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Neue Solidarität
Nr. 18, 1. Mai 2025

„Die europäische Politik ist historisch sehr kurzsichtig“

Botschafter Jack Matlock spricht mit Helga Zepp-LaRouche
über die strategische Krise
– Teil 1 –

Die Gründerin des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, sprach am 9. Mai 2025 in ihrem „Live-Dialog mit Helga Zepp-LaRouche“ eine Stunde lang mit dem früheren US-Botschafter in der Sowjetunion, Jack Matlock, über die aktuelle strategische Krise. Botschafter Matlock war Beamter des Auswärtigen Dienstes der USA und diente während der turbulenten Jahre von 1987 bis 1991, die der friedlichen Auflösung der Sowjetunion vorausgingen, als US-Botschafter in Moskau. Hier ist die Mitschrift ihres Gesprächs (Übersetzung aus dem Englischen.) Den Mitschnitt des Gesprächs mit deutscher Simultanübersetzung finden Sie im Youtube-Kanal des Schiller-Instituts.

Botschafter Jack Matlock: Vielen Dank für die Einladung zu diesem Gespräch.

Nein, ich glaube, daß Präsident Trump sich in der Art und Weise, wie er die Zölle einsetzt, völlig irrt. Ich denke, er geht von falschen Annahmen aus. Der Berater, der ihn vielleicht dazu gedrängt hat, glaubt wohl, daß man so die Produktion in den Vereinigten Staaten in großem Umfang wieder ankurbeln könnte. Ich glaube nicht, daß das passieren wird. Statt dessen wird ein großer Teil des Welthandels gestört, und das Ausmaß des Ganzen bringt nun einen Großteil der Wirtschaft in Aufruhr. Der Wert unserer Aktien ist in den letzten vier oder fünf Tagen gefallen, und heute hat die Börse erst gerade geöffnet und die Talfahrt geht weiter. Ich glaube also nicht, daß es funktionieren wird, und die Auswirkungen werden wahrscheinlich nicht nur die Länder zu spüren bekommen, an die es gerichtet ist, sondern auch die Amerikaner und unsere Verbraucher. Ich halte also diese Politik schlecht für alle.

Manche sagen, er will nur über niedrigere Zölle und mehr Handel verhandeln. Nun, wir werden sehen, aber ich halte das Ausmaß dieser Maßnahmen für so unvernünftig, daß es vielen Menschen schaden wird. Deshalb glaube ich, daß der Widerstand in den USA wachsen wird. Für den Durchschnittsverbraucher wird es vielleicht noch ein paar Monate dauern, bis er es spürt, aber zum Beispiel werden in den Autofabriken schon jetzt Leute entlassen, wegen der Zölle auf Teile und andere Dinge, die ins Land kommen sollen. Wir werden sehen, aber ich würde sagen, bisher haben sich die Zölle sehr zerstörerisch ausgewirkt.

Matlock: Nein, das ist definitiv nicht Trumps Stil. Und wie gesagt, ich glaube, es wird nach hinten losgehen. Aber wir wissen einfach nicht, wie schnell er gezwungen sein wird, sich zu ändern, und ob er gezwungen sein wird, sich zu ändern! Da gibt es noch viele Unwägbarkeiten. Aber sein Stil ist sicherlich, Dinge aufzurütteln und zu zeigen, daß er das Sagen hat. Er hat eindeutig einen autoritären Führungsstil. Er hat die Wahl gewonnen, weil unsere Politik in den Vereinigten Staaten in den letzten zehn oder mehr Jahren sehr konfus war. Aber Tatsache ist, daß keine unserer Parteien einen Kandidaten aufgestellt hat, der sich für Frieden einsetzt. Und ich glaube, Frieden ist wichtig für uns und für die ganze Welt. Anstatt die Kriege an verschiedenen Orten fortzusetzen, hätten wir versuchen sollen, sie einzudämmen.

Wir müssen abwarten, wie sich die verschiedenen Dinge entwickeln, aber was die Wirtschaft angeht, sollten wir Amerikaner nicht vergessen, daß wir jetzt ein Defizit von mehr als 36 Billionen Dollar haben. Wie lange kann der Dollar bei einer so hohen Schuldenlast noch seinen Wert behalten? Und angesichts von Trumps Plänen für Steuersenkungen und der Tatsache, daß die Inflation anhalten wird, meine ich, daß die Schulden der USA weiter steigen könnten. Sie sind jetzt schon viel zu hoch. Ich glaube, das wird nicht nur die USA, sondern die ganze Welt in eine Art Rezession und Wirtschaftskrise stürzen.

Aufrüstung statt Diplomatie?

Matlock: Ja, ich denke, es ist sehr wichtig für Europa, für die USA und ganz besonders für die Ukraine, daß dieser Krieg beendet wird und eine Lösung gefunden wird, die eine gewisse Stabilität bringt.

Die zunehmende Aufrüstung in Westeuropa finde ich fast tragisch. Denn erstens ist sie unnötig. Rußland bedroht die Länder nicht, die jetzt in der NATO sind. Und das Problem ist, daß wir so gehandelt haben, als wäre die Ukraine mit einer sehr unrepräsentativen Regierung ein NATO-Mitglied, was für Rußland seit Jahrzehnten eine rote Linie ist. Trotzdem haben wir und unsere europäischen Verbündeten Waffen in die Ukraine gebracht, und das hätten wir bestenfalls tun können, wenn die Ukraine ein NATO-Mitglied wäre. Die russische Führung hat seit mehr als 20 Jahren deutlich gemacht, daß es eine tiefrote Linie ist, westliche Waffen in die Ukraine zu bringen, oder auch nach Weißrußland.

Das sollten wir eigentlich sehr einfach verstehen, denn unsere eigenen Länder und speziell die Vereinigten Staaten würden keine Militärstützpunkte in Nachbarländern wie Mexiko, Kanada oder der Karibik dulden, die von einer fremden Macht bewaffnet werden.

Ich glaube, die Behauptung, der Krieg in der Ukraine sei „unprovoziert“ gewesen, ist schlicht eine falsche Darstellung der Tatsachen. Die Lösung kann jetzt nicht darin bestehen, einfach die Grenzen zu übernehmen, die von Stalin und Hitler festgelegt wurden. Wir sollten nicht vergessen, daß die Grenzen, die die heutige Westukraine mit der Ukraine vereinen, eine Schöpfung von Stalin und Hitler waren. Und warum wir wollen, daß Ukrainer sterben und ihr Land zerstört wird, um das Erbe von Josef Stalin und Adolf Hitler zu verteidigen, ist mir ein Rätsel. Ich verstehe es einfach nicht, und ich kann nicht verstehen, wie die Vereinigten Staaten und unsere europäischen Verbündeten Opfer eines solchen Wahns geworden sind, daß die Ukraine irgendwie ein Recht auf all diese Grenzen hat, unabhängig davon, was sie tut, und in Hinsicht auf ihre sehr große russischsprachige Minderheit. Denn im Laufe der Zeit wurden ja all diese Menschen ihrer kulturellen Rechte beraubt.

Und seien wir ehrlich, ein Großteil der Gewalt dort geht auf das Konto von Neonazis, die offen ihre Symbole zur Schau tragen und Denkmäler für einige der schlimmsten Kriegsverbrecher des Zweiten Weltkriegs aufgestellt haben, die an der Ermordung der jüdischen Bevölkerung im damaligen Ostpolen, der heutigen Westukraine, beteiligt waren.

Es scheint also, daß die europäische Politik historisch sehr kurzsichtig ist, daß sie die Vorgeschichte dieser Probleme vergißt und einen Tunnelblick hat. Denn wenn man sich so wenig mit der Vergangenheit beschäftigt wie wir, vergißt man einen Großteil der relevanten Fakten.

Das falsche Narrativ der NATO

Matlock: Natürlich sollte es eine solche Entschuldigung geben, aber ich bin sicher, daß es keine geben wird.

Meiner Meinung nach hat unsere außenpolitische Elite, die sich in Washington konzentriert, und haben viele in den Denkfabriken, die von unseren Waffenherstellern finanziert werden, eine völlig falsche Darstellung der Situation konstruiert. Denn sie sagen den Amerikanern: „Wir müssen die Ukraine verteidigen. Das ist ein armes, unschuldiges, demokratisches Land, das vom alten bösen Rußland überfallen wurde.“

Nun, die Ukraine wurde von Rußland überfallen, das ist wahr. Aber diese Invasion war nicht so umfassend wie die amerikanische Invasion im Irak, damals unter der Regierung von Bush Junior, als der Irak keinerlei Bedrohung für die Vereinigten Staaten darstellte. Damals haben die USA viele ihrer NATO-Verbündeten dazugeholt. Es gibt also einen Präzedenzfall, in dem die USA ohne Provokation einen Angriffskrieg geführt haben.

Und nun werfen die Vereinigten Staaten Rußland einen Angriffskrieg vor und ignorieren dabei die Tatsache, daß es eine Provokation gegeben hat. Präsident Putin hat in seiner Rede auf der Wehrkundetagung 2007 in München vor den Dingen gewarnt, die, wie ich sagen würde, den Frieden mit Rußland belasten. Das meiste davon beruhte auf der Osterweiterung der NATO, und nicht nur auf der Erweiterung, sondern auch auf der Einrichtung von Militärstützpunkten in den osteuropäischen Ländern in der Nähe von Rußland. Rußland hatte schon seit den 90er Jahren signalisiert, daß das inakzeptabel wäre.

Wir vergessen, daß Wladimir Putin nach seinem Amtsantritt die russische Wirtschaft, die praktisch bankrott war, saniert hat: Er hat sie wieder produktiv gemacht und die Auslandsschulden der Sowjetunion und Rußlands in etwa drei bis vier Jahren abbezahlt. Er brachte eine gewisse Ordnung in das russische Wirtschaftssystem.

Zu dieser Zeit betrachtete er sich noch als Verbündeter des Westens und versuchte, Rußland an den Westen heranzuführen. Und immer wieder wurden die Bemühungen, ein Sicherheitssystem zu schaffen, das sowohl Rußland als auch die anderen Länder einschließen sollte, von den westlichen Ländern und den Vereinigten Staaten einfach ignoriert. Statt dessen versuchte man, ehemalige Teile der Sowjetunion, Teile, die rechtlich zur Sowjetunion gehört hatten, wie Georgien und insbesondere die Ukraine, dem russischen Einfluß zu entziehen, und das war für Rußland aus offensichtlichen Gründen inakzeptabel.

Aber bei der Vorstellung, Rußland sei irgendwie immer aggressiv, wird vergessen, daß es die russische Führung selbst war, die die Sowjetunion aufgelöst hat. Es waren Boris Jelzins Treffen mit der Führung Weißrußlands und der Ukraine, die die Sowjetunion zu Fall brachten. Das war kein „Sieg“ für den Westen und auch nicht das Ende des Kalten Krieges. Der Kalte Krieg wurde früher beendet.

Damals, unter der Regierung Bush senior, wollten die USA nicht, daß die Sowjetunion auseinanderbricht. Wir wollten immer, daß die drei baltischen Staaten ihre Unabhängigkeit wiedererlangen; wir haben nie anerkannt, daß sie rechtlich Teil der Sowjetunion waren. Aber die anderen zwölf Republiken, die wir anerkannt haben, waren rechtmäßig dort. Und als Präsident Bush senior 1991 vor dem ukrainischen Parlament sprach, bat er sie, einen selbstmörderischen Nationalismus zu vermeiden. Trotzdem hat der selbstmörderische Nationalismus, der erst Georgien erfaßt und dort zum Krieg geführt hatte, in der Ukraine die Oberhand gewonnen. Das ignorieren all jene, die jetzt behaupten, wir müßten Putin besiegen, weil er sonst eine Bedrohung für andere darstellt.

Mir gefällt nicht, was Putin im Inland getan hat. Die Invasion gefällt mir ganz sicher nicht. Aber ich bin jemand, der seit Ende der 90er Jahre davor gewarnt hat, daß es katastrophal ist, die NATO zu erweitern und insbesondere, Stützpunkte in Osteuropa zu errichten, ohne Rußland Sicherheitsgarantien zu geben.

Fast jeder von uns, der weiß, daß Gorbatschow das Ende des Kalten Krieges ausgehandelt hat, hat das auch sehr deutlich ausgedrückt, als diese Frage in den Vereinigten Staaten diskutiert wurde. Und es ist eine Tragödie, daß sich unsere Vorhersage nun bewahrheitet hat.

Ich möchte noch einen Punkt ansprechen: daß wir und unsere westeuropäischen Freunde in diesem Prozeß die Ukraine zerstören, in dem Versuch, Rußland zu schwächen. Wir alle brauchen Rußland, um bei den großen Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft zusammenzuarbeiten. Wir sehen jeden Tag mehr Verwüstungen, mehr Überschwemmungen und so weiter. Und doch hindern uns diese Kriege daran, wirklich etwas gegen den Klimawandel zu tun. Sie führen zu noch größeren Migrationsströmen, die alle unsere Länder belasten. Anstatt gemeinsam zu versuchen, diese Probleme zu lösen, schüren wir die Kämpfe nicht nur in der Ukraine, sondern noch schlimmer im Nahen Osten. Wir tolerieren die völkermörderische Politik Israels im Gazastreifen und zunehmend auch im Westjordanland. Die Berichterstattung darüber in unseren Hauptmedien ist sehr einseitig.

Der zweite Teil des Interviews folgt in der nächsten Ausgabe.

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