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Aus der Neuen Solidarität Nr. 39/2007

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Die gegenwärtige Weltfinanzkrise

Der amerikanische Ökonom und Politiker der Demokratischen Partei hielt die Hauptrede auf der internationalen Konferenz des Schiller-Instituts bei Wiesbaden am 15. September 2007.

Von Lyndon LaRouche

Die Aufgabe, die ich hier heute zu erfüllen habe, ist ungewöhnlich, und ich habe sie mir nicht unbedingt selbst ausgesucht. Sie hat sich uns aufgedrängt. Wir sind jetzt an dem Punkt angelangt, wo ein Zusammenbruch der gesamten Zivilisation droht. Wir haben es nicht bloß mit einer Wirtschaftsdepression zu tun. Über den Punkt sind wir längst hinaus. Wir sind an dem Punkt, wo eine Kettenreaktion droht. Ein weiterer schwerer Einbruch des US-Dollars – der in den jüngsten Monaten schon beträchtlich im Wert gefallen ist – würde China ruinieren, Indien unvorstellbar schaden und Europa verheeren. Europa, China, Indien und andere Länder könnten einen plötzlichen Zusammenbruch des Dollars der Art, wie er jetzt ansteht, nicht überstehen. Und das ist ein Prozeß, der schon läuft.

Wir leben also in einer ungewöhnlichen Zeit. Es ist nicht nur eine Depression, der wir ins Auge sehen müssen: Es ist die Gefahr eines weltweiten, langen neuen finsteren Zeitalters der Menschheit.

Folgende Frage stellt sich dabei: Läßt sich die Gefahr in diesem Stadium noch abwenden? Das hätte schon längst stattfinden müssen, aber in der Geschichte kommen notwendige Entscheidungen manchmal sehr spät. Erst wenn die Zustände völlig haltlos geworden sind, sind die Menschen bereit, ihre Torheiten, die zu den Ursachen der Krise beitrugen, aufzugeben.

In einem solchen Zustand sollte man nicht zurückblicken und sagen: „Wir pochen auf unsere Traditionen.“ Menschen in meinem Alter oder noch ältere, wie Amelia Robinson, verstehen die Tradition, die heute in der Welt herrscht, am besten. Wir lebten schon, als die großen Veränderungen kamen. Die Veränderung, wie ich sie selbst erlebt habe, begann während meines Militärdienstes im Ausland. Gegen Ende meiner Dienstzeit in Indien starb Präsident Roosevelt. Bei der Gelegenheit kamen einige Soldaten zu mir und fragten: „Können wir uns heute abend mit dir treffen?“ Sie sagten, nicht, worum es sich handelte, aber ich hatte einen Verdacht, was es war. Sie stellten mir dann die Frage: „Was meinst du, kommt nach Franklin Roosevelts Tod auf uns zu? Was wird aus uns, jetzt, wo Roosevelt tot ist?“ Ich antwortete ihnen aus dem Stegreif: „Was ich sagen kann, ist: Wir haben einen Krieg unter einem großen amerikanischen Präsidenten erlebt und mitgekämpft. Jetzt liegt unser Schicksal in der Hand eines sehr kleinen Menschen – und ich habe Angst um uns.“

Als ich dann aus Nordburma, wo ich gegen Ende des Krieges stationiert war, in die USA zurückkehrte, hatte das, was ich mit Roosevelts Tod befürchtet hatte, schon eingesetzt. Unter Franklin Roosevelt waren die Vereinigten Staaten ein sehr wackeliges Bündnis mit dem britischen Empire eingegangen. Das britische Empire war die Einrichtung gewesen, die Hitler in Deutschland an die Macht gebracht hatte. Ich meine nicht nur das Vereinigte Königreich, sondern das Empire, wofür die Bank von England und die beteiligte Konstellation von Finanzinstitutionen typisch sind. Sie sind das britische Empire, das dem Vorbild des mittelalterlichen Venedig folgt: Eine Gruppe von Bankiers – wie ein Haufen Parasiten – schafft sich ein Reich und sucht sich dazu Regierungseinrichtungen, die nach ihrer Pfeife tanzen. Roosevelt hingegen war entschlossen, diese Dinge auszumerzen. Aber: Um Hitler zu besiegen, mußte er ein Bündnis mit Großbritannien eingehen. Er mußte die Briten sogar dazu zwingen, weil sie es nicht wollten! Sie mochten Hitler! Sie hatten ihn sozusagen erfunden! Sie hatten ihn an die Macht gebracht. Dabei halfen ihnen ein paar Leute in den Vereinigten Staaten – beispielsweise das Bankhaus Harriman, das zu einem früheren Zeitpunkt für seinen Rassismus bekannt gewesen war. Und der Großvater des heutigen Präsidenten der Vereinigten Staaten, Prescott Bush, war der Generalsekretär der Firma Brown Brothers Harriman, der quasi den Scheck ausstellte und einer deutschen Bank Geld überwies, als die Nazis pleite waren, und so die NSDAP rettete! Die britische Monarchie und ihr Stellvertreter, Hjalmar Schacht, brachten Hitler an die Macht.

Wir mußten Hitler loswerden. Doch das konnten die USA allein nicht schaffen. Wir hatten in der Angelegenheit ein Bündnis mit der Sowjetunion, doch wir brauchten auch das Bündnis mit den Briten. Der Umstand, daß wir in England einen unzuverlässigen Verbündeten hatten, machte uns im Laufe des Krieges schwer zu schaffen. Ich habe einmal einen deutschen General getroffen, der im Krieg als Oberst in Nordafrika gewesen war – ein außergewöhnlicher Mann, ein großer Kenner des Völkerrechts. Bei unserer ersten Begegnung fragte ich ihn: „Herr General, sind Sie mit mir einer Meinung, daß Montgomery der schlechteste Kommandeur im ganzen Zweiten Weltkrieg war?“ Er antwortete: „Über Montgomery kann ich nichts Schlechtes sagen. Er hat mir das Leben gerettet! Ich habe beim Rückzug von Ägypten Rommels Nachhut kommandiert, und wenn er mich nur ein einziges Mal in der Flanke angegriffen hätte, wäre ich tot!“

Wer Montgomery kennt, weiß, was er bei der Operation „Market Garden“ (im September 1944) angerichtet hat: Er hat den Krieg in Europa massiv verlängert, indem er die Erste Armee auf schlechten Straßen fahren ließ, so daß die Truppen nicht rechtzeitig zur Verstärkung der abgesetzten Fallschirmspringer eintrafen. Ohne Montgomery wäre der Krieg Ende 1944 vorbei gewesen. Aber man hatte ihn gerade deshalb in diese Position gesteckt, weil er so unfähig und ein so schlechter General war. Churchill wollte diese Inkompetenz! Churchill zog fähige Kommandeure auf britischer Seite ab, weil er Angst hatte, daß die Alliierten den Krieg sonst „zu früh“ gewinnen würden. – Solcher Art waren die Probleme, mit denen wir es zu tun hatten.

Was geschah nun also, als Roosevelt starb? Die Briten waren fest entschlossen, daß Roosevelts Programm für die Nachkriegswelt niemals umgesetzt würde – denn dies bedeutete, den Kolonialismus in allen seinen Erscheinungsformen auszumerzen. In seiner Rede in Casablanca, wo er darüber mit Churchill gestritten hatte, sagte Roosevelt es ganz ausdrücklich: „Schauen wir diesen Teil Afrikas an: Was können wir nach dem Krieg tun? Was können wir tun, um dieses Gebiet wiederaufzubauen?“ Er beschrieb es ganz klar. Roosevelts Plan war, das britische Empire und den Kolonialismus überhaupt für immer abzuschaffen.

Als ich dann aus Nordburma nach Kalkutta zurückkehrte, als Truman und nicht mehr Roosevelt Präsident war, sah ich alles schon in Aktion. Ich habe es überall in Südostasien gesehen. Die japanischen Truppen hatten sich den Kräften von Ho Chi Minh, die ein Verbündeter der USA waren, ergeben. Doch die Briten gaben Befehl, die japanischen Truppen aus den Gefangenenlagern freizulassen und ihnen die Waffen zurückzugeben, damit sie Indochina wieder besetzten. Erinnern Sie sich daran, wozu das alles führte? Die Kriege der Franzosen und die anderen Kriege in Indochina?

Und was richteten die verdammten Niederländer in Indonesien ganz ähnlich an? Es war ein langer Krieg, um zu verhindern, daß es Entwicklung gab. Es wurden Bürgerkriege und die Teilung Indiens in Gang gesetzt. Ähnlich war es in Afrika. Afrika ist der schlimmste Fall! Was die Briten in Afrika angestellt haben, ist eines der größten Verbrechen an der Menschheit, das man sich vorstellen kann. Und das fing schon mit Kitchener 1898 an.

Das waren die Zustände.

Bedrohung des Empire

Roosevelts Vorstellungen und Bündnisse für die Nachkriegszeit folgten bestimmten Grundsätzen. Das erste war, Rußland und China in einen Block einzubinden – auch wenn China größtenteils am Boden lag -, um die Vereinten Nationen zu gründen. Die Vereinten Nationen sollten ein Forum sein, um Gebiete, die Opfer von Kolonialismus und ähnlichem waren, zu befreien. Es sollten neue Nationen aufgebaut werden, denen man in ihrer Entwicklung beistehen würde. Es sollte eine Gemeinschaft völlig souveräner Nationalstaaten auf diesem Planeten entstehen: Alle Nationen wären absolut souverän, aber das verbindende Element wären die Lehren aus dem gerade beendeten Krieg: Die Menschen mußten zusammenzuleben, um die gemeinsamen Ziele der Menschheit zu erreichen. Die Kulturen sind verschieden, aber das angestrebte Ziel ist das gleiche – ganz oben stehen die gemeinsamen Ziele der Menschheit. Es sollte eine Nationengemeinschaft entstehen, die als Kraft verhindert, daß so etwas je wieder geschehen würde.

Doch verräterische Elemente in New York und anderswo zwangen den Vereinigten Staaten eine britische Politik auf, die das genaue Gegenteil davon war.

Vor allem haben wir Amerikaner auf Churchills Stichwort hin der Sowjetunion praktisch den Krieg erklärt. Bertrand Russell, der große Liberale, schlug sogar einen vorbeugenden Atomschlag gegen die Sowjetunion vor, obwohl die Vereinigten Staaten gar keine solchen Waffen mehr hatten, weil die letzten beiden Prototypen auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen worden waren.

Dabei war dieser Angriff völlig unnötig gewesen: Japan war schon besiegt, und über den Vatikan waren die Kapitulationsbedingungen mit Kaiser Hirohito ausgehandelt. Aber auf Drängen Churchills und anderer Briten nahm die Regierung Truman Japans Kapitulation nicht an. Alles war schon mit dem Büro für besondere Angelegenheiten im Vatikan, dessen Leiter der spätere Papst Paul VI. war, ausgehandelt. Die USA hätten die Kapitulation nur noch mit dem Mikado, dem Büro des Kaisers, vereinbaren müssen, das war alles. Sonst hätte der Mikado keine Befugnis gehabt, den eigenen Truppen die Einstellung der Kämpfe zu befehlen.

Japan war hoffnungslos geschlagen! Die japanische Hauptinsel war unter einer vollständigen Blockade der amerikanischen Luftwaffe und Marine. Die Japaner konnten weder raus noch rein. Es kamen keine Nachschublieferungen mehr durch, und eigene Rohstoffe hatten sie nicht. Japan war eine besiegte, zerstörte Nation; nur über eine Insel hatte die Regierung noch geringe Kontrolle. Aber die USA verlängerten unnötig den Krieg, weil die Briten es so wollten!

Dann begannen die Aggressionen gegen die Sowjetunion, weil man dachte, die Sowjetunion wäre nicht in der Lage, schnell genug eigene Kernwaffen gegen die Briten zu entwickeln. Sobald sich aber etwa 1948 herausstellte, daß die Sowjetunion bereits solche Waffen baute, wurde das Vorgehen wieder geändert, jedenfalls zum Teil. Das war dann das Aus für Truman.

Aber ansonsten bestand der Plan in einer Rückkehr zum britischen Empire. Das britische Weltreich war praktisch mit dem Pariser Friedensvertrag von 1763 gegründet worden. Derselbe Vertrag brachte die Patrioten in Amerika zu der Überzeugung, daß sie darum kämpfen müßten, sich von diesem neuen britischen Empire zu befreien, und das führte zur Amerikanischen Revolution. Nur die Verräter und Schurken in unserem Land verhielten sich noch loyal zu den Briten. Die Welt lebte unter einem britischen Weltreich. Später bedrohten die Vereinigten Staaten als Nation das Empire, als wir die britischen Agenten im eigenen Land, die Konföderierten, besiegten, die ein Geschöpf des britischen Empire, von Lord Palmerston, waren.

Wir waren siegreich, und wir bauten eine kontinentale Nation auf. Das war immer unsere Politik: die Grenze zu Kanada wahren, die Grenze zu Mexiko wahren und sonst den Atlantik und den Pazifik als Grenze haben. Wir wollten uns immer als ein kontinentaler, souveräner Nationalstaat entwickeln.

Und das taten wir auch. Wir taten es mit transkontinentalen Eisenbahnen und anderem. Wir taten es mit der Einwanderung aus Europa und anderen Erdteilen. Wir holten Deutsche aus verschiedenen Teilen Deutschlands in die Vereinigten Staaten und gaben ihnen bestimmte Gebiete, z.B. in den Dakotas oder Nebraska. Das waren Landwirte, Farmer, die Land und andere Hilfen erhielten. Wir bauten ein Versorgungsnetz auf. Wir wurden der mächtigste unter allen Nationalstaaten auf der Erde! Und das unter Bedingungen des Bürgerkriegs.

Das entfesselte auch in Europa den Wunsch, sich vom britischen Empire zu befreien. Das war u.a. nach dem Sturz Napoleons III. in Frankreich spürbar. In Deutschland war das besonders ausgeprägt: Bismarck reagierte auf den Erfolg Amerikas und bot dem britischen Empire die Stirn – nicht indem er auf Krieg ausging, sondern mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung. Der große Wissenschaftler Mendelejew besuchte 1876 die Jahrhundertfeier in Philadelphia und überzeugte nach seiner Rückkehr den Zaren, die transkontinentale (transsibirische) Eisenbahn zu bauen. Deutschland wollte Eisenbahnen von Berlin nach Bagdad bauen. Es gab große Eisenbahnprojekte. In Deutschland wurden auch große Rechtsreformen in Angriff genommen. Die Bismarckschen Reformen 1877-79 waren direkt mit maßgeblichen Kreisen der Lincoln-Tradition in den Vereinigten Staaten abgestimmt.

Das gefiel dem britischen Empire nicht. Denn wenn die Nationen Europas und Eurasiens ihre Territorien mit Eisenbahnen entwickelten, so wie wir es mit den transkontinentalen Bahnen in den Vereinigten Staaten getan hatten, dann hätten sie Möglichkeiten, Güter über lange Entfernungen weit effektiver zu transportieren als auf dem Seeweg. Das war der springende Punkt.

Wenn man das eigene Territorium unter wirksamer Kontrolle hat und moderne Wissenschaft und Technik einsetzt, verwendet man keine ineffizienten Methoden für den Gütertransport wie den Seetransport, sondern benutzt den Landweg. Jeder Zentimeter Bewegung eines gut organisierten Massentransports zu Lande steigert die Produktivkraft der Volkswirtschaft! Bewegung zur See an sich trägt dagegen nichts zur Wirtschaftlichkeit bei. Das ist der Schwindel der Geopolitik.

Heute ist mit der Magnetbahn und mit verschiedenen anderen Großprojekten eine Zeit angebrochen, wo wir Systeme bauen können, um auch Gebiete zu entwickeln, die vorher als völlig unwirtlich und unzugänglich galten. Wie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte haben wir jetzt die Mittel an der Hand, den ganzen Planeten zu verwandeln, die Arbeitsproduktivkraft zu heben und würdige Lebensbedingungen zu schaffen. Mit neuen Formen des Massenverkehrs zu Lande, mit der Betonung auf Kernkraft, mit höheren Formen der Kernspaltung zur Herstellung von Isotopen und ähnlichen Stoffen lassen sich sonst unzugängliche Gebiete des Planeten erreichen, wo Rohstoffe lagern. Gleichzeitig brauchen die gewaltigen Bevölkerungsmassen in China, Indien und anderen Ländern dringend solche Technologien und Stoffe. Dann können wir darangehen, die Versorgung mit solchen Materialien für die Entwicklung der Menschheit selbst in den ärmsten Teilen der Welt sicherzustellen. Wir haben das Potential dazu.

Eine solche Entwicklung stellt für das Empire eine Bedrohung dar. Die Vereinigten Staaten, die 1945 die mächtigste Nation waren, die jemals existierte, sind heute ein Trümmerhaufen. Und abgesehen von den Kernwaffen haben sie nicht mehr viel Macht auf der Welt. Sie sind ruiniert.

Der eigentliche Streitpunkt ist schon immer, besonders seit dem Westfälischen Frieden von 1648, die Entwicklung souveräner Nationalstaaten auf der ganzen Welt. Wir haben in Europa, in den Vereinigten Staaten und anderswo gezeigt, daß das möglich ist. Nun muß diese Aufgabe weitergeführt werden. Aber schon dieses Ziel, eine solche Welt zu schaffen, ist für Imperien jeder Form eine Bedrohung. Deshalb war das, was die USA unter Roosevelt darstellten die größte Bedrohung, die das britische Empire jemals erlebt hatte. Und all das Schlechte, das mit der Welt seit Roosevelts Tod geschehen ist, geht auf Kräfte um die anglo-holländischen Liberalen Europas in Verbindung mit verräterischen Elementen in meinem eigenen Land zurück. Zu diesen verräterischen Elementen gehörten einige unserer früheren Präsidenten – dazu noch Hohlköpfe, wie der amtierende.

Der Streitpunkt bei der Geopolitik ist daher immer noch derselbe. Doch heute geht es nicht um die Geopolitik von „Landmasse oder Meer“, denn die lange Zeitspanne, in der die Seemacht der Landmacht überlegen war, ist jetzt wegen des technischen Fortschritts zuende gegangen. Wir haben den Punkt erreicht, an dem wir durch die Entwicklung der Landfläche wirtschaftlich viel mehr bewirken können als über die Meere. Natürlich werden die Ozeane weiter genutzt. Im Ozean lagern viele Rohstoffe, die erschlossen werden können, und wir werden ihn auch in vieler anderer Hinsicht nutzen. Aber die eigentliche Produktivkraft liegt auf dem Land. Die Produktivkraft liegt in der Entwicklung der Menschen, ihrer Technik, ihrer Freiheit des Erfindens, ihrer Fähigkeit zu entdecken, in der Freude an Verbesserung.

Darum dreht sich dieser Kampf.

Das Empire schlägt zurück

Darum ging es bei allen großen europäischen Kriegen seit der Renaissance des 15. Jahrhunderts. Deshalb Schluß mit dem gesamten System des Imperialismus – sei es der antike persische Imperialismus oder der des Römischen Reiches oder des Byzantinischen Reiches, sei es das mittelalterliche System der Kreuzritter und Venedigs oder das britische Empire! Die Menschheit steht vor der Herausforderung, wirklich menschlich zu werden, und dazu muß der Faktor Empire verschwinden.

Wir müssen eine Weltordnung souveräner Nationen schaffen, damit die Völker durch die Entwicklung ihrer Kultur gleichberechtigt an der Arbeit dieser Nationengemeinschaft teilnehmen und sich die Menschen soweit irgend möglich entwickeln können.

Darum geht es bei der heutigen Krise. Sie hat nicht erst gestern angefangen. Sie hat auch nicht mit Roosevelts Tod angefangen. Sie war schon immer da. Sie zieht sich über die gesamte lange Welle der Menschheitsgeschichte hinweg, soweit wir diese Geschichte in den verschiedenen Teilen der Welt kennen, in Europa etwa seit der Zeit um 700 v.Chr.

Die akute Krise, vor der wir heute stehen, begann mit dem Kalten Krieg. Bis zur Ermordung John F. Kennedys hatten die Vereinigten Staaten, mit einigen Höhen und Tiefen, noch immer wirtschaftlichen Wohlstand und Fortschritt; die Fakten sind bekannt, wir brauchen jetzt nicht darüber zu reden. Der sog. „Kalte Krieg“ war ein Krieg zur Rekolonialisierung und der Vorbereitung eines Kriegs gegen die Sowjetunion, obwohl kein Grund dafür vorhanden war, jedenfalls nicht auf Seiten Stalin, nur auf Seiten der Briten.

Damit begann die Krise, deren Motiv für London wie auch für die Kräfte der New Yorker Finanzoligarchie die Geopolitik war – dieselben Leute, die schon hinter Hitler standen, steckten auch jetzt dahinter. Zu der damaligen Zeit war es unmöglich, die Vereinigten Staaten, so wie sie sich unter Roosevelt entwickelt hatten, unmittelbar kaputtzumachen, denn wir hatten große produktive Kapazitäten, und die übrige Welt war vom Krieg erschüttert. Europa brauchte uns für den Wiederaufbau. Die Sowjetunion brauchte uns für den Wiederaufbau. China brauchte uns für seinen Aufbau, usw.

So ging es mehr oder weniger weiter bis zur Ermordung John F. Kennedys. Das war keine Einzeltat von Oswald, nichts war zufällig. Dahinter stand die klare Absicht, die Vereinigten Staaten zu zerstören. John Kennedy war – anders als sein Vater – mit der Tradition Franklin Roosevelts verbunden, als er Präsident wurde. Er führte Wahlkampf für eine Wiederbelebung von Roosevelts Vorbild.

In dieser Phase von 1945-64, kurz nach dem Kennedy-Mord, war die US-Wirtschaft noch stark und wuchs; der Lebensstandard stieg weiter an. Doch dann setzte die Krise ein. Die Krise, die wir heute erleben, beginnt eigentlich mit der Ermordung von Präsident John F. Kennedy. Die Wurzeln der Krise waren aber schon seit dem Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und dem britischen Empire aus der Zeit von Lincolns Sieg über die britische Marionette, die Konföderierten Staaten, angelegt. Aber die eigentliche Zerstörung der amerikanischen Volkswirtschaft, des Amerikanischen Systems, begann mit Kennedys Ermordung.

Darüber hinaus wurden die USA in den Indochinakrieg hineingezogen. Es gab niemals auch nur einen einzigen vernünftigen Grund, gegen Vietnam Krieg zu führen – keinen einzigen! Die amerikanische Politik war falsch, und wir versuchten, Ho Chi Minh diese falsche Politik aufzuzwingen. Ho Chi Minh war den Vereinigten Staaten wohlgesonnen. Er war ihr Verbündeter gewesen, als Roosevelt Präsident war. Wenn die Vereinigten Staaten ihn einigermaßen anständig behandelt hätten, hätte er uns respektiert. Das wäre nicht leicht gewesen, aber Diplomatie ist nun einmal dazu da, mit Schwierigkeiten umzugehen. Wenn etwas schwierig ist, ist das noch kein Grund, dem Problem aus dem Weg zu gehen.

Mit diesem Krieg haben wir Amerikaner das gleiche getan, was das Persische Reich Athen antat, oder wie die Kriegsverbrechen, die Athen dem Volk von Melos antat. Mit dem Persischen Reich kam der Sophismus, obwohl die Griechen das Perserreich zur See besiegt, es strategisch überlistet und auch zu Lande geschlagen hatten. Aber über den Kult von Delphi, durch die innere Zersetzung mit dem Sophismus, zersetzte das Perserreich die Moral Athens und verleitete es zu Verbrechen an seinen Nachbarn und Verbündeten, was dann in den Peloponnesischen Krieg mündete. Und Athen hat bis heute nicht zur alten Größe zurückgefunden!

Seit dem Aufstieg der eigentlichen europäischen Zivilisation in Griechenland und in der  Cyrenaica ab etwa 700 v.Chr. in Verbindung mit Ägypten, den Ioniern und den Etruskern – und auch schon seit früheren Ursprüngen –, wurde sie immer wieder mit solchen Methoden zerstört. Am häufigsten geschah dies durch lange Kriege wie den Peloponnesischen Krieg: Kriege ohne Sinn, ohne moralische Berechtigung oder strategisches Ziel. Man sollte Kriege, wenn sie notwendig sind, immer mit großem Widerstreben und mit Schnelligkeit führen. Man zieht ihn durch und beendet ihn so schnell wie möglich. Man verlängert den Krieg nicht unnötig. Man will nicht, daß sein Land zwei oder drei Jahre lang Krieg führt. Kriege müssen kurz und bündig sein, und dann Schluß! Und heute ist die wichtigste Waffe in der Kriegskunst gute Diplomatie. Es gibt auf dem Planeten keine Zustände oder Konflikte, die sich nicht allgemein mit guter Diplomatie lösen ließen, und das schließt Südwestasien ein.

Nach dem Vietnamkrieg entstand das Problem der 68er, und das ist ein ganz heikles Thema in Europa wie in Amerika. Wer waren die 68er? Denken wir zurück Anfang und Mitte der 50er Jahre, als zwei bekannte Bücher erschienen: das erste [von C. Wright Mills 1951] hieß White Collar (Weißer Kragen), das zweite [von William H. Whyte 1956] hieß The Organization Man. Ein gewisser Teil der amerikanischen Bevölkerung aus meiner Generation wurde damals dazu konditioniert, ihren Kindern eine ganz bestimmte Ideologie beizubringen. Diese Kinder, die 68er, waren keine Generation im biologischen Sinne, sondern im kulturellen Sinne – ich nannte sie oft eine kulturelle „De-Generation“.

Diese Generation hat eine strategische Besonderheit, die man meines Wissens sonst in der Geschichte der Vereinigten Staaten nicht findet – in der ganzen Zeit, seit mein erster amerikanischer Vorfahre dort im frühen 17. Jahrhundert landete. Die kulturelle Tradition in den Vereinigten Staaten wie auch in Europa war immer, daß der einzelne sich als Teil einer Erwachsenengeneration verstand und Kinder großzog, welche wiederum eine Enkelgeneration hervorbringen würde. In einer gesunden Kultur sieht der einzelne sein Selbstinteresse folgendermaßen: Er weiß, daß er sterben wird – offensichtlich ist es nicht der Sinn des Lebens, zu sterben, sondern das ist nur ein unvermeidbarer Umstand. Also ist der Sinn des Lebens die eigene Selbstentwicklung, das zu tun, was man für gut und richtig hält, um zumindest die eigenen Kinder und Enkel zu unterstützen. Das ist ein elementares Prinzip in praktisch jedem Teil der Welt, wo Moral herrscht.

Die 68er hatten keine Moral. Diese Generation von sog. „Kopfarbeitern“ wurden in ganz ähnlicher Weise erzogen, wie der Sophismus im Athen des Perikles Verbreitung fand: In die Erziehung schlich sich eine moralische Korruption ein. In Deutschland sind für diesen existentialistischen Verfall Hannah Arendt und Theodor Adorno sowie auch Bertolt Brecht beispielhaft. Diese Art dionysische, Nietzscheanische Zersetzung der Kultur fand in den Vereinigten Staaten Eingang in das Bildungswesen und die Familienkultur, und zwar im Zusammenhang mit einer Periode der Schreckensherrschaft, die manche Leute die „McCarthy-Ära“ nennen. Wenn man eine sichere Stellung haben und sich Vorteile verschaffen wollte, mußte man die Universität durchlaufen und für seine Beschäftigung ein Unbedenklichkeitszeugnis vorlegen, sonst konnte man keinen Familienhaushalt führen, wie man ihn sich wünschte. Aber damit man als „unbedenklich“ galt – im formellen wie im allgemeinen Sinn -, mußte man sich auf eine bestimmte Art und Weise verhalten. Dazu mußte man den Kindern einschärfen, nichts zu tun, was die Eltern in Schwierigkeiten bringen und das Einkommen des Vaters gefährden könnte. Sonst wäre das ganze schöne Mittelklasseeinkommen futsch!

Diese Generation erlebte dann einen Schock. Die Generation der Babyboomer in Amerika kam im wesentlichen zwischen 1945 und 1958 auf die Welt, als die erwachsenen Familienmitglieder, hauptsächlich aus der Angestelltenschicht, noch dachten, sie hätten „es geschafft.“ Sie hielten sich für etwas besseres als die „blauen Kragen“, d.h. die „Handarbeiter“ wie Farmer, Industriearbeiter usw. „Die können uns nicht das Wasser reichen. Wir sind die ,goldene Generation’. Wir sind bei den großen Konzernen und müssen uns bei der Arbeit nicht die Hände schmutzig machen. Wir sind Ingenieure. Wir haben es geschafft!“ Diese Gedanken haben sie ihren Kindern eingeimpft. Das endete aber plötzlich, als die Depression von 1957-58 den Eltern der 68er den Spaß verdarb.

In Europa wie in Amerika entlud sich dann das 68er-Phänomen – im großen und ganzen aus den gleichen Gründen. Diese Raserei der 68er war vorhergeplant, sie wurde schon in der unmittelbaren Nachkriegszeit als gezielte Operation zur Zerstörung der Kultur vorbereitet. Die Zeitschrift Paris Review ist eines der scheußlichen Beispiele für diese systematische Kulturzerstörung durch Leute wie die Gruppe um John Train, die noch heute meine persönlichen Feinde sind.

So wurden eine ganze Generation kaputtgemacht. Die 68er-Generation haßte alle, die produktiv arbeiteten. Sie haßten die Industrie, die moderne Technik und die klassische Kultur. Und sie hat ab 1968 die Demokratische Partei in den USA kaputtgemacht. Das Zerwürfnis zwischen „Handarbeitern“ und „Kopfarbeitern“, u.a. in der Frage des Vietnamkriegs, hat die Demokratische Partei ruiniert. Deshalb kam die republikanische Regierung Nixon an die Macht, und diese Regierung diente als Werkzeug, um die völlige Zerstörung der amerikanischen Volkswirtschaft in Gang zu setzen. Es begann am Tag von Nixons Amtsantritt, als er verkündete, er sei Adam-Smith-Anhänger – das war das Startzeichen. Von da ab nahm alles seinen Lauf.

Ich will die verschiedenen Phasen der Entwicklung nicht aufzählen. Man vergegenwärtige sich nur, daß sich alles vor dem Hintergrund des langen Indochinakrieges 1964-75 abspielte. Der Indochinakrieg war der Wendepunkt, der die „Haßgeneration“ der 68er hervorbrachte. Sie forderten: „Keine Kernkraft, keine Technik, keine Investition in Infrastruktur. Wir wollen unser Hasch rauchen und unser LSD nehmen. Wir wollen unser verrücktes Sexleben. Wir erfinden neue Geschlechter und probieren sie alle aus.“

Mit der Freigabe des Dollarkurses löste sich das Bretton-Woods-System auf, es kam ein Liberalisierungsprozeß in Gang, der die Wurzel der Zerstörung des heutigen Wirtschafts- und Finanzsystems der Welt und besonders Amerikas und Europas darstellt. Wir erlebten eine zweite Phase, die Zerstörung der Wirtschaft durch Kreise wie die Trilaterale Kommission. Dann wurde die Wirtschaftsstruktur selbst zerstört. Zunächst wurde der Störfall im Reaktor Three Mile Island künstlich inszeniert, um die Kernkraft zu diskreditieren. Überdies wurden sämtliche Methoden zur Stabilisierung der Binnenwirtschaft abgeschafft, die Roosevelt eingerichtet hatte. Die Herrschaft des Wuchers begann. Sämtliche amerikanischen Gesetze gegen den Wucher wurden aus den Büchern gestrichen. Das Hypothekensystem, mit dem in der Nachkriegszeit Wohnungen gebaut wurden, und das System der Banken und Sparkassen, die den Wohnungsbau gefördert hatten, wurden systematisch geplündert.

1981 hatten wir also zwei Phasen durchlaufen: Wir hatten das Weltwährungssystem, von dem unser Leben abhing, abgeschafft, und wir hatten die innere Hülle der volkswirtschaftlichen Kultur der USA zerstört.

Dann kam Reagan. Aus eigenartigen Gründen gab es viele Demokraten, die ihre Partei verließen und zu Reagan überliefen; sie haßten die Demokratische Partei, weil sie die Wirtschaft und das soziale Leben im Lande so zerstört hatte.

Das mündete in eine Periode weiteren Zusammenbruchs der US-Wirtschaft in den Jahren 1981-87. In den beiden ersten Wochen im Oktober 1987 gab es an den Finanzmärkten eine Depression wie 1929. Der Zusammenbruch war ebenso weitgehend wie unter Hoover. Aber was geschah? Damals war Paul Volcker Vorsitzender der Federal Reserve, und er war sich nicht sicher, was er tun sollte. Aber Alan Greenspan, der als neuer Vorsitzender nominiert war, sagte: „Wartet ab, ich komme, ich werde alles reparieren.“ Dann erlebten wir von 1988-2007, bis auf den heutigen Tag, eine Zeit monetären Wahnsinns, in der große Teile der Weltwirtschaft zerstört wurden. Zum Beispiel: Wovon hängt die Realwirtschaft, die Industrie der Vereinigten Staaten ab? Sie hängt von der Rüstungsproduktion und verwandten Bereichen ab – beispielsweise Halliburton. Der Krieg im Irak ist ein Weg, wie Firmen, die Rüstungsgüter herstellen oder unter zivilem Deckmantel militärische Dinge für den Krieg tun, Geld machen können. Damit haben wir den Charakter der Gesellschaft überhaupt verändert.

Bei alledem ist eines sehr wichtig. Es gibt ein Buch von Samuel Huntington, Der Soldat und der Staat. Und Der Soldat und der Staat ist nicht nur ein Widerhall der Nazi-SS, sondern auch der alten römischen Legionen. Man nennt das heute in den Vereinigten Staaten die „Revolution im Militärwesen“. Das geht so: Man baut private Armeen auf und schafft die herkömmlichen Streitkräfte ab. Deshalb sind diese Leute gar nicht so enttäuscht, wenn die US-Streitkräfte im Irak untergehen, weil damit fast alle Teile der Streitkräfte beseitigt werden – außer der Luftwaffe und damit verbundenen Bereichen. Denn das weitere Ziel dieses Regimes ist ein Monopol auf weltraumgestützte Trägersysteme für Waffen, damit man auf Knopfdruck jeden Teil der Menschheit, den man loswerden will, auslöschen kann. Dazu wollen sie ein internationales, weltraumgestütztes System haben, das wie die römischen Legionen zu ihrer Zeit eine Tyrannei über die ganze Welt ausüben kann.

Das ist die Politik der USA, seit Dick Cheney zum Verteidigungsminister in der Regierung Bush senior gemacht wurde: die Revolution im Militärwesen. Dazu gehören Leute wie George Shultz und auch Felix Rohatyn, ein kleiner Diktator in der Finanzwelt.

Die andere Seite davon ist die Globalisierung. Dazu gehört der Schwindel mit der sogenannten globalen Erwärmung. Kein kompetenter Wissenschaftler glaubt an die globale Erwärmung – es sei denn, er lügt. Er kann es nicht glauben. Es widerspricht jeder Wissenschaft, es gibt keinerlei Beweise, die das stützen. Aber es gibt dieses „grüne“ Denken, das auch benutzt wurde, um in Deutschland die Kernkraft und anderes kaputtzumachen. Zusammen mit der Revolution im Militärwesen kennzeichnet das eine Veränderung der allgemeinen Eigenschaften der Bevölkerung in den Vereinigten Staaten und anderen Ländern.

Das ist eine neue Variante der Tradition des Apollo-Dionysos-Kultes, den wir z.B. in den 50er Jahren bei der Paris Review sahen.

Eisenhower bezeichnete das in den letzten Tagen seiner Präsidentschaft als den „militärisch-industriellen Komplex“. Was er damit meinte, war das, was unter Führung der Briten mit Roosevelts Tod und Trumans Amtantritt geschehen war: Wir waren auf dem Weg zu dieser „Reform des Militärwesens“, um die Armee von Staatsbürgern abzuschaffen! Die nationalen Streitkräfte als solche sollten abgeschafft werden, und die militärische Macht sollte immer mehr in private Hände übergehen. Das ist echtes Empire! Das ist das Neue Weltreich, die neue Form dessen, was Gibbon in Verfall und Untergang des Römischen Reiches dem Kopf der britischen Unternehmungen, Lord Shelburne, vorschlug.

Im Mittelpunkt steht immer das anglo-holländische liberale System, vertreten durch das britische Empire. Da liegt das Problem.

Das sind demnach keine Kriege zwischen Nationen. Das steckt nicht dahinter. Was dahinter steckt, ist ein Machtkampf um das Erbe des Imperiums, seit der Zeit vor dem Florentiner Konzil im 15. Jh. bis heute. Seine Vertreter sind entschlossen, den souveränen Nationalstaat als Institution auf der Erde auszumerzen und statt dessen die „Globalisierung“ durchzusetzen.

Ich führe hierzu unter dem nächsten Thema folgendes Beispiel an, nämlich das Problem, daß Europa, und insbesondere West- und Mitteleuropa, nicht funktionieren. Warum? Weil der Maastricht-Vertrag in seiner jetzigen Form die Souveränität der Nationalstaaten West- und Mitteleuropas zerstört hat. Souveräne Entscheidungen auf der Grundlage des nationalen Interesses sind für das Volk oder die Regierungen dieser Nationen nicht möglich, solange es bei dieser Abmachung bleibt. Der Maastricht-Vertrag hat dies bewirkt. Deswegen läßt sich die notwendige große Reform, auf die ich jetzt zu sprechen komme, von keiner Regierung in West- oder Mitteleuropa in Angriff nehmen. Es ist unmöglich! Europa hat durch Maastricht seine Unabhängigkeit, seine Souveränität verloren. Maastricht war ursprünglich ein britischer Vorschlag, dem sie selber aber nicht gefolgt sind. Er war nur für die anderen gedacht, nicht für sie selbst.

Alles hängt somit von jenen Nationen ab, die noch ein Verständnis von Souveränität in Verbindung mit Macht haben, um jene Reformen zu verwirklichen, die all das rückgängig machen müssen, was seit dem Tod von Präsident Roosevelt falsch gelaufen ist. Darum geht es bei allen wichtigen Auseinandersetzungen auf der Welt.

Es kommt also darauf an, daß die Vereinigten Staaten ihr wirkliches Eigeninteresse wiederentdecken. Das von mir vorgeschlagene Gesetz zum Schutz der Hausbesitzer und Banken, das jetzt im US-Kongreß aufgegriffen wird, ist eine solche Maßnahme, die das amerikanische Volk dazu mobilisieren wird, sich wieder auf seine Souveränität zu besinnen. Unter diesen Bedingungen hat der Präsident Rußlands unverdrossen und vollkommen richtig die Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten gesucht, seit er sich das erste Mal mit Bush getroffen hatte. Und Putin hat diese Politik bis heute beibehalten. Auch in wichtigen amerikanischen Institutionen wird die Diskussion mit der Regierung Putin weitergeführt. Sie wären überrascht zu hören, welche Namen hierbei auftauchen, aber es geschieht.

Nur wenn die Vereinigten Staaten dieses Potential realisieren und mit Rußland zu einer Vereinbarung kommen, die auch auf China und Indien ausgedehnt werden muß, besteht die Möglichkeit einer Initiative, um die Entwicklung vom Untergang weg in Richtung auf eine Wende zu einem neuen System zu lenken. Daß bedeutet nicht, daß jetzt vier Mächte die Welt regieren sollen; es ist aber eine initiierende Kraft erforderlich, an der sich die Nationen dieser Welt orientieren können. Es braucht eine Autorität, um die sich andere versammeln können, um dann zu sagen: „Ich will auch mitmachen.“ Man kann auch die Vereinten Nationen einsetzen, so wie Roosevelt sie als Instrument vorgesehen hatte, um auf der Welt ein System wirklich souveräner Nationalstaaten zu schaffen.

Unser heutiges Problem begann mit dem Tode Roosevelts. Alle anderen Fragen sind Irreführungen, die oft von Leuten in die Welt gesetzt werden, die uns von den wirklichen Problemen ablenken wollen.

Ein öffentliches Kreditsystem schaffen

Hier taucht nun ein spezielles Problem auf, bei dem ich ein wenig technisch werden muß, aber das ist nötig: Es ist kein Weg vorstellbar, auf dem das zwischen den Nationen oder auch innerhalb einzelner Nationen bestehende Währungs- und Finanzsystem gerettet werden könnte. Der Bankrott innerhalb des bestehenden Finanzsystems ist soweit fortgeschritten, daß es unmöglich ist, auch nur Teile davon im Rahmen des Systems zu refinanzieren. Es gibt nur eines zu tun, und daraus ergibt sich das einzige, was funktionieren kann: Das gesamte internationale Währungs- und Finanzsystem muß für bankrott erklärt werden.

Technisch läßt sich das leicht ausführen. Da alle Bereiche derart ineinander verflochten sind, gibt es gar keine einzelnen nationalen Währungs- und Finanzsysteme mehr. Den Banken der Vereinigten Staaten, den Banken Europas gehört nichts mehr. Sie werden von den Hedgefonds kontrolliert. Die Hedgefonds haben die Banken wie ihre Privattoilette benutzt, die sie ab und zu für ihre Notdurft aufsuchen. Die Banken selbst haben keinerlei Ressourcen mehr. Es geht nicht darum, sich darauf zu einigen, wie viele Cents der Dollar noch wert ist. Es gibt im Rahmen des Systems keine Reform, die funktionieren würde. Wenn es schon nicht auf nationaler Basis funktioniert, funktioniert es auch nicht im System insgesamt. Die Monetaristen können alle entlassen werden, wir brauchen sie nicht mehr. Tatsächlich wäre es gut, wenn wir sie alle loswerden könnten!

Wir müssen uns auf ein völlig neues Weltsystem vorbereiten, und das wird nur mit bestimmten Schritten gehen. Die Lösung sieht folgendermaßen aus: Mein neuer Gesetzesvorschlag zum Schutz von nicht nur mit Hypotheken überschuldeten Privathaushalten, sondern aller Haushalte, und von rechtmäßigen Banken –­ die ihr Geschäft damit betreiben, daß sie Spareinlagen verwalten und Kredite vergeben – muß umgesetzt werden. Wir brauchen diese Banken, weil Städte und Gemeinden sie brauchen. Ohne die Banken läuft in den Kommunen nichts. Deshalb müssen solche Banken, selbst wenn sie bankrott sind, im Rahmen dieses Gesetzes geschützt werden.

Außerdem: Kein Hausbesitzer darf wegen gerichtlicher Vollstreckung einer Hypothek aus seinem Haus vertrieben werden. Wird es Verhandlungen darüber geben? Nein! Über nichts wird verhandelt werden. Das ganze Bündel von Hypothekenpapieren wird einfach zu einem riesengroßen Paket zusammengefaßt und „eingefroren“. Die Regierung unterstellt alles der Konkursverwaltung und wird dafür sorgen, daß es so bleibt. Es wird dafür gesorgt, daß die Hausbesitzer jeden Monat an ihre Bank einen bestimmten Betrag entrichten, aber sie bleiben in ihrem Haus wohnen. Es wird nicht versucht, das Konto auszugleichen, da man weiß, daß der Wert der Hypotheken auf einen Bruchteil ihres jetzigen Nennwerts zusammenschrumpfen wird. Deshalb wird jeder Versuch, Abschreibungen auf einige der Hypotheken vorzunehmen oder Teile davon freizukaufen, nicht funktionieren. Wir wissen heute nicht, wo der wirkliche Wert dieser Hypotheken liegt –­ wahrscheinlich irgendwo dort weit unten!

Was unbedingt verhindert werden muß, ist besonders eine Unterbrechung der US-Wirtschaftstätigkeit. Wie verhindert man aber eine Unterbrechung? Man friert die Hypotheken ein! Man tut das gleiche wie bei einem Firmenkonkurs: Man schützt sie durch die Konkursverwaltung, man friert die Schulden ein.

Dafür ist die Regierung zuständig. Die Bundesregierung hat die Aufgabe, irgendwann in der Zukunft all das Chaos neu zu ordnen. Bis dahin bleibt alles eingefroren. Die Menschen bleiben in ihren Wohnungen; sie zahlen für ihre Hypothek einen angemessenen Betrag entsprechend einer Miete auf ein Bankkonto. Die Hypothek selbst aber bleibt unangetastet in der Bank. Es wird nicht versucht, sie neu zu verhandeln.

Anders gesagt, es wird versucht, eine Brandmauer gegen die bereits in Gang gekommene Kettenreaktion einzuziehen. Das gleiche muß auch in anderen Bereichen geschehen. Wir empfehlen den europäischen und anderen Regierungen nachdrücklich, genauso vorzugehen. Denn es ist die Aufgabe der Regierungen, die schädlichen Faktoren des jetzigen Systems aus dem wirtschaftlichen und sozialen Leben der Bürger ihrer Nationen zu eliminieren. Man muß diese Probleme neutralisieren und sie in einen Käfig sperren – wie ein kleines Eichhörnchen, das dann im Käfig so schnell, wie es will, in seinem Laufrad herumwirbelt, aber es bleibt in seinem Käfig. So wird der Übergang zu einem neuen System gelingen.

Wir werden das bisherige Währungssystem verlassen, das nur den Imperien diente, und wir werden ein öffentliches Kreditsystem schaffen, so wie es in der amerikanischen Verfassung vorgesehen ist. Denn in der US-Verfassung heißt es: „Wir sind nicht Eigentum von Banken. Wir sind nicht Eigentum von Bankiers. Wir sind die Eigentümer der Bankiers.“ In unserer Verfassung ist vorgesehen, daß die Bundesregierung für das Drucken oder die Inumlaufbringung von Geld bzw. das Versprechen, geschöpftes Geld in Umlauf zu bringen, zuständig ist. Die Bundesstaaten haben keine Befugnis, Geld in Umlauf zu bringen. Nur die Bundesregierung ist dazu befugt und braucht dazu die Zustimmung des Repräsentantenhauses.

Die Inumlaufbringung von Geld nach diesen Vorgaben erfolgt in einem Kreditsystem, nicht in einem monetären System. Die Regierung bringt in Abhängigkeit von einem entsprechenden Betrag, dem der Kongreß zugestimmt hat, Geld oder Kredit in Umlauf. Der Kongreß stimmt über ein Gesetz ab; und die Regierung darf dann die entsprechende Menge Geldes in Umlauf bringen, mit dem die Staatsverschuldung der Vereinigten Staaten belastet wird.

Damit lassen sich viele notwendige Dinge finanzieren, aber eigentlich geschieht dadurch etwas viel Grundsätzlicheres. Man setzt das so geschaffene Geld als Kredit vorrangig für die umfassende Infrastrukturentwicklung ein. Denn die Infrastruktur, an der es derzeit in den Vereinigten Staaten und Europa so mangelt, ist vor allem eine Angelegenheit des öffentlichen Sektors: Kraftwerke, Nahverkehrssysteme, das Gesundheitswesen usw. Diese Dinge sind für alle Teile der Bevölkerung wesentlich. Auf alle diese Einrichtungen sind wir angewiesen, und deshalb fließen Kredite dorthin.

Kredite werden vergeben, um die Infrastruktur in Gang zu halten. Und wenn man darangeht, die Infrastruktur zu verbessern, kommt auch die übrige Wirtschaft in Schwung, die ja einen Beitrag zum Aufbau der Infrastruktur leistet.

Es werden also Kredite an Firmen vergeben, die dabei mitwirken; womit wir bei der Privatwirtschaft wären. Es werden Firmen herangezogen, die diese oder jene Einrichtung versorgen, diese oder jene Aufgabe erledigen. Durch den zukünftigen Infrastrukturausbau wird so in den Kommunen die Geschäftstätigkeit angeregt. Das muß in einer Weise geschehen, daß das Verhältnis zwischen öffentlichem und privatem Sektor im Gleichgewicht bleibt.

Betrachten wir jetzt ein weiteres Problem: Die gleitenden Wechselkurse der Währungen. Bei gleitenden Wechselkursen lassen sich die Preise im Kreditwesen nicht kontrollieren. Denn wenn die Währung, mit der man es zu tun hat, wertmäßig gegenüber der eigenen Währung sinkt, wie will man das auf seine Zinsforderungen umrechnen? Bei gleitenden Wechselkursen in einer schrumpfenden Wirtschaft entsteht einerseits eine erhöhte Nachfrage nach billigen Krediten, andererseits ist dem privaten Sektor oder der Zentralbank die Möglichkeit verwehrt, diese bereitzustellen.

Es gilt also, eine globale Entwicklung unter einem internationalen Währungssystem mit festen Wechselkursen in Gang zu setzen. Das bedeutet im wesentlichen, daß man versuchen muß, die Währungen auf ihrem augenblicklichen relativen Wertniveau einzufrieren. Man friert sie einfach ein.

Hier kommt das öffentlich-rechtliche Kreditsystem ins Spiel. Wie schafft man ein öffentlich-rechtliches Kreditsystem? Offensichtlich brauchen Länder wie China, Rußland, die Vereinigten Staaten und andere Nationen viele Güter. Das bedeutet, man ist stark auf den Handel mit Gütern angewiesen, und wenn dadurch die Kreditvergabe über die Landesgrenzen zunimmt, brauchen wir ein Währungssystem mit festen Wechselkursen. Wie will man ansonsten die Höhe der Zinsraten für mittel- bis langfristige Anleihen festlegen?

Soll dann ein internationales Kreditsystem auf einem monetären System basieren? Nein, denn das monetäre System war von Anfang an eine schlechte Idee, es hat nicht besonders gut funktioniert. Wir müssen davon weg kommen.

Es müssen wieder langfristige Verträge geschlossen werden können. Darunter verstehe ich Laufzeiten von mindestens 25 oder 50 Jahren. Die Regierungen der Welt müssen wieder langfristige Vereinbarungen in Form von Handels- und anderen Verträgen in einem System fester Wechselkurse eingehen können; und anstatt zu versuchen, das System durch gleitende Wechselkurse im Gleichgewicht zu halten, sollte man das System dadurch ausbalancieren, daß die Güterpreise in einem kontrollierten Rahmen gleiten.

Das Problem hierbei ist, daß solche Maßnahmen sofort ergriffen werden müssen. Eine Gruppe von Nationen muß unmittelbar – d.h. innerhalb von Wochen – zusammengebracht werden, denn das System kracht. Es ist am Ende. Das System fällt ins Bodenlose. Entweder stoppt man die Krise mit den von mir angedeuteten Methoden, oder sie läßt sich überhaupt nicht stoppen. Und sehr bald würde die Welt etwas Schlimmeres als Deutschland 1923 erleben.

Es gibt keine rationale Alternative. Entweder man handelt so, oder das Schlimmste wird uns widerfahren.

Regierungen werden nur dabei mitmachen, wenn sie merken, daß sie keine andere Wahl haben. Einige Regierungen sind klinisch verrückt, und werden sich der Sache nicht anschließen. Um so wichtiger ist es, ein stabiles System zu errichten, auf das sich eine wachsende Zahl von Nationen einigt, die sich der Liste jener anschließen, die der Vereinbarung beitreten. Es muß auch versucht werden, die Vereinten Nationen so zu reformieren, daß sie eine Funktion in Übereinstimmung mit dieser Art Vereinbarung spielen kann.

In jedem Fall brauchen wir einen Übergang von einem monetären System zu einem Kreditsystem. Und das muß umgehend und sauber geschehen, denn schon ein oder zwei Wochen Chaos könnten unser Land zerstören – das darf nicht geschehen. Deswegen muß eine Brandmauer errichtet werden. Das Gesetz zum Schutz der Hausbesitzer und Banken ist eine solche Brandmauer, denn der Immobilienmarkt bedeutet eine Bedrohung für das Bankensystem und das gesamte System. Deswegen müssen die beiden entscheidenden Elemente des Wirtschaftssystems geschützt werden; ansonsten haben wir keine Überlebenschance!

Ich habe zwei Arten von Brandmauern erwähnt. Die erste ist der Gesetzesvorschlag; eine solche Brandmauer ist nach amerikanischem Recht absolut wirksam. Es ist nur ein einziges Gesetz nötig, das nicht komplizierter ist, als ich es geschrieben habe.

Es ist aber noch eine weitere Brandmauer erforderlich, die den Übergang von dem jetzt existierenden Finanzsystem zu dem neu zu installierenden regelt. Dazu ist ebenfalls eine Brandmauer in Form von Vertragsvereinbarungen zwischen einer Gruppe mächtiger Nationen erforderlich. Anders gesagt, wenn sich die mächtigen Nationen der Welt darin einig sind, daß etwas geschützt werden müsse, kann es auch geschützt werden. So entsteht eine Brandmauer. Die Nationen werden sich in dieser Frage gegenseitig unterstützen und verteidigen, wenn sie wissen, daß ihr eigenes Interesse auf dem Spiel steht.

Die Brandmauer muß das Verlassen des Systems des Kalten Krieges und der Globalisierung absichern, die beide gescheitert sind. Wir müssen sie mit einem Schlag einfach abschaffen.

Die Teile des Systems lassen sich nicht einfach nacheinander reformieren. Wir brauchen eine Brandmauer, um die Seuche einzudämmen. Und man muß sicher sein, daß die Brandmauer von einem genügend starken Trupp Feuerwehrmännern gestützt und gehalten wird. Es ist empfehlenswert, daß die Feuerwehrleute aus mächtigen Regierungen bestehen, die sich darauf einigen, ihre gegenseitigen Interessen zu schützen – genauso wie es im Westfälischen Frieden vorgesehen war: Das Interesse des anderen. Die Nationen wissen, daß sie zur Hölle fahren, wenn sich nicht gegenseitig schützen. Bereits die Leute, die den Westfälischen Frieden nach dem Dreißigjährigen Krieg verfaßten, wußten: Sie müssen sich schützen, sie müssen das Interesse des anderen obenan stellen! Der Westfälische Frieden war die wirksamste Brandmauer, auf die die gesamte europäische Zivilisation seither angewiesen war. Das Äquivalent davon ist heute wieder nötig: Brandmauern!

Vor allem müssen wir die Menschen darüber aufklären, daß es dazu keine Alternative gibt. Das Schiff sinkt: Stopfen wir das Leck oder verlassen wir das Schiff! Versuche niemand, noch den nächsten Ballsaal (auf der Titanic) zu erreichen.

Hier geht es um ein Prinzip, das nicht ganz einfach ist: Die meisten formalen, mathematischen Wirtschaftsprognosesysteme sind Schrott. Ein guter Ökonom ist nicht vollständig auf Zahlen angewiesen. Ein guter Ökonom schaut immer hinter die Zahlen, auf die dahinterstehende Realität. Er traut den Finanzzahlen nicht; deswegen glaube man nie einem Buchhalter. Man bediene sich des Buchhalters, aber man glaube nie, was er berichtet. Man braucht seine Zahlen und seine Arbeit, aber man muß selbst entscheiden, was sie wirklich bedeuten.

Zudem befinden wir uns bereits in einer nachindustriellen Wirtschaftsordnung – nicht so sehr physisch, sondern ideologisch. Betrachtet man sich Deutschland oder andere Länder, so sind deren Regierungen alle bereits ideologisch nachindustriell orientiert. Sie nehmen die Wirklichkeit gar nicht mehr wahr. Sie mögen die Realität nicht! Sie steht ihnen im Wege. Am besten würden sie die Realität ignorieren, wenn sie es könnten. Auch die Bevölkerung denkt so: Wenn die Realität an die Tür pocht, wird man sie zu verscheuchen suchen.

Wenn ich als Ökonom die heutige Realität betrachte, ergibt sich das Problem, daß die Gesellschaft in dieser Frage verrückt geworden ist. Man nehme das Beispiel Myron Scholes, der hierfür eine gute Zielscheibe abgibt. Er war der berühmte Ökonom, der als Mathematiker für den Hedgefonds LTCM tätig war. Er richtete ein Chaos an, und tut das bis heute. Das gesamte Geschäft der Hedgefonds, alle diese Leute, arbeiten nach den gleichen mathematischen Formeln. Und jede einzelne dieser Formeln ist vollkommen inkompetent und wild. Sie erinnern an John von Neumann, und der war ein Spinner. Er war Mathematiker, er war kein Wissenschaftler.

Diese Leute glauben daran, daß es irgendein Gesetz gebe, das aufgrund einer mathematischen Formel die Preise diktiert. Ein solches Gesetz gibt es nicht. Kein Ökonom glaubt das. Jeder kompetente Ökonom beschäftigt sich mit der physischen Realität und überlegt sich die physischen Folgen einer bestimmten Politik oder eines bestimmten Trends. Er schaut nicht auf die Preisbewegungen als solche, nicht auf John von Neumanns verrücktes System, das von vielen benutzt wird.

Der andere Aspekt, wo die Leute versagen, sind die Trends. Sie glauben an statistische Trends, in Begriffen kartesischer mathematischer Systeme in einem mechanisch-statistischen Universum. Sie stellen sich Körper vor, die im leeren Raum herumfliegen. Der „leere Raum“ ist ihr eigener Kopf. Sie stellen sich diese Objekte, diese Kugeln vor, und verfolgen ihre Bahn in diesem leeren Raum, und sie gehen davon aus, daß man einen zukünftigen Zustand innerhalb dieses kartesischen Vakuums anhand eines gegenwärtigen statistischen Trends vorhersagen kann, indem man ihn extrapoliert. Und wo Leute wie Myron Scholes & Co. in große Nöte geraten – und sie haben es trotz der Lehren von 1998 noch nicht aufgegeben! – ist dies: Sie glauben alle, sie stünden in einem Wettlauf um die richtige mathematische Formel! Aber wenn man diese mathematische Formel so anwendet wie sie, ist das so, als setzten beim Pferderennen ganz viele Leute auf dasselbe Pferd. Wenn sie daneben liegen, was sie wahrscheinlich tun, werden sie alles verlieren. Das ist mit den Hedgefonds passiert. Alle benutzen gleichartige Formeln: die Mathematik, die Myron Scholes verwendet, und damit schaffen sie ein System, das in sich zusammenbricht. Sie werden alles verlieren. Jetzt gibt es eine Massenkarambolage der Hedgefonds, sie sind hoffnungslos bankrott. Es gibt keine Nettoguthaben im Bereich der Hedgefonds. Sie fordern, daß man ihnen aushilft und ihnen Geld gibt, wie Bettler auf der Straße. Und sie stützen sich alle darauf, etwas in die Zukunft zu projizieren wie bei der Vorhersage der Flugbahn einer Kugel im leeren Raum - ein mechanistisch-statistisches System.

Reale Volkswirtschaften laufen nicht so ab. Sie laufen nach physikalischen Gesetzen ab, wie jeder weiß, der sich mit Produktion auskennt: Gewinn durch Anwendung der Technik oder der innere Zusammenhang zwischen Infrastruktur und Produktivität bei der Industrie - solche Dinge. Reale, physische Faktoren. Und es gibt eine Methode, sich damit wissenschaftlich zu befassen. Im alten Griechenland nannte man das dynamis. In der neuzeitlichen Gesellschaft nennen wir es seit Leibniz Dynamik.

Die Art der Dynamik, die man braucht, um eine Volkswirtschaft zu verstehen, ist die Riemannsche Dynamik. Das heißt: Wir sind in einem Universum, in dem jegliche a-priori-Annahmen, Sätze oder Definitionen verrückt sind. Sie sind falsch, rein willkürlich. Trotzdem hat das Universum, in dem wir leben, gewisse Gesetze, die universell sind. Ein Beispiel ist die Gravitation. Diese Gesetze definieren ein Universum, das nicht kartesisch ist; es ist nicht nach allen Seiten offen und unbegrenzt. Es gibt bestimmte Dinge in diesem Universum, die es begrenzen, wie Hüllen, die das Universum umschließen und als Hülle sämtliche Teile des Universums prägen. So wie die Gravitation, wie Kepler sie definierte und wie später Einstein und Riemann sie definierten. Das ist ein Prinzip der Dynamik.

Der Unterschied zwischen Mensch und Affe etwa ist ein solches universelles Prinzip. Der Mensch ist kreativ. Die Menschheit hat die Fähigkeit, die potentielle Bevölkerungsdichte ihrer Spezies selbst zu erhöhen! Das kann kein Tier. Deshalb ist das ein Prinzip, das die Menschheit von allen Tieren unterscheidet. Solche Prinzipien begrenzen das Universum.

Wenn wir ein Stromnetz oder irgend etwas anderes an Infrastruktur in eine Volkswirtschaft einführen, schaffen wir eine Grenzbedingung, die den Raum, in dem wir agieren, enthält.

Deshalb bestimmt man wirtschaftlichen Wert nicht mit statistischen, kartesischen Methoden. Wer Erfolg haben will, bestimmt den Wert in einer Volkswirtschaft anhand der Prinzipien, die die fragliche Wirtschaft begrenzen. Wie man eine Volkswirtschaft anlegt, welche Technologien man entwickelt und wie man sie anwendet, das alles ist die Wirkung der physikalischen Prinzipien des Universums, soweit man sie bisher kennt. Man versteht, was man bisher getan hat, und das prägt die Art und Weise, wie man sich nun verhält. Man kann das Ergebnis voraussehen, weil man entsprechend denkt.

Genau aus diesem Grund hatte ich als Prognostiker mehr Erfolg als jeder andere. Denn in der Wirtschaftswissenschaft haben sonst Leute das Sagen, die Buchhaltung für die Grundlage für Vorhersagen halten. Sie glauben, man könne mit kartesischen, mechanistischen Methoden Trends voraussagen. Dann sagen sie uns: „Die Fundamentaldaten der Wirtschaft sind gesund.“ Wenn Ihnen jemand das sagt, während die Wirtschaft gerade zusammenbricht, was soll daran „gesund“ sein? Wir sind auf der Titanic, mein Freund, und die sinkt gerade!

Das ist das Problem, mit dem wir es hier zu tun haben. Wir müssen unser Denken ändern und von dem heute vorherrschenden Denken wegkommen – zurück zu dem, was viele Ökonomen früher fast instinktiv verstanden. Es geht um eine Realwirtschaft. Man überlegt sich, welche Folgen Veränderungen in der physischen Struktur der Volkswirtschaft haben werden – wie die Menschen real leben – solche Dinge. Man denkt darüber nach, wie es auf die Zukunft der Menschheit wirken wird, nicht bloß an Statistik. Auf der Grundlage dieses Wissens prüft man bestimmte Dinge, überlegt es sich, und man findet Lösungen, die zumindest gute Annäherungen sind. Später merkt man dann, daß eine gute Annäherung nicht reicht, also forscht man weiter und versucht herauszufinden, welches Prinzip da wirkt.

Darum geht es, wenn man heute erfolgreich Wirtschaftswissenschaft betreiben will. Heutzutage wird an keiner Universität eine kompetente Wirtschaftstheorie gelehrt. Dennoch wissen wir viel über Volkswirtschaften in physikalischer Hinsicht. Wir können sehr gute mittel- bis langfristige Abschätzungen machen. Und wenn man weiß, was man getan hat und wie man es sich vorgestellt hat, und wenn es dann nicht so herauskommt, wie man gedacht hatte, dann kann man sich erneut damit befassen und schauen, wie man den Irrtum beheben kann.

Wir gehen also heran wie ein Naturwissenschaftler: Man probiert viel aus, und man benutzt viele schon bekannte Einsichten. Und weil wir verstehen, was wir in der Vergangenheit getan haben, treffen wir gute Entscheidungen. Wenn man dagegen als Statistiker herangeht und versucht, alles mit von Neumanns und Morgensterns Methoden vorherzusagen, ist das reinste Inkompetenz.

Den Gedanken, es gäbe im Universum irgendein mathematisches Gesetz, das den Wert von Geld bestimmt, müssen wir aufgeben. Das gibt es nicht. Wir können Systeme entwerfen, in denen man Prioritäten setzt - Prioritäten für langfristige Investitionen, für die Steuerung von Währungen, Preisregulierung und faire Handelsbedingungen -, die uns eine gute Annäherung liefern. Und wenn man dann jemand hat, der das genau verfolgt und sicherstellt, daß alles so läuft, wie wir es uns vorgestellt hatten, kann man gute Arbeit leisten. Das ist dann gute Wirtschaftswissenschaft.

Aber um Volkswirtschaft wirklich zu verstehen, muß man sich mit Bernhard Riemann beschäftigen und Werke von Leuten wie Wernadskij lesen, die wichtige, neue Dinge verstanden haben, und dann beginnt man solches Denken auf die Erfolge oder Mißerfolge unserer Volkswirtschaften anzuwenden. So mache ich es.

Nun sind wir an dem Punkt, wo die Veränderung notwendig ist. Vergessen Sie alle üblichen Gewohnheiten, die bisher als akzeptabel oder fachmännisch galten. Die Experten haben diesen Riesenfehler, diesen Zusammenbruch verschuldet. Fragt sie nicht nach ihrer Meinung, was sie vielleicht falsch gemacht haben. Sie haben alles falsch gemacht. Alle Regierungen der Welt haben große Fehler gemacht. China scheint erfolgreich, aber ich weiß, daß man dort ein paar schwere Fehler gemacht hat. Indien scheint erfolgreich, aber die Armut in Indien ist größer als zuvor. Sie haben dort Fehler gemacht, was u.a. mit dem Kastenwesen zusammenhängt. Europa hat Fehler gemacht, die USA haben Fehler gemacht.

Es geht also um eine gute, wissenschaftliche Annäherung. Die Wissenschaft hat nie die letzte Antwort. Sie liefert uns nur eine immer bessere Annäherung an den mutmaßlichen Bereich von Prinzipien. Solange wir uns immer darin erinnern, wie wir zu bestimmten Schlußfolgerungen gelangt sind, und bereit sind, sie zu überprüfen, wenn die Experimente nahelegen, daß es an der Zeit für eine neue Sichtweise ist, dann funktioniert das. Wir müssen aber von all den Annahmen, die in der Gesellschaft heute gelehrt und geglaubt werden, wegkommen - vor allem weg von der Idee der nachindustriellen Gesellschaft. Wir brauchen diese Veränderung.

Das erfordert Mut. Man braucht Mut wie ein Kommandeur im Krieg. Man muß Entscheidungen treffen. Man muß bedenken, was die Folgen sind, wenn man falsch entscheidet. Trotzdem muß die Entscheidung fallen. In dieser Weise müssen wir von jetzt ab denken. Wenn wir nicht Brandmauern errichten, statt nur herumzudoktern, wenn wir das Schuldensystem nicht einfrieren und sicherstellen, daß lebensnotwendige Dinge ohne Unterbrechung weiterlaufen, dann werden wir es nicht schaffen! Das wäre das Ende der Zivilisation, wie wir sie kennen.

Sicher, dann käme in ein paar Generationen jemand und würde wieder anfangen und neu aufbauen. Aber die Zivilisation, wie wir lebenden Generationen sie kennen, wird sehr bald aufhören zu existieren, wenn wir uns nicht grundlegend ändern. Und ich kann Ihnen mindestens einige gute Einsichten liefern, woran wir dabei denken müssen.

 

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