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Neue Solidarität
Nr. 45, 5. November 2020

Was die Ablehnung meiner Wahlkampfkosten-Erstattung 1995 bedeutet

Von Jacques Cheminade

Jacques Cheminade veröffentlichte die folgende Stellungnahme zur Offenlegung von Dokumenten des Verfassungsrates zum Präsidentschaftswahlkampf 1995.

Auf den ersten Blick mag es unangebracht erscheinen, hier über die Ablehnung meiner Wahlkampfkosten-Erstattung für die Präsidentschaftswahl 1995 zu sprechen, wo jedermann an den abscheulichen Mord an einem Lehrer denkt [Samuel Paty, dem ein Terrorist den Kopf abschlug]. Es gibt jedoch einen sehr realen Zusammenhang zwischen dem, was sich heute in Frankreich abspielt, und diesen bedauerlichen Sitzungen des Verfassungsrates zwischen Juli und Oktober 1995. Denn wenn das höchste Gericht eines Landes den Rechtsstaat mißachtet, dann steht der Barbarei die Tür offen. Und das ist damals geschehen und wird heute in den Archiven des Rates, die soeben nach 25 Jahren offengelegt wurden, unbestreitbar dokumentiert.

Die Ratsmitglieder haben nicht nur die offenkundig irregulären Wahlkampfabrechnungen von Edouard Balladur und Jacques Chirac abgesegnet, sondern auch meine mit einem falschen rechtlichen Argument und, wie sie selbst zugaben, ,ohne handfeste Beweise’ zurückgewiesen. Jacques Robert, damals Mitglied des Rates, räumte am 1. Dezember 2011 in Le Parisien ein: „Die Staatsraison hat gegenüber dem Gesetz obsiegt.“

So verteidigte Ratspräsident Roland Dumas am 4. Mai 2011 in der Fernsehsendung „Face aux Français“ in France 2 die Bestätigung der Abrechnungen Balladurs und Chiracs und die Zurückweisung der meinen, indem er schamlos erklärte, ich sei ,ziemlich ungeschickt’ gewesen und die anderen seien ,clever’ gewesen. Eine merkwürdige Auffassung von Recht und Gerechtigkeit, vor allem aber ein falsches Argument: Die beiden rechten Kandidaten waren überhaupt nicht „clever“, sondern sie wurden von einem kriminellen System geschützt. Selbst die Abrechnungen von Jean-Marie Le Pen wurden trotz seiner „mangelhaften Dokumentation“ anerkannt – zweifellos, weil er als Teil derselben politischen Welt angesehen wurde, in der ich nicht assimiliert war.

Roland Dumas stellte seinen Zynismus offen zur Schau, als Lyon Capital ihn in der Ausgabe vom September 2011 fragte: „Sie trugen Koffer mit Bargeld bei sich, um Mitterrands Wahlkampf zu finanzieren?“, und er antwortete: „Ja, natürlich.“ Und jeder politisch interessierte Franzose weiß, daß Chirac Zugang zu den gleichen Geldquellen hatte. [Ratsmitglied] Noëlle Lenoir, die sagte, sie habe „ein reines Gewissen“, stimmte gegen die Bestätigung von Balladurs Abrechnung, verteidigte aber leidenschaftlich die von Chirac, zu der [Ratsmitglied] Maurice Faure erklärte: „Wir wissen, woher dieses Geld kommt“, mit dem der Kandidat „die erlaubte Ausgabengrenze überschritt“. Was Noëlle Lenoir betrifft, so wurde ihr „Gewissen“ durch ein Ministeramt unter Präsident Jacques Chirac beruhigt.

Wie [Ratsmitglied] Jacques Robert einräumte, mußten sie „die Abrechnungen reinwaschen“ und dafür rechtliche Vorwände finden. Wie ordinäre Mafialeute mit Zahlen herumspielen, so taten dies die Ratsmitglieder auf mehreren Sitzungen.

Bevor die Abrechnungen von Chirac und Balladur ,geglättet‘ wurden, wurde die von Cheminade einstimmig zurückgewiesen. Der Rat begründete seine Entscheidung damit, es sei verdächtig, daß auf Darlehen von Privatpersonen keine Zinsen verlangt wurden, und stufte diese Zinsen als Spenden ein, wodurch die Höhe der Darlehen die gesetzliche Obergrenze für Spenden überschritt. Das rechtliche Argument ist so verdreht, daß der Generalsekretär des Rates Olivier Schrameck darauf bestand, den Fall nicht an die Gerichte zu verweisen, um den Geruch eines Skandals zu vermeiden. Tatsächlich ist ein Darlehen laut Artikel 1905 des Zivilgesetzbuches definiert durch „die Tatsache, daß es zurückgezahlt werden muß“ – mit oder ohne Zinsen. Somit verstieß der Rat gegenüber Cheminade gegen die Bestimmungen des Zivilgesetzbuches.

In Andeutungen der Berichterstatter [des Rates], die von den Medien mit der Absicht aufgegriffen wurden, mir zu schaden, ist die Rede von einem Verdacht ungerechtfertigter Darlehen, die teilweise von einem Konto in der Schweiz stammen. In Wirklichkeit handelte es sich um legitime Gelder aus dem Erbe eines Aktivisten. Und die Berichterstatter fügten hinzu, der Kandidat habe Ausgaben „erfunden“, während die beanstandeten Rechnungen tatsächlich durch Übermittlung einer Kopie der schriftlichen Dokumente an den Rat (mit Schreiben vom 22.09.1995) allesamt belegt sind. Die Schlußfolgerung von Jacques Robert und Maurice Faure, wie berichtet in einem Artikel der französischen Zeitschrift Les Inrocks vom 23. Februar 2012: „Sie spielten die Unschuldslämmer, auf seine Kosten.“

Auch France Info und France Inter müssen dies anerkennen: „Während sie im Fall der Abrechnungen Chiracs und Balladurs immer wieder argumentierten: ,Im Zweifel für den Kandidaten‘, beschlossen die Weisen, den ,kleinen’ Kandidaten zu bestrafen.“

Da ist jedoch noch viel mehr. Der ,kleine Kandidat’ war nicht nur ein Sündenbock für das Reinwaschen der großen. Während meines gesamten Wahlkampfes wurde ich von den Medien verleumdet, und ich habe eine umfangreiche, jedermann zugängliche Akte, die das belegt. Der Oberste Rat der audiovisuellen Medien (24.04.1995) räumte mit entsprechenden Zahlenangaben ein, daß mein Zugang zu den Medien viel geringer war als der anderer Kandidaten, und die Nationale Wahlkampfkontrollkommission (20.09.1995) stellte fest, daß ich einer „Ungleichbehandlung“ ausgesetzt war [in Frankreich haben Präsidentschaftskandidaten ein gesetzliches Anrecht auf Gleichbehandlung in den Medien]. Bis zuletzt bestand der französische Staat darauf, daß ich persönlich den staatlichen Vorschuß (171.325,46 Euro) für meine Wahlkampfkosten, den ich wie alle anderen Kandidaten erhalten hatte, zurückerstatte.

Diese Summe wurde schließlich von der Regierung aus meiner offiziell bestätigten Wahlkampfkosten-Erstattung 2012 beschlagnahmt! Eine solche Unerbittlichkeit wird nur verständlich, wenn man sich mit dem beschäftigt, was ich damals unentwegt ankündigte: den Zusammenbruch eines internationalen Finanzsystems, das zu sozialer Ausbeutung führt, in dem damals fast alle mitschuldig waren. Und genau da sind wir heute.

Ich stehe hier nicht als persönliches Opfer, sondern als Ankläger einer politischen Mafia, die uns die Katastrophe beschert hat. Die Ablehnung meiner Wahlkampfkosten-Erstattung ist aufschlußreich. Wesentlich ist unser aktueller Vorschlag für die Zukunft, der in unserem Programm, dem „Fahrplan“, detailliert beschrieben ist. Die Mitglieder des Verfassungsrates waren damals nur die mehr oder weniger bewußten ausführenden Organe des Systems der City und der Wall Street. Es geht hier nicht nur um die Frage, was geschehen wäre, wenn meine Kandidatur fair behandelt worden wäre, sondern auch darum, was wir heute alle für das Gemeinwohl und für die künftigen Generationen tun müssen.