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Aus der Neuen Solidarität Nr. 24/2008

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„Britisch-imperiale Freihandelslehre“ ist am Ende
Jetzt eine neue gerechte Weltwirtschaftsordnung!

Von Helga Zepp-LaRouche

Die schlechte Nachricht aus Rom ist, daß die FAO-Konferenz keine wirklich wirksame Abhilfe gegen die weltweite Hungerkatastrophe beschlossen hat. Die gute Nachricht ist, daß sich aber auch die „Freihändler“ nicht durchsetzen konnten, und nun auch die Doha-Runde der WTO scheitern dürfte. Ein Kommentar von Helga Zepp-LaRouche.

Die schlechte Nachricht von der FAO-Konferenz in Rom besteht sicherlich darin, daß die beschlossenen Maßnahmen weit hinter dem zurückgeblieben sind, was zur Überwindung der Welthungerkrise notwendig ist - lediglich acht Milliarden Dollar wurden in der letzten Pressemitteilung versprochen, ohne genauere Ankündigung über die geplante Verwendung. Trotzdem ist das Ergebnis als Teilsieg für die Sache der Menschheit zu betrachten, denn die Vertreter der „britisch-imperialen Freihandelslehre”, wie Friedrich List es einmal definiert hatte, erlitten eine deutliche Niederlage.

Beschämend für die sogenannten entwickelten Länder ist allerdings, daß die Trennungslinie zwischen den Staaten, deren Vertreter sich für Nahrungsmittelsicherheit und protektionistische Maßnahmen aussprachen, und den Anhängern eines ungezügelten Freihandels ziemlich genau zwischen den G7-Staaten und den unterentwickelten Staaten verlief. Kein Wunder also, daß sich bei den Entwicklungsländern die Ansicht verbreitet hat, daß die G7 eine neokoloniale Politik verfolgt und den armen Ländern nicht helfen will, wie es FAO-Direktor Diouf bereits im April vermutet hatte. Immerhin bekundete die deutsche Delegation am Ende der Konferenz „Respekt” für die Position Argentiniens, Venezuelas und einiger anderer Länder.

Aber da es immer offensichtlicher wird, daß das neoliberale System der Globalisierung sich um Lichtjahre von den realen Bedürfnissen der Menschheit entfernt hat und nur einer kleinen Spekulantenkaste nützt, sollte es nicht überraschen, daß die Institutionen und Organisationen, die mit dieser Globalisierung assoziiert sind, sich nunmehr alle als obsolet erweisen. So scheiterte gleichzeitig in Paris die G6-Gruppe - das sind die EU, USA, Brasilien, Japan, China und Indien - in dem Versuch, in letzten desperaten Krisengesprächen die endgültige Liberalisierung des Welthandels durch die seit sieben Jahren andauernde sogenannte Doha-Runde zum Abschluß zu bringen.

Pascal Lamy, der Chef der WTO, suspendierte daraufhin in Genf alle weiteren Treffen mit dem Argument, daß bei den Verhandlungen nur Rückschritte herausgekommen seien und sich einige Teilnehmer gar nicht mehr um ein Ergebnis bemüht hätten. EU-Handelskommissar Peter Mandelson beklagte, daß es bei einem Scheitern des WTO- Abkommens keine Versicherung gegen protektionistische Reaktionen gäbe, daß das Ende der Optionen erreicht sei und sich das Zeitfenster wegen des amerikanischen Wahlkampfs schließe. (Man hatte gehofft, das Abkommen noch vor dem Ende der Regierung Bush unter Dach und Fach zu bekommen.)

Der ehemalige WTO-Chef und jetzige BP-Vorsitzende Peter Sutherland beklagte, der seit einem halben Jahrhundert andauernde Vormarsch des Freihandels sei dabei, in sein Gegenteil umzuschlagen. Die Doha-Runde drohe innerhalb eines Monats zu scheitern.

Das alles sind ausgezeichnete Nachrichten. Denn nirgendwo ist es deutlicher geworden als eben jetzt, nachdem der globale Systemkollaps und die sich weltweit verbreitende Hyperinflation eine beispiellose Hungerkatastrophe ausgelöst hat, daß die Freihandelsdoktrin fundamental gegen die existentiellen Interessen der Entwicklungsländer, aber auch der europäischen Landwirte und damit der Verbraucher insgesamt verstößt.

Nationen greifen zur Selbsthilfe

Deshalb ergreift eine schnell wachsende Reihe von Ländern Maßnahmen, um die einheimische Produktion von Nahrungsmitteln zu steigern, Nahrungsmittelsicherheit anzustreben, Exportrestriktionen zu verhängen und in Bereiche zu investieren, die im Widerspruch zu den Handelsbedingungen der WTO oder den Konditionalitäten des IWF stehen. Was diese Länder bewegt, ist der Mut der Verzweiflung. In Haiti z.B. schrieen die Aufständischen in der Hungerrevolte, die dann zum Sturz der Regierung führte, sie hätten keine Angst vor den Kugeln der Polizei, da sie sowieso dabei seien, hungers zu sterben.

Damit tun diese Länder nur das, was Friedrich List, der Vater des deutschen Zollvereins, seinerzeit in seiner Nationalökonomie gefordert hatte: nämlich, daß weniger entwickelte Nationen Schutzzölle für ihre einheimische Wirtschaft errichten müßten, damit sie zunächst einmal einen starken Binnenmarkt und eine wachsende Kaufkraft ihrer eigenen Bürger aufbauen können. List, der 1825 nach Amerika ging und dort intensiv das von ihm so bezeichnete Amerikanische System und das ihm diametral entgegengesetzte Englische System studierte, vertrat die gleiche Theorie wie später Henry Carey: Nicht das Prinzip des Manchester-Freihandels - „kaufe billig, verkaufe teuer und schaffe alle Handelsbarrieren ab” - sei die Quelle des gesellschaftlichen Reichtums, sondern allein der durch den wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt ausgelöste Anstieg der Produktivität. Nur der Anstieg der Produktivität der gesamten Arbeitskraft einer Nation schaffe einen wirklichen Zuwachs des Nationaleigentums.

Für die heutigen Vertreter des Freihandels gilt noch völlig aktuell, was List dem Britischen System von Adam Smith vorgeworfen hatte, nämlich, daß es nur für den Export bestimmt sei, um noch unterentwickelte Volkswirtschaften daran zu hindern, ihre produktiven Kräfte auf- und auszubauen, während umgekehrt das britische Manufakturwesen von der Regierung stets gegen auswärtige Konkurrenz abgeschirmt worden ist. Genauso hat Großbritannien Kontinentaleuropa heutzutage das Monstrum von Maastricht und den Euro aufgezwungen, und laut Ambrose Evans-Pritchard Brüssel dazu gebracht, hundertprozentig britische Politik zu machen, während es selber außerhalb des Korsetts bleibt.

Am 3. November 1827 schrieb List in Philadelphia, die Amerikaner (und heute die Welt als Ganze, HZL) müssen endlich begreifen, „daß Adam Smith mit seinen Büchern nicht etwa bezweckte, die Nationen aufzuklären, sondern sie zum Nutzen seines Landes (England) zu verwirren”. Das gleiche gilt auch für die Begriffe der Freihandelsfraktion. So ist der Freihandel so frei nicht, denn beispielsweise 90% der landwirtschaftlichen Produktion werden von fünf Megakartellen kontrolliert. Und die „angepaßte Technologie“ (appropriate technology) ist weniger für die Menschen in den Entwicklungsländern angemessen als für die bewußte Perpetuierung der Unterentwicklung. In der „nachhaltigen Entwicklung” soll der Fortbestand der jetzigen Ungerechtigkeit dauerhaft sein.

Freihandel ist obsolet geworden

Aber genau so, wie der neue russische Präsident Medwedjew Recht hatte, als er bei seinem ersten Berlin-Besuch feststellte, daß die Nato und deren Ostausweitung obsolet sind, gilt dies auch für die WTO und die ganze britisch-imperiale Freihandelslehre. Rußland, China, Indien und immer mehr Entwicklungsländer ziehen ihre eigenen Schlüsse aus dem Scheitern der Globalisierung. Was jetzt dringend nötig ist, ist eine weltweite Debatte über eine wirkliche industrielle Entwicklungspolitik, die geeignet ist, den Welthunger und die Armut nachhaltig zu überwinden. Und dazu gehört die von Japan versprochene Hilfe für eine neue Grüne Revolution in Afrika ebenso wie der Plan von Senegals Präsident Wade, eine „Große Grüne Mauer” von Dakar nach Dschibuti, also von der Atlantik-Küste bis zum Golf von Aden, quer durch ein Gebiet, das heute vorwiegend aus Wüste besteht, einen bewaldeten Streifen zu schaffen und so eine neue „grüne Lunge” für Afrika zu entwickeln.

In den kommenden Monaten wird sich die Weltfinanzkrise mit all ihren Auswirkungen weiter dramatisch zuspitzen. Die Tagesordnung, die bei der FAO-Konferenz in Rom nicht erledigt werden konnte, wird auf anderen Foren weiter diskutiert werden. Spätestens bei der Generalversammlung der UN im September muß die Frage einer Neuen Gerechten Weltwirtschaftsordnung, eines Neuen Bretton-Woods-Systems und eines Neuen New Deal für die Weltwirtschaft auf die internationale Tagesordnung. Es ist allerhöchste Zeit, die politische und wirtschaftliche Ordnung auf diesem Planten in Übereinstimmung mit der Schöpfungsordnung, den Gesetzen des physischen Universums und der Würde des Menschen als der Krone dieser Schöpfung zu bringen.

Lesen Sie hierzu bitte auch:
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