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Neue Solidarität
Nr. 45, 5. November 2020

China und der Westen: Rivalität oder Kooperation?

Von Alexander Hartmann

Das Schiller-Institut und die spanische Denkfabrik Cátedra China veranstalteten eine Onlinekonferenz über die Beziehungen zwischen dem Westen und China.

Wie sollten sich die Länder Europas und die Vereinigten Staaten in diesem kritischen Augenblick der Geschichte gegenüber China verhalten? Und auf welchen kulturellen und philosophischen Grundlagen sollte dieses Verhältnis beruhen? Diese dringenden Fragen waren am 21. Oktober Gegenstand einer vierstündigen Videokonferenz, die vom Schiller-Institut und der Denkfabrik Cátedra China, die sich in Spanien für enge Beziehungen mit China einsetzt, veranstaltet wurde.

Die Veranstaltung trug den Titel „China und der Westen von Angesicht zu Angesicht: Rivalität oder Kooperation?“ und fand auf Spanisch und Englisch jeweils mit Simultanübersetzung statt. Die Teilnehmer kamen aus 30 Ländern, darunter waren hochrangige diplomatische Vertreter mehrerer iberoamerikanischer Nationen und Chinas. In den Vorträgen wurde dargestellt, welche gemeinsamen Prinzipien die Entwicklung Chinas wie auch westlicher Länder geleitet haben, und begründet, warum die Unterschiede zwischen beiden keineswegs unversöhnlich sind, sondern einander ergänzen, wenn die Lösung sich um die Idee des Gemeinwohls konzentriert. Die Vorträge führten dann zu einer lebhaften Diskussion über die konfuzianische Philosophie und ihre Einstellung zu Innovation und Kreativität sowie über die Tradition der europäischen Renaissance, u.a. mit Leibniz.

Die Idee dieser Konferenz war in Gesprächen nach der letzten Konferenz des Schiller-Instituts Anfang September entstanden, bei der der Präsident von Cátedra China, Marcelo Muñoz, gesprochen hatte (siehe Neue Solidarität 43/2020). Muñoz war 1978 zum ersten Mal in China und hat daher ähnlich wie die Vorsitzende des Schiller-Instituts Helga Zepp-LaRouche, die 1971 erstmals in China war, einen unmittelbaren Eindruck davon gewonnen, wie sich dieses Land, das wie kein anderes aus armen, unterentwickelten Zuständen einen Riesensprung gemacht hat, in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat.

„Eine andere Welt“

Muñoz betonte in seiner Rede, am meisten habe ihn die Entdeckung überrascht, daß China „eine andere Welt“ war. „Und ich habe sie in den letzten 42 Jahren immer wieder entdeckt, bestätigt und studiert. Leibniz drückte es mit anderen Worten aus: ,China ist ein anderer Planet.’ ... Wir im Westen wissen das nicht, wir akzeptieren es nicht oder haben es zumindest nicht verinnerlicht, und nur wenige unserer Intellektuellen und Politiker sind sich dessen bewußt. Im allgemeinen denken wir, ja wir sind sogar davon überzeugt, daß unsere Welt die einzige und einzigartige ist, und daß alles, was nicht in diese, ,unsere’ Welt paßt, nicht gültig, nicht akzeptabel oder nicht richtig ist.“

China sei die älteste kontinuierliche Zivilisation der Welt und das einzige Land, das sich, abgesehen von kurzen Perioden von Umwälzungen oder dynastischen Veränderungen, über Jahrhunderte hinweg auf ungefähr dem gleichen Territorium und mit den gleichen ethnischen Gruppen weiterentwickelt hat. Und der chinesische Staat gründe – mit wenigen Ausnahmen – seit 2300 Jahren „auf philosophischen, ethischen und politischen Grundlagen, die sich von denen des Westens stark unterscheiden: auf der konfuzianischen Philosophie, die alle Staatsdiener studieren mußten, bevor sie erst nach sehr anspruchsvollen Prüfungen zu ihren politischen Ämtern zugelassen wurden“.

Der Konfuzianismus sei sozusagen die „Festplatte“ der chinesischen Zivilisation, „eine Welt von Ideen und Werten, die sich sehr vom westlichen Denken unterscheidet. Zum Beispiel herrscht im konfuzianischen Denken das Kollektiv über das Individuum, das Wohl der Gesellschaft steht über dem Wohl des einzelnen. Der ,Chinesische Traum’ ist nicht der Triumph des Individuums, auch nicht der persönliche, individuelle Erfolg; vielmehr ist er der Erfolg der Gemeinschaft, der Gesellschaft, des Wohlstands aller, und nur in diesem kollektiven Kontext wird dem persönlichen Erfolg Beifall gezollt.“

Muñoz gab dann einen Überblick über die Entwicklung der Beziehungen zwischen China und dem Westen in der Zeit seit dem Altertum, in der China lange die kulturell und wirtschaftlich führende Weltmacht war, bis es in den letzten Jahrhunderten durch die westlichen Kolonialmächte erniedrigt wurde.

Nun kehre China auf die Weltbühne zurück. „Das China, das heute entstanden ist, verwandelt sich zur zweiten Weltmacht, es kehrt mit neuer Kraft in die internationale Sphäre zurück, und es ist zurückgekehrt, um zu bleiben. Und der Westen ist überrascht und verärgert: Er hat es weder erwartet noch akzeptiert er es. Wir waren so sehr in ,unsere’ Welt eingetaucht, daß wir diese andere Welt, nämlich China, das den Sprung aus der Armut in eine beschleunigte Entwicklung vollzog, weitgehend ignorierten... Und wir sind überrascht und irritiert, daß China nun beabsichtigt, in der internationalen Gemeinschaft den Platz einzunehmen, der ihm angesichts seines wirtschaftlichen, technologischen und politischen Gewichts zusteht.“

Muñoz schloß seinen Vortrag: „Viele von uns politischen Analysten fordern und begründen die Notwendigkeit einer neuen Weltordnung, welche die Weltordnung, die wir im Westen nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet haben, schrittweise ersetzt. Wir sind nicht allein auf der Welt, wir haben weder das Recht, uns anderen aufzudrängen, noch unsere Spielregeln durchzusetzen. Es gibt bereits neue Akteure auf der Bühne der internationalen Beziehungen, und weitere werden in Kürze auftauchen; und wir müssen ihnen Platz machen, selbst wenn wir stark genug wären, sie aufzuhalten oder zu verlangsamen. Und der erste dieser neuen Akteure ist angesichts seiner Bedeutung China, jene ,andere Welt’, die wir kennen und verstehen müssen und mit der wir zum Dialog und zu Verhandlungen verpflichtet sind.“

Wirtschaftliche Vorteile für alle Seiten

Yao Fei, Gesandter-Botschaftsrat der chinesischen Botschaft in Madrid, hob die enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen China und dem Westen hervor: „Im Jahr 2018 stieg der Warenhandel zwischen China und den USA auf 633,5 Milliarden Dollar. Die bilateralen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen erhalten 2,6 Millionen Arbeitsplätze in den USA und helfen jeder amerikanischen Familie, 850 Dollar im Jahr zu sparen. Heute gibt es mehr als 70.000 amerikanische Unternehmen, die in China investieren, von denen 97% Gewinne erwirtschaften... Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Vorstellung, daß ,die USA verlieren’, der Realität widerspricht, da beide Seiten große Nutznießer waren.“ Auch die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen China und der EU seien in ähnlicher Weise von gegenseitigem Nutzen und „Win-Win-Kooperation“ geprägt.

China sei dazu bereit, noch mehr Zusammenarbeit mit der westlichen Welt zu entwickeln. „Es wird sich zunehmend stärker öffnen, denn diese neue Konstellation wird das Potential seines Binnenmarktes freisetzen und dem Wachstum der Nationen der Welt eine nachhaltige Triebkraft verleihen. Das bessere Leben für 1,4 Milliarden Chinesen, das China anstrebt, muß angesichts der globalen Herausforderungen notwendigerweise ein internationales Umfeld des dauerhaften Friedens und der Beteiligung an der internationalen Zusammenarbeit einschließen.“

In einer für einen chinesischen Diplomaten ungewöhnlichen Deutlichkeit äußerte er seinen persönlichen Ärger über die Art und Weise, wie China behandelt wird:

Er schloß seinen Vortrag mit dem Appell:

Nicht der Hysterie des Augenblicks folgen

Prof. Michele Geraci war als Staatssekretär für wirtschaftliche Entwicklung der Architekt der italienischen Chinapolitik und hat das Memorandum über Italiens Kooperation mit der Gürtel- und Straßen-Initiative ausgehandelt. Er begann seinen Vortrag mit der Feststellung: „Ich habe gerade Gespräche mit einigen meiner Kollegen und ehemaligen Kollegen in Europa geführt. Dabei ist wieder einmal ein Problem aufgetaucht, das ich bereits in den letzten Jahren gesehen habe, nämlich, wie Europa mit China umgeht. Ich denke, wir verwechseln dabei geopolitische Freundschaften oder Bündnisse mit dem Wunsch oder der Notwendigkeit, manchmal Geschäfte zu machen und Beziehungen zu anderen Ländern zu unterhalten.“

Viele im Westen seien von Chinas wachsender Wirtschaftsmacht überrascht worden. „Diesem plötzlichen Auftauchen einer aufstrebenden Wirtschaft kann man auf viele Arten begegnen. Natürlich nicht militärisch, glücklicherweise, doch auch die wirtschaftliche Konkurrenz wird jetzt ein wenig hart, weil wir ein wenig zu spät dran sind. Einige von Ihnen haben über Technologie gesprochen, wo China vorne liegt. Selbst die politische und soziale Organisation in China stellt unser System der liberalen Demokratien auf die Probe, denn nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht, sondern auch bei der Bewältigung der Krise hat China anscheinend viel besser abgeschnitten als andere Teile der Welt.“

Da man diese Herausforderung nicht militärisch lösen und ihr auch nicht mit wirtschaftlichen Mitteln begegnen könne, werde nun Druck auf Europa ausgeübt. „Wir werden ersucht, Partei zu ergreifen, was Europa aber gar nicht kann, weil Europa keine wirtschaftliche Unabhängigkeit hat. Wir in Italien treiben viel Handel mit den USA, mit China weniger, aber Deutschland allein setzt 100 Milliarden Dollar um, und Deutschland ist eine große treibende Kraft in Europa. Holland ist ein kleines Land, spielt aber eine größere Rolle, als seine Größe verrät, wegen der Häfen und des Handels. Auch die nordeuropäischen Länder haben ein Interesse an engen Beziehungen zu China. Frankreich verkauft Hunderte von Airbus-Maschinen, und so weiter. Ich denke also, Europa steckt in der Mitte fest. Es wird aufgefordert, Partei zu ergreifen, was es aber nicht kann.“

Er riet zur Besonnenheit: „Meine Empfehlung, wie ich sie auch gegenüber den Medien und auch gegenüber meinen ehemaligen Kollegen in der Regierung geäußert habe, ist im wesentlichen, Zeit zu gewinnen. Reagieren wir nicht auf die Hysterie des Augenblicks mit Slogans und sagen ja oder nein – ja zu diesem, ja zu jenem. Warten wir lieber ab... Setzen wir mehr auf die Analyse; weniger Hysterie; weniger Politik über Twitter; und wir brauchen Zusammenarbeit. Denn die Grundlage für die Lösung dieses Problems ist immer ein gemeinsames Verständnis.“

Gegen die geopolitische, malthusianische Zerstörung

Der frühere französische Präsidentschaftskandidat Jacques Cheminade begann seinen Vortrag mit der Feststellung: „Wir sind an einem entscheidenden Moment in der Weltgeschichte angelangt, an dem die Fähigkeit der Menschheit, zu überleben, in jedem von uns auf die Probe gestellt wird. Grund zum Pessimismus haben wir nur, wenn wir dem Problem aus dem Weg gehen oder weiter so denken wie bisher, was uns in die Situation gebracht hat, in der wir uns jetzt befinden. Die Geopolitik ist eines der vier Viren, die diesen selbstmörderischen Trend zum Ausdruck bringen, zusammen mit dem Finanzvirus, dem malthusianischen Virus und dem Virus der Bürokratie – die vier Reiter der Apokalypse unserer Zeit, oder um es in Begriffen asiatischer Kultur auszudrücken, die vier Drachen, die die Welt bedrohen.“

Das Wort „Geopolitik“ werde nur allzu oft von wohlmeinenden Dummköpfen benutzt, doch die Oligarchie verstehe darunter „ihren Schein nie endender Macht, ausgeübt durch einen permanenten Kriegszustand. Es ist eine Welt wie an einem geographischen Spieltisch, wo der Gewinner alles abräumt, unterstützt von bürokratischen Croupiers, die den vom oligarchischen Kasinobesitzer zugelassenen Spielern die Karten geben. Chips und Karten bedeuten in der realen Welt natürlich Waffen, und aus den Kasinos sind Megabanken geworden. Um dieses große selbstmörderische Spiel herum entwickelt sich eine Kultur des Todes, denn diese Spielsucht zerstört unsere in einer rationalen Welt entwickelte menschliche Kreativität.“

Cheminade beschrieb die Entwicklung und die Folgen des geopolitischen Denkens, das zu den beiden Weltkriegen im 20. Jahrhundert geführt hat, und stellte fest: „Angesichts der Weltlage sollten wir alle Kräfte unterstützen, die gegen die anglo-amerikanische geostrategisch-malthusianische Zerstörungspolitik vorgehen. Das bedeutet, wirtschaftliche Koexistenz als eine Änderung der weltweiten Richtung und Denkweise zu unterstützen. De Gaulle nannte das früher ,Detente, Entente und Kooperation’. Lyndon LaRouche und Helga Zepp-LaRouche nennen es das Zusammentreffen der Gegensätze, d.h. ein höheres Prinzip zur Lösung scheinbarer Widersprüche, die auf einer tieferen Ebene bestehen.“

Konfuzius und Schiller

Helga Zepp-LaRouche griff Marcelo Muñoz’ Feststellung auf, China sei „eine andere Welt“, und sagte: „Ja, der Westen und China sind zwei sehr unterschiedliche Welten. Als ich 1971, mitten in der Kulturrevolution, zum ersten Mal nach China reiste, hatte ich einen echten Kulturschock, weil es völlig anders war als alles, was ich bis dahin in Europa gesehen hatte. Aber abgesehen von den substantiellen Unterschieden in Kultur, Geschichte, Sprache, Philosophie und Werten zwischen den beiden Zivilisationen gibt es auch gemeinsame universelle Prinzipien, die, wenn man sie einmal entdeckt hat, es viel leichter machen, sich auf die andere zu beziehen.“

Allerdings dächten einige im Westen, wir befänden uns heute „mit China in einem Wettbewerb der Systeme, und in gewisser Weise sind wir das auch. Wenn die gegenwärtigen politischen Trends auf beiden Seiten jeweils fortgesetzt werden, ist das Ergebnis klar: Der Westen wird katastrophal verlieren, und zwar nicht wegen irgend etwas, was China tut, sondern wegen eines selbstzerstörerischen Paradigmenwechsels im Westen, bei dem Europa und Amerika ihre besten Traditionen aufgegeben haben, während China im Gegenteil mit Deng Xiaopings Politik der Reform und Öffnung zu seiner jahrtausendealten konfuzianischen Tradition zurückgekehrt ist. In Europa hingegen gibt es gegenwärtig einen gigantischen Gedächtnisverlust in Bezug auf die fortgeschrittensten Perioden der europäischen Geschichte, wie die griechische Klassik, Italiens Goldene Renaissance und die deutsche Klassik, und zwar so sehr, daß die Menschen nicht einmal mehr eine Ahnung haben, was sie vergessen haben.“

An die Stelle dieser besten Tradition in der klassischen Wissenschaft, der humanistischen Kultur und der Sorge um das Gemeinwohl seien eine alles überragende Orientierung auf Profitmaximierung und eine Gegenkultur getreten, die dem liberalen Prinzip „Alles ist erlaubt“ folge.

Grundlage des chinesischen Erfolgs sei das im Konfuzianismus gründende System der Meritokratie. „Und dort findet man eine außerordentliche Ähnlichkeit, insbesondere zwischen Konfuzius und dem deutschen Dichter Friedrich Schiller in Bezug auf die Methode der moralischen Verbesserung des Menschen: die ästhetische Erziehung. Konfuzius entwickelte seine Philosophie der kontinuierlichen Selbstvervollkommnung durch lebenslanges Lernen als einen Weg, Harmonie im Individuum, in der Familie und im Staat zu schaffen. Es war Konfuzius’ geniale Art und Weise, eine Methode zu entwickeln, wie die Gesellschaft dem Chaos und dem Durcheinander der Periode der Streitenden Reiche, in der er lebte, entkommen konnte.“

So betone Xi Jinping schon seit langem die Bedeutung der ästhetischen Erziehung für die Entwicklung eines schönen Geistes der Schülerinnen und Schüler, und Chinas Zentralbehörde habe gerade erst neue Richtlinien für ein diversifiziertes, qualitativ hochwertiges System der körperlichen und ästhetischen Erziehung herausgegeben. „Kunstklassen wie Musik, Malerei, Kalligraphie, Tanz, Schauspiel und Oper werden auf die gleiche Stufe gestellt wie die MINT-Fächer,1 in denen China bereits jetzt in der Spitzengruppe der PISA-Rangliste liegt.“

Sie schloß: „Ich bin überzeugt, wenn die Menschen in Europa beginnen, mit Hilfe dieses Steins von Rosette – der Rolle der ästhetischen Erziehung – die chinesische Kultur zu studieren, dann werden zu der gleichen Schlußfolgerung kommen wie Goethe, der in einem Gespräch mit Eckermann am 31. Januar 1827 über China sagte: ,Die Menschen denken, handeln und empfinden fast ebenso wie wir, und man fühlt sich sehr bald als ihresgleichen, nur daß bei ihnen alles klarer, reinlicher und sittlicher zugeht.’

Wenn die Welt aus der unglaublichen Kombination von Pandemie, Welthungersnot und sozialem Chaos in vielen Ländern herauskommen soll, dann können wir von Konfuzius, Leibniz und Schiller viel über die nötigen Heilmittel lernen. Wenn uns das aber nicht gelingt, könnten wir dem Rat Goethes folgen, der in einem Brief aus Weimar, in dem er seine intensiven China-Studien kommentierte, am 10. November 1813 schrieb: ,Ich hatte mir dieses wichtige Land gleichsam aufgehoben und abgesondert, um mich im Fall der Not, wie es auch jetzt geschehen, dahin zu flüchten... Sich in einem ganz neuen Zustande auch nur in Gedanken zu befinden, ist sehr heilsam.’“

China und die IT-Technologie

Der Informatiker Angel Alvarez sprach über „Chinas Stärken und Schwächen in der IT-Technologie im Hinblick auf den aktuellen Konflikt mit den USA“. Er kam zu dem Schluß: „Trotz der großen technischen und wissenschaftlichen Fortschritte, die China in letzter Zeit in allen Bereichen erzielt hat, leidet seine fundamentale Infrastruktur in den grundlegendsten IT-Bereichen, sowohl bei der Hardware wie auch der Software, unter bestimmten Schwächen, die gravierend sind, wenn man das Tempo bedenkt, mit dem sich diese Technologie entwickelt.“

Er beschrieb dann Stärken und Schwächen des chinesischen Computersektors, der in wichtigen Bereichen immer noch auf westlichen Entwicklungen fuße. Er schloß seine Ausführungen mit der These: „Richtig ist, daß China in bestimmten Bereichen wie der Hochfrequenzdatenverarbeitung, der künstlichen Intelligenz und der Quantenkommunikation bereits über unbestreitbare Stärken verfügt, und diese Stärken werden noch zunehmen. Jedoch ist es nicht zuletzt so, daß der Konfuzianismus – die in China seit mehr als 20 Jahrhunderten vorherrschende Ideologie – keine Hilfe bei der Innovation darstellt, sondern das genaue Gegenteil. Denn er begünstigt die Anpassung an die Gruppe, aber nicht querschießendes und eigenständiges Denken.“

Konfuzianismus und Kreativität

Dies führte zu einer hochinteressanten Kontroverse über die Frage: Ist der Konfuzianismus der Kreativität dienlich oder blockiert er sie? Helga Zepp-LaRouche widersprach Alvarez’ These und verwies auf die Erkenntnis ihres verstorbenen Ehemanns Lyndon LaRouche, wonach die großen naturwissenschaftlichen Erfindungen und die großen Schöpfungen der Schönen Künste aus der gleichen schöpferischen Kraft des menschlichen Geistes hervorgehen. Deshalb sei die vom Konfuzianismus geförderte und geforderte ästhetische Erziehung im Bereich der Künste die beste Voraussetzung für die Beförderung von kreativen Entdeckungen in allen Bereichen.

Sie verwies nochmals auf den Beschluß der chinesischen Regierung, im Schulunterricht den klassischen Künsten das gleiche Gewicht zu geben wie dem Unterricht in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern. Wenn China dies tue, werde es nicht nur in den PISA-Studien in den naturwissenschaftlichen Fächern vorne liegen – was es zusammen mit vielen anderen asiatischen Staaten tut –, sondern das auch im Bereich der moralischen Ausbildung des Charakters schaffen, sowie auch der künstlerischen Fähigkeiten. Eine solche Renaissance der klassischen Kultur auch im Westen sei schon lange ein zentrales Anliegen des Schiller-Instituts.

Es lohnt zweifellos, diese Diskussionen weiter zu vertiefen. Den Mitschnitt der Vorträge mit deutscher Simultanübersetzung finden Sie auf der Internetseite des Schiller-Instituts unter: https://schillerinstitute.com/de/blog/2020/10/13/conference-china-and-the-west-face-to-face-rivalry-or-cooperation/


Anmerkung

1. MINT-Fächer: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik.