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Neue Solidarität
Nr. 4, 26. Januar 2011

Stromversorgung und Gemeinwohl

Von Matthias Kraume

Matthias Kraume von der LaRouche-Jugendbewegung nimmt eine Besichtigung des Großkraftwerkes „Staudinger Großkrotzenburg“ zum Anlaß, sich mit der Wirtschaftsweise der Elektrizitätswirtschaft auseinanderzusetzen.

In letzter Zeit hört man in den Medien, wir müßten für das „große Ziel“, die Stromproduktion bis 2050 ganz auf „erneuerbare“ Energien umzustellen, die notwendigen Europäischen Verbundnetze, d.h. Stromleitungsnetze, massiv ausbauen, damit das überhaupt funktioniert. Um den Strom, wenn in Süddeutschland kein Wind weht, aus den Fjorden in Norwegen in die Allianz Arena leiten zu können, damit Bayern München wenigsten noch eine kleine Chance gegen Borussia Dortmund hat. 3600 Kilometer neue Leitungen müssen von der Nordsee bis zu den Alpen und von westlich des Rheins bis zur Oder gespannt werden. Über Land und durch viel Täler und auch hier und da unter Tage.

Daß dabei nicht nur den Grünen Bange wird, sondern auch vielen durch die neue Welle der „Selbstbestimmung“ aufgerüttelten Normalbürgern die Angst vor Strahlen, Wärme, verschmutzter Luft und sonstigen unsichtbaren Gegenständen schon fast ins Gesicht geschrieben steht, ist verständlich, weil der vorherrschende Tenor der Medien und mittlerweile auch vieler „Experten“ lautet, diese unsichtbaren Stoffe seien eben nur gefährlich, und nichts anderes. Daher versuchen jetzt auch die Normalbürger, durch Bürgerinitiativen Einfluß auf diese unsichtbaren Gefahren zu nehmen, und es sieht manchmal danach aus, als gäbe es nur zwei Lager - eben die, die aus oben genannten Gründen dagegen sind, und dann die, die von den Vorhaben profitieren und deshalb dafür sind - und denen seien Menschenleben egal.

Die Entwicklung der Elektrizitätswirtschaft

Der Umstand, daß wir durch immer neue Geräte und Anwendungen im alltäglichen Leben einfach immer mehr Strom verbrauchen - woran auch der Vorstoß einiger intelligenter Menschen nichts ändert, die versuchen, „Maschinen“ mit immer weniger Leistung zu betreiben -, führte schon seit der Nutzbarmachung des elektrischen Stroms zu immer neuen Entwicklungen und zur Ausweitung der Stromproduktion und ihrer Vernetzung.

Einer von denen, die sich in Europa und sogar in den USA ausführlich mit diesem Thema befaßten, war der Professor für Wirtschaftswissenschaften und deutsche Experte für die Gemeinwirtschaft in der Weimarer Republik, Hans Staudinger. Bis 1933 bei der SPD aktiv, emigrierte er nach der Machtergreifung der Nazis in die USA, wo er eine führende Rolle bei der Durchführung des New Deal von Franklin Roosevelt spielte. Staudinger war hauptsächlich für Ausbildung und Organisation zuständig, daher zeigen nur seine zeitgeschichtlichen Dokumente, wie er arbeitete, wie z.B. eine Rede, die er auf dem 49. Treffen der American Economic Association hielt, in der er die „Koordination von öffentlichen und privaten Energie-Interessen in europäischen Ländern“ beschrieb.

In dieser Rede zeigt er ganz gut, wie sich die Entwicklung des europäischen Strommarktes mit seiner Mischung aus kleinen Einzelerzeugern und kommunalen Versorgungsunternehmen bis hin zu den großen Stromverbundkonzernen entwickelte, und wie diese Entwicklung weiter zu führen wäre, damit eine günstige Stromproduktion und Verteilung zum Nutzen aller überhaupt möglich ist. Er gibt dazu auch die natürlichen Bedingungen an, nach denen sich diese Entwicklung vollzogen hatte:

„Diese Entwicklung wird als erstes vom Wettbewerb zwischen den Industrien beeinflußt, wie etwa dem zwischen der Kohle-/Gaswirtschaft und der Elektrizitätswirtschaft, wie er beispielsweise in England vorkommt; zweitens, durch den Überfluß natürlicher Kraftquellen in verschiedenen Ländern (ich verweise nur auf die reichlichen Wasservorkommen in Schweden, Norwegen, der Schweiz und Österreich); und der dritte und entscheidendste Faktor ist die immense technologische Entwicklung, die wiederholte Revolutionen in der Produktion, Verteilung und ihrer wirtschaftlichen Organisation hervorrief.“

Und auch heute wissen wir, daß der dritte Faktor wirklich einer der wichtigsten und grundlegendsten Einflüsse ist, aber darauf kommen wir etwas später noch zu sprechen.

Staudinger beschrieb weiter, was aus diesen Grundlagen folgte:

„Demnach unterscheiden wir drei technologisch-wirtschaftliche Entwicklungsebenen: Erstens, die Ebene der lokalen Produktion und Verteilung; zweitens Gruppensysteme, die charakterisiert sind durch die Verbindung und Vermischung der lokalen Unternehmen; und drittens die Großkraftwerke mit Hochspannungs-Leitungsnetzen mit der damit verbundenen Integration der lokalen und Gruppen-Systeme zu großen Verbrauchsbezirken.“

Und dann geht Staudinger auf einen Bereich ein, vor dem schon damals, wie auch heute, gehirngewaschene Ökonomen eine unheimliche Angst haben, die mit sehr banalen Argumenten die Menschen davon überzeugen wollen, daß der Staat nunmal ein schlechter Unternehmer sei und die Güter durch mehr freien Wettbewerb auch günstiger werden könnten. Durch diese schwachsinnige Manipulation und die damit eingeleitete Privatisierungswut in Deutschland hat sich in den letzten Dekaden einer der erfolgreichsten Wirtschaftsräume der Welt nicht nur schon fast zerstört, sondern durch die damit einhergehende Verteuerung der Produktionsgüter ist man gerade dabei, ihn auch wirklich „nachhaltig“ zu zerstören!

Aber lassen sie uns noch hören was Staudinger damals dazu sagte:

„Jetzt muß ich aber auf die Tatsache hinweisen: Trotz seiner schnellen Entwicklung in Richtung einer überwiegend öffentlichen Eignerschaft und der staatlichen Beteiligung im Strommarkt ist der Charakter der deutschen elektrischen Wirtschaft der eines vermischten Systems mit einer engen Koordinierung von privaten und öffentlichen Interessen.

In der Tat ähneln sich die staatlichen oder gemischten Konzerne sehr stark in ihrer technischen, betriebsführenden und körperschaftlichen Struktur und in ihren Zielen. Die großen Wirtschaftsbetriebe in öffentlicher Hand auf der einen Seite werden, trotz ihres Auftrags der Entwicklung der nationalen Ressourcen und der Lieferung billigen Stroms in ihrem gesamten Versorgungsgebiet mehr und mehr nach dem Profit-Prinzip geführt und sind angewiesen auf die freien Kapitalmärkte, um an Kredite für neue Investitionen zu kommen; während die gemischten Rheinisch-Westfälischen-Elektrizitätswerke (RWE), wenngleich erst nach einer Serie von Konflikten zwischen den Repräsentanten des privaten Kapitals und denen des öffentlichen Interesses, mehr und mehr der Politik der allgemeinen Versorgung folgten und nicht nur den eigenen industriellen Interessen, sondern hauptsächlich den Interessen der Konsumenten der Gebiete dienten.“

Aber um einen weitblickenden, umfassenden Plan zum Aufbau der effizientesten Kraftwerke und Leitungsnetze und zunehmenden Integration der lokalen und Gruppensysteme zu verwirklichen, sei „zentraler gesetzlicher Druck notwendig“.

Die Grundlage dafür, ob und wie stark private Interessen begrenzt werden müssen, ist heute in unserem Grundgesetz-Artikel 14 (2) definiert: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Leider können die heutigen Ökonomen diesen Artikel kaum noch verstehen oder überhaupt etwas damit anfangen.1 Jene Form der Wirtschaft, die auf reinem Profitdenken und infolgedessen auf der Kontrolle durch das Geld aufgebaut ist (wie es eigentlich in der Tradition des feudalen Europas liegt), wurde nur kurz durch die industrielle Revolution und die deutsche „Soziale Marktwirtschaft“ durchbrochen - aber lange genug, um den Unterschied zwischen der Zeit im Wirtschaftswunder und der heutigen europäischen Zwangserniedrigung durch „Sparmaßnahmen“ und dem Abbau des Sozialen in der Marktwirtschaft in ganz Europa deutlich zu machen.

Aber kommen wir zurück auf die Stromwirtschaft.

Staudinger, Namensgeber eines Kraftwerks

Der Name Staudinger ist eigentlich gar nicht so unbekannt hier in Deutschland. Denn wir besuchten letztens ein Kraftwerk, das nach ihm benannt wurde und heute sehr schwer im Kreuzfeuer der Kritik steht, weil E-ON, der heutige Betreiber, hier einen weiteren hochmodernen sechsten Kraftwerksblock bauen möchte. Die grünen Protestbewegungen in Deutschland würden ja am liebsten alle sogenannten „Umweltgifte“ ganz aus der Atmosphäre verbannen - nicht nur Arsen, Quecksilber, Nickel und Feinstauf, sondern beispielsweise auch CO2, obwohl das  ein ganz natürlicher und wichtiger Bestandteil unserer Atmosphäre ist.

Was mich bei der Besichtigung erstaunte, war die Tatsache, wie wirksam die Rauchgasreinigungsanlagen, über die mittlerweile alle Kraftwerke verfügen, die Gase und Verschmutzungen, die wirklich in sehr großen Mengen anfallen, aus dem Abgas des Kraftwerks herausfiltern. Schwefel, Asche und Stickstoff und deren Gerüche werden einige der Älteren, speziell im Ruhrgebiet, an frühere Zeiten erinnern. (Ich selbst kenne diesen Geruch nur noch von einem Schüleraustausch, an dem ich mal in den neunziger Jahren in Polen teilnahm.) Aber unser Besuch im Kesselhaus, das mir recht nahe neben dem Kühlturm gebaut schien, der heute als Schornstein mitbenutzt wird, weil die Rauchgase wirklich schon fast komplett herraus gefiltert werden, rief bei mir keinerlei Assoziationen zum Ruhrgebiet oder stinkenden Schloten hervor.

Das Kraftwerk Staudinger bei Großkrotzenburg besitzt heute also fünf Blöcke - vier Kohleblöcke und einen Gasblock -, wovon aber der zweite Kohleblock stillgelegt wurde und nur der erste und der dritte für Hauptlasten angefahren werden. Der vierte ist ein Gas-Block, und nur der fünfte und modernste Kohleblock, mit einem für Kohlekraftwerke vergleichsweise sehr hohen Wirkungsgrad, läuft nahezu unter Dauerlast - nahezu, denn Dauerlast kann man auch das nicht nennen. Jeder Block bekommt heutzutage durch die Bezirksregierung eine gewisse jährliche Laufzeit zugesprochen, ähnlich wie die Laufzeitregelung der Atomkraftanlagen. So dürfte selbst Block 6 nicht die Zeit im Jahr laufen, die er könnte, um günstigen Strom zu produzieren.

Der heutige Strommarkt

Zudem muß man noch einen Umstand in Betracht ziehen: Die erneuerbaren Energien sind durch das EEG die ersten, die ins Verteilungsnetz eingespeist werden. Nur das, was dann noch übrig bleibt, dürfen die konventionellen Kraftwerke liefern. Bei einem momentanen Anteil der „Erneuerbaren“ an der Produktion der Grundlast von ungefähr 6% meint man vielleicht, das könne ja nicht so schlimm sein. Wichtig ist dies aber durch einen weiteren Umstand, der mir nach dem Rundgang auf dem Kraftwerksgelände bei dem anschließenden Vortrag überdeutlich wurde.

Der Vortragende zeigte uns eine Grafik, auf der er zeigen konnte, was das sogenannte Schattenkraftwerk-Dasein für die heutigen konventionellen Kraftwerke bedeutet:3

Eines Morgens, als die Schlummernden gerade aufstanden und ins Bad gingen, die Firmen zu arbeiten anfingen und ganz Deutschland auf seinen ersten Kaffee oder Tee wartete, war es so weit - der Himmel war durch dicke Wolken oder die bleibende Nacht stark verdunkelt, und der Wind wehte leider nicht so stark, daß mit den Windkraftanlagen auch nur annähernd eine Kilowattstunde Strom produziert werden konnte. So mußten die sogenannten „Schattenkraftwerke“ kurzfristig die Arbeit der Erneuerbaren übernehmen.

Viele werden sich denken, ja dafür sind sie doch da. Aber das Problem ergibt sich durch die heutige Buchführung in den Betrieben und an der Strombörse. Denn viele Schattenkraftwerke sind heute Gaskraftwerke, die aufgrund der im Gegensatz zur Kohle starken Inflation der Rohstoffpreise heute nur sehr teuren Strom produzieren können. Das hat die interessante Folge, daß in dem Moment, wo kein Wind weht und die Sonne nicht scheint, für den Betreiber des Staudinger-Kraftwerks die Produktionskosten in die Höhe schnellen. Denn an der Strombörse kann es, durch Spekulation und andere Umstände, vorkommen, daß der Betreiber nur einen Preis für die Kilowattstunde bekommt, der sich gerade mal für die Kohleblöcke lohnt. Gas ist im Schnitt wesentlich teurer.

In dieser Zeit, wo kein Wind wehte und das Kraftwerk angewiesen war, zur sicheren Stromversorgung Deutschlands den Gas-Block anzufahren, machte das Kraftwerk Staudinger Verluste, und zwar, bei den heutigen Preisen, nicht zu wenig. Wenn das jetzt öfter vorkommt, was ja aufgrund der Natur des Wetters nicht auszuschließen und ebensowenig vorhersehbar ist, wird durch diese Vorfälle der Gewinn des Standorts nach und nach aufgefressen, bis man rote Zahlen schreibt und den Standort abgeben muß. Und das, obwohl der Strom des Kraftwerks gebraucht wird!

An dieser Unsicherheit der Stromversorgung sind die „erneuerbaren“ Energien und die Strombörsen schuld, und durch den Versuch der Dezentralisierung wird es für einzelne Betreiber unmöglich, wirtschaftlich zu arbeiten oder günstigen Strom zu produzieren.

Was also machen die Betreiber? Sie erhöhen die Preise - und je mehr man die Erneuerbaren im Netz ausbaut, desto unsicherer wird es für einen Betreiber von konventionellen und verläßlichen Kraftwerken, diesen Standort zu halten. Soviel zu den Behauptungen einiger Stadtwerke-Vertreter, allein die Atomkraftwerke seien schuld daran, daß sich ihr Standort nicht mehr lohnt.

Die andere Seite ist der technologische Fortschritt. Tatsächlich bringen die „erneuerbaren“ keinerlei Verbesserung, weder bei der Stromversorgung noch beim „Klima“. Aber dadurch, daß den großen Kraftwerksbetreibern in der oben beschriebenen Weise der Profit abgeschöpft wird, müssen sie sich andere Bereiche suchen, wo sie Profite machen können. Das mag es erklären, warum RWE und E-ON neben den konventionellen Kraftwerken auch in die erneuerbare Energien investieren. Ein ehrlicher Profit kommt dadurch nicht zustande, aber wenn die Sonne scheint und der Wind weht, bekommen auch diese Betreiber die EEG-Umlage, und das ist momentan ungefähr das Siebenfache von dem, was man an der Strombörse für die konventionelle Kilowattstunde erhält.

Auf diese Weise werden die konventinellen Kraftwerke, die wir nun einmal dann brauchen, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, noch unrentabler. Solange sich an diesen Regelungen nichts ändert, wird der Strompreis weiter steigen - bis die Konsumenten sich gar kein Strom mehr leisten können, wodurch dann weitere Investitionen von ganz allein überflüssig werden und wir vor einem neuen Mittelalter stehen.

Lassen Sie uns also lieber das „Wirtschaftswunder Deutschland“ zum Exportschlager machen, indem wir nicht nur selbst wieder eine vernünftige Gemeinwohlpolitik aufbauen, sondern anderen Ländern dabei helfen, dies ebenfalls zu tun!


Anmerkungen

1. Wenn diese Behauptung nicht stimmt, dann frage ich mich, warum er wohl in politischen Entscheidungen nicht mehr angewendet wird?

2. Der englische Strommarkt war ähnlich dem deutschen, sagt Staudinger, nur sei dort das Stromnetz viel früher zu einem Gesamtnetz ausgebaut worden. Die Franzosen charakterisierten ihr System als eine „bewachte Freiheit“, also mit einer starken staatlichen Kontrolle.

3. Meistens sind nur Gaskraftwerke Schattenkraftwerke, da sie schnell angefahren und wieder abgeschaltet werden können. Bei der Kernenergie ist dies nicht möglich, deshalb laufen sie die meiste Zeit. Kohlekraft wird aber auch immer interessanter für Schattenkraftwerke: Der Block 5 des Staudinger-Kraftwerks benötigt nur noch ca. 40 Minuten, bis die erste Kilowattstunde produziert wird, und hat den Vorteil, wesentlich günstiger als ein Gaskraftwerk zu arbeiten.

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Dossier zum Klimaschwindel
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Kernthema: Kernenergie
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