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Aus der Neuen Solidarität Nr. 19/2008

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Widerstand gegen den Vertrag von Lissabon: Europas Bürger wachen auf!

Just nachdem Angela Merkel für ihr Engagement für den Vertrag von Lissabon mit dem Aachener Karlspreis ausgezeichnet wurde, zeigt sich, daß es bei der Inkraftsetzung große Schwierigkeiten geben wird.

Gerade hatte es noch Freudensprünge bei den Befürwortern des Lissabon-Vertrags gegeben, nachdem die Parlamente in drei Ländern - Portugal, Dänemark und Deutschland - am 23. und 24. April den Vertrag ratifiziert hatten, zeitlich genau richtig für Angela Merkel, die am 1. Mai wegen ihres Einsatzes für den Vertrag den Aachener Karlspreis verliehen bekam. Dennoch war der Internetseite der deutschen Bundesregierung am 28. April zu entnehmen, daß man froh sei, wenn man die Ratifizierung vor den Europawahlen im Juni 2009 geschafft habe, also sichtbar nach dem ursprünglich angestrebten Datum 31. Dezember 2008. Aus bundespolitischen Kreisen war denn auch auf Nachfrage zu erfahren, daß es möglicherweise wegen der zahlreichen Rechtsverfahren in Deutschland selbst und in anderen EU-Ländern wie Frankreich, Österreich, Tschechien zu Verzögerungen bei der Inkraftsetzung  des Lissabon-Vertrags kommen könnte. Denkbar sei aber auch, daß einige Staaten, vor allem die großen der EU, bereits am 1. Januar 2009 mit dem „Lissaboner Europa“ anfingen, während einige kleine Staaten sich etwas mehr Zeit lassen dürften.

Der eigentliche Grund für die plötzliche Änderung im „Lissabon-Terminkalender“ ist jedoch, daß der Widerstand in der Bevölkerung wächst, sichtbar zum Beispiel in Irland, wo eine am 27. April veröffentlichte Umfrage einen Schock unter Vertragsbefürwortern auslöste. Es zeigte sich, daß die Zahl der Iren, die am 12. Juni im Referendum definitiv mit „Nein“ stimmen wollen, auf 31 Prozent angewachsen, die der Unterstützer des Vertrags von Ende März bis Ende April jedoch von 43 auf 35 Prozent abgestürzt ist. Und neben anderen Protesten hat sich die „Mittwochsdemo-Bewegung“ entwickelt, die mittlerweile, mit Schwerpunkt Frankreich, in etwa 30 Städten mehrerer EU-Länder Woche für Woche gegen den Lissabon-Vertrag bei jedem Wetter auf die Straße geht. Zusammen mit den bereits erwähnten Rechtsklagen baut sich gewaltiger Druck auf, den die Regierungen fürchten müssen, weil ohnehin die wirtschaftlichen Probleme der EU zunehmen und die Politik der EU-Kommission ständig neue politische und soziale Konflikte schafft, um die sich weiteres Protestpotential entwickelt. Zum Beispiel im Bereich der Nahrungsmittelversorgung.

Gewisse, um London gruppierte marktradikale Kräfte sehen in der jetzt entstandenen Notlage auf den Lebensmittelmärkten eine Chance, unter dem irreführenden Slogan „senkt die Kosten“ die Propagandatrommel für den totalen Abbau der Agrarsubventionen in der EU zu schlagen. Das soll in Europa endlich freies Feld für die großen globalen Handelskartelle schaffen.

Im Einklang mit den Deregulierungsplänen der Welthandelsorganisation WTO setzen sich besonders die britische Regierung und deren Handelskommissar in Brüssel, Peter Mandelson, dafür ein, spätestens im kommenden Jahrzehnt die traditionelle Agrarpolitik der EU einzustampfen, weil angeblich die Versorgung über den „freien“ Weltmarkt billiger für die europäischen Verbraucher und einträglicher für die Bauern in den Entwicklungsländern sei. Dies nun trifft auf heftigen Widerstand der Agrarminister Frankreichs und Deutschlands, Michel Barnier und Horst Seehofer, die dagegen mit dem richtigen Argument angehen, gerade weil die Weltnahrungsmittellage so kritisch sei, müsse man vielmehr die Produktion auch in Europa ausweiten, und dazu gehörten Subventionen an die Landwirte, die unter den Bedingungen des freien Marktes kein kalkulierbares, ausreichend hohes Einkommen erzielen könnten. Barnier weist darauf hin, daß  die Weltbevölkerung bis 2050 auf neun Milliarden Menschen anwachsen werde. Da dürfe man bei den Agrarkapazitäten nicht einsparen, sondern müsse in die Landwirtschaft investieren, um alle diese Menschen zu ernähren. Was übrigens jenen Mandelson betrifft, der sich dieser Tage mit Unterstützung des (selbst auch schon durch die Kommunalwahl lädierten) britischen Premierministers Brown so stark in den Vordergrund drängt: er trägt dazu bei, den Widerstand zumal unter irischen Landwirten gegen das „Brüsseler Europa“ zu verstärken; und nicht zufällig sind die irischen Landwirte ein äußerst aktiver Teil der Bewegung gegen den Lissabon-Vertrag.

Verbunden mit der WTO-Frage ist gleichzeitig ein großer europaweiter Konflikt in der Milchfrage entstanden. Großmarktketten wie ALDI und Molkereien sehen eine Chance, im Windschatten der Brüsseler Subventionsabbau-Kampagne ihrerseits die Milchankaufspreise gegenüber den Bauern um 20-25 Prozent zu drücken, und provozieren damit Protestaktionen in Deutschland, Spanien, Frankreich und anderen EU-Ländern. Wenn Milchviehhalter weniger als 40 Cents pro abgeliefertem Liter Milch erhalten, trägt das die Betriebskosten (Tierfutter, Diesel, Heizöl, Strom, usw.) nicht mehr, die ohnehin in den letzten Wochen aufgrund der Ölpreis- und  Getreidespekulation drastisch angestiegen sind. Aus der Sicht der Landwirte ist das, was da gerade im Gange ist, eine erneute Runde der EU-Kommission zur Zerstörung der Intensivlandwirtschaft in Europa. Deshalb kommt es zu Protestaktionen, die sich in der vergangenen Woche in Deutschland und Spanien erheblich ausgeweitet haben.

Weitere Spannungen lähmen dasselbe Europa, das mit Hilfe des Lissaboner Vertrags angeblich stärker und handlungsfähiger werden soll. Völlig ungeklärt ist nämlich die Frage, wofür eigentlich die Europäische Zentralbank von Nutzen sein soll, wenn sie nicht einmal in der Lage und übrigens auch nicht willens ist, die Inflation in der EU zu bekämpfen. Ansonsten dient sie lediglich als Wachhund der EU-Kommission bei deren Kontrollgängen durch die Haushalte der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten zur Durchsetzung der Maastrichter Kriterien.

Wiederum ist es die französische Regierung, die sich zum Sprecher stärkerer politischer Kontrolle der EZB-Arbeit macht. Schon für das zweite Halbjahr 2008, wenn die Franzosen den Vorsitz in der EU haben, ist Streit um die EZB zu erwarten. Dabei wird Frankreich wahrscheinlich von der neuen italienischen Regierung Berlusconi Unterstützung erhalten. Die hatte sich bereits vor ihrem offiziellen Amtsantritt mit der EU-Kommission angelegt und sich bei der Unterstützung der Fluggesellschaft Alitalia von Brüssel nicht hereinreden lassen.

Andererseits sind es die Vorschläge des französischen Präsidenten Sarkozy zum schnellen Aufbau der EU-Militärmacht unter dem Banner des Lissabon-Vertrages, die zu erheblichen Reibereien mit anderen EU-Regierungen gerade im kommenden „französischen Halbjahr“ Europas führen werden. Da gibt es schon ein großes Problem mit Deutschland, weil Sarkozy und der britische Premierminister Brown sich neulich in London zu einer besonderen Allianz verschworen haben, bei der vor allem herausgestrichen wird, daß Frankreich und England die einzigen Atommächte der EU sind und bleiben wollen. Aus dem „Tisch der großen Drei“ in Europa, von dem Angela Merkel immer träumte, wird also nichts, weil London und Paris die künftige Außenpolitik der EU selbst definieren wollen.

Peinlich für Deutschland ist auch, daß Frankreich und England gleichzeitig die führenden Atomenergiemächte in Europa werden wollen, was um so leichter ist, weil die deutschen Eliten an der Kernkrafttechnik das Interesse verloren haben - ein Trend, der durch die von Merkel tatkräftig geförderte schwarz-grüne Koalition in Hamburg nur noch verstärkt wird. Angesichts der unkontrollierten Spekulation bei den Rohölpreisen steuert die EU in eine schwere Energieversorgungskrise. Die führende europäische Industrienation Deutschland ist in besonderem Maße verwundbar, weil sie sich selbst der Möglichkeit, auf Kernkraft im eigenen Land zurückgreifen zu können, entledigt hat.

Da all diese Probleme mit dem Lissaboner Vertrag, der die Handlungsfreiheit der Bundesregierung völlig beschneidet, noch drastisch zunehmen würden, ist um so mehr Grund gegeben, in den kommenden Wochen dafür zu sorgen, daß dieser Vertrag gar nicht erst in Kraft tritt.

Rainer Apel

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