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Aus der Neuen Solidarität Nr. 19/2004

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Über Zölle und Handel

Von Lyndon H. LaRouche
- 1. Teil -

Am 12. Januar 2004 veröffentlichte der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler und Präsidentschaftskandidat die folgende grundlegende Schrift, die wir in mehreren Folgen abdrucken.


Die Wurzel des Problems
1. Der Begriff des Kapitals

Gauß, Riemann und Wirtschaft

Physikalische Astronomie

In den Jahren 1959-60 warnte ich als Wirtschaftswissenschaftler, wenn man die mit Arthur Burns verbundene Politik bis weit in die 60er Jahre hinein fortsetze, müßten wir in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts mit Krisen im vorhandenen Währungssystem rechnen. Setze man dann trotz dieser Warnschüsse in Form der Währungskrisen diese Politik noch weiter fort, käme es zu einem allgemeinen Zusammenbruch des damaligen Bretton-Woods-Systems. Präsident John F. Kennedy schickte sich an, diese irrige Politik zu berichtigen; doch mit der Raketenkrise 1962, Kennedys Ermordung und dem offizielle Eintritt der USA in den Indochinakrieg, den dieser Mord möglich machte, zeichnete sich ab, daß diese Richtung in der Wirtschaftspolitik, vor der ich in Publikationen mit (zugegeben) beschränkter Auflage warnte, beibehalten würde. Ob man nun damals viel oder wenig auf meine Stimme hörte, die Entscheidung fiel, und die von mir vorhergesehenen Folgen traten ein.

Meine Warnungen wurden anfänglich nur in begrenzten Kreisen verbreitet, fanden dann aber in den Jahren 1966-67 vermehrte Beachtung in der Öffentlichkeit - insbesondere im Zuge der beiden aufeinanderfolgenden Krisen des britischen Pfund Sterling im Herbst 1967 und des US-Dollars im Januar-März 1968.

Der allgemeine Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems, vor dem ich gewarnt hatte, erfolgte in der Zeit zwischen der bewußten Zerstörung des Bretton-Woods-Systems von der Hand Richard Nixons am 15.-16. August 1971 und der Währungskonferenz auf den Azoren 1972, wo das heute todgeweihte System der freien Wechselkurse in Kraft gesetzt wurde. Der große Bruch 1971, den praktisch alle anderen Wirtschaftswissenschaftler wegen der angeblich im System "eingebauten Sicherungen" für unmöglich erklärt hatten, bedeutete politisch, daß ich eine geistige Kraft darstellte, mit der das Establishment rechnen mußte. Sie "rechneten" sich aus, daß sie mich so schnell wie möglich loswerden mußten, bevor die Auswirkungen meines inzwischen erworbenen Rufes mich in eine politisch einflußreichere Stellung brächten, als sie es für annehmbar hielten.

Zu der Zeit warnte ich, wenn wir nicht aus den Fehlern der Erfahrungen von 1966-72 lernten, werde die Welt auf die Gefahr faschistischer Machtergreifungen ähnlich denen von 1922-45 zuschlingern.

Heute befinden wir uns im Würgegriff der Endphase des allgemeinen Zusammenbruchs des Weltwährungs- und Finanzsystems, und zugleich droht die Gefahr einer allgemeinen faschistischen Machtergreifung. Typisch dafür ist US-Vizepräsident Cheneys Wiederbelebung der Strategie des "vorbeugenden Atomkriegs" und die Ablösung der traditionellen Streitkräfte im Rahmen einer Militärdoktrin, die an die Legionen des Römischen Reiches und die Pläne der Nazis für eine Weltherrschaft mit einer internationalen Waffen-SS erinnert.

Es ist vor allem der langwellige kulturelle Wertewandel nach dem Beginn des amerikanischen Indochinakrieges, der mit der "Rock-Drogen-Sex-Gegenkultur" Mitte der 60er Jahre und damit verwandten Erscheinungen wie den "68ern" und der sog. "nachindustriellen" Ideologie einsetzte, der uns an diesen Punkt gebracht hat. Ab 1971-72 wurden die gesellschaftlichen und politischen Institutionen, auf denen die wirtschaftliche Erholung der USA aus der Coolidge-Hoover-Depression sowie Europas Wiederaufbau aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs beruht hatten, gezielt und systematisch ausgerottet und zerstört.

Die ganze Zeit über von 1971 bis heute habe ich auf die dringende Notwendigkeit hingewiesen, sich diesem kulturellen Wertewandel zu widersetzen und ihn umzukehren. Mit Warnungen dieser Art waren langfristige Wirtschaftsvorhersagen verbunden, die sich stets als treffende Einschätzung von Art und Zeitpunkt neuer kritischer Entwicklungen im Wirtschafts- und Währungssystem erwiesen. Diese gerechtfertigten Warnungen wurden in den Wind geschlagen. Jetzt ist das Weltwährungs- und Finanzsystem durch die Auswirkungen all dessen, wovor ich warnte, dem Untergang geweiht.

Das bedeutet, daß jetzt entweder meine Warnungen in entsprechender Weise beherzigt werden oder unsere ganze Zivilisation droht, ziemlich rasch in ein letzten Endes erdumspannendes neues finsteres Zeitalter abzustürzen.

Thema dieses Berichts ist daher eine dringend notwendige neue Politik zur Regelung von Zöllen und Handel. Diese Politik ist ein wesentlicher Bestandteil der Veränderungen im Denken und Handeln unseres Landes, die bald erfolgen müssen, wenn es eine realistische Hoffnung darauf geben soll, den jetzt unausweichlichen baldigen Ruin der amerikanischen Volkswirtschaft dauerhaft umzukehren. Wenn wir es nicht schnell durch eine Hinwendung zu den Grundsätzen Präsident Franklin Roosevelts unter vergleichbaren Umständen verhindern, dann bedeutet dieser Ruin den völligen Absturz des heutigen Weltwährungs-, Wirtschafts- und Finanzsystems in einen noch tieferen Abgrund als 1928-33.

Entgegen den immer wieder gefälschten Zahlen der Federal Reserve unter ihren Vorsitzenden Paul Volcker und Alan Greenspan besteht keine Möglichkeit einer Erholung aus der gegenwärtig heranstürmenden allgemeinen Wirtschaftsdepression, es sei denn, wir fördern in den nächsten vier Jahren das nationale Wirtschaftswachstum durch einen umfassenden Wandel der Politik im Land: von hemmungsloser Spekulation auf den Finanzmärkten zurück zu mittel- bis langfristigen Kapitalinvestitionen in Beschäftigung zur Schaffung grundlegender wirtschaftlicher Infrastruktur und nützlicher Güter. Dieses Programm zur wirtschaftlichen Erholung muß in den kommenden Jahren Infrastrukturinvestitionen in einer Größenordnung von nicht weniger als sechs Billionen Dollar heutigen Wertes vorsehen. Mit diesem neugeschaffenen langfristigen Bundeskredit müssen wir mehr und qualifiziertere Arbeitsplätze schaffen. Auf diese Weise werden wir das Realeinkommen des Bundes und der Länder aus der Verlustzone bringen und darüber hinaus dann noch umfangreichere neue Langzeitinvestitionen in neue Infrastruktur und Technik tätigen können.

Allerdings würde in der gegenwärtig verheerenden Finanzlage der Welt selbst ein solches Aufschwungsprogramm scheitern, wenn das nunmehr bankrotte Weltfinanzsystem freier Wechselkurse nicht durch ein System fester Wechselkurse nach dem Vorbild des mit der ursprünglichen Bretton-Woods-Konferenz 1944 eingeführten Systems ersetzt wird. Dieses neue am Vorbild von Bretton Woods orientierte System mit festen Wechselkursen muß sich auf eine Politik langfristiger Kredite zu 1-2% Basiszinsen über einen Zeitraum von ein bis zwei Generationen verpflichten.

Wenn die amerikanische Volkswirtschaft die heranstürmende Katastrophe überleben soll, muß sich die Denkweise grundlegend und umfassend ändern: Weg von der Ausrichtung der letzten 40 Jahre zurück zu der Weltsicht, die Präsident Franklin Roosevelt verkörperte und ohne die Amerika sich nicht von den Folgen der Torheiten der Regierungen Coolidge und Hoover erholt hätte. Ob wir als Nation überleben werden, wird davon abhängen, ob die Mehrheit unseres Volkes und unserer Regierungseinrichtungen gewillt ist, den Trend der heute vorherrschenden sog. "nachindustriellen" Ideologien der "Babyboomer" und der "Generation X" in den USA, Kanada und Europa umzukehren. Wir müssen uns mit den absurden Anschauungen, die uns heute den Ruin bescheren, brechen und zu der vorher überlieferten, erfolgreichen Politik des Aufschwungs aus der letzten großen Weltdepression unter Roosevelt zurückkehren.

Beispielhaft für die von Regierungen angestoßenen Investitionen, die ich vorschlage, sollten Investitionen in Bereiche der grundlegenden wirtschaftlichen Infrastruktur sein, wie a) Stromerzeugung und -verteilung, b) große Wasserwirtschaftsbauten und verwandte "Umweltprogramme", c) Massenverkehr, vor allem Eisenbahn, Magnetbahn und neue Luft-Boden-Verkehrsmodelle, d) Einrichtungen des Gesundheitswesen u.ä., e) Einrichtungen des Bildungswesens, f) ein auf die Raumfahrt ausgerichtetes "Wissenschaftsmotor"-Programm und g) verbesserter Städtebau. Wie bei der Tennessee Valley Authority (TVA) unter Präsident Franklin Roosevelt werden diese Investitionen mit Anlagezyklen mit einer anfänglichen Kreditlaufzeit von einem Viertel bis zu einem halben Jahrhundert verbunden sein. Diese Bereiche langfristiger Investitionen in grundlegende wirtschaftliche Infrastruktur werden der wichtigste Motor zur Ausweitung und technischen Höherqualifizierung der Beschäftigung in Privatunternehmen sein.

Damit stellt sich auch die Frage: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß die neuausgegebenen Investitionsgelder zum großen Teil für Spekulation mißbraucht und verschwendet werden - eine Verschwendung, wie wir sie unter den Präsidenten, derer wir uns in den letzten dreieinhalb Jahrzehnten erfreuten, erlebt haben? Wir dürfen nicht noch mehr Kapital zum Fenster hinauswerfen, wie es in unserer Volkswirtschaft unter diesen fehlgeleiteten Regierungen mit riesigen Summen geschehen ist.

Deshalb müssen wir die folgende Frage über die notwendigen Veränderungen der Zoll- und Handelspolitik stellen.

Unter welchen Voraussetzungen können wir der Regierung wie den privaten Anlegern ehrlich versichern, daß die Finanzierung eines ziemlich kurzfristigen Wirtschaftsaufschwungs nicht zweckentfremdet wird und nicht in einem langfristigen bodenlosen "Freihandelsloch" verschwindet wie in den letzten vier Jahrzehnten - ein vier Jahrzehnte andauernder Wandel in der amerikanischen Politik von der größten produzierenden Nation der Welt zur heutigen bankrotten Parasitennation mit "Brot und Spielen" als Lebensstil?1

Bei der Behandlung dieses Themas müssen wir die Argumente in den Rahmen der Umsetzung des Neuen Bretton-Woods-Systems fester Wechselkurse stellen, welches das heute hoffnungslos bankrotte Währungs- und Finanzsystem freier Wechselkurse ersetzen muß. Unser Thema ist deshalb hier - wie ich erläutern werde - die leider wenig verstandene entscheidende Bedeutung mittel- bis langfristig relativ fester Maßstäbe für Zoll- und Handelsabkommen innerhalb eines allgemeinen Aufschwungs der heutigen US- und Weltwirtschaft.

Um die Abhandlung in den richtigen Zusammenhang zu stellen, berücksichtige ich die folgenden allgemeinen Probleme des Geisteslebens, die heute sowohl bei Führungspersönlichkeiten als auch beim einfachen Bürger in den USA und in anderen Ländern vorherrschen.

Die Wurzel des Problems

Eine wichtige Arznei für diese Krise ist eine Rückkehr zu den Grundsätzen der amerikanischen Zoll- und Handelspolitik, wie sie die Gründerväter unserer Republik vertraten, die uns stets gute Dienste leisteten, wenn wir, wie z.B. unter Präsident Franklin Roosevelt, zu ihnen zurückkehrten. Heute gibt es gegen diese Politik, die zu den unverzichtbaren Voraussetzungen einer Erholung von dem heranstürmenden Zusammenbruch gehört, ziemlich heftigen Widerstand. Sollte dieser Widerstand die Oberhand behalten, wird unsere Republik möglicherweise die nächsten Krisenjahre in wiedererkennbarer Form nicht überleben. Keine andere Gefahr für den Fortbestand unserer Republik ist größer. Deshalb müssen wir die Wurzeln dieses Widerstands ausmachen, wenn wir unsere Republik aus dieser Gefahr retten wollen.

Das wesentliche politische Problem, mit dem sich die meisten führenden amerikanischen Politiker nur höchst ungern befassen, sind solche beliebten, weitverbreiteten quasi axiomatischen Begriffe wie "Freihandel". Obwohl der "Freihandel" eine der Hauptursachen des heutigen Ruins unserer Volkswirtschaft ist - wie etwa die ruinösen Auswirkungen des NAFTA-Abkommens zeigen - , haben nur wenige Politiker den Mut, sich ernsthaft damit zu befassen. "Freihandel" ist in der gängigen akademischen und verwandten Sophisterei unserer Zeit tief verwurzelt. Deshalb suchen Politiker lieber Arzneien, die diese Krankheit nicht verstimmen, aus Angst, sich gegen die derzeit vorherrschende Mehrheit der öffentlichen Meinung zu stellen.

Deshalb ist unsere Republik solange dem Untergang geweiht, solange ihre Bürger als Grundlage für ihre politischen Entscheidungen auf einfache, populistische Schlagworte zurückgreifen. Wenn man es nicht schafft, der Bevölkerungsmehrheit diese Sophisterei für immer mehr "Freihandel" und ähnliche Politik abzugewöhnen - , würde unser Land nicht mehr lange überleben. Deshalb muß man alle vereinfachenden Argumente in der Zoll- und Handelspolitik beiseite schieben. Vernunft muß an die Stelle von Sophistik treten, egal wie unbeliebt dieser Tage die Vernunft erscheinen mag.

Was meine persönliche Rolle in diesen Fragen betrifft, so hat die bisherige Geschichte meine Warnungen und Vorschläge des letzten knappen halben Jahrhunderts bestätigt. Seit mehr als drei Jahrzehnten, seit 1971-72, fanden meine Argumente in in- und ausländischen Führungskreisen weite Verbreitung. Dabei haben sich meine Ansichten als richtig und die meiner Gegner als falsch erwiesen. Wenn Menschen in hohen Positionen sich weigern, so wichtige Lehren anzunehmen, obwohl sie klar bewiesen sind, dann muß man die Ideologie untersuchen, die an dieser Sturheit schuld ist. Nur so kann man die sophistischen Verdrehungen beseitigen, welche die Anwendung der inzwischen so gründlich bewiesenen und doch so lange aufgeschobenen Lösungsmöglichkeiten der Krise verhindert haben.

Auch habe ich angesichts meiner Stellung als der vermutlich letzte verbleibende demokratische Präsidentschaftsbewerber 2004 neben Senator John Kerry eine entsprechende Verantwortung, die wissenschaftlichen und verwandten Voraussetzungen meiner inhaltlichen Politik offenzulegen. Auch wenn vielleicht nicht alle Bürger die Voraussetzungen meiner Errungenschaften in der Wirtschaftswissenschaft ganz verstehen, haben sie ein Recht darauf, daß ich sorgfältig darstelle, auf welche Prinzipien ich mich bei den wichtigen politischen Entscheidungen unserer Republik in den nächsten vier bis acht Jahren stützen würde. Dieser Verantwortung will ich hiermit gerecht werden.

Wir müssen uns also mit dem Unterbau der Frage der Handels- und Zollregelungen beschäftigen. Wir müssen die verbreiteten Sophismen, die unsere Republik seit so vielen Jahrzehnten immer tiefer fallen ließen, aufdecken und beseitigen. Wir müssen die Denkweise derer verändern, die diese Sophismen übernommen haben, so wie ich es tue, um die zukünftigen politischen Köpfe um den nächsten Präsidenten der USA auszubilden.

Von wenigen wertvollen Ausnahmen abgesehen, wissen sowohl die heute vorherrschende Generation an den Hochschulen ausgebildeter Wirtschaftswissenschaftler als auch die breite Öffentlichkeit über die allereinfachsten langfristigen physikalischen Prinzipien erfolgreicher Volkswirtschaft erbärmlich wenig. Unter den gegenwärtigen Umständen des sich anbahnenden Zusammenbruchs des jetzigen Weltwährungs- und Finanzsystems stellt heute diese selbst unter Leuten vom Fach weitverbreitete Unkenntnis eine schwere, möglicherweise fatale, Gefahr für den Fortbestand unserer Republik dar.

In diesem Zusammenhang möchte ich mich auf etwas beziehen, was ich kürzlich auf einer Jugendkonferenz in Mainz in Deutschland sagte: Was Wirtschaft betrifft, verhält sich der heutige Durchschnittsamerikaner, egal ob hoher oder niedriger akademischer Stellung, wie ein Schwarm Fische in einem Goldfischglas, dessen Inhalt gerade in der Toilette heruntergespült werden soll.

Dieses geistige Goldfischglas, in dem die Menschen auf diese Weise gefangen sind, ist eine Selbsttäuschung hinsichtlich der Natur der Wirtschaft im allgemeinen wie auch des Geldes im besonderen. Ein solcher Mensch ist Opfer seines starren Festhaltens an bestimmten Grundannahmen, die, an der Wirklichkeit gemessen, falsch sind, wie etwa die Lehre vom sogenannten "Freihandel", der so viele mehr oder weniger sklavisch anhängen. Seine Überzeugung bewegt sich in den Grenzen solcher axiomatischen oder quasiaxiomatischen Annahmen, und deshalb leugnet er jede Wirklichkeit, die außerhalb dessen liegt, was mit diesen Grundannahmen vereinbar ist.2

Das Schlimme ist, daß der typische Bürger überzeugt ist, daß die Meinungen, die er von diesen Grundannahmen ableitet, "funktionieren". Entsprechend hält er Meinungen, die den Annahmen widersprechen, für "unpraktisch", für "rein theoretisch" oder vielleicht sogar für das, was unverbesserliche Existentialisten gern als "Verschwörungstheorien" abtun.

Somit ist der Geist des ahnungslosen Bürgers in der Begrenzung seines geistigen Goldfischglases gefangen, und er lehnt vehement den Gedanken ab, es könne auch noch etwas außerhalb dieser Begrenzung existieren oder daß es überhaupt diese Begrenzung gebe. Damit läßt sich ein solcher Mensch in seinem Goldfischglas der Selbsttäuschung mit dem sprichwörtlichen Lemming vergleichen, der sich um der "Geschlossenheit der Partei" willen über die Klippe stürzt, weil er davon überzeugt ist, es sei gesellschaftlich inakzeptabel, anders zu handeln. Allerdings rennt der Mann in seinem Aquarium meist nicht selbst über die Klippe, sondern läßt sich scheinbar wie spontan von seiner Selbsttäuschung zu seinem Untergang tragen. Auf eben diese Weise wurde aus der produktivsten Volkswirtschaft der Welt von 1963 im Laufe der vergangenen 40 Jahre jene Katastrophe, die uns die schlechte Gewohnheit heute beschert hat.

Ich werde weiter unten auf dieses strategisch entscheidende Problem des Geisteszustands der heutigen Vereinigten Staaten zurückkommen; zunächst will ich beschreiben, wie ein "Freihandelssystem", wie das gegenwärtige Weltwährungs- und Finanzsystem der "frei schwankenden Wechselkurse", eine Volkswirtschaft ruiniert, indem sie die für fortgesetzten Wohlstand notwendige Art von Kapitalinvestitionen vernichtet.

1. Der Begriff des Kapitals

Vergessen Sie, was gemeinhin über Volkswirtschaft gelehrt wird. Ignorieren Sie, was der übliche an der Universität ausgebildete Wirtschaftswissenschaftler Ihnen über Wirtschaft weismachen will, obwohl die Tatsachen längst zeigen, daß diese Lehren unser Land heute praktisch in den Bankrott geführt haben. Nehmen Sie solche verbreiteten Irrtümer nicht an, sondern denken Sie wie ein Wissenschaftler.

Aus der Sicht jeder elementaren kompetenten Unternehmensführung ist der Begriff des Kapitals mit den "aufgelaufenen" Produktionskosten verbunden. Es gibt zwei völlig entgegengesetzte Vorstellungen von diesem Kapital: einerseits die physisch-reale, andererseits die finanzielle. Bei dem heute weitverbreiteten verwirrten Geisteszustand gehen leider die meisten Ökonomen, Buchhalter und die breite Öffentlichkeit davon aus, Kapital habe im wesentlichen die Form finanzieller Guthaben (die letztendlich ja nur "Papier" sind, statt daß man es primär, ontologisch physikalisch mißt).

Wirkliches, physisches Kapital umfaßt dagegen Verbesserungen beispielsweise der grundlegenden wirtschaftlichen Infrastruktur, die im Gegensatz zu den immer noch weitverbreiteten oft illusorischen, eingebildeten Vorstellungen von Kapital real sind. Einmal abgesehen von solchen Buchhaltungsphantasien können wir der mehrheitlichen Gewohnheit in der Buchführung zustimmen, die "laufend" als das definiert, was am Ende des Geschäftsjahres in der Bilanz oder in der Gewinn- und Verlustrechnung auftauchen wird. Nimmt man einen einjährigen Zyklus als Vergleichsmaßstab - ähnlich dem Zyklus eines Sonnenjahres (oder Sternenjahres) in der Astronomie - , dann ergeben sich für unser Thema folgende wesentliche Unterscheidungen.

Wir müssen annäherungsweise unterscheiden zwischen kurzfristigem Kapital (investiert in den oft weniger als ein Jahr umfassenden Zeitraum zwischen Beginn der Herstellung einer Ware und deren Verkauf zum Verbrauch), mittelfristigem Kapital (bei einem Zyklus von Investition, Herstellung und Verbrauch innerhalb einiger Jahre) sowie langfristigem Kapital (wie Maschinen, Anlagen, Fabriken, Ausrüstung), dessen Laufzeit als Investition bis zu einer oder zwei Generationen (ein Viertel- bis halbes Jahrhundert) betragen kann.

Bei jeder kompetenten Aussage zur Bedeutung des Kapitals in einer Volkswirtschaft beginnen wir mit dem physischen Kapital und vergleichen Zyklen von Wachstum und Abnutzung sowie entsprechend definierte Trends. Diesem investierten wirklichen, physischen Kapital müssen wir den Geldwert dieser physischen Investitionen, den wir für die Buchhaltung und Kostenrechnung verwenden, entgegensetzen. Das stellt uns vor die Herausforderung, den Geldwert des Kapitals so zu regeln, daß er - statt der Vorstellung vom Wert des Objekts an sich - dem funktionellen Begriff des realen Werten zugewiesenen vergleichenden Geldwerts entspricht.

Indem wir das Verhalten von Geld und Währung regulieren, um die ausufernden Exzesse unvernünftigen Verhaltens zu zügeln, die häufig aus blindem Glauben an das Geld erwachsen, können wir trotz der verbreiteten Illusionen über das Geld eine vernünftige Wirkung in der Realwirtschaft fördern. Diese regulierenden Maßnahmen der Regierung nennt man "Protektionismus".

Zwei unterschiedliche, aber gültige Vorstellungen zum physischen Wert physischen Kapitals sind einander gegenüberzustellen:

Erstens müssen wir das aufgebrauchte physische Kapital ersetzen. Zweitens müssen wir zusätzlich berücksichtigen, daß Technik veraltet. Es reicht nicht, wenn wir aufgezehrtes Kapital ersetzen; wir müssen neue, fortgeschrittenere Technik einführen, um Rückständigkeit durch mangelnde technische Verbesserungen zu überwinden. Diese doppelte Überlegung zwingt uns, den Begriff realwirtschaftlicher Werte an sich wie folgt einzuführen.

Gauß, Riemann und Wirtschaft

In der Wirtschaftswissenschaft gibt es, wie in jeder Wissenschaft, stets ein einheitliches, tieferes, universelles Prinzip, das den Gegenstand richtig definiert. Hält man sich nicht an ein solches gültiges Prinzip, dann ist das keine Wissenschaft, sondern bloß die Meinung eines Sophisten - genau das, worunter Lehrbücher und Unterricht der heute üblichen Wirtschaftswissenschaft leiden.

Sofern es den Bereich physikalisch-wissenschaftlicher Prinzipien betrifft, gibt es die Grundlagen einer Wissenschaft von der Wirtschaft - wie ich hier aufzeigen werde - mindestens schon zu Lebzeiten von Solon und Platon in Athen; aber wirkliche Volkswirtschaft entstand erst in der europäischen Neuzeit, die mit der Gründung der ersten Nationalstaaten am Ende des 15. Jahrhunderts in Frankreich unter Ludwig XI. und in England unter Heinrich VII. beginnt.

Das tiefere grundlegende Prinzip einer Wissenschaft von der Wirtschaft, von dessen Anwendung sich die moderne Wirtschaft ableitet, ist der Begriff der "Kraft" (altgriechisch dynamis), den Platon im wesentlichen aus dem Werk der Pythagoreer übernahm. Alle wichtigen Spielarten inkompetenter moderner Volkswirtschaftslehre wie der Empirismus von Locke, Mandeville, Quesnay, Adam Smith und Jeremy Bentham wurzeln in ihrer Inkompetenz darin, daß sie das Prinzip der "Kraft" entweder schlicht verschweigen oder sogar dessen Existenz leugnen - so wie Euler und Lagrange bestritten, daß es Leibnizsche universelle Prinzipien gibt, die größere Gültigkeit als irgendeine bloße Finanz- oder sonstige Arithmetik besitzen.3

Der sich anbahnende Zusammenbruch des derzeitigen Weltfinanzsystems ist ein Beispiel für die Folgen äußerster Inkompetenz im Denken über Wirtschaft, die heute bei fast allen führenden Politikern und Akademikern herrscht, deren Generation typisches Opfer der "Babyboomer" im Alter zwischen 50 und Anfang 60 ist. Diese systemische Inkompetenz zu erkennen, ist - wie ich weiter unten zeigen werde - der Schlüssel zum Verständnis der Idiotie eines Großteils der heute vorherrschenden akademischen Meinung zu Zöllen und Handel.

Reduktionisten wie Leonhard Euler, Thomas Huxley und Friedrich Engels oder die noch viel radikaleren Reduktionisten Ernst Mach, Bertrand Russell, Norbert Wiener und John von Neumann wollten nie verstehen, daß das menschliche Individuum weder ein Menschenaffe, noch etwas Nichtlebendes wie etwa eine bloße Maschine ist. Diese Beobachtung liefert die wesentlichen Argumente gegen die Reduktionisten, so wie bei Carl F. Gauß 1799 in seinen Beweisen zum Fundamentalsatz der Algebra gegen Euler, Lagrange u.a. Gauß deckte darin Eulers und Lagranges Irrtümer im Bereich der mathematischen Physik auf. Der "komplexe Bereich" der Mathematik, den Euler, Lagrange und andere Empiristen abgelehnt hatten, spiegelt das Wissen des Menschen über die experimentell beweisbaren, grundlegenden physikalischen Prinzipien wider, die nicht unmittelbar mit den Sinnen wahrnehmbar sind. Im Gegensatz zu Euler und Lagrange ist Johannes Keplers ureigenste Entdeckung der universellen Gravitation typisch für Prinzipien, die der Mensch erkennen kann, auch wenn sie nicht unmittelbar als Gegenstände der Sinneswahrnehmung erfaßbar sind.4

Gauß' Argumentation von 1799 gegen Euler, Lagrange und die Reduktionisten allgemein zeigt, daß er die Bedeutung einer antieuklidischen (oder voreuklidischen) physikalischen Geometrie erkannt hat - im Unterschied zu dem, was man zutreffend als bloß nichteuklidische Geometrie bezeichnen sollte [z.B. die von Nikolaj Lobatschewskij (1792-1856) und Wolfgang Bolyai (1775-1856)].

Keine niedere Lebensform, auch kein Menschenaffe, ganz zu schweigen von einer bloßen digitalen Rechenmaschine, kann ein physikalisches Prinzip entdecken und wissen. Diese einzigartige Fähigkeit der menschlichen Gattung, die man manchmal "prometheisch" oder "das Erhabene" nennt, definiert die Bedeutung des "Geistigen" für die Naturwissenschaft einschließlich der physischen Wirtschaftswissenschaft. Auf dieser empirisch erkennbaren "prometheischen" oder "erhabenen" Eigenschaft des menschlichen Individuums leitet sich die Vorstellung von Mann und Frau als Abbild des Schöpfers des Universums ab.

Deshalb bildet dieser streng wissenschaftliche Begriff dieser besonderen, unsterblichen, geistigen Natur des Menschen, die ihn von den niederen Lebensformen unterscheidet, die Grundlage für das, was Theologen und Historiker das "Naturrecht" nennen. Die Prinzipien von Souveränität, Gemeinwohl und Nachwelt, die in der Präambel als Grundprinzipien der amerikanischen Bundesverfassung niedergelegt sind, sind ein typischer Ausdruck dieses Naturrechts. Jede vernünftige Volkswirtschaft und Staatskunst - wie etwa das, was Finanzminister Alexander Hamilton als "Amerikanisches System der politischen Ökonomie" beschrieb - ist von der Anwendung dieses Naturrechts abgeleitet. Ich fasse nun die entsprechenden wesentlichen Gesichtspunkte dieser Frage in Hinsicht auf Zölle und Handel zusammen.

Die Pyramiden von Gizeh dienten als astronomische Instrumente: Die Erkenntnisse daraus fanden später Eingang in die "Sphärik" der Pythagoreer.
Die Entdeckung, die Gauß in seiner Schrift von 1799 vorstellte, spiegelt die Grundlagen der voreuklidischen griechischen Mathematik wider, die sog. "Sphärik", die Thales, Pythagoras u.a. unter dem Schatten jener bemerkenswerten astronomischen Instrumente, der Großen Pyramiden des alten Ägyptens, erarbeiteten.

Die Beweisführung hinsichtlich der Wirtschaftswissenschaft geht von diesem Punkt aus. Jedes experimentell bewiesene universelle Naturprinzip entspricht der Entdeckung einer störrischen Anomalie in der Erfahrung der Sinneswahrnehmung. Solche Anomalien spiegeln die Tatsache wider, daß der menschliche Sinnesapparat Teil eines sterblichen Organismus des lebenden Individuums ist. Deshalb sind unsere Sinneswahrnehmungen sozusagen nur der Fußabdruck des Vorübergehens des wirklichen Universums an unserem biologischen Sinnesapparat, und nicht der Fuß selbst. Dem menschlichen Geist stellt sich also die Aufgabe, das Prinzip herauszufinden, das den Fußabdruck erzeugt hat.5 Gauß' Begriff des "komplexen Bereichs", den er gegen die reduktionistischen Fanatiker wie Euler oder Lagrange entwickelte, definiert eine Herangehensweise an die mathematische Physik, mit der wir einen funktionellen Zusammenhang zwischen dem mit den Sinnen erlebten Teil der experimentellen Erfahrung und dem dem Auge verborgenen, aber entdeckten Prinzip, das diesen Schatten (oder Fußabdruck) formte, zeigen können.

Keplers einzigartige Entdeckung (1609) des Prinzips der allgemeinen Gravitation ist dafür ein epochales Beispiel.

Meine eigenen Entdeckungen der Jahre 1948-53 - im Rahmen von Leibniz' ursprünglicher (1671-1716) Entdeckungen in der physischen Wirtschaftswissenschaft - bildeten sich anfänglich heraus, indem ich den technischen Fortschritt als Ergebnis der Entdeckungen universeller Prinzipien betrachtete, die in den Bereich der Ironie fallen, der sonst - im gleichen Sinne - nach den Prinzipien klassischer künstlerischer Komposition definiert ist.

Anders ausgedrückt, ich lehnte die zeitgenössische, weitverbreitete Spaltung des akademischen Wissens in Naturwissenschaft und Kunst ab, die der Brite C.P. Snow6 sogar als Spaltung zwischen "zwei Kulturen" bezeichnete. Ich erkannte, daß die klassische Ironie (z.B. insbesondere die Metapher), sofern sie wirklich klassisch war, das Gegenstück zu den Paradoxen war, die zur Entdeckung physikalischer Prinzipien anregen. Die Naturwissenschaft, wie sie gewöhnlich aufgefaßt wird, betrifft die implizit unmittelbare Beziehung der Erkenntniskraft des souveränen Individuums zum physischen Universum. Die klassische Kunst, insbesondere die klassische künstlerische Ironie, bezieht sich auf die gleiche individuelle Erkenntniskraft, die jedoch in diesem Falle gesellschaftliche Prozesse zum Gegenstand hat.7

Ich erkannte - in einer Weise, die durch meine anschließende Beschäftigung mit Riemanns Beweisführung bestärkt wurde - , daß der einzelne in dieser sozialen Dimension der Erkenntnis die Ideen für die Praxis bildet, die gültige universelle Prinzipien der Naturwissenschaft sind.8 Das war an dem Punkt das relativ einzigartige an meiner Entdeckung.

Um meinen Erkenntnissen "Beine" zu geben, damit sie in der täglichen mathematischen oder quasimathematischen Praxis laufen konnten, überarbeitete ich 1953 meine vorangegangenen Entdeckungen in Übereinstimmung mit Riemanns Habilitationsschrift von 1854.

So entstand die Anwendung der Riemannschen Entdeckungen auf meine eigene Entdeckung: die sogenannte LaRouche-Riemann-Methode. Diese Methode erwies sich in den seither vergangenen vier Jahrzehnten nicht nur als das beste verfügbare Handwerkszeug für langfristige Wirtschaftsprognosen, sondern praktisch auch als das einzige, das überhaupt kompetent und beständig erfolgreich war. Das in diesem Bericht behandelte pädagogische Beispiel vom "Goldfischglas" wird den Kernpunkt meiner Methode für langfristige Vorhersagen veranschaulichen.

Riemanns Entdeckungen, insbesondere seine Habilitationsschrift aus dem Jahre 1854 und seine Behandlung der Abelschen Funktionen, sind eine natürliche Weiterentwicklung einer allgemeinen Theorie gekrümmter Flächen, die Gauß aus dem Kern seiner Angriffe auf Euler, Lagrange u.a. in seiner revolutionären Schrift zum Fundamentalsatz der Algebra 1799 entwickelt hatte.9

Wie gesagt, den voreuklidischen griechischen Astronomen wie Pythagoras und auch Platon war die Bedeutung dieser Entdeckungen implizit bekannt. Gauß' Schrift aus dem Jahr 1799 bezieht sich ausdrücklich auf diese alte voreuklidische Verbindung zu den geometrischen Methoden der Pythagoreer und Platons. Die Verdopplung angenommener Linien, Quadrate oder Würfel ist die einfachste Veranschaulichung des Punktes, den die voreuklidischen Mathematiker zu Platons Zeiten und Gauß später machten. Diese drei elementaren Fälle paradoxer Verdopplung, verstärkt durch die Konstruktion der Platonischen Körper, definieren bereits ontologisch das, was Gauß als den "komplexen Bereich" vorstellt.

In allen Fällen bildet die Lösung des Paradoxes ein Prinzip, das mit den Sinnen nicht wahrnehmbar ist, aber einer willentlichen menschlichen Handlung entspricht - wie z.B. der geometrischen Konstruktion - , mit deren Hilfe die Lösung hervorgebracht wird.10 Die dramatischste dieser antiken Lösungen ist Archytas' Lösung des Problems der Verdoppelung eines Würfels, für die man nacheinander zwei mathematische Mittel anwenden muß. Das typische neuzeitliche Beispiel ist, wie ich schon betont habe, Keplers Entdeckung der allgemeinen Gravitation, wie er sie beispielsweise 1609 in der Neuen Astronomie beschrieb. Über Gauß' Neuformulierung der drei elementarsten pythagoreischen Beispiele hinaus geht die Konstruktion der Platonischen Körper, die Platon z.B. in seinem Timäus dazu dient, darzulegen, daß die physikalische Raumzeit außerhalb der axiomatischen Grenzen einer euklidischen (oder kartesischen) apriorischen Geometrie liegt.

Unter solchen voreuklidischen (d.h. voraristotelischen) Geometrien sollten wir uns das vorstellen, was ich oben mit der "Sphärik" der Pythagoreer angesprochen habe.

Physikalische Astronomie

Wenn wir den nächtlichen Sternenhimmel betrachten, befinden wir uns als Beobachter - so muß es uns erscheinen - in einer sphäroidischen physikalischen Raumzeit unbekannten Durchmessers. Bei diesen Beobachtungen kennen wir nur Winkelveränderungen. Dabei können wir anomale (scheinbare) Winkelbewegungen feststellen, die keine einfache, reguläre Kreisbewegung bilden - beispielsweise den Äquinoktialzyklus, den die Alten schon lange vor den ältesten bekannten Anzeichen einer Zivilisation einer vordravidischen Sprachgruppe namens Sumer gekannt haben.11 Man entdeckt sehr, sehr lange Zyklen - das beweisen u.a. die ägyptischen Pyramiden - , abgeleitet aus der Beschäftigung mit scheinbar anomalen Abläufen, die sich nicht erklären lassen, wenn man versucht, sie als einfache, gleichmäßige Bewegungen in ein regelmäßiges Schema unmittelbar mit den Sinnen wahrgenommener Winkeländerungen hineinzulesen.

Die antiken Pythagoreer und Platon kannten diese "unsichtbaren" Prinzipien, die sichtbare, experimentell nachweisbare Ausdrucksformen allgemeiner Zyklen hervorrufen oder als Anomalien auftreten, unter der Bezeichnung dynamis ("Kraft" oder "Wirksamkeit"). Diese voreuklidischen Griechen und ihre entsprechenden späteren Nachfolger gestatteten also keine apriorischen (sog. "selbstevidenten") Definitionen, Axiome und Postulate in der Wissenschaft. Zulässig sind nur experimentell definierte universelle "Kräfte", an deren Stelle die Reduktionisten fälschlich willkürliche, fantastische Definitionen, Axiome und Postulate gesetzt haben.12 Riemanns Habilitationsschrift von 1854 bringt uns über Gauß hinaus zu einer Vorstellung des Universums, in dem allein diese Kräfte, die die Anforderungen experimentell bestimmter allgemeiner Naturprinzipien erfüllen, die Eigenschaften der Geometrie ausmachen.

So definierte "Kräfte" sind prinzipiell die einzige Grundlage jeder sachkundigen Beschäftigung mit Volkswirtschaft (politischer Ökonomie). Diese ist im wesentlichen eine Wissenschaft der physischen Wirtschaft. Die entsprechenden Verbindungen sind folgende.

Allgemein gesagt: Wäre der Mensch nur eine Menschenaffenart, hätte die Bevölkerung niemals viel mehr als nur ein paar Millionen lebende Menschen erreichen können. Heute leben auf der Erde mehr als sechs Milliarden Menschen. Tiere, auch Affen, können niemals Fähigkeiten erlangen, die nicht schon in ihrer weitgehend feststehenden "genetischen" Anlage angelegt sind. Deshalb messen wir die relative Lebensfähigkeit einer Kultur, indem wir ihre geschätzte potentielle relative Bevölkerungsdichte messen. Dieser Bevölkerungsanstieg wird begrenzt durch den Vorrat an "Kräften", welche die Gesellschaft gegenwärtig anwendet. Damit mißt man beispielsweise die relative Arbeitsproduktivkraft der Kultur eines gegebenen Landes. Die Zunahme an Entdeckungen solcher Kräfte sowie ihrer Anwendung in der Praxis bestimmen das Wachstumspotential dieser Gesellschaft sowie ihr Potential, sich nach von Menschen hervorgerufenen und anderen Katastrophen zu erholen.

Die kompetente moderne physische Wirtschaftswissenschaft ist also allgemein als "Riemannsche" definiert. Statt eingebildeter apriorischer Definitionen, Axiome und Postulate erlauben wir nur den Begriff der Kräfte sowie jener Veränderungen der praktischen Geometrie, die durch die Anwendung entsprechender neu entdeckter Kräfte zustandekommen. Das ist der allgemeine Begriff einer Riemannschen Fläche, wie er auf die physische Wirtschaft praktisch anwendbar ist.

wird fortgesetzt


Anmerkungen

1. Der Indochinakrieg von Verteidigungsminister Robert Strange McNamara war ein Ausdruck der utopischen Militär- und Wirtschaftsdoktrin, ebenso wie die massiven strategischen Bombenangriffe auf Zivilisten im Zweiten Weltkrieg unter Premierminister Winston Churchill, der Feuersturm auf Tokio und die Atombombenabwürfe über Japan unter Präsident Harry S. Truman. McNamara und andere haben diese utopische Doktrin wiederbelebt, nachdem der antiutopische Präsident Dwight Eisenhower seine beiden Amtszeiten vollendet hatte. Der Mord an Präsident John F. Kennedy versetzte McNamara und andere in die Lage, Kennedys Pläne zum Abzug aus Indochina rückgängig zu machen. Diese wiederbelebte Kriegspolitik bildete den Rahmen, in dem am Ende des Jahres 1964 die utopische Wirtschaftspolitik in Gang gesetzt wurde, die zur Krise von 1971-72 führte.

2. Der typische Angehörige einer Familie mit mittlerem Einkommen ist heutzutage so besessen von dem Gedanken an Einnahmen aus persönlichen "Geldanlagen", daß er oder sie dazu neigt, die Volkswirtschaft mit den tatsächlichen oder eingebildeten Erträgen aus dem größten Spielkasino der Welt, den "Finanzmärkten", zu verwechseln. Daß legalisiertes Glücksspiel bei den Regierungen der Bundesstaaten so beliebt ist, ist ein Symptom des weitverbreiteten Einflusses der verrückten Idee von der "Magie des Marktes". Selbst für einen erstaunlich großen Teil der Mitglieder des amerikanischen Kongresses während der Beratungen über so wichtige Fragen wie z.B. die nationale Sicherheit der USA lautet jeden Mittag der Schlachtruf: "Was machen die Märkte?" Es ist mit dem Massenwahn der Südseeblase und der John-Law-Blase im 18. Jh. vergleichbar, die so viele in Frankreich und England arm machten, oder mit Martin van Burens Land-Bank-Schwindel zur Zeit der Regierung Andrew Jacksons. Man kann nur wenige Babyboomer in dieser Einkommensgruppe mit Recht "vernünftig" nennen, wenn es um Fragen des Einkommens und des Lebensstils geht.

3. Carl F. Gauß, Die vier Gaußschen Beweise für die Zerlegung ganzer algebraischer Funktionen in reelle Factoren ersten und zweiten Grades, Hrsg. E. Netto, 3. Auflage 1913, Verlag W. Engelmann. - Gemeint ist Leibniz' Entdeckung des grundlegenden Prinzips des vollkommen infinitesimalen Kalkulus: das Prinzip der geringsten Wirkung. Wie Leibniz die Bedeutung der Kettenlinie als Ausdruck einer physikalischen - anstatt kartesischen - Geometrie der Raum-Zeit behandelte, das formte die Vorstellung von der grundlegenden Beschaffenheit des komplexen Bereichs, bevor Gauß, Abel und Riemann ihre Aufmerksamkeit dieser Frage zuwendeten.

4. Im 20. Jh. verdankt die Lehre, der menschliche Geist sei nicht mehr als ein mechanischer Prozeß, ihre Popularität vor allem den Anhängern des Russellschen Kults der Principia Mathematica wie den Utopisten Norbert Wiener und John von Neumann. Zu erwähnen sind Marvin Minsky und der Karl Korsch-Anhänger Noam Chomsky, die falschen Prediger des Kults der "künstlichen Intelligenz" des Massachusetts Institute of Technology (MIT). Korsch, ein führender Kommunist der 20er Jahre, gehörte mit Rudolf Carnap zu den Begründern dieser Schule der Linguistik und war ein Mentor Josef Stalins bei dessen Veröffentlichung zur Linguistik. 1938 veranstaltete Bertrand Russell im Rahmen seines Projekts zur "Vereinigung der Wissenschaften" zusammen mit Robert Hutchins von der Universität Chikago eine Konferenz an der Universität von Pennsylvania, an der die Gründer des Kults der Linguistik, Korsch und Carnap, teilnahmen. Eines der zahlreichen wissenswerten Ergebnisse der Konferenz war die Entwicklung einer Linguistik-Schule an dieser Universität unter Chomskys Förderer Zellig Harris. Später schuf die Josiah-Macy-Junior-Stiftung als Ergebnis dieser Konferenz ein sog. "Kybernetik-Projekt" (RLE) am MIT mit Norbert Wiener als Medizinmann, Chomsky und Minsky als Ortsansässige und dem früheren Oberkommunisten Korsch als darüberschwebendem bösen Geist. Der eigentliche Star in den heutigen Berichten über die Entwicklung des Kults der "künstlichen Intelligenz" ist aber John von Neumann, dessen posthum erschienenes Werk Der Computer und das Gehirn das Standardwerk der Verbreitung dieses Wahns unter den Anhängern des "Wissenschaftsnot"- [science affliction, vgl. SF] und IT-Kultes ist. Das Gemeinsame daran ist praktisch von Euler bis zum "Neo-Cartesianer" Chomsky die radikal reduktionistische Anmaßung, alles Wissen lasse sich aus dem Kern der Langrangeschen Apologie des Eulerschen Betruges der angeblich nichtexistenten "imaginären Zahlen" ableiten - dem Dogma der Empiriker, das Gauß 1799 in seinem revolutionären, 31seitigen Werk Das Fundamentaltheorem der Algebra zertrümmerte. Seit Gauß und verstärkt mit dem Werk Lejeune Dirichlets und Bernhard Riemanns und die entsprechenden Entdeckungen W.I. Wernadskijs ist für alle kompetenten Wissenschaftler mathematisch klar bewiesen, daß der menschliche Geist einen Phasenraum darstellt, der über dem abiotischen Bereich der Computer und auch über dem biotischen Bereich steht.

5. Herbarts und Riemanns Geistesmasse: Siehe in Bernhard Riemanns Gesammelte Mathematische Werke, hrsg. v. H. Weber, Dover Publications reprint edition, New York 1953, unter "Zur Psychologie und Methaphysik", "Erkenntnistheoretisches" und "Naturphilosophie", S. 509-538.

Die Vorstellung vom universellen Naturprinzip als Gegenstand eines über den Sinnen stehenden Wissens (Geistesmasse) statt als bloße formale reduktionistisch-mathematische Verallgemeinerung bildet den Kern der Riemannschen Methode, wie wir sie auf die Wissenschaft der physischen Wirtschaft anwenden. Man vergleiche Riemanns Begriff der Geistesmasse mit seinen Hinweisen auf "Dirichlets Prinzip".

6. C.P. Snow, Two Cultures and the Scientific Revolution, Cambridge University Press, London and New York, 1959; reprint 1993.

7. Riemanns Begriff der Geistesmasse.

8. Wiederum Riemanns Begriff der Geistesmasse.

9. In der Mitte des 18. Jahrhunderts betrieb Euler mit Maupertuis und anderen einen wütenden Feldzug gegen das Leibnizsche Prinzip des Infinitesimalkalkulus und gegen Leibniz' Entdeckung eines universellen Prinzips der kleinsten Wirkung. Solange Moses Mendelssohn lebte, scheuten die fanatischen Empiriker in Berlin davor zurück, den großen Platoniker Mendelssohn und seinen Freund, den von Abraham Kästner geförderten Gotthold Ephraim Lessing, offen anzugreifen. Als Euler Berlin verließ und dort sein Schüler Laplace seinen Platz einnahm, begann mit Immanuel Kants Lehre der Niedergang, womit Eulers und Kants psychosexuelle Impotenz im 19. Jh. als Romantik populär wurde.

10. Daher der Begriff einer "konstruktiven" oder "physischen" Geometrie.

11. Siehe Bal Gangadhar Tilak, Orion, 1893.

12. Riemanns Habilitationsschrift, a.a.O., S. 272-273.

 

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