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Mit der Überschrift „Ein Scheitern Chinas nutzt dem deutschen Maschinenbau“ erfaßte die FAZ vom 17.12.2020 die Kernaussage einer neuen Studie, die gerade gemeinsam von der Bertelsmann-Stiftung und dem Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung veröffentlicht wurde. Besonderes Interesse an dieser Studie habe der VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau), weswegen die Überschrift dieser Studie folgendermaßen lautet: „Was Chinas Industriepolitik für die deutsche Wirtschaft bedeutet: Szenarien für ,Made in China’ am Beispiel des deutschen Maschinenbaus.“
Die Aussage der Studie ist ebenso simpel wie peinlich, was aber weder den Autoren noch Leuten wie Friedrich Merz aufzufallen scheint, der sich die daraus folgende Strategie schon zu eigen machte.
Der von der chinesischen Regierung 2015 vorgestellte Entwicklungsplan ließ von Anfang an keinen Zweifel daran, daß China vorhat, das Land zu einer führenden Industriemacht zu transformieren. Nach anfänglicher Bewunderung ob solch kühner Ziele dominiert inzwischen längst die Angst in Deutschland, daß ausgerechnet die Filetstücke der deutschen Wirtschaft, darunter der Maschinen- und Anlagenbau, dadurch in Gefahr geraten. Woher kommt das?
Zunächst zur Aussage der Studie: Wie alle Studien dieser Art, befaßt sich auch diese mit verschiedenen möglichen Entwicklungswegen. Für den ersten Teil der Szenarien lautet die Fragestellung: Sollten Chinas Entwicklungspläne erfolgreich sein, welche Folgen hätte das für die deutsche Wirtschaft? Der zweite Teil dagegen befaßt sich mit einem eventuellen Scheitern dieser Pläne und die entsprechenden Folgen für die deutsche Wirtschaft.
Konzentriert man sich auf die jeweils extremen Varianten, dann hört sich das so an:
„In den Szenarien, die von einem vollen Erfolg der Strategie Made in China 2025 ausgehen, ist mit einem signifikanten Markteinbruch deutscher Maschinen- und Anlagenbauer bis ins Jahr 2030 zu rechnen (Exportvolumen 2030: 13 Milliarden Euro gegenüber 18 Milliarden Euro in 2019).“ Hervorhebung im Original.
„Nur in den Szenarien, die von einem Scheitern der Made in China 2025-Strategie ausgehen, kann der deutsche Maschinen- und Anlagenbau mit einem langfristig starken Wachstum der Exporte nach China rechnen. So sind Entwicklungen möglich, die bis 2030 fast zu einer Verdopplung des Exportvolumens gegenüber dem Vergleichsjahr 2019 führen können (34 Milliarden Euro gegenüber 18 Milliarden Euro in 2019).“ Hervorhebung im Original.
Der Analyse folgend, muß zwangsläufig der Schluß gezogen werden, daß eine erfolgreiche Entwicklung Chinas nicht im Interesse der deutschen Wirtschaft sein könne, sondern nur das Scheitern derselben. Entsprechend sind die Empfehlungen der Bertelsmann-Stiftung: Europa müsse sich mit den USA zu einer konzertierten Anti-China-Strategie verbinden, in deren Folge man auch das Ziel verfolgen solle, wesentliche Komponenten des Maschinen- und Anlagenbaus mit der Klassifizierung „military use“ zu versehen, um die Forschungsaktivitäten erfolgreich eindämmen zu können. „Forschungskooperationen mit China sind nur unter Vorbehalt möglich.“ Arrogant fordert die Studie eine „globale Abschottung“ Chinas zum Zweck der Eindämmung von Handel und Produktion.
Es drängt sich geradezu die Frage auf: In welches Fahrwasser läßt sich die deutsche Industrie treiben? Hat das jahrzehntelange Bombardement mit grüner Ideologie uns derart um den Verstand gebracht, daß wir unsere industrielle Zukunft nur dann als gesichert sehen, wenn wir zum Scheitern anderer beitragen? Ist die eigene Bereitschaft zu Forschung und Entwicklung schon derart erlahmt, daß wir uns nur unter der Bedingung eine Zukunft vorstellen können, wenn wir die Forschungstätigkeit anderer erfolgreich ruinieren? Peinliche Fragen tauchen auf, die darauf hindeuten, daß die eigene Politik dringend einer Analyse und Kehrtwende unterzogen werden muß. Denn es pfeifen die Spatzen längst von den Dächern, daß die viel gepriesene soziale Marktwirtschaft außer auf dem Papier sowieso nicht mehr existiert.
Vielleicht wäre der VDMA besser beraten, die politischen Vorgaben der EU kritisch unter die Lupe zu nehmen, die unter dem Stichwort EU-Taxonomie im Rahmen des „Green Deal“ gerade eine diktatorische Investitionslenkung in unproduktive grüne Bereiche durchdrückten und uns Schlag um Schlag mit neuen Grenzwerten den wirtschaftlichen Spielraum vorschreiben. Wem diese ungeheuerlichen Ereignisse entgangen sind oder wer sich die Folgen davon nicht vorstellen kann, der sei an die programmatischen Aussagen von Prof. Schellnhuber (damals noch als Vorsitzender des WBGU) erinnert, an denen bisher nicht gerüttelt wurde. Am 15.3. 2017 sagte er zu den deutschen Plänen (im Unterschied zu denen Chinas aus dem Jahr 2015) in einem Interview der Deutschen Welle folgendes:
„...Es ist ziemlich umwerfend – zum Beispiel bis 2030 müssen wir den Verbrennungsmotor auslaufen lassen. Und wir müssen den Einsatz von Kohle zur Stromerzeugung komplett ausschalten. Bis 2040 müssen wir wahrscheinlich Beton und Stahl für den Bau durch Holz, Ton und Stein ersetzen... Und tun wir das nicht... Es wäre das Ende der Welt, wie wir sie kennen, und ich habe alle Beweise...“
Es drängt sich noch eine peinliche Frage auf: Liegen wir eigentlich mit den Holzhütten im Zeitplan?
Die deutsche mittelständische Industrie, die diesem intellektuellen Abstieg bisher wenig entgegengesetzt hat, ist hoffentlich nicht gerade dabei, die Zukunft gänzlich zu verspielen. Die Bertelsmann-Studie zeigt nämlich einen Grad an Dummheit und Selbstzerstörung, der vor dem Hintergrund einer einstmals großartigen deutschen Industrietradition nicht mehr zu tolerieren ist. Unzählige Beiträge unserer Industriegeschichte waren vor allem auch deswegen herausragend, weil sie zur Vermehrung des Wissens und des Wohlstands in vielen Teilen der Welt beigetragen haben. Nicht zuletzt hatte der gute Ruf deutscher Industriegüter auch damit zu tun.
Andrea Andromidas