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Neue Solidarität
Nr. 10, 7. März 2019

Deutsche Industrie will bessere Beziehungen zu Rußland

Trotz der Sanktionspolitik der EU übt die deutsche Wirtschaft Druck auf die Bundesregierung aus, die Beziehungen zu Rußland zu verbessern.

Bei der diesjährigen 6. Rußland-Konferenz des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) am 21. Februar in Berlin herrschte eine deutlich optimistischere Stimmung als in den vergangenen beiden Jahren. Die deutsche Wirtschaft will die Zusammenarbeit mit Rußland trotz der Sanktionen der Europäischen Union, deren Aufhebung nicht in Sicht ist, vertiefen, und auch die russische Seite ist aktiv bestrebt, die Beziehungen zu intensivieren. Das Thema der Konferenz lautete „Rußlands Wettbewerbsfähigkeit – neue Wege!“ Präsident Putin hatte am 20. Februar in seiner jährlichen Rede an die Nation keinen Zweifel daran gelassen, daß Rußland den eingeschlagenen Weg wirtschaftlich-technologischen Fortschritts und sozialer Entwicklung konsequent fortsetzen und auch seine Verteidigungsfähigkeit so entwickeln wird, daß jeder Angreifer einen hohen Preis bezahlen müßte.

Bei der Eröffnung der Konferenz warnte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) mit ungewohnt deutlichen Worten diejenigen, die (auch in Deutschland) die Konfrontation gegen Rußland wollen. Er zitierte Kanzler Otto von Bismarck, der, als er gegen Ende seiner Amtszeit zu einem Präventivkrieg gegen Rußland aufgefordert wurde, antwortete, das Militär habe Pläne für militärische Siege in einem Krieg auszuarbeiten, er aber entscheide, ob ein solcher Krieg überhaupt geführt wird. Altmaier erinnerte an die leidvollen Erfahrungen, die diejenigen machen mußten, die meinten, man könne einen Krieg gegen Rußland gewinnen.

Altmaier forderte nachdrücklich einen offenen Dialog auf beiden Seiten, es herrsche schon zu lange Sprachlosigkeit. Er betonte, das Potential der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Rußland sei nicht einmal ansatzweise ausgeschöpft. Die Regierung habe sich trotz des Drucks anderer EU-Länder und der USA – als Teil ihrer gesamten Energiestrategie – darauf verpflichtet, das Gaspipeline-Projekt Nord Stream 2 von Rußland nach Deutschland umzusetzen.

Dazu wäre zu kommentieren, daß Deutschland auch deshalb an Nord Stream 2 so interessiert ist, weil die destruktive Entscheidung, aus der Atomenergie (bis 2022) und der Kohlekraft (bis 2038) auszusteigen, zwangsläufig erfordert, mehr Erdgas zu importieren (und das nicht nur aus Rußland).

Nach Angaben des Wirtschaftsministers führen viele deutsche Unternehmen Gespräche mit russischen Kollegen über die Reaktion auf erwartete US-Sanktionen gegen die neue Gaspipeline. In vielen Fragen sind die Ansichten auf beiden Seiten ähnlich, wie Altmaiers Treffen mit Rußlands Minister für wirtschaftliche Entwicklung Maxim Oreschkin vor der Veranstaltung zeigte.

Oreschkin sprach in seiner Rede von einem „neuen Zeitalter der Entwicklung“ in Rußland, da die wirtschaftliche und finanzielle Situation nicht mehr so ​​unbeständig sei wie zuvor. Das Land ist auch weniger anfällig für Ölpreisschwankungen, weil inzwischen der eigenen Wertschöpfung mehr Bedeutung beigemessen wird als dem Rohstoffexport. Oreschkin lud die deutsche Industrie ein, sich aktiv an dieser neuen Ära der russischen Industrie zu beteiligen und das Kooperationspotential zu nutzen. Der Minister versäumte nicht, darauf hinzuweisen, daß sich Rußland neben Nord Stream 2 auch in anderen Energieprojekten in Europa engagiert, so zum Beispiel dem Bau von Kernkraftwerken in Finnland und Ungarn.

Eine lange Tradition

Der Botschafter der Russischen Föderation in Berlin, Sergej Netschajew, verwies auf die aktuellen Schwerpunkte der russischen Politik, wie sie Präsident Putin in seiner Rede an die Nation dargelegt hatte. Er unterstrich die lange, teils jahrhundertelange Tradition deutscher Unternehmen in Rußland und die große Zukunft der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen. Netschajew sagte, die Zusammenarbeit im gesamten eurasischen Wirtschaftsraum sei eine sehr aktuelle Idee, die gewissen Leuten keine Ruhe ließe – diese fänden immer irgendetwas, um diesen Prozeß zu behindern. Wer behindere die Umsetzung des von Bundespräsident Steinmeier ausgehandelten Minsker Abkommens? Man habe im 20. Jahrhundert vieles erlebt, aber letztendlich sei der Weg der Versöhnung entscheidend, um eine gemeinsame strategische Zukunft aufzubauen. Das Klima in Gesamteuropa sei vom Verhältnis zwischen Deutschland und Rußland abhängig.

Der Präsident der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer, Dr. Rainer Seele, zeigte sich sehr erfreut über die wieder neu in Gang gekommenen politischen Gespräche Er sei optimistisch, denn Rußland habe sich nach der schweren Wirtschaftskrise 2014-15 gut entwickelt, und Politiker in beiden Ländern sollten jetzt die Gelegenheit nutzen, mehr mittelständischen Unternehmen Geschäfte mit Rußland zu ermöglichen. Die deutsche Wirtschaft hofft, daß der Konflikt in der Ostukraine bald gelöst werden kann und die deswegen verhängten Sanktionen schrittweise aufgehoben werden können. Mittlerweile arbeiten in Rußland 4500 überwiegend mittelständische deutsche Unternehmen, die 270.000 Arbeitsplätze geschaffen haben. Deutschland wird von den Russen zu Recht als wichtigster Handelspartner in Europa angesehen. Und eine engere Kooperation zwischen der Eurasischen Union und der EU werde langfristig auch den USA zugute kommen. Dr. Seele schloß seine Ausführungen mit einem Appell für den Frieden und trug dazu ein bewegendes Gedicht vor.

Die Entschlossenheit zur engeren strategischen Kooperation wurde auch mit der Unterzeichnung des „Memorandums über einen gemeinsamen Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok“ durch Repräsentanten wichtiger russischer und deutscher Firmen unterstrichen. In verschiedenen Konferenzsitzungen ging es dann mit hochrangigen Teilnehmern um Rußlands Wettbewerbsfähigkeit in Zeiten des Wandels, Innovation als Triebfeder der Wettbewerbsfähigkeit (Russland Digital), um Importsubstitution in Rußlands Wirtschaftsbranchen sowie um staatliche Prioritätensetzung in der russischen Industriepolitik und die Steigerung der Produktion.

Interessant war in diesem letzten Panel der Hinweis von Michael Harms, dem Geschäftsführer des Ost-Ausschusses – Osteuropavereins der Deutschen Wirtschaft, der auf eine Frage zur Rolle des Staates in der Industriepolitik antwortete, diese könne sehr wohl erfolgreich sein, wie das Beispiel Chinas zeige. Zuvor hatte er bereits erklärt, mit der Veröffentlichung von Wirtschaftsminister Altmaiers Industriestrategie 2030 sei in Deutschland das Thema „Industrie wieder in der Diskussion“.

Das abschließende Gespräch mit dem Journalisten und Putin-Biographen Hubert Seipel bot eine gute Gelegenheit, sich vorzustellen, wie sehr die Öffentlichkeit in Deutschland davon profitieren würde, wenn es hierzulande eine objektive Presselandschaft gäbe.

Klare Kante ist in dieser Hinsicht besonders gegenüber der britischen Politik notwendig, die die globale Hexenjagd gegen Rußland anführt und seit langem auf verschiedenen Ebenen versucht, die ihrer Ansicht nach „zu rußlandfreundliche Haltung“ in Deutschland zu verändern. Dazu gehören auch Aktivitäten wie jene der nach jüngsten Enthüllungen vom britischen Außenamt finanzierten „Integrity Initiative“, die sich zum Ziel gesetzt hat, über verdeckte „Cluster“ in deutschen Medien und Institutionen das Rußlandbild in Deutschland aktiv zu beeinflussen. Es ist zu hoffen, daß Wirtschaftsminister Altmaier und Außenminister Maas den Besuch des britischen Außenministers Jeremy Hunt in Berlin am 20. Februar genutzt haben, um sich diese Einmischung zu verbitten.

Elke Fimmen