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Neue Solidarität
Nr. 45, 5. November 2020

Warum wird Dummheit zum Markenzeichen in Deutschland?

Überlegungen von Andrea Andromidas

Die Antwort darauf kann kurz und knapp lauten: Weil wir das Humboldtsche Bildungssystem zerstört haben, und zwar gründlich. Es galt lange Zeit als eines der besten weltweit, und nicht zufällig sind unzählige Erfinder und Wissenschaftler daraus hervorgegangen. Zwar genießen wir immer noch dank fleißiger und gut ausgestatteter Vorfahren einen gewissen Wohlstand, aber ich möchte behaupten, daß wir die Fähigkeit, zukünftigen Wohlstand zu erzeugen, bereits verloren haben.

Ohne weitere überflüssige Behauptungen anzubringen, wird Ihnen folgendes Beispiel verdeutlichen, was gemeint ist: Thema „grüner Stahl“. Da schon länger davon geredet wird, daß unsere energieintensive Stahlproduktion mit ihren Hochöfen das Klima bedroht, gibt es seit kurzem ein Projekt bei Thyssen Krupp und der Salzgitter AG, das statt schmutzigen Kohlestaubs sauberen Wasserstoff für die Produktion benutzen mochte. Dazu sagt der Projektleiter, Dr. Volker Hille von der Salzgitter AG:

Was sagt er da? Um im Elektrolyseverfahren – wohlgemerkt nur im Werk Salzgitter! – genügend Wasserstoff herstellen zu können, bräuchte man eine elektrische Leistung von 1700 Megawatt. Man bräuchte also 566 Windmühlen dazu. Stellen Sie sich bitte 566 Windmühlen rund um das Werk vor, dazu die bisweilen eintretende Windstille. Minister Altmeier ist aber der Meinung, Deutschland werde sich ausgerechnet mit dieser Wasserstoff-Strategie zum Weltmeister machen.

Wissen Sie, was ich meine? Dieses jüngste Beispiel ist kein Einzelfall. Studien von der EU, aus Ministerien, aus Denkfabriken und NGOs sind voll mit ideologischen Behauptungen und Phrasen, die auch durch ständiges Wiederholen kein bißchen richtiger werden. Warum redet man ständig von Effizienz und Versorgungssicherheit, wenn man gerade dabei ist, beides gründlich zu beseitigen?

Wollen die Verantwortlichen zu Menschen sprechen oder zu Eseln?

Der Humanist, Bildungsreformer und Staatsmann Wilhelm von Humboldt (1766-1835) ehrte den Menschen, auch den Ärmsten. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung zielte das von ihm geschaffene Humboldtsche Bildungssystem nicht auf die Ausbildung irgendwelcher Eliten. Der wesentliche Erfolg dieses Bildungssystems bestand in dem weitreichenden Auftrag der Elementarschulen, die man heute Hauptschulen nennt. Der heutige Zustand selbiger läßt erahnen, daß das ganze Fundament unseres Bildungssystems mehr als morsch geworden ist. Wilhelm von Humboldt war nämlich der Meinung, daß eine gute Bildung für alle Bürger, egal aus welchen Verhältnissen kommend, über das Wohlergehen der Gesellschaft entscheidet. Die rasante wissenschaftliche und industrielle Entwicklung in Deutschland im 19. Jahrhundert gab ihm nicht nur Recht, sondern sorgte für große Anerkennung in der ganzen Welt.

Wir brauchten nicht erst PISA, um den mangelhaften Zustand heutiger Verhältnisse zu erkennen, aber die so schwer gewordene Diskussion um die Lösung beinhaltet die tiefschürfende Frage: Was ist eine gute Ausbildung? Oder: Ist eine gute Ausbildung heute anders als gestern? Hier ein Zitat Humboldts über die Güte der Lehrer:

„Woah!!!!!!“ würde man heute sagen. Der wichtigste Unterschied zu damals ist wohl der, daß sich der Begriff der Menschheit geändert hat. Die Vorstellungen von Ideal und Würde sind fast ganz verschwunden, und an allen Ecken und Enden unserer Kultur kommt Barbarisches zum Vorschein – der Mensch bedrohe den Planeten, verschmutze alles, sei zu zahlreich und überhaupt sei der Rückschritt jetzt attraktiver. Wir haben den Wohlstand satt, bevor wir dem Rest der Menschheit davon nur einen Anteil gönnen, und diese Verwilderung führt schließlich dazu, daß man lieber zu Eseln redet als zu Menschen.

Vielleicht gab Humboldt gerade aus diesem Grund der Charakterbildung eine so große Bedeutung in der Elementarbildung. Sie sollte ein Fundament sein für alles, egal ob der Schüler seinen Weg zum Krankenpfleger, Handwerker, Ingenieur oder Professor nehme. Intellektuelle Klarheit, Ehrlichkeit, Verantwortlichkeit, Gemeinschaftsfähigkeit, Wissensbegierde, Anstand, Disziplin und Ausdauer - alles Eigenschaften, deren Voraussetzungen in jungen Jahren geschaffen werden.

Wenn Humboldt von vollständiger Menschenbildung sprach, meinte er mehr als rechnen, schreiben und lesen zu lernen, aber ausdrücklich keinerlei Spezialbildung mit Blick auf irgendwelche Berufe. Alles zielte darauf ab, daß verstanden wird, was man liest und versteht, was man sagt, und daß die Urteilsfähigkeit geschärft werde:

In der Tradition des Philosophen, Wissenschaftlers und Staatsmannes Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716), der an den russischen Zaren Peter den Großen einmal schrieb, daß er den Himmel als sein Vaterland betrachtet und alle wohlwollenden Menschen als seine Bürger, dachte sich Wilhelm von Humboldt sein Erziehungskonzept für alle Menschen und im Prinzip auch für alle Zeiten:


Anmerkungen

1. Siehe https://www.bdew.de/verband/magazin-2050/wasserstoff-statt-kohle-der-stahl-der-zukunft-ist-klimafreundlich/

2. Wilhelm von Humboldt, Werke in 5 Bänden, J.G. Cotta`sche Buchhandlung. „Gutachten über die Organisation der Ober-Examinations-Kommission“, Kap. 4, S. 83.

3. Wilhelm von Humboldt, Werke in 5 Bänden, J.G. Cotta`sche Buchhandlung. „Königsberger Schulplan“, S. 173.

4. Wilhelm v. Humboldt, zitiert von seinem Bruder Alexander im Kosmos, für die Gegenwart bearbeitet von Hanno Beck, Brockhaus, Stuttgart 1978.