amtszeit eingesetzt wurde, die 2015 auslief, als er aus Sanaa floh und von Aden aus den Bürgerkrieg eröffnete. Und noch weniger aus moralischer Sicht, weil er fremde Nationen aufgerufen hat, sein Heimatland mit einer äußerst brutalen Aggression und einem massenmörderischen Embargo anzugreifen. Er ist inzwischen im Jemen so verhaßt, daß er unmöglich einen politischen Versöhnungsprozeß leiten kann. Er kann auch gar nicht in den Jemen einreisen, weil der Südjemen seine Unabhängigkeit vom Norden, den Hadi ihrer Meinung nach vertritt, erklärt und seine Streitkräfte vertrieben hat.

Die von Abdul-Malik Badreddin Al-Houthi geleitete Ansarullah-Bewegung führt eine Koalitionsregierung im Jemen an, der die Ministerien, die nationale Verwaltung und die jemenitische Armee unterstehen. Sie läßt sich heute nicht mehr als bloße Regionalpartei bezeichnen, da sie inzwischen viel breitere Unterstützung im Jemen hat. Der Präsident des Jemen, Saleh Al-Sammad, der am 19. April ermordet wurde, und sein Nachfolger, Mahdi Al-Maschad, hatten und haben die Unterstützung der Parlamentsmehrheit. Dieses Parlament wurde vor 2015 demokratisch gewählt. Al-Sammad befürwortete freie Wahlen, und dies tut auch die Ansarullah-Bewegung (die oft als „die Huthis“ bezeichnet wird). Al-Sammad bezeichnete sich selbst niemals als „Präsidenten“, sondern immer nur als „amtsführenden Präsidenten“, in Erwartung kommender Wahlen.

Die zweite wichtige Frage ist, ob die jemenitische Regierung auch das Volk repräsentiert. Auf dem von ihr beherrschten Territorium lebt der Großteil der jemenitischen Bevölkerung. Welche Stimmung in dieser Bevölkerung herrscht, konnte die ganze Welt sehen, als in Sanaa die aufsehenerregenden Demonstrationen zur Unterstützung der Regierung mit mehr als einer Million Menschen stattfanden. Ähnliche Menschenmassen sind während des Krieges immer wieder auf die Straßen gegangen, obwohl sie sich dabei der Gefahr saudischer Luftangriffe aussetzten. Solche Massendemonstrationen zur Unterstützung der Regierung sind weltweit sehr selten, besonders in den europäischen Demokratien. Die Regierung des Jemen würde mit Sicherheit in freien Wahlen nicht „hinweggefegt“, wie es die westliche Medienpropaganda behauptet. Man muß nur die Bilder der riesigen Demonstrationen in Sanaa sehen, um das zu begreifen.

Welche weiteren Pläne die Regierung hat, läßt sich nicht beurteilen, solange die Aggression der saudischen Koalition andauert. Man kann es aber nur als heldenhaft bezeichnen, wie sie in diesem Krieg nicht aufgibt und gegen eine Aggression, hinter der die westlichen Großmächte stehen, das Territorium hält. Man kann auch Rußland und China keinen Vorwurf daraus machen, daß sie nicht auf der Seite des Jemen intervenieren – sie sind schließlich nicht die Putzfrauen, die den Dreck wegräumen, den die westlichen Mächte hinterlassen.

Aus meiner Sicht war es allerdings ein großer Fehler, daß China und Rußland die UN-Resolution 2216 nicht verhindert haben. Entschuldigend ist dazu zu sagen, daß sie alle Hände voll damit zu tun hatten, den Schlamassel zu beseitigen, den die gleichen Aggressoren in Syrien anrichteten. Außerdem werden sie beide mit der möglichen Unterbrechung ihrer Ölversorgung bzw. des Öltransports erpreßt, da dieser Krieg am Nadelöhr des Persischen Golfs stattfindet.

Der Kongreß für den Nationalen Dialog hatte 2013-14 nach der Revolte des Arabischen Frühlings ein gewisse Legitimität, aber er wurde unter ausländischem und insbesondere saudischem Einfluß immer weiter hinausgezögert, was das Land in Richtung einer Aufteilung in eine Konföderation von sechs Teilen trieb. Auch die „Vermittler“ des Golf-Kooperationsrates, der von der UN-Resolution zum Jemen unterstützt wird, streben eine solche Aufteilung des Landes an. Die von der Ansarullah-Bewegung 2014 begonnene Militärrevolte war eine Reaktion von Kräften innerhalb des Jemen gegen diese ausländische Einmischung und Destabilisierung. Nationen haben das Recht, ihre korrupten Regierungen zu stürzen, ganz besonders, wenn diese unter ausländischem Einfluß stehen.

Präsident Hadi, der in keiner Weise mehr durch Wahlen legitimiert ist als die gegenwärtige Präsidentschaft des Jemen, hat über seinen Verteidigungsminister die Destabilisierung noch gefördert, indem er Waffen an Al-Kaida lieferte. Die religiöse Spaltung im Land ging nicht von der Ansarullah-Bewegung aus, sondern ist eine Folge der Verbreitung des Wahhabismus in Moscheen, die von Saudi-Arabien bezahlt und von der Moslem-Bruderschaft geleitet werden. Feindschaft zwischen Sunniten und Schiiten gab es in der bisherigen Geschichte des Jemen nicht.

Gleichzeitig führte die Regierung Obama ihren Drohnenkrieg „gegen“ Al-Kaida und ließ sich durch die Proteste des Jemen nicht davon abbringen, obwohl durch die US-Raketen mehr neue Terroristen rekrutiert als alte ausgeschaltet wurden. Selbstmordanschläge in Sanaa verschärften die terroristische Destabilisierung. Als 2014 der Islamische Staat aufstieg, schlossen sich ihm mehrere Al-Kaida-Gruppen im Jemen an, und schon bald wurde der IS zu einer Bedrohung für das ganze Land. Der IS begann seinen Marsch auf Sanaa, das als Ausgangspunkt für die Machtübernahme der Terroristen im ganzen Land dienen sollte. Deshalb unterstützten es selbst Anhänger von Hadis Kongreßpartei, als die Ansarullah-Bewegung die Macht in Sanaa übernahm – was der Westen als „Militärputsch“ bezeichnet. Bemerkenswert ist, daß sich auch der frühere Präsident Ali Abdullah Saleh dem von der Ansarullah-Bewegung angeführten „Prozeß zur Rettung der Nation“ anschloß.

Die Ansarullah-Bewegung und ihre Verbündeten organisierten einen Versöhnungsprozeß, um alle großen Parteien des Landes zu Verhandlungen zusammenzuführen – sogar die Islah-Partei der Moslem-Bruderschaft und die Hadi-Anhänger -, um die Spaltung des Landes zu überwinden. Diese Verhandlungen, die in Mosambik geführt wurden, standen kurz vor einer Beilegung des langen Bürgerkriegs im Jemen, als die Saudis am 26. März 2015 ihre Aggression begannen. Die Aussicht auf einen geeinten Jemen war der Grund für den Angriff, ein vom Terrorismus befreiter und geeinter republikanischer Jemen war für die westlichen Mächte und ihre Satrapen am Golf inakzeptabel.

Der Hauptgrund für diesen Krieg ist also eine ausländische, koloniale und mörderische Aggression, die den Terrorismus unterstützt, anstatt ihn zu bekämpfen. Sobald diese ausländische Aggression beendet ist, werden die Jemeniten in der Lage sein, selbst über ihre Zukunft zu entscheiden.

Das Schiller-Institut schlägt vor, daß der Jemen seine nationale Einigung auf der Grundlage eines Entwicklungsplanes organisiert, indem sich das Land der Neuen Seidenstraße anschließt. Dieser Plan ist ein wichtiges Instrument für das jemenitische Volk, sich zu versöhnen, indem es darüber entscheidet, wie eine Zukunft in Souveränität und Glückseligkeit aufgebaut werden kann.

Die Behauptung, nicht die Militärintervention der saudischen Koalition, sondern die Huthis seien das eigentliche Problem, ist falsch, auch wenn die westlichen Medien und Regierungen sie noch so oft wiederholen. Die ach so selbstgerechten Vertreter der westlichen Welt sollten endlich anfangen, die Schuld ihrer eigenen Regierungen zu erkennen.

Ulf Sandmark, Schiller-Institut in Schweden
ulf.sandmark@nysol.se