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Aus der Neuen Solidarität Nr. 25/2008

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Bahnprivatisierung durchgesetzt wie die EU-Verfassung?

Nachdem 2005 die EU-Verfassung am „Nein“ der französischen und holländischen Bürger gescheitert war, verfielen die Brüsseler EU-Kommission und europäische Regierungen, nicht zuletzt die Bundesregierung, in die Haltung „die EU, die EU, die hat immer Recht“ und beeilten sich, die Verfassung unter anderem Namen (Lissaboner Vertrag) ohne Beteiligung der Bevölkerung und ohne ausreichende Information sowohl der Öffentlichkeit als auch der Parlamentarier durchzudrücken, was an sich schon jeder demokratischen Verfassung Hohn spricht. Man kann davon ausgehen, daß bei den bisher in den nationalen Parlamenten der EU stattgefundenen Ratifikationsabstimmungen nur wenige Parlamentarier den Text des Lissaboner Vertrages überhaupt wirklich gelesen hatten.

Diese Methode scheint jedoch im Bundestag nicht unüblich zu sein. Am Freitag, dem 30. Mai, stimmte der Bundestag über die Bahnprivatisierung ab - hieß es. Man mußte allerdings schon etwas genauer hinhören und hinschauen, um festzustellen, worüber eigentlich abgestimmt wurde. Nein, nicht über ein Gesetz, sondern nur über einen von der Koalition eingebrachten Entschließungsantrag, ein Votum, mit dem die oberste Repräsentation des deutschen Souveräns, die Bevölkerung, ihr „Einverständnis“ zur Bahnprivatisierung geben sollte, die von Bundesregierung und Bahnvorstand schon längst ausgehandelt war, wozu zumindest einige Abgeordnete äußerten, sie wollten sich nicht als „Abnicker“ mißbrauchen lassen. In Anlehnung an überwunden geglaubte politische Formen könnte man auch von einer Art „Huldigungsgeste“ an die für die Bahnprivatisierung Verantwortlichen der Koalition inklusive Bahnchef Mehdorn sprechen.

Aber es kam noch doller. In dem „abzunickenden“ Entschließungsantrag stand unter Punkt 4: „In einem Beteiligungsvertrag des Bundes mit der DB AG wird die oben beschriebene Struktur einschließlich der Beteiligung Dritter [d.h. die Privatisierung] geregelt“. Nun sollte man meinen, wenn die „zu beschließende“ Privatisierung in dem angeführten Beteiligungsvertrag genauer festgelegt ist, dann sollte man als Abgeordneter auch diesen Beteiligungsvertrag kennen, der abgesegnet werden soll. Aber, weit gefehlt: Der Beteiligungsvertrag lag den Abgeordneten noch gar nicht vor, sondern wurde ihnen nach Aussage des FDP-Abgeordneten Patrick Döring erst einige Stunden nach der Abstimmung „zugeleitet“!

Als einige Abgeordnete und Journalisten am darauffolgenden Wochenende den Beteiligungsvertrag genauer unter die Lupe nahmen, stellten sie zu ihrer Überraschung (und Empörung) fest, daß er die Möglichkeit beinhaltete, die Privatisierung, zumindest in Teilaspekten, zu weit mehr als den der Öffentlichkeit verkündeten 24,9%, nämlich zu 49,9% (!) durchzuführen!

Als diese Information in Berlin die Runde machte, beeilte sich das Verkehrsministerium, den Beteiligungsvertrag noch vor der nächsten Sitzung des Verkehrsausschusses dahingehend zu ändern, daß die 49,9%ige Privatisierung unmöglich gemacht und statt dessen ein 100%iges Staatseigentum festgeschrieben wurde.

Aber, das ist (natürlich) nicht das Ende der Geschichte. Zwar waren jetzt die Kritiker der SPD-Linken zufriedengestellt, aber nun grollte von der CDU Protestdonner, denn die Koalitionspartner hatten sich (zusammen mit der Bahn AG) ursprünglich gemeinsam auf den fragwürdigen Beteiligungsvertrag geeinigt, und ein Vertrag kann nicht einseitig von einem der Partner geändert werden. Vertragsrechtlich stimmt das. Aber heißt das, daß die versuchte Täuschung der Öffentlichkeit und des Parlaments in Ordnung war?

Daß es sich um eine sehr „heiße Kartoffel“ handelte, konnte man bei den zwei Tage später (Freitag, den 6.Juni) stattfindenden, (nichtöffentlichen) Sondersitzungen des Verkehrs- und Haushaltsausschusses feststellen. Einziger Tagesordnungspunkt war der Beteiligungsvertrag. Doch während die Medien zuvor recht munter berichtet hatten, war die Berichterstattung nun sehr dünn. Am ausführlichsten war noch eine Mitteilung des bundestagseignen Pressedienstes heute im bundestag (hib), in der es hieß: „Nach heftiger Kritik der Oppositionsfraktionen haben der Ausschuß für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie der Haushaltsausschuß am Freitagmorgen in Sondersitzungen den Beteiligungsvertrag über die Teilprivatisierung der Verkehrssparte der Deutschen Bahn AG (DB AG) zwischen Bund und DB AG zur Kenntnis genommen... sehen FDP, Grüne und Linke im Beteiligungsvertrag viele Fragen nicht geklärt...“

Mit den Stimmen der Oppositionsfraktionen wurde beschlossen, „in einer Anhörung die Meinung von Experten zum Beteiligungsvertrag einzuholen“, ohne daß jedoch für diese Sitzung ein Termin festgelegt wurde und ohne daß es eine Verpflichtung gäbe, für Bundesregierung und Bahn AG möglicherweise abschlägige Expertenurteile durch eine Neuauflage des Beteiligungsvertrages zu berücksichtigen.

hpm

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Verkehrssysteme für eine Industriegesellschaft
- Neue Solidarität 4/2003
Stoppt die Bahn-Privatisierung
- Neue Solidarität 22-23/2006

 

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