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Neue Solidarität
Nr. 42, 17. Oktober 2024

Die Macht der Ideen, die Geschichte zu verändern

Von Helga Zepp-LaRouche

Für der Vollversammlung der Partei Solidarité et Progrès in Paris am 21. September übermittelte die Vorsitzende des Schiller-Instituts den folgenden Videobeitrag.

Meine Damen und Herren,

ich möchte heute über „die Macht der Ideen, die Geschichte zu verändern“ sprechen. Es steht außer Frage, daß wir uns wahrscheinlich in der gefährlichsten Periode der Geschichte befinden. Am Samstag, dem 14. September, berichtete Le Monde, daß Mitglieder der französischen Regierung den Dritten Weltkrieg fürchten, weil sie befürchten, daß der Konflikt zwischen der Ukraine und Rußland außer Kontrolle gerät.

Das könnte eine gute Sache sein, denn nur wenn die Bevölkerung aufwacht – und hoffentlich auch die Regierungen aufwachen –, können wir dies hoffentlich noch rechtzeitig ändern.

Die nächsten fünf bis sechs Wochen sind die gefährlichsten. Denn „im Beltway“, wie man so schön sagt, also im Washingtoner Establishment, sprechen die Leute davon, daß die USA und damit die NATO bald möglicherweise einen Dreifrontenkrieg gegen Rußland, China und Nordkorea führen müssen, und in dem Zusammenhang kann man auch noch den Iran hinzufügen.

Dahinter steckt die Befürchtung dieser Leute im Establishment, daß die Vereinigten Staaten  wegen Rußland und China ihre Vormachtstellung in der Welt verlieren. Die BRICS-Staaten, das Synonym für Rußland und China, halten im Oktober ihr jährliches Gipfeltreffen im russischen Kasan ab. Und zu dem Zeitpunkt wird klar sein, daß sie bereits die überwiegende Mehrheit der Weltbevölkerung ausmachen werden und daß dann noch viele weitere Mitglieder hinzukommen werden. Deshalb hat Dick Cheney, den wir alle in schrecklicher Erinnerung haben, Kamala Harris unterstützt, indem er sagte, Trump sei „die größte Gefahr für die amerikanische Demokratie“. Sie befürchten, daß die NATO gegen die Globale Mehrheit, die von den BRICS-Staaten repräsentiert wird, verlieren wird, und sie wollen deshalb einen Krieg, um Rußland zu ruinieren.

Das wäre nun das dritte Mal, daß das versucht wird. Napoleon war das erste Mal. Ich denke, den Menschen in Frankreich ist schmerzlich bewußt, wo das geendet hat. Das zweite Mal war Hitler, und Europa hat sich noch nicht von den Folgen dieses Größenwahns erholt. Und jetzt wollen die NATO oder die „Anglosphäre“ mit ihrer Kontrolle über die NATO das gleiche tun.

Die Anglosphäre opfert Europa bereits ohne Hemmungen. Die EU, die Bürokratie, die die europäischen Vasallen regiert, zerstört Europa von innen heraus. Den Krieg der Anglosphäre führen Stellvertreter, die Ukrainer in der Ukraine, aber auch Söldner, französische, britische und andere Soldaten.

Ideen machen Geschichte: die IDB

Aber die reale Geschichte ist etwas ganz anderes als das Narrativ. Wenn man es sich heute oberflächlich ansieht, scheint es, daß die NATO und die EU die Kontrolle über alles haben. Aber wenn man sich die wahre Geschichte ansieht, dann sind Ideen, auch wenn sie vielleicht momentan keinen Erfolg haben, mittel- und langfristig erfolgreich.

Schauen Sie sich die folgenden Beispiele an. 1975 kehrte Lyndon LaRouche, mein verstorbener Ehemann, von einer Reise in den Irak zurück, wo er mit Führern der Bewegung der Blockfreien Staaten gesprochen hatte, und schlug vor, den IWF durch eine Internationale Entwicklungsbank (IDB) zu ersetzen, um eine Kreditfazilität für die Entwicklungsländer zu schaffen, die ihre Entwicklung ermöglichen würde. Wir machten diese Idee bei allen blockfreien Ländern bekannt, und 1976 verkündeten sie, daß es die Absicht der blockfreien Bewegung sei, eine neue Weltwirtschaftsordnung zu schaffen.

Damals war das ohne Erfolg, weil es eine unglaubliche Gegenreaktion gab. Viele Länder wurden destabilisiert: Indira Gandhi in Indien, Frau Bandaraneike in Sri Lanka, Ali Buttho in Pakistan, einige wurden sogar ermordet. Aber wenn man sich die BRICS heute, im Jahr 2024 ansieht, sind sie inzwischen der mächtigste aufstrebende Wirtschaftsblock. Sie haben angefangen, das aufzubauen, was Präsident Lula von Brasilien die „Große Bank des Südens“ nennt, die Neue Entwicklungsbank (NDB), die ganz nach dem Vorbild von Lyndon LaRouches IDB gestaltet ist.

Schauen Sie sich noch etwas anderes an. Die Oligarchie beschloß 1972, der Welt ihre malthusianische Ideologie aufzuzwingen, indem sie die Schrift Die Grenzen des Wachstums veröffentlichte. Das hat großen Schaden angerichtet, weil es eine weltweite „ökologische“ Bewegung auslöste.

Aber Lyndon LaRouche schrieb ein Buch mit dem Titel Es gibt keine Grenzen des Wachstums, und es dauerte einige Jahrzehnte, da gab China schließlich seine „Ein-Kind-Politik“ auf, die das Ergebnis der Idee des Club of Rome gewesen war, daß die Ressourcen begrenzt seien, und es übernahm die Philosophie des antiken chinesischen Philosophen Sun Bin (gest. 316 v. Chr.), der schon damals gesagt hat, es gebe im Universum nichts Wertvolleres als den Menschen. Die Chinesen merkten, daß jedes Kind einen enormen Beitrag in Form von kreativem Potential für die Weltbevölkerung darstellt.

Die Weltlandbrücke

Nehmen wir noch ein anderes Beispiel. Zwischen 1989 und 1991, als der Kalte Krieg endlich zu Ende ging und die deutsche Wiedervereinigung stattfinden konnte, triumphierten die Neokonservativen in der Anglosphäre weitgehend und behaupteten, sie hätten den Kalten Krieg gewonnen, obwohl Papst Johannes Paul II. davor gewarnt hatte, daß es sowohl im Osten als auch im Westen „Strukturen der Sünde“ gebe. Und sie begannen, eine unipolare Weltordnung zu etablieren, mit „Regimewechseln“, „Farbenrevolutionen“, Interventionskriegen, bis hin zur gegenwärtigen Krise.

Gleichzeitig entwickelten Lyndon LaRouche und unsere internationale Bewegung jedoch bereits einen Gegenplan, das „Produktive Dreieck“. Das war die Idee, das Dreieck Paris-Berlin-Wien – ein Gebiet von der Größe Japans – durch die Einführung moderner Technologien zu vernetzen und dann „Entwicklungskorridore“ in den COMECON nach Polen, Warschau, Kiew, Moskau und auf den Balkan zu schaffen. Und 1991 erweiterten wir dies zur „Weltlandbrücke“. Wir haben dafür schätzungsweise hundert Seminare und Konferenzen organisiert. Und 2013 verkündete dann Präsident Xi Jinping in Kasachstan, daß die Neue Seidenstraße die Politik Chinas sein werde. Seitdem ist die Belt and Road Initiative (BRI), die diese Ideen widerspiegelt, eindeutig auf dem besten Weg, zur Weltlandbrücke zu werden. Die Ideen, die in Richtung Weltentwicklung gehen, haben sich also eindeutig durchgesetzt.

Noch ein weiteres Beispiel. Am 3. Januar 2001 machte Lyndon LaRouche eine prophetische Vorhersage und sagte, die kommende Bush-Regierung werde mit so vielen Problemen im Finanzsektor konfrontiert sein, daß sie einen „neuen Reichstagsbrand“ inszenieren werde. Neun Monate später, am 11. September, kam es zu den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon, und das war der Beginn dessen, was zu einem US-Polizeistaat und dem Streben nach globaler Dominanz und einer unipolaren Welt werden sollte. Wenn man sich das heute, 23 Jahre später, ansieht: In Südwestasien, wo die USA viele Militärinterventionen gemacht haben, in Afghanistan, im Irak, in Syrien, in Libyen usw., bröckelt der Einfluß der USA. Schauen Sie sich die Situation in Afrika an. Meiner Meinung nach sind sich die Menschen in Frankreich sehr bewußt darüber, daß die Kolonialpolitik abgeschafft wird.

Die Chancen für die Zukunft

Welche Optionen hat Europa in dieser Situation?

Wir erleben „tektonische“, ich würde sogar sagen „intergalaktische“ Veränderungen, aber die meisten Menschen wissen nicht, welche Chancen sich daraus ergeben!

Für Frankreich besteht eindeutig die Möglichkeit eines „gaullistischen“ Impulses. Ich denke, Frankreich könnte in der nächsten Zeit eine Initiative zum Austritt aus [dem integrierten Kommando] der NATO ergreifen, wie es De Gaulle getan hat, und es könnte den BRICS beitreten. Selbst Deutschland, das derzeit völlig in der Tasche der Anglosphäre zu stecken scheint, kann sich dramatisch verändern. Die deutsche Wirtschaft befindet sich im freien Fall. Der wichtigste deutsche Automobilhersteller, VW, schließt Werke, sogar in Deutschland! Das hat zu einem vollständigen Zusammenbruch der Unterstützung für die derzeitige Koalitionsregierung geführt. 84 Prozent der Menschen in Deutschland sind mit dieser Regierung unzufrieden.

Aber ein Beitritt zu den BRICS allein reicht nicht aus. Ich denke, wir müssen einen mentalen Sprung machen und über ein völlig neues Paradigma in den internationalen Beziehungen nachdenken. Wir brauchen eine neue Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur, die die Sicherheitsinteressen aller Länder der Erde berücksichtigt, genau wie es beim Westfälischen Frieden (1648) der Fall war.

Wir müssen darüber nachdenken, welche Rolle Europa und die souveränen Nationen Europas in der kommenden Weltordnung spielen werden, die von Asien und ganz klar vom Globalen Süden, der Globalen Mehrheit, dominiert werden wird.

Europa wird also nicht länger von arroganten Menschen regiert werden, die auf dem hohen Roß sitzen und denken, daß „Europa ein Garten und der Rest der Welt ein Dschungel ist“ – wie es EU-Außenpolitiksprecher Josep Borrell ausdrückte – und man nur sicherstellen müsse, daß der Dschungel nicht in unseren schönen Garten eindringt. Nein, wir müssen ganz anders denken, wir müssen denken, daß die Identität Europas darin bestehen muß, jedem Ort auf dem Planeten zu helfen, ein Garten zu werden. Das heißt konkret: Wir sollten unser wissenschaftliches und industrielles Potential nutzen, um zur Schaffung von 2 bis 3 Milliarden produktiven Arbeitsplätzen im Globalen Süden beizutragen. Können wir das schaffen?

Sergej Glasjew, ein sehr wichtiger, vielleicht der wichtigste russische Ökonom, sagte in einer schönen Botschaft zu Lyndon LaRouches 100. Geburtstag, daß diejenigen Länder, die Lyns wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Methode folgen, erfolgreich sind. Und diejenigen, die das nicht tun, scheitern. Vielleicht werden die europäischen Nationen aufgrund des tiefen Verfalls unserer Kultur die letzten auf dem Planeten sein, die es verstehen.

Aber ich denke, wenn wir mutig in diese Situation eingreifen und folgen „den weisen Worten von Lyndon LaRouche“ – wie es der mexikanische Präsident Lopez Portillo ausdrückte – und von Jacques Cheminade, dann können wir es schaffen.

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